JudikaturDSB

2025-0.911.653 – Datenschutzbehörde Entscheidung

Entscheidung
Datenschutzrecht
07. November 2025

Text

GZ: 2025-0.911.653 vom 7. November 2025 (Verfahrenszahl: DSB-D124.2166/25)

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BESCHEID

SPRUCH

Die Datenschutzbehörde entscheidet über die Datenschutzbeschwerde von Marlene A*** (Beschwerdeführerin) vom 7. August 2025 gegen die N*** Real Estate GmbH (Beschwerdegegnerin), rechtsfreundlich vertreten durch B***-U*** Rechtsanwälte OG, wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung wie folgt:

- Der Beschwerde wird stattgegeben und es wird festgestellt , dass die Beschwerdegegnerin die Beschwerdeführerin dadurch im Recht auf Geheimhaltung verletzt hat, indem sie deren Name und Anschrift ermittelt und diese sodann zwecks möglicher Akquisition einer Liegenschaft per Brief kontaktiert hat.

Rechtsgrundlagen: Art. 6 Abs. 1 lit. f, Art. 51 Abs. 1, Art. 57 Abs. 1 lit. f sowie Art. 77 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung, im Folgenden: DSGVO), ABl. Nr. L 119 vom 4.5.2016 S. 1; §§ 18 Abs. 1 sowie 24 Abs. 1 und Abs. 5 des Datenschutzgesetzes (DSG), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF.

BEGRÜNDUNG

A. Sachverhaltsfeststellungen

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, in dem den Verfahrensparteien die Möglichkeit zur Stellungnahme gewährt wurde, wird der nachfolgende Sachverhalt festgestellt.

1. Bei der Beschwerdegegnerin handelt es sich um eine beim Handelsgericht Wien eingetragene Immobilientreuhänderin.

Beweiswürdigung : Die hierzu getroffene Feststellung beruht auf einem Firmenbuchauszug zur Firmenbuchnummer *4*1*9r sowie auf einem GISA-Auszug, zur GISA Zahl 5*6*4*1* (beide zuletzt abgerufen am 7. November 2025).

2. Die Beschwerdegegnerin hat das österreichische Grundbuch zur Liegenschaft in 1*** Wien, U***straße *42, abgefragt und auf diese Weise die dazugehörigen Kontaktdaten der Beschwerdeführerin in Erfahrung gebracht. Die Daten der Beschwerdeführerin sind einem in der Urkundensammlung zur TZ *7*6/2024 erfassten Einantwortungsbeschluss zu entnehmen. In weiterer Folge hat die Beschwerdegegnerin die aus dem österreichischen Grundbuch erhobenen Daten verwendet, um die Beschwerdeführerin zwecks möglicher Akquise der genannten Liegenschaft einmalig postalisch zu kontaktieren.

Beweiswürdigung : Die getroffenen Feststellungen beruhen auf den insoweit unstrittigen Eingaben der Verfahrensparteien sowie einem Grundbuchsauauszug zur Liegenschaft an der genannten Adresse. Da von keiner Verfahrenspartei vorgebracht wurde, dass weitere Zusendungen per Post an die Beschwerdeführerin gesendet wurden, ist diese Feststellung unstrittig.

3. Die Liegenschaft an der Adresse U***straße *42/*7, 1*** Wien, befindet sich nicht im Eigentum der Beschwerdeführerin und ist Teil eines Verlassenschaftsverfahrens.

Beweiswürdigung : Die hierzu getroffene Feststellung gründet auf dem unstrittigen Vorbringen der Beschwerdeführerin sowie einem Grundbuchsauauszug zur Liegenschaft an der genannten Adresse.

B. Beschwerdegegenstand

Aus dem Parteivorbringen ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob die Beschwerdegegnerin die Beschwerdeführerin dadurch in ihrem Recht auf Geheimhaltung verletzt hat, indem sie personenbezogene Daten, nämlich Name und Adresse der Beschwerdeführerin, aus dem Grundbuch erhoben und diese Daten in weiterer Folge dazu verwendet hat, um die Beschwerdeführerin einmalig postalisch zwecks möglichem Eigentumserwerbs zu kontaktieren.

C. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

Im gegenständlichen Fall handelt es sich um personenbezogene Daten aus dem Grundbuch (Grundbuchauszug), welches nach § 7 Abs. 1 GBG öffentlich zugänglich ist. Die Tatsache, dass es sich beim Grundbuch um ein öffentliches Registerhandelt, bedeutet nach der ständigen Rechtsprechung des OGH aber nur, dass jeder darin - gegen Kostenersatz - Einsicht nehmen und daraus Abschriften erhalten kann, es bedeutet aber nicht, dass die dem Register zu entnehmenden Tatsachen allgemein bekannt oder auch nur gerichtskundig sind (vgl. dazu RIS RS0111112). Insofern kann schon aus diesem Grund nicht schlichtweg von allgemein verfügbaren Daten iSd § 1 Abs. 1 DSG gesprochen werden.

Nach gefestigter Rsp der Datenschutzbehörde ist die ganz generelle Annahme des Nichtvorliegens einer Verletzung schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen für zulässigerweise veröffentlichte Daten nicht mit den Bestimmungen der DSGVO vereinbar (vgl. den Bescheid vom 15. Jänner 2019, GZ DSBD123.527/0004-DSB/2018, im Hinblick auf § 27 Abs. 1 ÄrzteG 1998 sowie den Bescheid vom 31. Oktober 2018, GZ DSB-D123.076/0003-DSB/2018 mwN und das Erkenntnis des BVwG vom 25. Februar 2021, GZ W274 2238717-1).

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass sich die vorliegende Verwendung der personenbezogenen Daten aus dem Grundbuch nicht auf die bloße Reproduktion beschränkt. Sofern zulässigerweise veröffentlichte Daten nicht bloß reproduziert werden, sondern ein neues Element mit diesen Daten verknüpft wird - wie etwa die Schaffung eines informationellen Mehrwerts (vgl. den Bescheid vom 15. Jänner 2019 a.a.O. zur Schaffung einer „Ärzte-Bewertungsplattform“) oder gegenständlich die Verwendung der Daten zur möglichen Akquise von Liegenschaften im Rahmen des Gewerbes als Immobilientreuhänderin -, handelt es sich bei dieser Verknüpfung um eine Verarbeitung gemäß Art. 4 Z 2 DSGVO. Eine solche Verknüpfung bedarf stets eines Erlaubnistatbestandes nach Art. 6, 9 oder 10 DSGVO (vgl. zur Rechtslage nach dem DSG 2000 Kotschy in Jahnel (Hrsg), Datenschutzrecht und E-Government Jahrbuch 2012, 27 [47], wonach durch eine Kombination von öffentlich zugänglichen Daten mit anderen Daten die Zulässigkeit ihrer Verwendung völlig neu zu überprüfen ist).

C.1. In der Sache

Im vorliegenden Fall kommt eine Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung aufgrund überwiegender berechtigter Interessen nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO in Betracht . Dazu ist in Erinnerung zu rufen, dass gegenständlich eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung geltend gemacht wurde, weshalb die Zulässigkeit bzw. die Interessenabwägung nach den Voraussetzungen gemäß § 1 DSG zu überprüfen ist, wobei auch nach Abs. 2 leg. cit. berechtigte Interessen eines anderen als Beschränkung des Geheimhaltungsanspruchs in Frage kommen.

Aufgrund des Umstands, dass die personenbezogenen Daten der Beschwerdeführerin bereits im Grundbuch öffentlich zugänglich sind und es sich dabei offenkundig um keine besonders schutzwürdigen Daten iSv § 1 Abs. 2 zweiter Satz DSG bzw. um sensible Daten iSv Art. 9 Abs. 1 DSGVO und auch um keine strafrechtlich relevanten Daten iSv Art. 10 DSGVO handelt, ist grundsätzlich von einer geringeren Schutzwürdigkeit auszugehen (vgl. dazu etwa die Entscheidung des deutschen BGH vom 23. September 2014 zur GZ VI ZR 358/13 mwN, der je nach Sphäre - etwa „Sozialsphäre“ und „Berufssphäre“ - von einer unterschiedlichen Schutzwürdigkeit ausgeht, wobei diese Überlegungen auch auf Daten übertragbar sind, die der öffentlichen Sphäre zugehörig sind).

Im vorliegenden Fall wurden die personenbezogenen Daten aus einem in der Urkundensammlung des Grundbuchs erfassten Einantwortungsbeschluss erhoben und durch die Beschwerdegegnerin verwendet, um die Beschwerdeführerin einmalig postalisch zu kontaktieren. Eine anderweitige Verwendung der Daten fand - wie festgestellt - nicht statt.

Der Beschwerdegegnerin kommt als Immobilientreuhänderin, das wirtschaftliche Interesse am Erwerb von zu entwickelnden Immobilien im Rahmen ihres Unternehmensgegenstandes zu.

Demgegenüber steht das Interesse der Beschwerdeführerin an der Geheimhaltung ihrer personenbezogenen Daten, sohin daran, dass ihre personenbezogenen Daten nicht zum Zwecke von Anfragen betreffend einen allfälligen Grundstücksverkauf durch die Beschwerdegegnerin verarbeitet werden.

Wie die Datenschutzbehörde mit Bescheid vom 23. April 2019 zur GZ: DSB-D123.626/0006-DSB/2018 festgestellt hat, überwiegen bei bloß einmaliger Kontaktaufnahme zur Ergründung des Verkaufsinteresses einer Liegenschaft die Interessen des Immobilientreuhänders.

Der vorliegende Sachverhalt gestaltet sich jedoch insoweit anders, als dass sich die Liegenschaft , an der die Beschwerdegegnerin ihr Kaufinteresse durch die gegenständliche Zusendung bekundet hat, wie festgestellt nicht im Eigentum der Beschwerdeführerin befindet. Es kommen sohin auch ausschließlich der rechtmäßigen Eigentümerin die Eigentümerbefugnisse des § 362 ABGB, mithin auch die Befugnis zur Veräußerung selber Liegenschaft, zu.

Der EuGH hat zur inhaltlich weitgehend übereinstimmenden Vorgängerbestimmung des Art 6 Abs 1 lit f DSGVO (Art. 7 lit. f DS-RL) ein Prüfschema vorgegeben, wonach die Verarbeitung personenbezogener Daten unter drei kumulativen Voraussetzungen zulässig ist:

1. Vorliegen eines berechtigten Interesses, das von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen oder einem Dritten wahrgenommen wird;

2. Erforderlichkeit der Verarbeitung der personenbezogenen Daten zur Verwirklichung des berechtigten Interesses und

3. kein Überwiegen der Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person.

Im Kern ist eine Abwägung der berührten Interessen im Einzelfall vorzunehmen.

Berechtigte Interessen sind weit zu verstehen. Die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zweck der Direktwerbung kann als eine einem berechtigten Interesse dienende Verarbeitung betrachtet werden.

Der Zweck der - von der Beschwerdegegnerin durchgeführten - Verarbeitung erschöpft sich im Allgemeinen, wie aus dem Vorbringen der Beschwerdegegnerin ersichtlich, in der Kontaktaufnahme mit an einem Verkauf ihrer Liegenschaften interessierten Eigentümern und gegenständlich am Erwerb der Liegenschaft an oben genannter Adresse. Mangels Eigentum an der gegenständlichen Liegenschaft kommen der Beschwerdeführerin in Bezug auf die gegenständliche Liegenschaft jedoch keinerlei Verfügungsbefugnisse zu und ist dieser Umstand für jedermann im Grundbuch ersichtlich. Die bloße Tatsache, dass sich Name und Anschrift der Beschwerdegegnerin in einem Einantwortungsbeschluss - der in der Urkundensammlung zur gegenständlichen Liegenschaft enthalten ist - befinden, vermag hieran nichts zu ändern. Die Beschwerdeführerin kommt schon deshalb nicht als tauglicher Adressat des gegenständlichen Schreibens in Betracht.

Daher ist für die Datenschutzbehörde in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem der betroffenen Person, deren Daten verarbeitet wurden, kein Eigentum an dieser Liegenschaft und keine Verfügungsberechtigung zukommt, keine unbedingte Erforderlichkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten zur Bekanntgabe eines Kaufinteresses an einer Liegenschaft und damit zur Verwirklichung des von der Beschwerdegegnerin wahrgenommenen Interesses ersichtlich (vgl. hierzu das Erkenntnis des VwGH vom 1. Februar 2024, Ro 2021/04/0016-4).

Insgesamt kommt die Datenschutzbehörde daher zu dem Ergebnis, dass aufgrund der durchgeführten Interessenabwägung eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung vorliegt, da die berechtigten Interessen der Beschwerdeführerin gegenüber den Interessen der Beschwerdegegnerin als Immobilientreuhänderin überwiegen (vgl. § 1 Abs. 2 DSG).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.