JudikaturJustiz10ObS329/02h

10ObS329/02h – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. April 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Friedrich Stefan (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Peter Schönhofer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Sulejman K*****, vertreten durch Dr. Johann Zivic, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Steiermärkische Gebietskrankenkasse, Josef Pongratz-Platz 1, 8011 Graz, vertreten durch Dr. Helmut Destaller, Dr. Gerald Mader und Dr. Walter Niederbichler, Rechtsanwälte in Graz, wegen Krankengeld, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. Juni 2002, GZ 8 Rs 37/02a-28, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 26. September 2001, GZ 41 Cgs 344/00v-20, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger bezog vor dem 1. 6. 1994 Arbeitslosengeld, vom 1. 6. bis 3. 7. 1994 Krankengeld und vom 4. 7. bis 10. 7. 1994 wiederum eine Arbeitslosenunterstützung. Die beklagte Partei anerkannte nachträglich die Arbeitsunfähigkeit des in Österreich pflichtversicherten Klägers infolge Krankheit für die Zeit vom 11. 7. 1994 bis 7. 8. 1994 und erkannte dem Kläger Krankengeld zu. Der Kläger wurde zur Erledigung bestimmter Hilfsarbeitertätigkeiten auf einer Baustelle für die Zeit vom 8. 8. 1994 bis 11. 8. 1994 vom Personalbereitstellungsunternehmen S***** OEG als Hilfsarbeiter eingestellt, wobei er im genannten Zeitraum unter anderem zur Anfertigung von Alu-Schalungen auf dieser Baustelle auch eingesetzt wurde. Die mit "Werkvertrag" überschriebene schriftliche Regelung sah eine Dauer des Vertragsverhältnisses vom 8. 8. bis 11. 8. 1994 vor. Nach Beendigung dieses Vertragsverhältnisses am 11. 8. 1994 kehrte der Kläger am 12. 8. 1994 - an diesem Tag lief das Visum des Klägers ab - ohne entsprechende Information und vorherige Einholung der Zustimmung der beklagten Partei auf Dauer in seinen Heimatort nach Bosnien zurück. Dort ließ er sich wegen seiner gesundheitlichen Probleme noch am 12. 8. 1994 von einer Ärztekommission in der Krankenanstalt Velika Kladusa untersuchen. Aufgrund der festgestellten Diagnosen wurde der Kläger zunächst ab 12. 8. 1994 bis 2. 9. 1994 krank geschrieben. Dieser Krankenstand wurde nach jeweiligen ärztlichen Kontrolluntersuchungen in der Folge monatlich bis schließlich 18. 4. 1996 verlängert. Ab Beginn des Krankenstands am 12. 8. 1994 und während dessen Dauer beantragte der Kläger bei der Krankenversicherungsanstalt Una-Sana Kanton Bihac, Bezirksstelle Velika Kladusa, in Bosnien-Herzegowina die Gewährung und Auszahlung von Krankengeld. Ihm wurde kein Krankengeld ausbezahlt. Die Anträge des Klägers auf Gewährung und Auszahlung von Krankengeld für die Zeit ab 12. 8. 1994 wurden vom zuständigen bosnischen Versicherungsträger nicht an die beklagte Partei weitergeleitet. Die beklagte Partei wurde bis zur klagsgegenständlichen Antragstellung vom zuständigen bosnischen Versicherungsträger auch nicht von der ab 12. 8. 1994 bestehenden Arbeitsunfähigkeit des Klägers infolge Krankheit informiert.

Im Laufe des Jahres 1995 wurden die vom Personalbereitstellungsunternehmen S***** OEG und ihren Arbeitnehmern abgeschlossenen "Werkverträge" im Zuge einer Überprüfung durch die beklagte Partei nicht als Werkverträge anerkannt, sondern als versicherungspflichtige Dienstverhältnisse qualifiziert, sodass das Unternehmen für die bei ihm mit "Werkvertrag" beschäftigen Arbeitnehmer entsprechende Nachzahlungen an die beklagte Partei entrichten musste. Dem Kläger wurde davon keine Mitteilung gemacht. Mit Bescheid vom 16. 10. 2000 sprach die beklagte Partei aus, dass dem Kläger aus seiner ab 12. 8. 1994 geltend gemachten Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit Krankengeld wegen Verfalls des Leistungsanspruchs im Sinn des § 102 ASVG nicht gebühre. Der Antrag des Klägers vom 21. 12. 1998 auf Auszahlung von Krankengeld wurde abgewiesen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger das Krankengeld in gesetzlicher Höhe über den 7. 8. 1994 hinaus bis 11. 1. 1996 zu bezahlen, ab. Der Kläger habe seine Arbeitstätigkeit durch eine Beschäftigung bei der Firma Strommer wieder aufgenommen, sodass seine Arbeitsunfähigkeit unterbrochen worden und ein neuer Antrag auf Gewährung von Krankengeld erforderlich gewesen sei. Die Antragstellung in Bosnien habe gemäß Art 41 Abs 3 AbkSozSi-Jugoslawien die im § 102 Abs 1 ASVG normierte Frist zur Geltendmachung des Anspruchs auf Krankengeld ab dem 12. 8. 1994 gewahrt. Der Kläger sei zum Zeitpunkt seiner Einreise nach Bosnien arbeitsfähig und pflichtversichert gewesen, sodass nach dem Abkommen grundsätzlich ein Anspruch auf die in den Rechtsvorschriften des anderen Vertragsstaates vorgesehenen Leistungen bestanden habe. Nach Art 11 Abs 2 des Abkommens bleibe bei Nichtvorliegen eines Leistungsanspruchs im Zuzugsstaat ein allenfalls im Herkunftsstaat noch bestehender Leistungsanspruch für einen nach den Rechtsvorschriften des Herkunftsstaates vorgesehenen Zeitraum gewahrt. Die Schutzfrist betrage gemäß § 122 Abs 2 Z 2 ASVG 21 Tage. Trete innerhalb der Schutzfrist der Versicherungsfall ein, erbringe der Versicherungsträger des neuen Wohnortes Sach- und Geldleistungen gemäß Art 12 Abs 3 bis 5 des Abkommens. Gemäß Art 12 Abs 2 des Abkommens behalte eine Person, die zu Lasten des Versicherungsträgers anspruchsberechtigt sei und in dessen Gebiet wohne, den Anspruch, wenn sie ihren Wohnort in das Gebiet des anderen Vertragsstaates verlege. Vor dem Wohnortwechsel müsse sie die Zustimmung des zuständigen Versicherungsträgers einholen. Diese Zustimmung zur Wohnsitzverlegung habe der Kläger jedoch nicht eingeholt, weshalb er den Anspruch verloren habe. Selbst im Fall des Zurechtbestehens hätte das Krankengeld nur bis 12. 12. 1995 zuerkannt werden können. Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichts infolge Berufung des Klägers, der die Abänderung im Sinne des Zuspruchs von Krankengeld für die Zeit vom 12. 8. 1994 bis 12. 12. 1995 in der Höhe von 219.248.64 S in eventu in gesetzlicher Höhe beantragt hatte, auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurück. Der Kläger gehe nunmehr selbst von einem neuen Versicherungsfall aus und begehre Krankengeld für den Zeitraum vom 12. 8. 1994 bis 12. 12. 1995. Da der Kläger am 12. 8. 1994 seinen Wohnsitz dauerhaft nach Bosnien verlegt habe und am selben Tag vom bosnischen Krankenversicherungsträger krank geschrieben worden sei, der ihn in der Folge der ärztlichen Kontrolle unterstellt habe, habe der Kläger entsprechend dem Art 41 Abs 3 AbkSozSi-Jugoslawien rechtswirksam den Antrag auf Krankengeld stellen können. Die Präklusivfrist des § 102 Abs 1 ASVG sei unabhängig davon, ob der Antrag an die beklagte Partei übermittelt worden sei, gewahrt worden. Auch wenn die Weiterleitung unterblieben sei, sei doch die abkommensgemäße Krankenkontrolle durchgeführt worden. Aus der Sicht des bosnischen Krankenversicherers sei daher der Versicherungsfall im Gebiet von Bosnien eingetreten. Der Kläger sei am 12. 8. 1994, einem Freitag, krank geschrieben worden. Seine versicherungspflichtige Arbeitstätigkeit habe am 11. 8. 1994 durch Zeitablauf geendet. Es liege daher ein sogenannter Schutzfristfall gemäß § 122 Abs 2 Z 2 ASVG vor, wobei allerdings die Bestimmung des § 122 Abs 4 ASVG über die Nichtgewährung von Leistungen bei Auslandsaufenthalt aufgrund des Art 5 des Abkommens nicht zur Anwendung komme. Ungeachtet des Umstandes, ob eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers vor oder nach der Einreise in Bosnien eingetreten sei, könne die Bestimmung des Art 12 Abs 2 des Abkommens nur so interpretiert werden, dass sich diese lediglich auf Sachleistungsansprüche beziehe, nicht aber auf Geldleistungen wie das Krankengeld, weil die Beibehaltung der Ansprüche auf Geldleistungen bei einem Wohnortwechsel in Art 5 Abs 1 des Abkommens als lex specialis geregelt sei. Damit scheide aber ein Anspruchsverlust wegen Nichteinholung der Zustimmung jedenfalls aus. Ausgehend davon, dass ein sogenannter Schutzfristfall vorliege und der Kläger rechtzeitig den Antrag gestellt habe, wäre daher grundsätzlich ein Anspruch des Klägers auf Krankengeld bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 122 Abs 2 Z 2 ASVG gegeben. Für eine abschließende Beurteilung fehlten allerdings noch wesentliche Feststellungen. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zuzulassen gewesen, weil keine gesicherte Judikatur dazu bestehe, ob bei Beendigung eines Dienstverhältnisses durch Zeitablauf eine am nächsten Tag eingetretene Arbeitsunfähigkeit einen Schutzfristfall gemäß § 122 Abs 2 Z 2 ASVG auslöse oder aber § 122 Abs 1 lit b ASVG zur Anwendung gelange und ob Art 12 Abs 2 AbkSozSi-Jugoslawien lediglich auf Sachleistungen, nicht aber auf Geldleistungen anzuwenden sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der beklagten Partei.

Der Kläger beantragt in seiner Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist gemäß der im vorliegenden Fall noch anzuwendenden §§ 46 f ASGG unabhängig davon, ob die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage erheblicher Bedeutung abhängt (§ 46 Abs 1 ASGG), zulässig, weil es sich beim strittigen Anspruch auf Krankengeld um eine wiederkehrende Leistung handelt (SSV-NF 2/47 ua) und gemäß § 47 Abs 2 im Verfahren über wiederkehrende Leistungen in Sozialrechtssachen der Rekurs an den Obersten Gerichtshof auch bei Fehlen der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 zulässig ist. Die Rekurswerberin macht zusammengefasst geltend, wenn das Berufungsgericht von der unzutreffenden Feststellung ausgehe, der Kläger habe am 12. 8. 1994 seinen Wohnsitz dauerhaft nach Bosnien verlegt, wäre entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes gemäß Art 12 Abs 2 AbkSozSi-Jugoslawien die Zustimmung der beklagten Partei zur Verlegung des Wohnsitzes notwendig gewesen, wenn der Versicherungsfall vor der Verlegung des Wohnortes eingetreten sei. Für Versicherungsfälle, die nach dem Wohnortwechsel eintreten, sei Art 13 Abs 1 des Abkommens maßgebend. Der Kläger gehe jedoch in seiner Berufung von einem neuen Versicherungsfall ab 12. 8. 1994 aus. Dies würde bedeuten, dass mangels eines im Abkommen geregelten Tatbestands - die Art 11, 12 und 13 des Abkommens fänden nicht Anwendung - § 122 Abs 4 ASVG anzuwenden sei, wonach Leistungen nicht gewährt werden, wenn sich die betreffende Person ins Ausland begebe. Sei von einem bloß vorübergehenden Aufenthalt des Klägers auszugehen, käme Art 12 Abs 1 des Abkommens zur Anwendung. Gemäß Art 12 Abs 5 des Abkommens hätte der österreichische Versicherungsträger ausschließlich nach österreichischem Recht über Geldleistungen auch hinsichtlich der Anerkennung von Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit zu entscheiden.

Hiezu wurde erwogen:

Pflichtversicherte sowie aus der Pflichtversicherung ausgeschiedene nach § 122 ASVG Anspruchsberechtigte haben aus dem Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit vom 4. Tag der Arbeitsunfähigkeit an Anspruch auf Krankengeld (§ 138 Abs 1 ASVG). Die genannte Bestimmung ist so zu verstehen, dass der Anspruch auf Krankengeld bereits mit dem Eintritt des Versicherungsfalles entsteht, die Leistung jedoch erst am 4. Tag nach Eintritt des Versicherungsfalls anfällt (SSV-NF 8/36; 10 ObS 217/01m). Der Krankengeldanspruch besteht für ein und denselben Versicherungsfall bis zur Dauer von 26 Wochen, auch wenn während dieser Zeit zu der Krankheit, die die Arbeitsunfähigkeit zuerst verursachte, eine neue Krankheit hinzugetreten ist (§ 139 Abs 1 ASVG in der hier anzuwendenden Fassung vor dem Sozialrechts-Änderungsgesetz 1996, BGBl 1996/411 [§ 564 Abs 1 Z 1 ASVG]). Nach Abs 2 dieser Bestimmung kann die Höchstdauer des Krankengeldanspruches durch die Satzung bis auf 78 Wochen erhöht werden. Die beklagte Partei hat von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht. § 34 der im vorliegenden Fall anzuwendenden Satzung 1983 SozSi, Amtliche Verlautbarung Nr 67/1983, idF der Änderungen SozSi, Amtliche Verlautbarung Nr 34/1986, und SozSi, Amtliche Verlautbarung Nr 56/1993, bestimmt, dass die Kasse als satzungsmäßige Mehrleistung ein Krankengeld bis zur Höchstdauer von 78 Wochen, längstens jedoch bis zum Ende des Kalendermonats, in dem ein Bescheid über die Zuerkennung einer Pension aus einer Pensionsversicherung zugestellt worden ist, diese satzungsmäßige Mehrleistung aber nicht für gemäß § 122 Abs 2 Z 2 ASVG Anspruchsberechtigte gilt.

Entsteht nach Wegfall des Krankengeldanspruchs vor Ablauf der Höchstdauer neuerlich, und zwar innerhalb von 13 Wochen, infolge der Krankheit, für die der weggefallene Krankengeldanspruch bestanden hat, ein Anspruch auf Krankengeld, so werden die Anspruchszeiten für diese Krankheitsfälle zur Festlegung der Höchstdauer zusammengerechnet; die neuerliche mit Arbeitsunfähigkeit verbundene Erkrankung gilt als Fortsetzung der vorausgegangenen Erkrankung (§ 139 Abs 3 ASVG). Liegt ein solcher Fall vor, besteht die im § 138 Abs 1 ASVG normierte Karenzzeit nicht (Binder in Tomandl, SV-System, 15. Erg-Lfg 254). Die Regelung des § 139 Abs 3 ASVG hat, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte, für Schutzfristfälle des § 122 Abs 2 Z 2 ASVG eine weitere Folge. Ist die in der dreiwöchigen Schutzfrist eintretende Arbeitsunfähigkeit nämlich eine "Wiedererkrankung" im Sinne der genannten Bestimmung, so kann - soweit im Zeitpunkt der Ersterkrankung ein Mehrleistungsanspruch bestand - die volle Karenzgeldbezugsdauer bis zu 78 Wochen ausgeschöpft werden (Binder aaO 253).

Der Versicherte hat gemäß § 122 Abs 1 ASVG Anspruch auf die Leistungen der Krankenversicherung, wenn der Versicherungsfall a) während der Versicherung oder b) vor dem auf das Ende der Versicherung nächstfolgenden Arbeitstag eingetreten ist. Für Versicherungsfälle, die nach dem Ende der Versicherung oder nach Ablauf des im Abs 1 lit b bezeichneten Zeitraumes eingetreten sind, sind gemäß § 122 Abs 2 Z 2 ASVG Leistungen an Personen zu gewähren, die innerhalb der letzten 12 Monate vor dem Ausscheiden aus der durch eine Beschäftigung (ein Lehr- oder Ausbildungsverhältnis) begründeten Pflichtversicherung mindestens 26 Wochen oder unmittelbar vorher mindestens 6 Wochen versichert waren und sogleich nach dem Ausscheiden aus der Pflichtversicherung erwerbslos geworden sind, wenn der Versicherungsfall während der Erwerbslosigkeit und binnen drei Wochen nach dem Ausscheiden aus der Pflichtversicherung eintritt. War der Versicherte im Zeitpunkt des Ausscheidens aus der Pflichtversicherung infolge Krankheit arbeitsunfähig, so beginnt die Frist von drei Wochen erst ab dem Erlöschen des Anspruchs auf Krankengeld (Anstaltspflege) zu laufen.

Nach § 122 Abs 4 dritter Satz ASVG werden Leistungen in den Schutzfristfällen des Abs 2 Z 2 dieser Gesetzesstelle nicht gewährt, sobald sich die betreffende Person ins Ausland begibt. Das ASVG kennt mehrere Tatbestände des Ruhens des Anspruchs auf Krankengeld (§ 143 ASVG, § 89 ASVG). Nach § 89 Abs 1 Z 3 ASVG ruhen Geldleistungen in der Krankenversicherung, solange sich der Anspruchsberechtigte im Ausland aufhält. Der Unterschied dieser Regelung zu jener des § 122 Abs 4 dritter Satz ASVG besteht darin, dass im ersten Fall der Anspruch auf Krankengeld bei Auslandsaufenthalt bloß ruht, während er im zweiten Fall erst gar nicht entsteht bzw ein entstandener Leistungsanspruch bei Verlassen des Bundesgebietes beendet wird (Teschner/Widlar, MGA ASVG § 122 Anm 11). Gemäß § 89 Abs 3 ASVG tritt der Ruhensgrund wegen Auslandsaufenthalts nicht ein, wenn durch ein zwischenstaatliches Übereinkommen oder durch eine Verordnung, die der Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrates bedarf, zur Wahrung der Gegenseitigkeit anderes bestimmt wird oder wenn der Versicherungsträger dem Anspruchsberechtigten die Zustimmung zum Auslandsaufenthalt erteilt. Nach § 143 Abs 1 Z 1 ASVG ruht der Anspruch auf Krankengeld, solange die Arbeitsunfähigkeit dem Versicherungsträger nicht gemeldet ist. Dieses Ruhen tritt nicht ein, wenn die Arbeitsunfähigkeit innerhalb einer Woche nach Beginn gemeldet wird. In Fällen, in denen die persönlichen Verhältnisse des Anspruchsberechtigten oder das Vorliegen besonderer Gründe für die nicht rechtzeitige Meldung der Arbeitsunfähigkeit es gerechtfertigt erscheinen lassen, ist das Krankengeld auch für die zurückliegende Zeit zu gewähren (§ 143 Abs 2 ASVG).

Gemäß § 120 Abs 1 Z 2 ASVG tritt der Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit mit dem Beginn der durch die Krankheit herbeigeführten Arbeitsunfähigkeit ein. Aus dieser gesetzlichen Definition ergibt sich bereits, dass zum Eintritt des Versicherungsfalls der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit zur Krankheit selbst der Eintritt der Arbeitsunfähigkeit ("... Beginn der durch eine Krankheit ... herbeigeführten Arbeitsunfähigkeit ...")

erforderlich ist. Die Arbeitsunfähigkeit kann nur beginnen, wenn sie vorher nicht schon bestanden hat (SSV-NF 15/40; vgl Nott, Die Leistungen der Krankenversicherung (ASVG) nach dem Ende der Versicherung, VR 1967, 22 ff und 53 ff [58]). Ob "Arbeitsunfähigkeit" vorliegt, ist eine Rechtsfrage. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs liegt Arbeitsunfähigkeit im Sinn des § 120 Abs 1 Z 2 ASVG vor, wenn der Erkrankte nicht oder doch nur mit der Gefahr, seinen Zustand zu verschlimmern, fähig ist, seiner zuletzt ausgeübten Erwerbstätigkeit nachzugehen. Der Wegfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit ist daher anzunehmen, wenn der Versicherte in der Lage ist, seine arbeitsvertraglich vereinbarte Tätigkeit wieder aufzunehmen, ohne dass dadurch eine Schädigung der Gesundheit oder eine Verschlechterung seines Zustandes zu erwarten ist (SSV-NF 15/40; SSV-NF 5/19 mwN). Solange der Versicherte daher seine arbeitsvertraglich geschuldeten Leistungen erbringt und aus diesem Titel Entgeltansprüche gegen seinen Arbeitgeber besitzt, liegt der Versicherungsfall nicht vor (SSV-NF 8/36). In Schutzfristfällen ist auf die Tätigkeit abzustellen, die Gegenstand des Arbeitsvertrags war, durch den die letzte vor der Schutzfrist liegende Versicherung begründet wurde (SSV-NF 15/40). Fällt - wenn auch bei Weiterbestehen der Krankheit - die Arbeitsunfähigkeit weg, so ist dieser Versicherungsfall beendet. Der neuerliche Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, wenn auch zufolge derselben Krankheit, löst einen neuen Versicherungsfall aus, für den die Voraussetzungen neuerlich zu prüfen sind (SSV-NF 1/35 ua). Es ist nicht mehr strittig, dass durch die Beschäftigung des Klägers vom 8. 8. bis 11. 8. 1994 eine Pflichtversicherung nach dem ASVG begründet wurde und mit der Aufnahme dieser Tätigkeit seine Arbeitsunfähigkeit wegfiel. Die Pflichtversicherung endete am 11. 8. 1994, war doch nach den Feststellungen an diesem Tag - einem Donnerstag - das Beschäftigungsverhältnis und der Anspruch auf das nach Stunden berechnete Entgelt (vgl Beilage 4) beendet (§ 11 Abs 1 ASVG). Nach den von der beklagten Partei bestrittenen Behauptungen des Klägers wurde er am darauffolgenden Arbeitstag (vgl dazu Schrammel in Tomandl, SV-System 5. Erg-Lfg 114 f) wiederum infolge Krankheit arbeitsunfähig. Demnach wäre der Kläger nicht Anspruchsberechtigter nach § 122 Abs 1 lit a oder lit b ASVG, weil die Pflichtversicherung am Donnerstag, dem 11. 8. 1994, um 24 Uhr endete und der Versicherungsfall am nächsten Arbeitstag eingetreten wäre, sondern es läge ein Schutzfristfall nach § 122 Abs 2 Z 2 ASVG vor. Der Kläger, der offensichtlich Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina ist, hat sich am 12. 8. 1994 in seinen Heimatstaat begeben. Es ist daher zu prüfen, ob dieser Auslandsaufenthalt seinen geltend gemachten Anspruch auf Krankengeld berührt. Nach dem Zerfall des früheren Jugoslawien und der Anerkennung der fünf Nachfolgestaaten durch die Staatengemeinschaft und Österreich in den Jahren 1991/1992 wurde auch im Verhältnis zu Bosnien-Herzegowina die Weiteranwendung des mit der früheren Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien geschlossenen Abkommens über Soziale Sicherheit vom 19. 11. 1965, BGBl 1966/289, idF des Zusatzabkommens vom 19. 3. 1979, BGBl 1980/81, und des zweiten Zusatzabkommens vom 11. 5. 1988, BGBl 1989/269, im bisherigen Umfang praktiziert (Siedl/Spiegel, MGA Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht, 38. Lfg "Bosnien" c). Österreich kündigte das weiter angewendete Abkommen zum 30. 9. 1996 (BGBl 1996/347). Da der Kläger Krankengeld für einen Zeitraum beansprucht, in dem das AbkSozSi-Jugoslawien im Verhältnis zu Bosnien-Herzegowina weiter angewendet wurde, haben die Vorinstanzen zutreffend dieses Abkommen der Prüfung zugrunde gelegt.

Nach Art 5 Abs 1 des Abkommens dürfen die Geldleistungen, die nach den Rechtsvorschriften eines Vertragsstaates erworben worden sind, nicht deshalb gekürzt, zum Ruhen gebracht oder entzogen werden, weil der Berechtigte im Gebiet des anderen Vertragsstaates wohnt, soweit in diesem Abkommen nichts anderes bestimmt ist. Für Geldleistungen aus der Krankenversicherung ist nichts anderes bestimmt (siehe Z 4 des Schlussprotokolls zum Abkommen; Siedl/Spiegel aaO 23. Lfg 20 Anm 1 zu Art 5). Der in diesem Artikel geregelte Grundsatz der Gebietsgleichstellung bezieht sich demnach nur auf Geldleistungen, insbesondere für den Bereich der Krankenversicherung, und verpflichtet die Versicherungsträger zur Gewährung der Geldleistungen an die sich im anderen Vertragsstaat aufhaltenden Berechtigten, dh die vom Abkommen (Art 3) erfassten österreichischen und jugoslawischen (bosnischen) Staatsangehörigen (Siedl/Spiegel aaO 23. Lfg 19 Anm 1 zu Art 5).

Für den Bereich der Krankenversicherung bestimmt das Abkommen unter anderem Folgendes:

Begibt sich ein Dienstnehmer aus einem Vertragsstaat in das Gebiet des anderen Vertragsstaates, so kann er nach Art 11 Abs 1 des Abkommens nur dann Anspruch auf die im Krankenversicherungsrecht des Zuzugsstaates vorgesehenen Leistungen erwerben, wenn er drei Bedingungen erfüllt:

a) Er muss bei seiner letzten Einreise in das Gebiet dieses Vertragsstaates arbeitsfähig gewesen sein;

b) er muss nach seiner letzten Einreise in dieses Gebiet pflichtversichert sein;

c) er muss unter Berücksichtigung der in Art 10 vorgesehenen Zusammenrechnung der Zeiten die in den Rechtsvorschriften des Zuzugsstaates bestimmten Voraussetzungen erfüllen.

Erfüllt er diese Voraussetzungen, so wird gleichzeitig ein Anspruch nach dem Recht des Herkunftsstaates vernichtet (Öhlinger in Tomandl [Hrsg], Auslandsberührungen in der Sozialversicherung, Krankenversicherungsrechtliche Probleme bei Auslandsberührung 49 ff [74]). Erfüllt er eine dieser Voraussetzungen nicht, und tritt der Versicherungsfall innerhalb des in den Rechtsvorschriften des Vertragsstaates, in dessen Gebiet er vor dem Wechsel seines Wohnortes zuletzt versichert war, vorgesehenen Zeitraumes ein, so hat er Anspruch auf Leistungen nach diesen Rechtsvorschriften; die Bestimmungen des Art 12 Abs 3 bis 6 finden entsprechend Anwendung (Art 11 Abs 2 des Abkommens). Durch diese Bestimmung wird auf österreichischer Seite die Einschränkung des § 122 Abs 4 ASVG, wonach in den Schutzfristfällen nach § 122 Abs 2 Z 2 und Abs 3 ASVG die Leistungen bei Auslandsaufenthalt nicht zu gewähren sind, für den Fall einer Wohnortverlegung von Österreich nach Jugoslawien (Bosnien-Herzegowina) aufgehoben (vgl SSV-NF 4/48; Siedl/Spiegel aaO

24. Lfg 30 Anm 3 zu Art 11).

Ist eine Person beim Versicherungsträger eines Vertragsstaates versichert und wohnt sie in dessen Gebiet, so erhält sie bei einem vorübergehenden Aufenthalt im Gebiet des anderen Vertragsstaates Leistungen, wenn ihr Zustand sofort ärztliche Betreuung einschließlich Krankenhauspflege erforderlich macht (Art 12 Abs 1 des Abkommens). Unter "Leistungen" im Sinn dieser Bestimmung sind nur Sachleistungen zu verstehen (SSV-NF 4/48; Siedl/Spiegel aaO 23. Lfg 33 Anm 4 zu Art 12). Diese Bestimmung ist ebenso wie Art 13 Abs 1 des Abkommens, der sich schon seinem Wortlaut nach nur auf die Gewährung von Sachleistungen bezieht, für den vorliegenden Fall entgegen der Meinung der Rekurswerberin - nicht von Bedeutung.

Ist eine Person zu Lasten eines Versicherungsträgers eines Vertragsstaates anspruchsberechtigt und wohnt sie in dessen Gebiet, so behält sie diesen Anspruch, wenn sie ihren Wohnort in das Gebiet des anderen Vertragsstaates verlegt. Die Person muss vor dem Wohnortwechsel die Zustimmung des zuständigen Versicherungsträgers einholen. Die Zustimmung zur Rückkehr eines Berechtigten in seinen Herkunftsstaat kann aber nur wegen seines Gesundheitszustandes verweigert werden. Die Zustimmung kann nachträglich erteilt werden, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen und die Zustimmung aus entschuldbaren Gründen nicht vorher eingeholt werden konnte. Für die Leistungen bei Mutterschaft kann die Zustimmung vor Eintritt des Versicherungsfalls erteilt werden (Art 12 Abs 2 des Abkommens). In den vorgenannten Fällen des Art 12 Abs 1 und 2 des Abkommens werden die Sachleistungen von dem Versicherungsträger des Aufenthalts- oder Wohnortes nach den für diesen Versicherungsträger geltenden Rechtsvorschriften (Art 12 Abs 3 des Abkommens) und die Geldleistungen nach den für den zuständigen Versicherungsträger geltenden Rechtsvorschriften gewährt (Art 12 Abs 5 Satz 1 des Abkommens). Diese Geldleistungen können von einem Versicherungsträger des anderen Vertragsstaates für Rechnung des zuständigen Versicherungsträgers nach der Art und Weise gezahlt werden, die in einer Durchführungsvereinbarung festgelegt wird (Art 12 Abs 5 Satz 2 des Abkommens).

Es trifft zwar zu, dass Art 12 Abs 2 des Abkommens nur für Versicherungsfälle gilt, die vor der Verlegung des Wohnortes eingetreten sind. Der Oberste Gerichtshof pflichtet aber der Auffassung des Berfungsgerichts bei, dass sich diese Bestimmung nur auf Sachleistungsansprüche bezieht, weil die Beibehaltung der Ansprüche auf Geldleistungen bei Wohnort im anderen Vertragsstaat bereits im Art 5 Abs 1 des Abkommens geregelt ist. Die Gewährung von Geldleistungen bedarf daher nicht der in dieser Bestimmung geforderten Zustimmung des zuständigen Versicherungsträgers zum Wohnortwechsel (Siedl/Spiegel aaO 23. Lfg Anm 6 zu Art 12). Die fehlende Zustimmung der beklagten Partei zum Wohnortwechsel des Klägers berührt daher den geltend gemachten Krankengeldanspruch nicht. Für diesen ist es aber auch nicht erheblich, ob der Kläger seinen Wohnort auf Dauer verlegte oder nur die Absicht hatte, sich vorübergehend in seinem Heimatstaat aufzuhalten. Da die Pflichtversicherung des Klägers am 11. 8. 1994 endete und er nach der Einreise in seinen Heimatstaat am 12. 8. 1994 nicht pflichtversichert war, kommt schon deshalb Art 11 Abs 1 des Abkommens nicht zur Anwendung. Art 11 Abs 2 des Abkommens ist anzuwenden, wenn sich der Kläger nach Bosnien begab, um dort seinen Wohnort zu begründen (SSV-NF 4/48). Diese Bestimmung erfasst insbesondere den Schutzfristfall des § 122 Abs 2 Z 2 ASVG. Für Geldleistungen aus der Krankenversicherung macht es aber keinen Unterschied, ob der Kläger nur vorübergehend Aufenthalt in seinem Heimatstaat nehmen oder dort seinen Wohnort begründen wollte, weil in beiden Fällen Art 12 Abs 5 maßgebend ist (SSV-NF 4/48).

Auf die zutreffenden und von der Rekurswerberin auch nicht bekämpften Ausführungen des Berufungsgerichts, dass die Antragstellung beim zuständigen bosnischen Versicherungsträger fristenwahrend war, kann verwiesen werden (s auch SSV-NF 4/48).

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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