2024-0.368.729 – Datenschutzbehörde Entscheidung
Text
GZ: 2024-0.368.729 vom 29. Juli 2025 (Verfahrenszahl: DSB-D124.0840/24)
[Anmerkung Bearbeiter/in: Namen und Firmen, Rechtsformen und Produktbezeichnungen, Adressen (inkl. URLs, IP- und E-Mail-Adressen), Aktenzahlen (und dergleichen), statistische Angaben etc., sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Pseudonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
BESCHEID
SPRUCH
Die Datenschutzbehörde entscheidet über die Datenschutzbeschwerde von Oskar A*** (Beschwerdeführer) vom 22. März 2024 gegen den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Klima- und Umweltschutz, Regionen und Wasserwirtschaft (vormals: Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität; Innovation und Technologie; Beschwerdegegner) wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung wie folgt:
- Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Rechtsgrundlagen: Art. 4 Z 1 und Z 2, Art. 6 lit. e und lit. f, Art. 51 Abs. 1, Art. 57 Abs. 1 lit. f sowie Art. 77 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung, im Folgenden: DSGVO), ABl. Nr. L 119 vom 4.5.2016 S. 1; §§ 1, 18 Abs. 1 sowie 24 Abs. 1 und Abs. 5 des Datenschutzgesetzes (DSG), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF; § 11a des Bundesgesetzes über eine nachhaltige Abfallwirtschaft (Abfallwirtschaftsgesetz 2002 – AWG 2002), BGBl. I Nr. 102/2002 idgF, §§ 1, 2, 3, 6 und 9 des Bundesgesetzes über den Zugang zu Informationen über die Umwelt (Umweltinformationsgesetz – UIG) BGBl. Nr. 495/1993 idgF.
BEGRÜNDUNG
A. Vorbringen der Parteien und Verfahrensgang
1. In seiner Beschwerde vom 22. März 2024 behauptete der Beschwerdeführer eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung durch den Beschwerdegegner und brachte dazu - soweit verfahrensrelevant, hier wiedergegeben - Folgendes vor:
Der Beschwerdegegner habe ohne gesetzliche Grundlage die personenbezogenen (Wirtschafts-) Daten, an denen der Beschwerdeführer ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse habe, unter Nennung des Namens des Beschwerdeführers im Internet veröffentlicht. Diese Daten seien zuvor nicht öffentlich zugänglich gewesen. Eine Zustimmung zur Veröffentlichung der Daten unter Nennung seines Namens habe der Beschwerdeführer nie erteilt.
Der Beschwerdeführer sei aufgrund § 11a AWG 2002 verpflichtet, seine quartalsmäßigen Mengen an Lebensmittelabfall und Lebensmittelspenden an den Beschwerdegegner zu übermitteln. Dies erfolge elektronisch über das EDM-Portal. Am 1. März 2024 veröffentlichte der Beschwerdegegner die Daten des Beschwerdeführers unter Angabe seines Namens. Bei der Registrierung im EDM-Portal habe es keinen Hinweis darauf gegeben, dass die Daten samt Name später veröffentlicht werden würden und diese für drei Jahre für jedermann im Internet ersichtlich sein würden. Eine Zustimmung zur Veröffentlichung habe der Beschwerdeführer auch nicht erteilt. Die Daten seien zuvor nicht öffentlich zugänglich gewesen. Es handle sich um wirtschaftlich sensible Daten, da sie aufzeigen würden, mit wie viel Ware im Quartal kein Umsatz erwirtschaftet worden sei. Nun könne jeder weltweit - insbesondere konkurrierende Unternehmen - die wirtschaftliche Entwicklung des Beschwerdeführers mitverfolgen. Weiters könne der Beschwerdeführer kein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit daran erkennen, dass seine quartalsmäßigen Abfall- und Spendendaten unter Nennung seines Namens veröffentlicht werden sollen. Die Daten würden zwar zum Zweck der Verringerung von Lebensmittelverschwendung erhoben werden, aufgrund der von dem Beschwerdegegner gewählten Erhebungsmodalitäten könne aber kein Rückschluss auf die Menge der Verschwendung abgeleitet werden. In den Medien werde der Beschwerdeführer jedoch mitunter als Lebensmittelverschwender dargestellt. Die Veröffentlichung erzeuge damit ein nicht realitätstreues Bild über das Unternehmen des Beschwerdeführers in der Gesellschaft.
§ 11a AWG 2002 sei keine taugliche Grundlage für die verfahrensgegenständliche Verarbeitung. Dem Beschwerdeführer liege ein datenschutzrechtliches Gutachten vor, welches bestätige, dass eine Ermächtigung zur Veröffentlichung der Daten unter Nennung des Namens nicht aus § 11a AWG 2002 abgeleitet werden könne.
Der Beschwerde beigelegt sind:
1) die AGB des EDM-Portals (Beilage 3),
2) die Datenschutzinformation des EDM-Portals (Beilage 4),
3) ein datenschutzrechtliches Gutachten (Beilage 5),
4) ein Musterprotokoll des Registrierungsantrages des EDM-Portal (Beilage 2) und
5) ein Screenshot der Liste mit Namen (Beilage 1).
2. Die Datenschutzbehörde forderte den Beschwerdegegner zur Stellungnahme auf. Mit Schreiben vom 05. April 2024 ersuchte der Beschwerdegegner um Fristerstreckung bis 25. April 2024.
3. In der Stellungnahme vom 25. April 2024 brachte der Beschwerdegegnerzusammengefasst vor, dass es nicht richtig sei, dass sie (zum Zeitpunkt der Einbringung der Beschwerde war Leonore Gewessler Bundesministerin, zum Zeitpunkt der Entscheidung ist Mag. Norbert Totschnig Bundesminister) ohne gesetzliche Grundlage personenbezogene Wirtschaftsdaten veröffentlicht habe. Die Meldung der Daten und deren Veröffentlichung würden auf § 11a AWG 2002 beruhen. Ziel der Bestimmung sei die Vermeidung von Lebensmittelverschwendung und Transparenz zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung. Mit diesem Gesetz würde dieser Lenkungseffekt bezweckt werden.
Im Gesetzestext finde sich kein Hinweis darauf, dass nur aggregierte oder statistische Daten veröffentlicht werden sollen, obwohl der Gesetzgeber eine solche Unterscheidung im AWG 2002 sonst vornehme. Auch könne das Ziel Transparenz mit Lenkungswirkung zur Vermeidung der Lebensmittelverschwendung nicht mit aggregierten Daten erreicht werden.
Darüber hinaus seien die gemeldeten Daten auch als Umweltinformationen iSd Art. 2 Z 1 UI-RL (bzw. § 2 UIG) zu qualifizieren. Nach Art. 7 Abs. 1 UI-RL (bzw. § 9 UIG) habe der Beschwerdegegner als informationspflichtige Stelle Umweltinformationen zur aktiven und systematischen Verarbeitung in der Öffentlichkeit aufzuarbeiten. Der Beschwerdegegner habe nach Art. 3 UI-RL (bzw. §§ 4, 6 UIG) Umweltinformationen auf Anfrage einer Person mitzuteilen. Die Veröffentlichungs- und Mitteilungsschranke nach § 6 Abs. 2 Z 3 UIG sei richtlinienkonform dahin auszulegen, dass die „Vertraulichkeit personenbezogener Daten“ ausschließlich im Hinblick auf natürliche Personen zu prüfen sei. Eine grundsätzliche Erstreckung auf juristische Personen und deren Wirtschaftsdaten könne aus Art. 4 Abs. 2 lit f UI-RL nicht entnommen werden. Generell seien diese Veröffentlichungs- und Mitteilungsschranken eng auszulegen. Die Interessenabwägung würde ergeben, dass die Interessen an der Veröffentlichung der gemeldeten Daten - nämlich Vermeidung der Weitergabe von Lebensmitteln als Abfall - den nicht besonders schutzwürdigen Interessen auf Geheimhaltung überwiegen würden.
Insgesamt sei festzuhalten, dass § 11a AWG 2002 alleine oder iVm § 9 UIG eine geeignete Rechtsgrundlage für die Veröffentlichung der gemeldeten Daten in nicht aggregierte Form darstelle. Es sei korrekt, dass der Beschwerdeführer keine Einwilligung erteilt habe, weil dies nicht notwendig gewesen sei, da die Veröffentlichung zu Erfüllung rechtlicher Verpflichtung erforderlich war.
Weiters liege kein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse iSd § 1 Abs. 1 DSG vor, da die Daten iSd UI-RL „allgemein zugänglich“ seien und es sich um keine Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse handle.
Selbst wenn das Vorliegen eines schutzwürdigen Geheimhaltungsinteresses iSd § 1 Abs. 1 DSG bejaht werden würde, würde die Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 1 Abs. 2 DSG zu Gunsten der Veröffentlichung der gemeldeten Daten in nicht aggregierter Form ausfallen. Das Ziel, Lebensmittel als Abfall im Sinne der Kreislaufwirtschaft als auch im Sinn des Umweltschutzes hintanzuhalten und damit eine Abfall- und CO2-Reduktion herbeizuführen sei ein legitimes Ziel. Das öffentliche Interesse liege im Schutz der Gesundheit und in der Wahrung der Rechte und Freiheiten anderer.
§ 11a AWG 2002 sei eine ausreichend bestimmte Rechtgrundlage. Die ausreichende Bestimmtheit ergebe sich auch aus einem Vergleich der Bestimmung mit anderen Gesetzesgrundlagen, welche vom VfGH und der Datenschutzbehörde bereits als ausreichend bestimmt eingestuft worden wären.
Bei den gemeldeten Daten handle es sich nicht um besonders schutzwürdige Daten und das Missbrauchsrisiko sei gering. In der Rechtsprechung werde vertreten, dass § 1 Abs. 2 DSG abgestufte Anforderungen an die gesetzliche Regelung von Datenerhebung stelle, je nachdem, welche Daten betroffen seien. Wirtschaftsdaten würden einem weitergehenden Gestaltungsspielraum für zulässige Informationseingriffe unterliegen.
Auch sei nochmals zu betonen, dass es sich ausschließlich um große Lebensmitteleinzelhändler und Lebensmittelgroßhändler handle. Diese würde in unterschiedlichen Gesellschaftsformen geführt werden und im Firmenwortlaut teilweise den Namen natürlicher Personen enthalten. Der EuGH habe diesbezüglich ausgesprochen, dass es einer zuständigen nationalen Behörde eine unverhältnismäßige Verwaltungslast aufbürden würde, wenn sie vor der Veröffentlichung von gemeldeten Daten bei jeder juristischen Person prüfen müsse, ob deren Name natürliche Personen bestimme oder nicht. Der EuGH stelle in diesem Zusammenhang auch fest, dass der Schutz personenbezogener Daten bei juristischen Personen von Vornherein ein anderes Gewicht habe als bei natürlichen Personen, da erstere bereits einer erweiterten Verpflichtung zur Veröffentlichung ihrer Daten unterliegen würden.
Schließlich zeige auch die Rechtsprechung der DSB (DSB-2020-0.191.240), dass sogar deutlich umfassendere Eingriffe verhältnismäßig sein können, auch wenn eine juristische Person betroffen sei, die den Namen einer natürlichen Person unmittelbar im Firmenwortlaut enthalten habe.
Die Veröffentlichung der gemeldeten Daten sei - gemessen an dem zugrundeliegenden Anlass, nämlich Lebensmittelverschwendung und Umweltbelastung in Zeiten von Teuerung und Inflation - erforderlich und geeignet. Die Veröffentlichung der gemeldeten Daten stelle auch das gelindeste Mittel zur Zweckerreichung dar und sei auf das absolut Notwendige beschränkt worden.
Die ständige Rechtsprechung des EuGH halte fest, dass das Recht auf Schutz personenbezogener Daten keine uneingeschränkte Geltung beanspruche. Dieses Recht könne Beschränkungen unterworfen werden, wenn diese Beschränkungen tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen der Gemeinschaft entsprechen.
Der gesellschaftliche Mehrwert von § 11a AWG 2002 sei als äußerst gewichtig anzusehen, da die Bestimmung einen wichtigen Beitrag zur Fokussierung auf Maßnahmen zum Klima- und Umweltschutz zeige.
Der potentielle Eingriff stelle im vorliegenden Fall keine schwerwiegende Beschränkung dar. Die Schaffung von Transparenz sei geeignet, eine stärkere öffentliche Kontrolle und Information zu erreichen.
Auch seien dem Beschwerdeführer transparente Informationen über die Veröffentlichung der gemeldeten Daten zur Verfügung gestellt worden. Es sei auch zu einer sorgfältigen Vorbereitung und Abwägung im Vorfeld durch den Beschwerdegegner gekommen.
Der Stellungnahme beigelegt ist ein Rechtsgutachten als Beilage./A.
4. Der Beschwerdeführer brachte in seiner Stellungnahme vom 15. Mai 2024 zusammengefasst vor, der Beschwerdegegner habe am 1. März 2024 die gemeldeten Daten über Lebensmittelabfälle und Lebensmittelspenden unter Angabe seines Vor- und Nachnamens im Internet veröffentlicht. Das EDM-Portal unterliege keinen Zugangsbeschränkungen und die so veröffentlichten Daten sollen auch über Suchmaschinen gefunden werden können. Der Beschwerdegegner betone, dass juristische Personen keinen oder nur einen eingeschränkten Datenschutz genießen würden. Dies sei für den Beschwerdeführer jedenfalls nicht relevant, weil er sein Unternehmen als eingetragener Unternehmer (e.U.) und somit als natürliche Person führe. Auch habe der VfGH bereits ausgesprochen, dass das verfassungsrechtlich gewährleistete Grundrecht auf Datenschutz gemäß § 1 Abs. 1 DSG auch juristische Personen als Grundrechtsträger erfasse. Der VfGH habe in ständiger Rechtsprechung festgehalten, dass auch Wirtschaftsdaten personenbezogene Daten iSd § 1 Abs. 1 DSG seien. Es sei auffällig, dass der Beschwerdegegner in seiner Stellungnahme den Schutz der personenbezogenen Daten des Beschwerdeführers als Unternehmer wiederholt als weniger gewichtig einstufe und ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse an den Daten der meldepflichtigen Unternehmen generell bestritten habe.
Dem Beschwerdegegner zufolge bestehe das Interesse an der öffentlichen Verbreitung der gemeldeten Daten in der Vermeidung von Lebensmittelverschwendung. Aufgrund der gewählten Erhebungsmodalitäten können aber aus den gemeldeten Daten keinerlei Rückschlüsse auf die Menge der verschwendeten Lebensmittel abgeleitet werden. Damit werde eine Prangerwirkung erreicht, die durch eine unreflektierte mediale Berichterstattung noch verstärkt werden würde.
Darüber hinaus enthält die Stellungnahme rechtliche Ausführungen zu folgenden Themen:
1)§ 11a AWG 2002 keine Rechtsgrundlage für die Veröffentlichung der gemeldeten Daten,
2) Keine Veröffentlichung der Namen von meldenden Unternehmer/-innen nach § 9 UIG und
3) Interessenabwägung bei Veröffentlichung personenbezogener Daten.
Der Stellungnahme beigeschlossen ist als Beilage./6 „ Screenshot Liste Namen am 14.05.2024 (Datenstand 08.05.2024) “.
B. Beschwerdegegenstand
Ausgehend vom Beschwerdevorbringen ist Beschwerdegegenstand die Frage, ob der Beschwerdegegner den Beschwerdeführer in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt, indem dieser dessen Name, Anzahl der Verkaufsstellen sowie Gesamtmasse der unentgeltlich abgegebenen Lebensmittel in kg Nettogewicht und Gesamtmasse der Lebensmittel, die als Abfall weitergegeben wurde, in kg Nettogewicht über das Elektronische Datenmanagement Portal „EDM“ veröffentlicht.
C. Sachverhaltsfeststellungen
1. Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen im Firmenbuch eingetragenen Einzelunternehmer im Bereich Lebensmittelhandel.
Beweiswürdigung : Die zu Punkt 1. getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem übereinstimmenden Parteivorbringen und einer amtswegigen Firmenbuchabfrage zur FN *4*1*9 p.
2. Der Beschwerdegegner veröffentlicht auf der Website „edm.gv.at – Lebensmittelweitergabe“ https://edm.gv.at/lmw/#/berichte/oeffentlich (Stand 28. Juli 2025) seit dem vierten Quartal im Jahr 2023 für jedes Quartal folgende Daten des Beschwerdeführers: Name, Anzahl der Verkaufsstellen, Gesamtmasse der unentgeltlich abgegebenen Lebensmitteln in kg Nettogewicht und Gesamtmasse der Lebensmittel, die als Abfall weitergegen wurde in kg Nettogewicht.
Dies stellt sich zBsp für das Q4/2023 auf der Website wie folgt dar (Formatierung nicht 1:1):
[Anmerkung Bearbeiter/in: Der an dieser Stelle im Original als grafische Datei wiedergegebene Screenshot der obigen Website (mehr als 250 Einträge) mit den Beschwerdeführer betreffenden Daten kann mit zumutbarem Aufwand nicht pseudonymisiert werden und wurde daher entfernt.]
Dies stellt sich zBsp für das Q4/2024 auf der Website wie folgt dar (Formatierung nicht 1:1):
[Anmerkung Bearbeiter/in: Der an dieser Stelle im Original als grafische Datei wiedergegebene Screenshot der obigen Website (mehr als 250 Einträge) mit den Beschwerdeführer betreffenden Daten kann mit zumutbarem Aufwand nicht pseudonymisiert werden und wurde daher entfernt.]
Dies stellt sich zBsp für das Q1/2025 auf der Website wie folgt dar (Formatierung nicht 1:1):
[Anmerkung Bearbeiter/in: Der an dieser Stelle im Original als grafische Datei wiedergegebene Screenshot der obigen Website (mehr als 250 Einträge) mit den Beschwerdeführer betreffenden Daten kann mit zumutbarem Aufwand nicht pseudonymisiert werden und wurde daher entfernt.]
Beweiswürdigung: Die zu Punkt 2. getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem unstrittigen Parteivorbringen und einer amtswegigen Recherche unter https://edm.gv.at/lmw/#/berichte/oeffentlich ( Stand 28. Juli 2025 ).
D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
D.1. Zur Qualifikation des Beschwerdeführers
Wie festgestellt handelt es sich beim Beschwerdeführer um einen Einzelunternehmer. Als Einzelunternehmer ist der Beschwerdeführer eine unternehmerisch tätige, natürliche Person ( in 4 § 8 Rz 3 (Stand 1.7.2018, rdb.at) ).
Nach § 1 Abs. 1 DSG hat jedermann Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht.
Als Einzelunternehmer und damit als natürliche Person hat der Beschwerdeführer daher jedenfalls Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten.
D.2. Zum Begriff „personenbezogene Daten“
„Personenbezogene Daten“ gemäß Art. 4 Z 1 DSGVO sind jedenfalls alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen; als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann.
Der Begriff der „Information“ nach Art. 4 Z 1 DSGVO ist grundsätzlich weit zu verstehen und fallen darunter „sowohl im Kontext verwendete persönliche Informationen wie Identifikationsmerkmale (zB Name, Anschrift und Geburtsdatum), äußere Merkmale (wie Geschlecht, Augenfarbe, Größe und Gewicht) oder innere Zustände (zB Meinungen, Motive, Wünsche, Überzeugungen und Werturteile), als auch sachliche Informationen wie etwa Vermögens- und Eigentumsverhältnisse, Kommunikations- und Vertragsbeziehungen und alle sonstigen Beziehungen der betroffenen Person zu Dritten und ihrer Umwelt“ ( Klar/Kühling in Kühling/Buchner , DS-GVO Kommentar (2017), Rz 8 ff. zu Art. 4). Auch Wirtschaftsdaten sind personenbezogene Daten (VfSlg 12.228/1989, 12.880/1991, 16.369/2001).
Wie festgestellt, veröffentlichte der Beschwerdegegner seit dem vierten Quartal im Jahr 2023 für jedes Quartal Name, Anzahl der Verkaufsstellen, Gesamtmasse der unentgeltlich abgegebenen Lebensmittel in kg Nettogewicht und Gesamtmasse der Lebensmittel, die als Abfall weitergegen wurde, in kg Nettogewicht über das Elektronische Datenmanagement Portal „EDM“.
Verfahrensgegenständlich handelt es sich daher folglich um personenbezogene Daten des Beschwerdeführers gemäß Art. 4 Z 1 DSGVO und kann jedenfalls davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer ein schutzwürdiges Interesse an der Geheimhaltung seiner Daten hatte.
D.3. Zum Recht auf Geheimhaltung
Nach § 1 Abs. 1 DSG hat jedermann Anspruchauf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind. Die DSGVO und insbesondere auch die darin verankerten Grundsätze sind zur Auslegung des Rechts auf Geheimhaltung zu berücksichtigen (vgl. den Bescheid der DSB vom 31. Oktober 2018, GZ DSB-D123.076/0003-DSB/2018).
Sowohl Name, als auch die Anzahl der Verkaufsstellen, die Gesamtmasse der unentgeltlich abgegebenen Lebensmittel und die Gesamtmasse der Lebensmittel, welche als Abfall weitergegeben wurden, sind nicht allgemein verfügbar. Allgemein zugänglich sind Informationen, die für jedermann und jederzeit durch persönliche Wahrnehmung festgestellt oder notiert werden können. Dies ist bei den verfahrensgegenständlichen Daten jedenfalls nicht gegeben. Eine Person, die den Verkaufsbereich des Beschwerdeführers betritt, kann nicht wahrnehmen, wieviele Lebensmittel als Spenden weitergegeben werden oder wieviel Abfall konkret verursacht wird.
Als Verarbeitung wird jeder mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführte Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten verstanden wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung (vgl. Art. 4 Z 2 DSGVO).
Die Veröffentlichung von Daten auf einer Website ist jedenfalls als Verarbeitung iSd DSGVO zu qualifizieren.
Für die verfahrensgegenständliche Verarbeitung liegt keine Zustimmung (bzw. in der Terminologie der DSGVO: Einwilligung) des Beschwerdeführers vor und die Verarbeitung erfolgte auch nicht in seinem lebenswichtigen Interesse. Daher ist zu klären, ob die Veröffentlichung der Daten auf der EDM-Plattform als hoheitliche Maßnahme zu qualifizieren ist (VwGH 21.12.2023, Ro 2021/04/0010), also ob der Beschwerdegegner als „staatliche Behörde“ iSd § 1 Abs. 2 DSG auftritt.
Hoheitliche Verwaltung liegt vor, wenn die Verwaltungsorgane mit „imperium“, also unter Einsatz spezifischer staatlicher Befehls- und Zwangsgewalt auftreten. Sie handeln dabei in jenen Rechtssatzformen, die das öffentliche Recht für die Ausübung von behördlichen Befugnissen zur Verfügung stellt (vgl etwa VfGH 3.3.2001, KI-2/99).
Verfahrensgegenständlich beruft sich der Beschwerdegegner u.a. auf § 11a AWG 2002 als gesetzliche Grundlage für die Datenverarbeitung. Die Erhebung und Veröffentlichung dieser Daten setzt staatliche Befehls- und Zwangsgewalt voraus.So sieht das AWG 2002 in § 79 Abs. 3 Z 1 bei einem Verstoß gegen § 11a eine Verwaltungsstrafe vor .
Demnach liegt im konkreten Fall Hoheitsverwaltung und nicht Privatwirtschaftsverwaltung vor.
Damit scheidet der Erlaubnistatbestand der überwiegenden berechtigten Interessen aus, weil sich der Beschwerdegegner als Behörde in Erfüllung seiner Aufgaben nicht darauf stützen kann (vgl. § 1 Abs. 2 DSG und Art. 6 Abs. 1 lit. f Unterabsatz 2 DSGVO („ Unterabsatz 1 Buchstabe f gilt nicht für die von Behörden in Erfüllung ihrer Aufgaben vorgenommene Verarbeitung. “)).
Zu überprüfen ist daher, ob eine entsprechende qualifizierte Rechtsgrundlage nach § 1 Abs. 2 erster Satz DSG und Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO für die gegenständlich relevanten Verarbeitungsvorgänge des Beschwerdegegners gegeben ist. § 1 Abs. 2 DSG enthält nämlich einen Eingriffsvorbehalt für hoheitliches Handeln (VwGH 21.12.2023, Ro 2021/04/0010; Lachmayer in Knyrim, DatKomm Art 1 DSGVO Rz 119; Erl RV 1613 BlgNR 20. GP 34 f).
Verfahrensgegenständlich behauptet der Beschwerdegegner, dass es für die Veröffentlichung der Daten gesetzliche Grundlagen, nämlich § 11a Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002), §§ 2 und 9 Umweltinformationsgesetz (UIG) gibt.
Zu prüfen ist daher, ob eine qualifizierte gesetzliche Grundlage als Erlaubnistatbestand vorliegt:
D.3.1 Zu den gesetzlichen Grundlagen
D.3.1.1 Zu § 11a AWG 2002 iVm Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO
Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO erklärt die Verarbeitung von personenbezogenen Daten für rechtmäßig, wenn diese für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt , die dem Verantwortlichen übertragen wurde.
Die Vermeidung von Lebensmittelverschwendung und Umweltschutz kann zweifelslos als im öffentlichen Interesse liegend betrachtet werden, zumal umfassender Umweltschutz ein Staatsziel darstellt (siehe dazu § 3 des Bundesverfassungsgesetzes über die Nachhaltigkeit, den Tierschutz, den umfassenden Umweltschutz, die Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung und die Forschung, BGBl. I Nr. 111/2013 idgF). Die Ziele „Vermeidung von Lebensmittelverschwendung“ und „Umweltschutz“ entsprechen etwa auch dem bereits im Jahr 2015 veröffentlichten Kreislaufwirtschaftspaket der Europäischen Union (vgl. dazu https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_15_6203). Dessen Inhalt ist u.a. die Vermeidung von Abfällen und die Erhaltung von Ressource. In der mit Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2021 ergangenen AWG-Novelle Kreislaufwirtschaftspaket (vgl. dazu https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/BNR/393) erfolgte etwa auch die Umsetzung der im Rahmen des EU-Kreislaufwirtschaftspakets angepassten Richtlinien wie die EU-Abfallrahmenrichtlinie, die EU-Richtlinie über Verpackungen und Verpackungsabfälle, die EU-Richtlinien über Altfahrzeuge, über Altbatterien und über Elektroaltgeräte sowie EU-Richtlinie über Abfalldeponien (vgl. dazu https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/ME/117). Weiters stellt es ein öffentliches Interesse dar, es KundInnen zu ermöglichen die Entscheidung zu treffen, wie wichtig ihnen Vermeidung von Lebensmittelverschwendung ist, um danach ihre Kaufentscheidungen richten zu können. Somit kann ein Anreiz für Lebensmittelhändler geschaffen werden, weniger Abfall weiterzugeben und Umweltschutz zu priorisieren. Dieses Ziel könnte durch Veröffentlichung aggregierter Daten nicht erreicht werden. In diesem Zusammenhang weist die Datenschutzbehörde darauf hin, dass dieser Anreiz offenbar wirkt, da ab der erstmaligen Veröffentlichung der Spenden- und Abfallmengen im 4. Quartal des Jahres 2023 im Elektronischen Datenmanagement Portal „EDM“ die vom Beschwerdeführer weitergegebenen Spendenmengen stets höher waren als die von ihm weitergebenen Abfallmengen .
§ 11a AWG 2002 (BGBl. I Nr. 102/2002 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 66/2023) lautet wie folgt:
„ Transparenz zur Vermeidung der Lebensmittelverschwendung
§ 11a. (1) Lebensmitteleinzelhändler mit mindestens einer Verkaufsstelle über 400m2 oder mit mindestens fünf Verkaufsstellen und buchführungspflichtige Lebensmittelgroßhändler haben pro Kalenderquartal bis spätestens zum 10. des zweitfolgenden Monats folgende Daten zu melden:
a) die Masse der Lebensmittel, die unentgeltlich zum menschlichen Verzehr weitergegeben wurden (in Kilogramm Nettogewicht);
b) die Masse der Lebensmittel, die als Abfall weitergegeben wurden (in Kilogramm Nettogewicht), sofern möglich untergliedert nach Warengruppen.
Diese Daten sind in automationsunterstützt verarbeitbarer Form und elektronisch - soweit eingerichtet im Wege des Registers gemäß § 22 Abs. 1 - an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie zu übermitteln. Diese Meldung hat erstmalig für das vierte Kalenderquartal 2023 zu erfolgen. Die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie veröffentlicht vierteljährlich einen Bericht über die gemeldeten Daten.“
§ 11a AWG 2002 verpflichtet Lebensmittelhändler, die Masse der Lebensmittel, die unentgeltlich zum menschlichen Verzehr weitergegeben wurden und die als Abfall entsorgt wurden, dem Beschwerdegegner zu melden .
§ 11a AWG 2002 normiert, dass der Beschwerdegegner vierteljährlich einen Bericht über die gemeldeten Daten zu veröffentlichen hat.
Wer welche Daten zu melden hat, regelt § 11a Abs. 1 AWG 2002. § 11a AWG 2002 verpflichtet Lebensmitteleinzelhändler mit einer Verkaufsstelle von über 400m 2oder mit mindestens fünf Verkaufsstellen und buchführungspflichtige Lebensmittelgroßhändler pro Kalenderquartal bestimmte Daten zu melden. Bei den gemeldeten Daten handelt es sich nach § 11a Abs. 1 lit a und b AWG 2002 um die Masse der Lebensmittel, die unentgeltlich zum menschlichen Verzehr weitergegeben wurden und die Masse der Lebensmittel, die als Abfall weitergegeben wurden. Die Meldung erfolgt an den Beschwerdegegner.
Folgende Daten wurden vom Beschwerdegegner verfahrensgegenständlich veröffentlicht: Name des Beschwerdeführers, Anzahl der Verkaufsstellen, Gesamtmasse der unentgeltlich weitergegebenen Lebensmittel (Spenden) und Gesamtmasse der Lebensmittel, die als Abfall weitergegeben wurden (Abfall).
Mit Erkenntnis vom 21. Dezember 2023 hat der VwGH in der Rechtssache Ro 2021/04/0010-11 unter Punkt 5.3.2.1. zur Frage der gesetzlichen Grundlage einer Datenverarbeitung wie folgt festgehalten:
„ Erwägungsgrund 41 der DSGVO sieht wiederum vor, dass die entsprechende Rechtsgrundlage oder Gesetzgebungsmaßnahme klar und präzise und ihre Anwendung für die Rechtsunterworfenen vorhersehbar sein sollte. Allerdings fordert Erwägungsgrund 45 der DSGVO ausdrücklich nicht für jede einzelne Verarbeitung ein spezifisches Gesetz. Vielmehr kann ein Gesetz als Grundlage für mehrere Verarbeitungsvorgänge ausreichend sein, wenn die Verarbeitung zur Wahrnehmung einer Aufgabe im öffentlichen Interesse erforderlich ist. Vor dem Hintergrund des Wortlauts dieser maßgeblichen Bestimmungen ist nicht davon auszugehen, dass der nationale Gesetzgeber zur Erfüllung des Rechtfertigungstatbestandes des Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO hinsichtlich einer bestimmten Datenverarbeitung jedenfalls gehalten ist, die Datenverarbeitung selbst im Gesetz zu determinieren. Vielmehr ist der Rechtfertigungstatbestand erfüllt, wenn die wahrzunehmende Aufgabe in der Rechtsgrundlage ausreichend beschrieben wird und die betreffende Datenverarbeitung dem Zweck der Erfüllung dieser Aufgabe dient .“
Nach Rechtsansicht der Datenschutzbehördeist es einsichtig und vorhersehbar, dass die Verpflichtung des § 11a AWG 2002 , wonach die Masse der Lebensmittel, die unentgeltlich zum menschlichen Verzehr und die als Abfall weitergegeben wurden, dem Beschwerdegegner zu melden und dieser einen Bericht über die gemeldeten Daten zu veröffentlichen hat, damit einhergeht, dass der Beschwerdeführer die genannten Daten an den Beschwerdegegner übermitteln muss und dieser die Daten dann zu veröffentlichen hat .
Der Beschwerdegegner hat für die Veröffentlichung als Mittel die verfahrensgegenständliche Website gewählt.
Es kann also festgehalten werden, dass gemäß § 11a AWG 2002 bestimmte Lebensmittelhändler verpflichtet sind, die Masse der Lebensmittel, die unentgeltlich zum menschlichen Verzehr und die als Abfall weitergegeben wurden, dem Beschwerdegegner zu melden und dass der Beschwerdegegner vierteljährlich einen Bericht über die gemeldeten Daten zu veröffentlichen hat. Diese Datenverarbeitung der Meldung und der Veröffentlichung auf der Website edm.gv.at dient den öffentlichen Interessen der Vermeidung von Lebensmittelverschwendung und des Umweltschutzes(vgl. in diesem Sinn auch das Erkenntnis des VwGH vom 3. September 2024, Ro 2022/04/0031, in welchem dieser ausgesprochen hat, dass die Veröffentlichung der Kontaktdaten von Lehrern (Name, akademische Grade und Dienst-E-Mail) gemäß § 56 SchUG iVm des Art. 6 Abs. 1 lit e DSGVO rechtmäßig ist).
Somit liegt für die Verarbeitung der personenbezogenen Datenmit § 11a AWG 2002 eine taugliche gesetzliche Grundlage iSd. Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO vor .
D.3.1.2 Zu § 9 UIG
Ziele des Bundesgesetzes über den Zugang zu Informationen über die Umwelt (Umweltinformationsgesetz - UIG) sind gemäß § 1 UIG der Zugang des Einzelnen zu Umweltinformationen und die Förderung der systematischen und umfassenden Verfügbarkeit und Verbreitung von Umweltinformationen.
Das UIG regelt unter anderem die proaktive Veröffentlichung von Umweltinformationen durch informationspflichtige Stellen.
Die Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers für Regelungen betreffend Mitteilungspflicht, Übermittlungspflicht, Meldepflicht, Bekanntmachungspflicht für Emissionsdaten und Störfallinformationspflicht ergibt sich für Organe der Verwaltung, die bundesgesetzlich übertragene Aufgaben im Bereich des Umweltschutzes wahrzunehmen haben, aus der Zuständigkeit zur Erlassung der Materiengesetze gemäß den einschlägigen Kompetenztatbeständen in Art. 10 Abs. 1 B-VG, insbesondere Z 8, 9, 10 und 12. Die verfahrensrechtlichen Bestimmungen des UIG beruhen auf der Bedarfskompetenz des Bundes nach Art 11 Abs 2 B-VG (siehe dazu Ennöckl in Ennöckl/Raschauer/Wessely (Hrsg), Handbuch Umweltrecht 3(2019) Umweltinformationsgesetz (UIG) zu B. Kompetenzgrundlage). Der Beschwerdegegner hat bundesgesetzlich übertragene Aufgaben im Bereich des Umweltschutzes wahrzunehmen.
Bei informationspflichtigen Stellen handelt es sich gemäß § 3 Abs. 1 Z 1 UIG um Behörden und staatliche Stellen, soweit sich die angefragten Informationen auf Angelegenheiten beziehen, die in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes fallen. Somit hängt die Anwendbarkeit des UIG davon ab, ob sich die Umweltinformationen auf Angelegenheiten beziehen, die in Gesetzgebung Bundessache sind (§ 3 Abs. 1 UIG). Gemäß Art. 10 Abs. 1 Z 12 B-VG besitzt der Bund die eingeschränkte Kompetenz für den Bereich Abfallwirtschaft hinsichtlich gefährlicher Abfälle und betreffend anderer Abfälle nur soweit ein Bedürfnis nach Erlassung einheitlicher Vorschriften vorhanden ist. Bei Umweltschutz handelt es sich um eine Querschnittsmaterie mit vielen Kompetenztatbeständen des Bunds (siehe Schnedl in Umweltrecht im Überblick (Wien 2012) S. 170).
Im vorliegenden Fall handelt es sich bei den in Rede stehenden Informationen um jene in § 11a AWG 2002. Das AWG 2002 fällt gemäß Art. 10 Abs. 1 Z 12 B-VG in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Ebenso handelt es sich beim Beschwerdegegner um eine Verwaltungsbehörde gemäß § 3 Abs. 1 Z 1 UIG, weshalb der Beschwerdegegner als informationspflichtige Stelle zu qualifizieren ist .
Damit ist derAnwendungsbereich des UIG eröffnet .
Es ist im nächsten Schritt zu prüfen, ob es sich bei den verfahrensgegenständlichen personenbezogenen Daten um Umweltinformationen gemäß § 2 UIG handelt.
Gemäß § 2 UIG sind Umweltinformationen sämtliche Informationen in schriftlicher, visueller, akustischer, elektronischer oder sonstiger materieller Form über Faktoren wie Stoffe, Energie, Lärm und Strahlung oder Abfall einschließlich radioaktiven Abfalls, Emissionen, Ableitungen oder sonstiges Freisetzen von Stoffen oder Organismen in die Umwelt. Konkret müssen sich die jeweiligen Faktoren aber gemäß § 2 Z 2 auf die in § 2 Z 1 genannten Umweltbestandteile auswirken oder wahrscheinlich auswirken . Die Z 1 definiert Luft und Atmosphäre, Wasser, Boden, Land, Landschaft und natürliche Lebensräume einschließlich Berggebiete, Feuchtgebiete, Küsten und Meeresgebiete, die Artenvielfalt und ihre Bestandteile, einschließlich genetisch veränderter Organismen, sowie die Wechselwirkungen zwischen diesen Bestandteilen als Umweltbestandteile. Lebensmittelverschwendung und der daraus resultierende Abfall haben Einfluss auf mehrere dieser Umweltbestandteile .
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass der Umweltinformationsbegriff der Umweltinformationsrichtlinie, die auch dem UIG zu Grunde liegt, grundsätzlich weit zu verstehen ist (VwGH Ra 2017/04/0130 vom 26.06.2019).
Schlussfolgernd kann festgehalten werden, dass es sich verfahrensgegenständlich (auch) um Veröffentlichung von Daten über Lebensmittelabfälle (Angaben zu den Mengen und dem Verursacher) handelt, die gemäß § 2 Abs. 2 UIG eine Umweltinformation darstellen.
Gemäß § 9 UIG haben die informationspflichtigen Stellen die Aufgaben, Umweltinformationen zur aktiven und systematischen Verbreitung in der Öffentlichkeit aufzubereiten. Die gilt jedoch nicht uneingeschränkt. § 9 Abs. 1 iVm § 6 UIG sehen auch hierfür Mitteilungsschranken (Abs. 1) und Ablehnungsgründe (Abs. 2) vor.
Nach § 6 Abs. 1 darf eine Mitteilung der Informationen unterbleiben. Dabei wird der informationspflichtigen Stelle ein Ermessensspielraum eingeräumt. Verfahrensgegenständlich sind diese Mitteilungsschranken nicht einschlägig, weil der Beschwerdegegner die Informationen bereits veröffentlicht hat.
Die Ablehnungsgründe in § 6 Abs. 2 UIG sehen vor, dass Umweltinformationen nur in der Öffentlichkeit verbreitet werden dürfen, wenn ihre Bekanntgabe keine negativen Auswirkungen hätte auf:
-die Vertraulichkeit personenbezogener Daten, sofern ein schutzwürdiges Interesse an der Geheimhaltung im Sinne der Verordnung (EU) 2016/679 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), ABl. Nr. L 119 vom 04.05.2016 S. 1, sowie des Datenschutzgesetzes, BGBl. I Nr. 165/1999 idF BGBl. I Nr. 24/2018, besteht (§ 6 Abs. 2 Z 3 UIG);
-Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse, sofern diese durch innerstaatliches oder gemeinschaftliches Recht geschützt sind, um berechtigte wirtschaftliche Interessen, einschließlich des öffentlichen Interesses an der Wahrung der Geheimhaltung von statistischen Daten und des Steuergeheimnisses, zu schützen (§ 6 Abs. 2 Z 4 UIG).
In weiterer Folge ist zunächst auf §6 Abs. 2 Z 4 UIG genauer einzugehen:
§ 6 Abs. 3 UIG legt fest, dass das Interesse einer Partei an der Geheimhaltung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen nur schutzwürdig ist, wenn durch die Veröffentlichung von Umweltinformationen ein Geschäfts- und Betriebsgeheimnis unmittelbar oder mittelbar durch die Möglichkeit von Rückschlüssen offengelegt werden kann und dadurch ein nicht nur geringfügiger wirtschaftlicher Nachteil des Inhabers des Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses eintreten kann. Besteht dieser wirtschaftliche Nachteil bloß auf Grund einer Minderung des Ansehens der Partei in der Öffentlichkeit infolge des Bekanntwerdens umweltbelastender Tätigkeiten, so besteht kein schutzwürdiges Interesse an der Geheimhaltung .
Vorab ist zu klären, was Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse sind:
§ 122 StGB („Verletzung eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses“) enthält keine gesetzliche Definition von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen. Das von Lehre und Rsp entwickelte Begriffsverständnis ergibt sich aus dem allgemeinen Geheimnisbegriff und seines wirtschaftlichen-betrieblichen Bezugs ( Lewisch in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 122 Rz 9 (Stand 1.3.2025, rdb.at)). Der OGH versteht unter Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen „ Tatsachen und Erkenntnisse kommerzieller oder technischer Art, die bloß einer bestimmten und begrenzten Zahl von Personen bekannt sind, nicht über diesen Kreis hinausdringen sollen und an deren Geheimhaltung ein wirtschaftliches Interesse besteht“(vgl. u.a. die Entscheidungen des OGH zu 9 ObA 134/19z vom 17. Dezember 2019 und 4 Ob 83/17k vom 5. September 2017). § 26b UWG enthält hingegen eine Definition des Geschäftsgeheimnisses. Dabei ist der Begriff Geschäftsgeheimnis iSd § 26a Abs 1 UWG enger als jener des Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses (vgl. Görg in Görg(Hrsg), Kommentar zum UWG (2020), § 26b UWG).
Zu den Verlusten
Der Beschwerdeführer macht geltend, dass jene Lebensmittelmengen, die er als Spende oder Abfall weitergebe, eins zu eins den (Mindest-)Verlust seines Unternehmens abbilden würden und daher leicht Rückschlüsse auf die Ertragssituation seines Unternehmens geben würden. Diese Rückschlüsse auf die Ertragssituation seines Unternehmens seien aber in Form von kaufmännischen bzw. unternehmerischen Geheimnissen geschützt. Die Offenlegung dieser kaufmännischen bzw. unternehmerischen Geheimnisse könne seinem Unternehmen insofern einen wirtschaftlichen Nachteil bringen, als diese von Wettbewerbern genutzt werden könnten, wenn die offengelegten Details Einblicke in die Ertragslage, aber auch in interne Abläufe, Lieferantenbeziehungen oder die Effizienz der Betriebsführung geben würden.
Auf dieses Vorbringen ist dem Beschwerdeführer entgegenzuhalten, dass Rückschlüsse auf die Ertragssituation des Unternehmens des Beschwerdeführers durch die Veröffentlichung von in Kilogramm Nettogewicht anzugebenden Lebensmittelmassen nicht leicht möglich sind: Die in Kilogramm Nettogewicht anzugebenden Lebensmittelmassen gemäß § 11a AWG 2002 lassen nämlich keinen Rückschluss auf die Art des Lebensmittels zu, welche aber wiederum über die Höhe des Verlustes entscheidet. Der Beschwerdeführer hat gegenständlich die Abfallmenge nämlich nur als unspezifische Gesamtmenge und nicht etwa nach Kategorie oder Art des Lebensmittels zu melden.Nach Rechtsansicht der Datenschutzbehörde erlaubt die Meldepflicht der unspezifischen Gesamtmenge des Abfalls im gegenständlichen Fall daher gemäß § 6 Abs. 3 UIG keine Rückschlüsse auf Verluste des Beschwerdeführers und somit auf ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis des Beschwerdeführers.
Zum Ansehen in der Öffentlichkeit :
Darüber hinaus bringt der Beschwerdeführer vor, dass er durch die Veröffentlichung seiner Daten als Lebensmittelverschwender dargestellt werde.
Darauf ist dem Beschwerdeführer zu entgegnen, dass er gemäß § 6 Abs. 3 UIG kein schutzwürdiges Interesse an der Geheimhaltung hat, soweit der wirtschaftliche Nachteil bloß auf Grund einer Minderung seines Ansehens in der Öffentlichkeit besteht. Weiters ist festzuhalten, dass es sich dabei nicht um eine - vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte - „Prangerwirkung“ handelt, vielmehr werden auch die Konkurrenten des Beschwerdeführers von der Veröffentlichung erfasst.
Weiters wird - wie bereits unter D.3.1.1 ausgeführt - durch die gegenständliche Veröffentlichung ein Anreiz für Lebensmittelhändler geschaffen, weniger Abfall weiterzugeben und Umweltschutz zu priorisieren. Dieses Ziel könnte durch Veröffentlichung aggregierter Daten nicht erreicht werden. Die Datenschutzbehörde weist nochmals darauf hin, dass dieser Anreiz offenbar wirkt, da ab der erstmaligen Veröffentlichung der Spenden- und Abfallmengen im 4. Quartal des Jahres 2023 im Elektronischen Datenmanagement Portal „EDM“ die vom Beschwerdeführer weitergegebenen Spendenmengen stets höher waren als die von ihm weitergebenen Abfallmengen .
Verfahrensgegenständlich kommt derder Ablehnungsgrund des § 6 Abs. 2 Z 4 UIG daher nicht zur Anwendung .
Weiters ist der Ablehnungsgrund gemäß § 6 Abs. 2 Z 3 UIG zu prüfen, da die Bekanntgabe der Informationen eine negative Auswirkung auf die Vertraulichkeit personenbezogener Daten haben könnte:
§ 6 Abs. 4 UIG normiert, dass die Mitteilungsschranken und Ablehnungsgründe eng auszulegen sind. Es ist eine Einzelfallbeurteilung notwendig, bei der das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe gegen das Interesse an der Nichtverbreitung in der Öffentlichkeit abzuwägen sind. Das öffentliche Interesse wird in § 6 Abs. 4 UIG als Schutz insbesondere folgender Rechtsgüter definiert: Schutz der Gesundheit, Schutz vor nachhaltigen oder schwerwiegenden Umweltbelastungen oder Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.
Verfahrensgegenständlich wiegt der Schutz der Rechte und Freiheiten anderer, nämlich das Recht der Öffentlichkeit am Empfang von Informationen zu Umweltschutz, Reduktion von Lebensmittelverschwendung bzw von Information an Spendenmengen im Vergleich zu Abfallmengen höher als das Recht an Geheimhaltung der personenbezogenen Daten des Beschwerdeführers. Zudem werden nicht nur die Daten des Beschwerdeführers allein veröffentlicht, sondern gemeinsam mit den Daten anderer Lebensmittelhändler veröffentlicht, was eine gezielte „Prangerwirkung“ des Beschwerdeführers ausschließt.
Im nächsten Schritt ist zu prüfen, ob die Veröffentlichung notwendig sind und der Eingriff nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen wird.
Das Ziel des UIG ist es, der Öffentlichkeit Zugang zu Umweltinformationen zu ermöglichen. Es stellt - wie bereits unter D.3.1.1 ausgeführt - ein wichtiges öffentliches Interesse dar, die Öffentlichkeit über Abfallmengen von Lebensmittelgroßhändlern zu informieren und so Lebensmittelverschwendung zu reduzieren. So können Personen ihre Entscheidung, wo sie ihren Lebensmitteleinkauf machen, danach treffen, wie vom jeweiligen Betrieb mit Lebensmittelverschwendung umgegangen wird. Dafür ist es notwendig, dass die verfahrensgegenständlichen Daten unter Angabe des Namens des Beschwerdeführers veröffentlicht werden. Darüber hinaus stellt umfassender Umweltschutz ein Staatsziel dar (siehe dazu § 3 des Bundesverfassungsgesetzes über die Nachhaltigkeit, den Tierschutz, den umfassenden Umweltschutz, die Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung und die Forschung, BGBl. I Nr. 111/2013 idgF).
Wenn der Beschwerdeführer angibt, dass die Lebensmittelverschwendung von Lebensmittelhändlern geringer ist als diese von zBsp Privathaushalten oder der Gastronomie ist dem entgegenzuhalten, dass dies nicht die Qualität der Daten als Umweltinformationen aushebeln kann.
Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, dass aus den veröffentlichten Daten kein genauer Rückschluss auf die tatsächlich verschwendeten Lebensmittel ableitbar ist, weil auch ungenießbare Lebensmittel (Schalen, Kerne, Knochen) von den Zahlen erfasst werden würden, ist ihm zu entgegnen, dass es bei Umweltinformationen nur darauf ankommt, ob die Daten über Abfall Auswirkungen auf einen Umweltbestandteil haben. Auch ungenießbare Lebensmittel stellen Abfall dar, der Auswirkung auf Umweltbestandteile hat.
Nun darf aber selbst im Falle zulässiger Beschränkungen des Grundrechts auf Datenschutz dieser Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden. Verfahrensgegenständlich ist keine andere Art ersichtlich, die die Information der Öffentlichkeit über Lebensmittelabfall einzelner Lebensmittelhändler ermöglicht und einen geringeren Eingriff in das Grundrecht auf Geheimhaltung darstellt. Die Angabe des Namens des Beschwerdeführers ist notwendig, um die Öffentlichkeit darüber zu informieren, wie Lebensmittelhändler mit Abfall umgehen und wie stark Alternativen wie zBsp Lebensmittelspenden ausgebaut sind.
Schließlich ist auch anzumerken, dass der Beschwerdegegner in § 11a AWG 2002 von sich aus eine Abwägung nach Größe der Verkaufsflächen, Zahl der Verkaufsstellen und Buchführungspflicht vorgenommen und somit die Veröffentlichung von Daten kleiner Lebensmittelhändler ausgeschlossen hat.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.