Rückverweise
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr. in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Sasshofer, über die Revision der E K in W, vertreten durch Dr. Ingo Riß, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Gußhausstraße 14 Top 7, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Dezember 2023, W255 2278684 2/7E, betreffend Notstandshilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Arbeitsmarktservice Wien Schönbrunner Straße), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien Schönbrunner Straße (AMS) sprach mit Bescheid vom 14. Juni 2023 aus, dass der Revisionswerberin Notstandshilfe ab dem 1. April 2023 gebühre. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das AMS mit Beschwerdevorentscheidung vom 14. August 2023 ab. In seiner Begründung führte das AMS aus, von der Revisionswerberin sei Notstandshilfe ab 1. April 2023 beantragt worden, weshalb entgegen ihrem Vorbringen Notstandshilfe jedenfalls erst ab diesem Tag gebühren könne. Darüber hinaus wäre im März 2023 ein Bezug von Notstandshilfe auch deshalb nicht in Betracht gekommen, weil das von der Revisionswerberin bezogene Kinderbetreuungsgeld anzurechnen gewesen wäre und dieses den errechneten Notstandshilfebezug überstiegen habe.
2 Mit dem nunmehr nach einem Vorlageantrag der Revisionswerberin ergangenen in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab und erklärte eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
3 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, die Revisionswerberin habe von 10. Oktober 2018 bis 17. November 2021 Notstandshilfe und in der Folge nach der Geburt eines Kindes Kinderbetreuungsgeld bezogen. Am 20. März 2023 habe die Revisionswerberin beim AMS die Gewährung von Notstandshilfe ab dem 8. März 2023 geltend gemacht. Vom AMS sei ihr darauf mitgeteilt worden, dass ihr aufgrund der Anrechnung von (weiterhin bezogenem) Kinderbetreuungsgeldbezug für März 2023 keine Notstandshilfe gebühre und die Revisionswerberin darauf hingewiesen, dass sie ihren Antrag auf eine Geltendmachung des Notstandshilfeanspruchs ab dem 1. April 2023 abändern könne.
4 Darauf habe die Revisionswerberin am 30. März 2023 ein E Mail mit folgendem Inhalt an das AMS übermittelt: „Sehr geehrte Damen und Herren, den Antrag den ich am 7.03.2023 gestellt habe würde ich am 1.04.2023 bitte stellen [...]“.
5 Leistungen der Arbeitslosenversicherung seien nur auf Antrag zu gewähren. Da die Revisionswerberin mit ihrem E Mail vom 30. März 2023 die Zuerkennung der Notstandshilfe ausdrücklich mit 1. April 2023 begehrt habe, sei das AMS zu Recht davon ausgegangen, dass die Notstandshilfe jedenfalls erst ab diesem Tag gebühre.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Zur Zulässigkeit der vorliegenden außerordentlichen Revision wird vorgebracht, die Revisionswerberin habe ihr E Mail vom 30. März 2023 nur auf „Drängen“ des AMS und unter Androhung einer Abweisung ihres Antrages verfasst. Das AMS sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Kinderbetreuungsgeldbezug auf den Notstandshilfeanspruch anzurechnen wäre. Insofern habe das AMS die Revisionswerberin zu Unrecht zum E Mail vom 30. März 2023 veranlasst, wobei es seine aus §§ 13 und 13a AVG erwachsende Anleitungspflicht verletzt habe. Das Bundesverwaltungsgericht hätte daher davon ausgehen müssen, dass das E Mail vom 30. März 2023 zum Schutz der Revisionswerberin unbeachtlich sei.
10 Eine in vertretbarer Weise vorgenommene fallbezogene Auslegung von Parteierklärungen kann nicht erfolgreich mit Revision bekämpft werden. Die Auslegung einer Erklärung im Einzelfall ist nur dann erfolgreich mit Revision bekämpfbar, wenn dem Verwaltungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung im Sinn einer unvertretbaren Rechtsansicht unterlaufen ist (vgl. VwGH 8.8.2023, Ra 2021/05/0226, mwN).
11 Das Bundesverwaltungsgericht ging (wie bereits das AMS) davon aus, dass die Revisionswerberin mit ihrem E Mail vom 30. März 2023 zum Ausdruck gebracht habe, dass sie den Anspruch auf Notstandshilfe (erst) ab 1. April 2023 geltend mache. Dass diese Auslegung unvertretbar gewesen wäre, legt die Revision nicht dar.
12 Davon ausgehend kommt den Ausführungen in der Revision aber keine Berechtigung zu. Für Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung gilt nämlich das Antragsprinzip. Zum materiellrechtlichen Anspruch muss der Formalakt der Geltendmachung der Leistung nach § 46 AlVG hinzutreten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs stellt die Bestimmung des § 46 AlVG eine umfassende Regelung der Rechtsfolgen fehlerhafter oder nicht fristgerechter (verspäteter) Antragstellungen dar. Die abschließende Normierung lässt es selbst im Fall des Fehlens eines Verschuldens des Arbeitslosen - nicht zu, die Folgen einer (irrtümlich) unterlassenen rechtzeitigen Antragstellung nachträglich zu sanieren. Ein Arbeitsloser ist nämlich selbst in jenen Fällen, in denen er auf Grund einer von einem Organ des Arbeitsmarktservice schuldhaft erteilten unrichtigen Auskunft einen - durch die Anwendung des § 46 AlVG nicht abwendbaren - Schaden erleidet, auf die Geltendmachung allfälliger Amtshaftungsansprüche verwiesen. Folglich findet die Fiktion einer dem Gesetz entsprechenden Antragstellung im Hinblick auf die formalisierte Antragstellung im Sinn des § 46 AlVG, der eine abschließende Regelung enthält, keine gesetzliche Grundlage (vgl. zum Ganzen VwGH 9.9.2015, Ra 2015/08/0052, mwN).
13 Da somit schon deshalb eine Zuerkennung der Notstandshilfe erst ab dem Zeitpunkt der Geltendmachung mit 1. April 2023 in Betracht kam, hängt das Schicksal der Revision nicht von der weiteren von ihr unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung geltend gemachten Frage ab, ob die Auskunft des AMS zur Anrechnung des Kinderbetreuungsgeldes auf den Notstandshilfeanspruch der Revisionswerberin betreffend März 2023 inhaltlich zutreffend gewesen ist (vgl. insoweit aber VwGH 26.7.2023, Ra 2023/08/0075).
14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 15. März 2024