JudikaturJustiz10Ob63/18i

10Ob63/18i – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. September 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ. Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann, den Hofrat Mag. Ziegelbauer sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D*****, vertreten durch Kinberger Schuberth Fischer Rechtsanwälte GmbH in Zell am See, gegen die beklagte Partei Mag. L*****, Vereinigtes Königreich, vertreten durch Mag. Andreas Nowak, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 24.933,47 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. April 2018, GZ 15 R 36/18a 33, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.647,18 EUR (darin enthalten 274,53 EUR USt und 2,10 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Unter Berufung auf einen Darlehensvertrag im Zusammenhang mit der Teilnahme an einem hierarchisch gegliederten Vertriebssystem zum Direktverkauf von schmerzlindernden Pflastern begehrt der Kläger vom Beklagten 24.933,47 EUR (= umgerechnet 30.324,20 USD) sA. Der Beklagte habe diese Forderung dem Grunde und der Höhe nach auch zugestanden, weshalb das Klagebegehren auch auf den Rechtsgrund des Anerkenntnisses gestützt werde.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Darlehensvaluta seien nicht zugezählt worden, ein Anerkenntnis liege nicht vor.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Es verneinte den Nachweis des Zustandekommens eines Darlehensvertrags und auch das Vorliegen eines konstitutiven Anerkenntnisses, weil der Beklagte nie seinen Willen zu erkennen gegeben habe, einen neuen Rechtsgrund schaffen zu wollen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Ein konstitutives Anerkenntnis liege nicht vor. Den ersten Mitteilungen sei keine Unsicherheit über das Bestehen der Forderung vorausgegangen. Die weiteren Erklärungen des Beklagten stellen nur ein „Vertrösten“ und Begründungen für das bisherige Ausbleiben der Zahlungen dar. Ab dem 21. 2. 2015 habe der Beklagte Einwände gegen das Geschäft auch dem Grunde nach erhoben. Davon, dass der Beklagte durch seine Erklärungen eine bestehende Unsicherheit über den Bestand der Forderung beseitigen und sich unabhängig von bestehenden Zweifel zu den vom Kläger begehrten Zahlungen verpflichten habe wollen, könne keine Rede sein.

Das Berufungsgericht ließ die Revision nachträglich mit der Begründung zu, es bestehe keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dazu, ob Zahlungszusagen auch dann als konstitutives Schuldanerkenntnis zu werten seien, wenn Zweifel lediglich über die Höhe, nicht aber über das Bestehen der Forderung dem Grund nach vorangingen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts – mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung unzulässig.

1.1 Das konstitutive Anerkenntnis ist eine Willenserklärung, die dadurch zustande kommt, dass der Gläubiger seinen Anspruch ernstlich behauptet und der Schuldner die Zweifel am Bestehen des behaupteten Rechts dadurch beseitigt, dass er das Recht zugibt. Ein konstitutives Anerkenntnis ruft das anerkannte Rechtsverhältnis auch für den Fall ins Leben, dass es nicht bestanden haben sollte, und hat somit rechtsgestaltende Wirkung (RIS Justiz RS0032496 [T6, T7, T9]).

1.2 Es besteht bereits Rechtsprechung dahin, dass ein konstitutives Anerkenntnis bloß dem Grund nach vorliegen kann (7 Ob 48/15g; RIS Justiz RS0014276 [T2]). Ein konstitutives Anerkenntnis kann sich aber auch nur auf die Höhe einer Forderung beziehen (RIS Justiz RS0032343). Da auch für ein derartiges Anerkenntnis das einseitige Nachgeben des Schuldners charakteristisch ist, setzt es zumindest die Kenntnis des Schuldners von den Forderungen des Gläubigers bzw deren Höhe voraus (2 Ob 286/06g; RIS Justiz RS0122872).

1.3 Ob ein konstitutives Anerkenntnis (dem Grund und/oder der Höhe nach) vorliegt, ist durch Auslegung des Parteiwillens im Einzelfall zu ermitteln. Dabei gilt die Vertrauenstheorie; es kommt darauf an, welchen Eindruck der Erklärungsempfänger aus dem Verhalten des Erklärenden redlicher Weise gewinnen musste. Maßgeblich sind vor allem die mit dem Anerkenntnis verfolgten Zwecke, die beiderseitigen Interessenlagen und die allgemeine Verkehrsauffassung über die Bedeutung eines solchen Anerkenntnisses (RIS Justiz RS0017965, RS0032666). Je mehr bei den Parteien das Bewusstsein der Unsicherheit der Rechtslage hervortritt, umso eher wird ein konstitutives Anerkenntnis angenommen (RIS Justiz RS0032522). Bloße Vergleichs- oder Bereinigungsbereitschaft soll aber nicht vorschnell als Anerkenntnis gewertet werden (2 Ob 286/06g; 2 Ob 11/71, SZ 44/115).

2.1 Vom „echten“ konstitutiven Anerkenntnis unterscheidet sich das „unechte“ oder deklarative Anerkenntnis dadurch, dass es eine bloße Wissenserklärung ist und keinen neuen Verpflichtungsgrund schafft. Der Schuldner gibt nur bekannt, dass das Recht des Gläubigers „seines Wissens“ nach besteht (RIS Justiz RS0114623; RS0111900); er will aber damit erkennbar keine Rechtsfolgen herbeiführen, sondern nur zum Ausdruck bringen, dass seines Wissens nach das Recht besteht (7 Ob 538/84, SZ 58/29).

2.2 Bei der Abgrenzung von konstitutivem und deklarativem Anerkenntnis sind einer Erklärung iSd § 915 ABGB im Zweifel die weniger weit gehenden Wirkungen des deklarativen Anerkenntnisses zuzuschreiben (RIS Justiz RS0018032).

2.3 Die Beurteilung des Vorliegens eines konstitutiven Anerkenntnisses hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab, die regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO begründen (RIS Justiz RS0044468).

3. Die Entscheidung der Vorinstanzen weicht von den dargelegten Grundsätzen nicht ab. Wenn ausgehend von den Umständen des vorliegenden Falls ein konstitutives Anerkenntnis verneint wurde, bedarf dies keiner Korrektur durch eine gegenteilige Sachentscheidung des Obersten Gerichtshofs. Der Kläger hat nicht nachgewiesen, dass dem (ersten) Schreiben des Beklagten vom 4. 12. 2014 (in dem dieser die Überweisung des vom Kläger genannten Betrags „in Aussicht“ stellte), ein Streit oder Zweifel über den Grund oder die Höhe des Anspruchs vorausgegangen war. Zu einem einseitigen Nachgeben bestand daher kein Anlass, ein solches Nachgeben wäre aber für ein konstitutives Anerkenntnis charakteristisch. Insbesondere aus der schon am nächsten Tag erfolgenden Mitteilung des Beklagten, er werde zahlen, sobald er selbst über das Geld verfüge, ist erkennbar, dass er zuvor nur seine Bereinigungsbereitschaft kundgetan hat, nicht aber eine Schuld unabhängig von ihrem tatsächlichen Bestehen anerkennen habe wollen. Keine Fehlbeurteilung stellt auch die Ansicht des Berufungsgerichts dar, alle weiteren Zusagen des Beklagten seien – vor dem Hintergrund der vorliegenden Umstände für den Kläger erkennbar – als bloßes Vertrösten bzw Hinhalten zu verstehen. Ein konstitutives Anerkenntnis der Höhe der Forderung hätte vorausgesetzt, dass dem Beklagten die Höhe der Forderung bekannt gewesen wäre (2 Ob 286/06g; RIS Justiz RS0122872). Dies war nach den Feststellungen nicht der Fall, weil die Höhe des angeblich „offenen“ Betrags im Zuge der Korrespondenz mehrfach geändert bekannt gegeben wurde. Die Ansicht, aus der festgestellten Korrespondenz lasse sich nicht ableiten, dass der Beklagte unabhängig vom getätigten Rechtsgeschäft einen selbständigen Verpflichtungsgrund (dem Grund oder der Höhe nach) schaffen habe wollen, ist daher jedenfalls vertretbar.

4. Die vom Revisionswerber zitierte Entscheidung 3 Ob 160/11t betrifft einen nicht vergleichbaren Sachverhalt; in diesem Fall wurde eine Willenserklärung in Richtung der Neubegründung einer eigenen Verpflichtung, unabhängig von Verpflichtungen anderer Personen angenommen.

5. Da weder die im Zulassungsausspruch genannte noch die vom Revisionswerber aufgezeigte Rechtsfrage erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufweist, ist die Revision als unzulässig zurückzuweisen.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.