JudikaturJustiz10ObS15/87

10ObS15/87 – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. Juni 1987

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Bauer als weitere Richter sowie Karl-Siegfried Pratscher und Dr. Rudolf Pokorny als fachkundige Laienrichter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Maria H***, Pensionistin, Altschwendt 17, vertreten durch Dr. Karl Wagner, Rechtsanwalt in Schärding, wider die beklagte Partei P*** DER A***, Wien 2., Friedrich

Hillegeist-Straße 1, wegen Ausgleichszulage, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 9. April 1987, GZ. 13 Rs 1041/87-21, womit ihre Berufung gegen das Urteil des Schiedsgerichtes der Sozialversicherung für Oberösterreich in Linz vom 13. November 1986, GZ. 7 a C 159/86-8 (nunmehr 5 Cg S 11/87 des Kreisgerichtes Ried i. I.) zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Dem Berufungsgericht wird die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens über die Berufung unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Mit Urteil des Schiedsgerichtes der Sozialversicherung für Oberösterreich in Linz vom 13.11.1986, GZ 7 a C 159/86-8 (nunmehr 5 Cg S 11/87 des Kreisgerichtes Ried i.I. als Arbeits- und Sozialgericht) wurde das Begehren der Klägerin auf Gewährung einer Ausgleichszulage zur Alterspension abgewiesen. Dieses Urteil wurde an die im Verfahren vor dem Erstgericht unvertretene Klägerin am 4.12.1986 zugestellt.

Am 16.12.1986 beantragte die Klägerin die Bewilligung der Verfahrenshilfe in vollem Umfang zur Erhebung der Berufung gegen dieses Urteil. Das Schiedsgericht der Sozialversicherung für Oberösterreich bewilligte die beantragte Verfahrenshilfe im Umfang des § 64 Abs.1 Z 3 ZPO und mit Bescheid der Rechtsanwaltskammer für Oberösterreich vom 19.12.1986 wurde Dr. Anton-Heinz S*** zum Vertreter der Klägerin bestellt.

Mit Bescheid der Rechtsanwaltskammer für Oberösterreich vom 7.1.1987 wurde Dr. Anton-Heinz S*** als Vertreter der Klägerin enthoben und an seiner Stelle Dr. Karl W*** zum Vertreter der Klägerin bestellt. Die Zustellung des Bestellungsbescheides an Dr. W*** erfolgte am 13.2.1987. Am 13.3.1987 gab Dr. W*** einen an das Schiedsgericht der Sozialversicherung Linz gerichteten Berufungsschriftsatz zur Post. Dieser Schriftsatz wurde vom Landesgericht Linz an das Kreisgericht Ried i.I. als Arbeits- und Sozialgericht weitergeleitet, wo er am 17.3.1987 einlangte. Das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen wies die Berufung als verspätet zurück. Zur Begründung dieser Entscheidung führte es aus, daß es gemäß § 89 GOG wohl für die Einhaltung der Berufungsfrist ausreiche, wenn die Berufung am letzten Tag der Frist zur Post gegeben werde, dies allerdings nur unter der Voraussetzung, daß sie an das richtige Gericht adressiert worden sei; andernfalls entscheide der Tag des tatsächlichen Einlangens beim zuständigen Gericht. Im vorliegenden Fall sei die an das Schiedsgericht Linz adressierte Berufung erst am 17.3.1987 und damit auch ausgehend von einem Fristbeginn per 13.2.1987 (Zustellung des Bestellungsdekretes an den nunmehrigen Vertreter) nach Ablauf von 4 Wochen beim zuständigen Gericht Ried i. I. eingelangt, womit sich eine Erörterung der Frage erübrige, ob durch die Umbestellung des im Rahmen der Verfahrenshilfe bestellten Vertreters ein neuer Fristlauf ausgelöst worden sei. Dem gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs der Klägerin kommt Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Nach ständiger Judikatur bewirkt das infolge Umbestellung herbeigeführte Ausscheiden eines im Rahmen der Verfahrenshilfe bestellten Rechtsanwaltes, daß die noch im Lauf befindliche Rechtsmittelfrist mit der Zustellung des Dekretes über die Bestellung eines anderen Rechtsanwaltes an diesen neu zu laufen beginnt (SZ 44/133; 3 Ob 513/84; AnwBl. 1984, 448; AnwBl. 1987, 296; Fasching IV, 52).

Wie erwähnt erfolgte die Zustellung des Umbestellungsbescheides sowie der Ausfertigung des angefochtenen Urteils an den im Rahmen der Verfahrenshilfe neu bestellten Vertreter Dr. W*** am 13.2.1987; die Berufungsfrist endete daher am 13.3.1987. Der am letzten Tag der Frist zur Post gegebene Berufungsschriftsatz war an das Schiedsgericht Linz adressiert. Nun trifft es wohl zu, daß die Zeit des Postlaufes in die Frist grundsätzlich nur dann nicht eingerechnet wird, wenn die Eingabe an das zuständige Gericht gesandt wird, und daß andernfalls der Tag des tatsächlichen Eingangs beim zuständigen Gericht entscheidet. Hier handelt es sich jedoch um einen besonders gelagerten Fall. Durch das Inkrafttreten des ASGG am 1.1.1987 trat eine Änderung der Gerichtsverfassung ein. Die Schiedsgerichte der Sozialversicherung, die bis 31.12.1986 zur Entscheidung in Leistungsstreitsachen berufen waren, hörten mit Jahresende 1986 zu bestehen auf und die anhängigen Rechtssachen gelten mit diesem Zeitpunkt an die nach den Bestimmungen des ASGG nunmehr zuständigen Gerichte als überwiesen. Im vorliegenden Fall ging die Zuständigkeit nach Fällung und Zustellung des Urteiles erster Instanz durch das Schiedsgericht der Sozialversicherung für Oberösterreich in Linz dementsprechend mit Jahresende auf das Kreisgericht Ried i.I. über. Eine im Jahre 1987 erhobene Berufung wäre daher bei diesem Gericht einzubringen gewesen.

Gemäß § 465 Abs.1 ZPO wird die Berufung durch die Überreichung eines vorbereitenden Schriftsatzes bei dem Prozeßgericht erster Instanz erhoben. Prozeßgericht erster Instanz war jedoch hier das im Zeitpunkt der Erhebung der Berufung nicht mehr existente Schiedsgericht der Sozialversicherung für Oberösterreich in Linz. In dieser besonderen Situation bedürfen die oben dargestellten Grundsätze betreffend die Nichteinrechnung der Zeit des Postlaufes in die Frist einer Modifikation. Wurde während des Laufes der Berufungsfrist das Gericht, das die Entscheidung fällte, aufgelöst und ging die Zuständigkeit auf ein anderes Gericht über, so ist die Berufungsfrist auch dann gewahrt, wenn das Rechtsmittel rechtzeitig an das nach den im Zeitpunkt der Urteilsfällung maßgebenden Vorschriften zuständige Gericht adressiert zur Post gegeben wurde. Fest steht, daß der Vertreter der Klägerin die Berufung innerhalb der durch die Zustellung von Bestellungsdekret und Urteil an ihn ausgelösten Frist an das Schiedsgericht der Sozialversicherung Linz absandte. Damit war, wenn auch die Bezeichnung des Gerichtes nicht genau dem § 370 ASVG (alt) entsprach, die Sendung eindeutig an das vor Inkrafttreten des ASGG zuständige Prozeßgericht adressiert. Damit wurde die Rechtsmittelfrist gewahrt.

Der Kostenvorbehalt stützt sich auf § 52 ZPO.