JudikaturJustiz10ObS312/00f

10ObS312/00f – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. November 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter DI Walter Holzer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Claus Bauer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mag. pharm. Waltraud S*****, Pensionistin, *****, vertreten durch Dr. Johann Buchner und Mag. Ingeborg Haller, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich, 1091 Wien, Spitalgasse 31, vertreten durch Dr. Wolfgang Völkl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Gewährung eines Pensionszuschusses (Streitwert 30.000 S), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 12. Juli 2000, GZ 12 Rs 127/00h-8, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluss des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 23. Februar 2000, GZ 20 Cgs 4/00m-3, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrt mit ihrer beim Erstgericht "als Arbeits- und Sozialgericht" eingebrachten Klage, die beklagte Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich zur Zahlung eines Pensionszuschusses im gesetzlichen Ausmaß bzw im Ausmaß der Richtlinien der beklagten Partei zu verpflichten. Sie sei vom 1. 6. 1952 bis 31. 1. 1981 Mitglied der beklagten Partei in der Abteilung Dienstnehmer gewesen und habe während dieser Zeit Beiträge geleistet. Am 29. 10. 1999 habe sie einen Antrag auf Gewährung des Pensionszuschusses gestellt und auf ihre mehr als 20 Angestelltenjahre und sohin Pensionsbeitragsjahre hingewiesen. Mit Schreiben vom 15. 11. 1999 habe die beklagte Partei diese Pensionsansprüche mit der nach Ansicht der Klägerin unzutreffenden Begründung abgelehnt, dass nach den Richtlinien kein Anspruch bestehe, weil es sich um freiwillige Leistungen aus dem Wohlfahrts- und Unterstützungsfonds handle. Es wäre jedoch gesetz- und sittenwidrig, mehr als 20 Jahre lang Pflichtbeiträge zu fordern und dann keine Leistung zu erbringen. Die beklagte Partei habe zwar den verlangten formellen Bescheid nicht erlassen, doch sei ihr Schreiben vom 15. 11. 1999 als Abweisung der Ansprüche anzusehen.

Die Beklagte beantragte zunächst die "Abweisung" der Klage und erhob die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs. Aus der gesetzlichen Grundlage des Gehaltskassengesetzes 1959, BGBl 254, ergebe sich eindeutig, dass es sich hier nicht um zivilrechtliche, sondern um öffentlich rechtliche Ansprüche handle, über die mit Bescheid zu entscheiden sei. Selbst wenn die ordentlichen Gerichte zur Entscheidung über diesen Antrag berufen wären, falle die Angelegenheit nicht in die Kompetenz der Arbeits- und Sozialgerichte. Insbesondere handle es sich nicht um eine der im § 65 ASGG aufgezählten Sozialrechtssachen. Das angerufene Gericht sei daher sachlich und örtlich unzuständig. Überdies liege entschiedene Sache vor, weil die beklagte Partei einen gleichen Antrag der Klägerin bereits im Jahr 1997 abgelehnt habe. Der Anspruch auf Pensionszuschuss bestehe auch materiell nicht zu Recht.

Das Erstgericht wies die vorliegende Klage zurück. Die Leistungen aus dem Wohlfahrts- und Unterstützungsfonds der beklagten Partei, wozu auch der begehrte Pensionszuschuss gehöre, seien gemäß Art III der Richtlinien für die Gewährung von Zuwendungen (nach § 35 GehKG) freiwilliger Natur und hätten reinen Unterstützungscharakter; auf sie bestehe kein Rechtsanspruch. Voraussetzung für die sachliche Zuständigkeit der Arbeits- und Sozialgerichtes sei gemäß § 65 Abs 1 ASGG ein Rechtsanspruch auf eine Versicherungsleistung gegen einen österreichischen Sozialversicherungsträger. Einen solchen stelle die beklagte Partei nicht dar. Außerdem seien freiwillige Leistungen, deren Gewährung im Ermessen des Versicherungsträgers liege, keine Sozialrechtssachen. Das Gericht dürfe weder den Inhalt noch das Ergebnis des Ermessensgebrauches des Versicherungsträgers überprüfen und das Ermessen nicht selbst ausüben. Dazu komme, dass der Versicherungsträger über freiwillige Leistungen nicht mit Bescheid abzusprechen habe, sodass eine Klagevoraussetzung nicht gegeben und auch eine Säumnisklage nicht zulässig sei. Mangels Vorliegens einer die sachliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes begründenden Leistungssache sei der Rechtsweg unzulässig; allenfalls liege eine Verwaltungssache vor.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin Folge. Es hob den angefochtenen Beschluss auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens auf. Der eingeklagte Anspruch sei zwar nicht als Sozialrechtssache im Sinne des § 65 Abs 1 ASGG einzuordnen, tatsächlich liege aber eine Arbeitsrechtssache im Sinne des § 50 Abs 1 Z 6 ASGG vor. Der Anspruch stütze sich nach den Klagebehauptungen auf § 35 GehKG, nämlich auf die Gewährung von Zuwendungen aus dem u.

a. durch Mitgliedsbeiträge gestützten Wohlfahrts- und Unterstützungsfonds. Dieses Begehren sei als Streitigkeit über Ansprüche gegen die Gehaltskasse auf Zahlung der nach dem GehKG 1959 gebührenden Bezüge auszulegen, da im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung ein weiter Begriff der "Bezüge" zu Grunde zu legen sei. Die Einwände der beklagten Partei, dass die Klägerin keinen Rechtsanspruch auf einen Pensionszuschuss habe, seien hier nicht zu berücksichtigen, sondern der materiellen Prüfung des Begehrens vorbehalten. Auch der Einwand, bei den Zuwendungen handle es sich um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch, der im Verwaltungsweg zu entscheiden sei, sei unzutreffend: Im GehKG fehle bezüglich dieser Zuwendungen ein ausdrücklicher Hinweis auf eine Erledigung durch Bescheid im Verwaltungsweg. Vielmehr ergebe sich aus § 34 GehKG die Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes. Mangels einer höchstgerichtlichen Rechtsprechung sei der Revisionsrekurs nach § 46 Abs 1 ASGG zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluss von der beklagten Partei erhobene Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die in der angefochtenen Entscheidung enthaltene Begründung ist zutreffend, weshalb auf deren Richtigkeit hingewiesen werden kann (§ 510 Abs 3 iVm § 528a ZPO). Die Argumentation der beklagten Partei, der Rechtsweg sei unzulässig und das angerufene Gericht unzuständig, weil es hier nicht um einen Anspruch gegen die Gehaltskasse auf Zahlung der nach dem GehKG 1959 "gebührenden Bezüge" gehe, worunter nur die Bezüge im Sinne der §§ 11 bis 34 GehKG zu verstehen seien, sondern um einen Anspruch auf "Zuwendungen" im Sinne des § 35 GehKG, ist nicht zielführend.

Die Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich ist nach dem GehKG eine Körperschaft öffentlichen Rechtes und erstreckt ihren Wirkungskreis auf das gesamte Bundesgebiet (§ 1 Abs 1 GehKG). Ihr obliegt unter anderem die Bemessung und Auszahlung der Bezüge (Gehalt, Entlohnung, Familienzulagen, Sonderzahlungen) aller in öffentlichen Apotheken und in Anstaltsapotheken auf Grund eines Dienstvertrages angestellten Pharmazeuten (vertretungsberechtigten Apotheker, Aspiranten und Dispensanten) sowie die Gewährung von Zuwendungen an Pharmazeuten und deren Hinterbliebene (§ 1 Abs 2, § 11 ff GehKG). Der Anspruch der Dienstnehmer auf Entlohnung richtet sich daher nicht mehr gegen den Dienstgeber, sondern unmittelbar gegen die Gehaltskasse. Als Dienstgeber des in einer Apotheke Angestellten ist allerdings nicht die Gehaltskasse, sondern der Eigentümer oder Pächter der Apotheke anzusehen (SZ 6/100, SZ 27/322; vgl SSV-NF 12/147).

Nicht gefolgt werden kann der Auffassung der beklagten Partei, über Ansprüche nach dem GehKG sei mit Bescheid abzusprechen. Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche gegen die Gehaltskasse auf Zahlung der nach dem GehKG gebührenden Bezüge sind vielmehr Arbeitsrechtssachen (§ 50 Abs 1 Z 6 ASGG) und vor den ordentlichen Gerichten auszutragen, die auf Grund des § 34 Abs 1 GehKG bei ihrer Entscheidung nur die von der Gehaltskasse über die Anrechnung von Dienstzeiten und über die Vorrückung in höhere Bezüge (§ 21 Abs 1) und über die Zuerkennung oder Einstellung der Familienzulagen (§ 27 Abs 2) erlassenen rechtskräftigen Bescheide zugrunde zu legen haben. Auch § 37 Abs 1 GehKG zählt jene Bescheide auf, gegen die Berufung eingebracht werden kann (§§ 9, 21 und 37) und die daher der Rechtskraft fähig sind; die Entscheidung über Gewährung von Pensionszuschüssen fällt nicht darunter (vgl SSV-NF 12/147). Das Rekursgericht hat auch zutreffend erkannt, dass die Zuständigkeitsnorm des § 50 Abs 1 Z 6 ASGG nicht eng auszulegen ist und es ausreicht, dass in der Klage behauptet wird, dem Kläger oder der Klägerin stünde ein Anspruch gegen die Gehaltskasse auf eine Leistung nach dem GehKG zu. Ob dieser Anspruch zu Recht besteht, ist im Verfahren materiell zu prüfen. Wäre der Standpunkt der beklagten Partei richtig, bestünde für die Klägerin überhaupt keine Möglichkeit, ihren angeblichen, von der beklagten Partei abgelehnten Anspruch vor irgend einer Instanz geltend zu machen. Die Judikatur, wonach die Zuständigkeit der Gerichte im Rahmen der sukzessiven Kompetenz nur für Begehren auf gesetzliche Pflichtleistungen gegeben ist und der Geltendmachung von Begehren aus sogenannten freiwilligen Leistungen (mangels Bescheiderlassung) das Prozesshindernis der Unzulässigkeit des Rechtswegs entgegensteht (SSV-NF 1/13, 3/68, 3/87, 8/12 ua; RIS-Justiz RS0085543), ist für den vorliegenden Anspruch nicht maßgeblich, weil es sich, wie schon die Vorinstanzen richtig ausgeführt haben, um keinen sozialrechtlichen Anspruch handelt, also hier die Grundsätze der sukzessiven Kompetenz nicht gelten.

Dem Revisionsrekurs ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen (§§ 40, 50 ZPO).