IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Tomas JOOS als Vorsitzenden sowie die fachkundigen Laienrichter MMag. Marc Deiser und Thomas Geiger MBA als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des AMS XXXX vom 23.05.2025 betreffend Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 16.05.2025 nach Beschwerdevorentscheidung vom 25.07.2025, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung bestätigt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit dem bekämpften Bescheid sprach das AMS aus, dass dem Beschwerdeführer ab dem 16.05.2025 Arbeitslosengeld gebühre, zumal er seinen Antrag auf Arbeitslosengeld nicht innerhalb der festgesetzten Frist, sondern erst am 16.05.2025 eingebracht habe.
2. Beschwerdehalber wird vorgebracht, er habe den Termin am 14.05.2025 nicht wahrnehmen können, da er einen schweren Migräneanfall über zwei Tage mit mehrmaligen Erbrechen gehabt habe. Ihm sei es nicht möglich gewesen einen Arzt aufzusuchen, der ihm eine Kranmeldung ausstellen hätte können.
3. Mit Beschwerdevorentscheidung wies das AMS die Beschwerde ab. Im Vorlageantrag brachte der Beschwerdeführer ergänzend vor, er sei vor ca. 20 Jahren beim Neurologen Dr. S. in Behandlung gewesen. Die durchschnittliche Wartezeit für einen Termin betrage mehrere Monate.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Verfahrensgang wird festgestellt, wie soeben in I. wiedergegeben. Ferner wird festgestellt:
1.1 Der Beschwerdeführer ist Ende 50 und war zuletzt vom 01.11.2024 bis 07.04.2025 sowie am 03. und 04.05.2025 bei Taxiunternehmen vollversichert beschäftigt. Das AMS hat ihm am 30.04.2025 ein Antragsformular für Arbeitslosengeld ausgehändigt und aufgetragen, dieses samt einer Meldebestätigung („Meldezettel“) spätestens am 14.05.2025 abzugeben, der auf einen Mittwoch fiel. Das Formular enthält unter andere folgende Hinweise:
„Wichtig: Sie können den Antrag nicht bis zur Frist oder am Termin abgeben? Dann vereinbaren Sie, idealerweise mit unserer ServiceLine oder über Ihr eAMS-Konto, eine Verlängerung der Frist. Geld und Versicherung erhalten Sie sonst erst ab dem Tag, an dem der Antrag beim AMS einlangt. […]
Dieser Antrag ist dem Arbeitsmarktservice […] persönlich abzugeben bis 14.5.25.“
1.2 Am 16.05.2025 gab der Beschwerdeführer den Antrag mit Datum vom selben Tag versehen ab und erklärte, sogleich vom AMS dazu vernommen, warum er diesen nicht bis am 14.05. gebracht habe, er habe starke Migräne gehabt, sich mehrmals übergeben und nicht zum Arzt gehen können, weshalb er keine Bestätigung habe. Auf dem Formular gab er seine Mobiltelefon-Nummer an.
1.3 Dem Vorlageantrag legte er eine Seite eines Entlassungsberichts vom 09.01.2025 eines Reha-Zentrums vor, mit (u. a.) der Diagnose bei Entlassung „G430 Migräne ohne Aura“ und dem Zusatz „Gewöhnliche Migräne“ in Klammern.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem vorliegenden AMS-Akt und den eingeholten Versicherungsdaten. Der Sachverhalt ist allseits unstrittig.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.1 Gemäß § 46 Abs. 1 AlVG in der bis 30.06.2025 geltenden (und damit für den vorliegenden Sachverhalt und dessen Beurteilung durch das AMS maßgeblichen) Fassung war der Anspruch auf Arbeitslosengeld bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle persönlich geltend zu machen. Für die Geltendmachung des Anspruches war das bundeseinheitliche Antragsformular zu verwenden. Personen, die über ein sicheres elektronisches Konto beim Arbeitsmarktservice (eAMS-Konto) verfügen, können den Anspruch auf elektronischem Weg über dieses geltend machen, wenn die für die Arbeitsvermittlung erforderlichen Daten dem Arbeitsmarktservice bereits auf Grund einer Arbeitslosmeldung oder Vormerkung zur Arbeitsuche bekannt sind; sie mussten jedoch, soweit vom Arbeitsmarktservice keine längere Frist gesetzt wurde, innerhalb von 10 Tagen nach elektronischer Übermittlung des Antrages persönlich bei der regionalen Geschäftsstelle vorsprechen.
Hatte die regionale Geschäftsstelle zur Klärung der Anspruchsvoraussetzungen, etwa zur Beibringung des ausgefüllten Antragsformulars oder von sonstigen Unterlagen, eine Frist bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gesetzt und wurde diese ohne triftigen Grund versäumt, so galt der Anspruch erst ab dem Tag als geltend gemacht, ab dem die beizubringenden Unterlagen bei der regionalen Geschäftsstelle eingelangt sind.
3.2 Auch § 46 Abs.1 AlVG in der seit 01.07.2025 geltenden Fassung BGBl. I Nr. 66/2024 sieht vor, dass Leistungen nach diesem Bundesgesetz mittels bundeseinheitlichem Antragsformular beim Arbeitsmarktservice zu beantragen sind. Der Antrag ist vorrangig über das elektronische Kommunikationssystem des Arbeitsmarktservice einzubringen. Personen, denen die Beantragung über das elektronische Kommunikationssystem nicht möglich ist, ist die persönliche Antragstellung bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle oder ein von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Arbeitsmarktservice unterstützter Zugang zum elektronischen Kommunikationssystem in jeder Geschäftsstelle zu ermöglichen.
Der Antrag gilt erst mit der Übermittlung des vollständig ausgefüllten Antragsformulars als gestellt. Wird ein Mangel nach einem Verbesserungsauftrag rechtzeitig behoben, so gilt der Antrag als ursprünglich richtig gestellt.
Der Antrag gilt nach Abs. 2 bei Versäumnis der Vorsprache oder der Frist zur Nachreichung der erforderlichen Unterlagen ohne berücksichtigungswürdigen Grund erst mit Einlangen der erforderlichen Unterlagen oder mit der persönlichen Vorsprache als gestellt.
Den Erläuterungen ist dazu unter anderem zu entnehmen (EBRV 2550 BlgNR 27. GP):
„Wird bei der Antragstellung der Antrag noch nicht vollständig eingebracht, hat die regionale Geschäftsstelle wie bisher eine Frist für die Mängelbehebung zu setzen oder eine (erneute) persönliche Vorsprache vorzuschreiben. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, gilt der Antrag mit dem Datum der ‚Antragsausgabe‘, also der ersten persönlichen Vorsprache, als gestellt. Bei elektronischen Anträgen entspricht dies dem Absenden des Antragsformulars. Wird die Frist des Arbeitsmarktservice ohne wichtigen Grund nicht eingehalten, so gebührt die Leistung erst mit dem Tag der Behebung der Mängel (wie Erbringung der erforderlichen Nachweise oder erforderliche persönliche Vorsprache). […] Eine rückwirkende Leistungsgewährung soll – wie bisher – nur in den ausdrücklich genannten Ausnahmefällen möglich sein. Dazu zählen Fälle wie eine an Samstagen, Sonntagen oder gesetzlichen Feiertagen geschlossene oder eine wegen Naturkatastrophen nicht erreichbare Geschäftsstelle, sowie bisher auch die fehlende Kenntnis des Endes des Lehrverhältnisses während des Aufenthalts in der Berufsschule.“
3.3 Für Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung gilt demnach weiterhin das Antragsprinzip. Zum materiellrechtlichen Anspruch muss der Formalakt der Geltendmachung der Leistung nach § 46 AlVG hinzutreten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs stellt die Bestimmung des § 46 AlVG eine umfassende Regelung der Rechtsfolgen fehlerhafter oder nicht fristgerechter (verspäteter) Antragstellungen dar. Die abschließende Normierung lässt es - selbst im Fall des Fehlens eines Verschuldens des Arbeitslosen - nicht zu, die Folgen einer (irrtümlich) unterlassenen rechtzeitigen Antragstellung nachträglich zu sanieren. Ein Arbeitsloser ist nämlich selbst in jenen Fällen, in denen er auf Grund einer von einem Organ des Arbeitsmarktservice schuldhaft erteilten unrichtigen Auskunft einen - durch die Anwendung des § 46 AlVG nicht abwendbaren - Schaden erleidet, auf die Geltendmachung allfälliger Amtshaftungsansprüche verwiesen. (VwGH 15.03.2024, Ra 2024/08/0009, Rz 12, mwN)
3.4 Nach dieser – auch im Hinblick auf den novellierten Wortlaut und die Erläuterungen weiter anwendbaren – Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beinhaltet § 46 AlVG eine umfassende Regelung der Rechtsfolgen fehlerhafter oder nicht fristgerechter (verspäteter) Antragstellungen. Die abschließende Normierung lässt es - selbst im Fall des Fehlens eines Verschuldens des Arbeitslosen - nicht zu, die Folgen einer (irrtümlich) unterlassenen rechtzeitigen Antragstellung nachträglich zu sanieren. (VwGH 09.09.2015, Ra 2015/08/0052, Rz. 6, mwN)
3.5 Die formalisierte Antragstellung im Sinn des § 46 AlVG schließt überdies auch eine Bedachtnahme auf Fälle unverschuldet unterbliebener Antragstellung aus. (VwGH 10.09.2014, 2013/08/0202, Rz. 3, mwN)
Dazu kommt, dass der Beschwerdeführer auch dann, wenn die Angaben betreffend die aufgetretene Migräne zutreffen und ihm eine persönliche Vorsprache beim AMS nicht möglich gewesen wäre, das AMS wie im Formular angegeben kontaktieren und eine Fristverlängerung vereinbaren können hätte.
3.6 Einen triftigen Grund für die verspätete Geltendmachung hat das AMS demnach zu Recht nicht gesehen, und zumal es sich nach den Erläuterungen auch bei dem – nach der Novelle – „berücksichtigungswürdigen“ Grund um keinen handelt, der einen weiteren – zusätzlichen – Tatbestand für eine rückwirkende Leistungsgewährung in Fällen vorsähe, in denen eine solche bisher nicht stattzufinden hatte, ist dem AMS im Ergebnis nicht entgegenzutreten, wenn es mittels seiner nach In-Kraft-Treten der Novelle BGBl. I Nr. 66/2024 ergangenen Beschwerdevorentscheidung die Beschwerde als unbegründet abwies.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet. Diese war daher spruchgemäß abzuweisen und die Beschwerdevorentscheidung zu bestätigen.
Zu B) Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil es soweit ersichtlich an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehlt, ob unter einem berücksichtigungswürdigen Grund im Sinn des § 46 Abs. 2 AlVG in der geltenden Fassung BGBl. I Nr. 66/2024 – trotz dieses vom Gesetzgeber gewählten und in diesem Zusammenhang neuen Begriffs – im Sinn der Erläuterungen zur Regierungsvorlage nur ein triftiger Grund nach § 46 Abs. 1 letzter Satz AlVG in der bis 30.06.2025 geltenden Fassung verstanden werden kann, weil ein neuer Rückwirkungstatbestand nicht geschaffen wurde.
4. Zum Unterbleiben einer Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Nach § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Antrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Fallbezogen liegt dem Bundesverwaltungsgericht ein umfassender Verwaltungsakt mit einem ausreichenden Ermittlungsverfahren und entsprechenden Ermittlungsergebnissen vor; der entscheidungsrelevante Sachverhalt war somit geklärt. Daher konnte von einer Verhandlung abgesehen werden.
Es entspricht nämlich der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 6 EMRK, dass eine Verhandlung nicht in jedem Fall geboten ist; und zwar insbesondere dann nicht, wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten oder die für die Beurteilung relevanten Tatsachenfeststellungen nicht bestritten sind, sodass eine Verhandlung nicht notwendig ist und das Gericht aufgrund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden kann. In diesen Fällen kann daher nach § 24 Abs. 4 VwGG im Verfahren des Verwaltungsgerichtes eine Verhandlung unterbleiben. (VwGH 18.12.2020, Ra 2019/08/0100, Rz 18, mwN)
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