JudikaturBVwG

W221 2292146-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
01. Oktober 2025

Spruch

W221 2292146-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Daniela URBAN, LL.M. über die Beschwerde des XXXX ), geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.02.2024, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.09.2025 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet

abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 06.11.2022 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 07.11.2022 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Der Beschwerdeführer gab dabei an, er sei in Afghanistan als Soldat tätig gewesen und habe gegen die Taliban gekämpft, weswegen sein Leben in Gefahr gewesen sei.

Am 22.05.2023 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Zu den Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, er habe drei Jahre lang, bis zum Jahr XXXX , als einfacher Soldat für das afghanische Militär gearbeitet. Die Taliban hätten die Macht in Afghanistan übernommen, wobei der Beschwerdeführer vorerst nichts gegen die Machtübernahme der Taliban übernommen habe. Erst als er bzw. weitere Dorfbewohner mitbekommen hätten, dass ein Nachbar, der ebenso ein Angehöriger des afghanischen Militärs gewesen sei, von den Taliban verschleppt worden sei, hätten sie begonnen, sich gegen die Taliban zu wehren und das Dorf zu verteidigen. Sie hätten dabei zu dreißigst, wobei zehn Personen davon zur Familie des Beschwerdeführers gehört hätten, in den Bergen gegen die Taliban gekämpft. Die Taliban hätten ein Foto des Beschwerdeführers. Für den Fall der Rückkehr würden die Taliban den Beschwerdeführer finden und umbringen.

Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.02.2024 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.). Dem Beschwerdeführer wurde eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf umfassende herkunftsstaatsbezogene Feststellungen zur allgemeinen Lage in Afghanistan und begründete im angefochtenen Bescheid die abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers unglaubwürdig sei.

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. In dieser wurden im Wesentlichen unrichtige Feststellungen, die Mangelhaftigkeit des Verfahrens und die unrichtige rechtliche Beurteilung des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl geltend gemacht.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und sind am 21.05.2024 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 26.06.2025 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung W163 abgenommen und der Gerichtsabteilung W221 zugewiesen.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 19.09.2025 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari und im Beisein des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers eine mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Fluchtgründen befragt und ihm Gelegenheit gegeben wurde, zu den aufgetretenen Widersprüchen Stellung zu nehmen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person und zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, bekennt sich zum sunnitischen Islam und gehört der Volksgruppe der Tadschiken an.

Der Beschwerdeführer stammt aus dem Dorf XXXX , Distrikt Anderob, in der Region Baghlan, wo er bis zu seiner Ausreise lebte.

Die Eltern, Geschwister (fünf Brüder, vier Schwestern) und zwei Onkel mütterlicherseits des Beschwerdeführers leben im Iran. Zwei Tanten mütterlicherseits, zwei Tanten väterlicherseits, ein Onkel mütterlicherseits und zwei Onkel väterlicherseits leben weiterhin im Distrikt Anderob in der Region Baghlan.

Der Beschwerdeführer hat 12 Jahre die Schule besucht, danach eine sechsmonatige Ausbildung beim afghanischen Militär gemacht, bis zum Jahr XXXX drei Jahre für das afghanische Militär gearbeitet und letztlich nach der Niederlegung seiner Tätigkeit für das afghanische Militär im Jahr XXXX vier bis viereinhalb Jahre im Lebensmittelgeschäft seines Vaters gearbeitet.

Der Beschwerdeführer hat für das afghanische Militär als einfacher Soldat gearbeitet und dabei erhaltene Informationen an andere Einheiten weitergeleitet bzw. im Funk gearbeitet. Er war nicht aktiv an Kampfhandlungen beteiligt und hat Taliban weder festgenommen noch ausgefragt.

Der Beschwerdeführer verließ im Jahr 2022 Afghanistan, reiste über mehrere Länder nach Österreich ein und stellte am 06.11.2022 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Die Ausreisekosten beliefen sich auf € 10.000 und der Beschwerdeführer finanzierte sich diese Ausreisekosten durch seine Ersparnisse, die er durch seine ehemalige Tätigkeit als einfacher Soldat für das afghanische Militär aufbauen konnte.

Der Beschwerdeführer hat vor seiner Ausreise nicht für sechs Monate gegen die Taliban in den Bergen gekämpft. Er und seine Familie sind bisher nicht ins Visier der Taliban geraten und haben keine wie auch immer gearteten Repressalien durch die Taliban erfahren. Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer den Taliban bei einer Rückkehr nunmehr auffallen würde, bestehen nicht.

Dem Beschwerdeführer droht aufgrund seiner ehemaligen Tätigkeit für das afghanische Militär als einfacher Soldat keine Gefahr, mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt durch die Taliban bedroht zu werden.

Der Beschwerdeführer hat bisher keine Probleme aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit erfahren. Auch bei einer Rückkehr nach Afghanistan würden dem Beschwerdeführer aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit keine Probleme drohen.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Aus dem Länderinformationsblatt Afghanistan der Staatendokumentation, Stand: 31.01.2025

„Sicherheitslage

[…]

Verfolgungungspraxis der Taliban, neue technische Möglichkeiten

Trotz mehrfacher Versicherungen der Taliban, von Vergeltungsmaßnahmen gegenüber Angehörigen der ehemaligen Regierung und Sicherheitsbehörden abzusehen (AA 26.6.2023; vgl. USDOS 20.3.2023a), wurde nach der Machtübernahme der Taliban berichtet, dass diese auf der Suche nach ehemaligen Mitarbeitern der internationalen Streitkräfte oder der afghanischen Regierung von Tür zu Tür gingen und deren Angehörige bedrohten. Ein Mitglied einer Rechercheorganisation, welche einen (nicht öffentlich zugänglichen) Bericht zu diesem Thema für die Vereinten Nationen verfasste, sprach von einer "schwarzen Liste" der Taliban und großer Gefahr für jeden, der sich auf dieser Liste befände (BBC 20.8.2021b; vgl. DW 20.8.2021). Im Zuge der Machtübernahme im August 2021 hatten die Taliban Zugriff auf Mitarbeiterlisten der Behörden (HRW 1.11.2021; vgl. NYT 29.8.2021), unter anderem auf eine biometrische Datenbank mit Angaben zu aktuellen und ehemaligen Angehörigen der Armee und Polizei bzw. zu Afghanen, die den internationalen Truppen geholfen haben (Intercept 17.8.2021). Auch Human Rights Watch (HRW) zufolge kontrollieren die Taliban Systeme mit sensiblen biometrischen Daten, die westliche Geberregierungen im August 2021 in Afghanistan zurückgelassen haben. Diese digitalen Identitäts- und Gehaltsabrechnungssysteme enthalten persönliche und biometrische Daten von Afghanen, darunter Irisscans, Fingerabdrücke, Fotos, Beruf, Wohnadressen und Namen von Verwandten. Die Taliban könnten diese Daten nutzen, um vermeintliche Gegner ins Visier zu nehmen, und Untersuchungen von Human Rights Watch deuten darauf hin, dass sie die Daten in einigen Fällen bereits genutzt haben könnten (HRW 30.3.2022). So wurde beispielsweise berichtet, dass ein ehemaliger Militäroffizier nach seiner Abschiebung von Iran nach Afghanistan durch ein biometrisches Gerät identifiziert wurde und danach von den Taliban gewaltsam zum Verschwinden gebracht wurde. Ein weiterer Rückkehrer aus Iran berichtet, dass im Zuge der Abschiebung aus Iran Daten der Rückkehrer vom iranischen Geheimdienst an die Taliban weitergegeben werden (KaN 18.10.2023).

Die Taliban sind in den sozialen Medien aktiv, unter anderem zu Propagandazwecken. Die Gruppierung nutzt soziale Medien und Internettechnik jedoch nicht nur für Propagandazwecke und ihre eigene Kommunikation, sondern auch, um Gegner des Taliban-Regimes aufzuspüren (Golem 20.8.2021; vgl. BBC 20.8.2021b, 8am 14.11.2022), was dazu führt, dass Afghanen seit der Machtübernahme der Taliban in den sozialen Medien Selbstzensur verüben, aus Angst und Unsicherheit (Internews 12.2023). So wurde beispielsweise ein afghanischer Professor verhaftet, nachdem er die Taliban via Social Media kritisierte (FR24 9.1.2022), während ein junger Mann in der Provinz Ghor Berichten zufolge nach einer Onlinekritik an den Taliban verhaftet wurde (8am 14.11.2022). Einem afghanischen Journalisten zufolge verwenden die Taliban soziale Netzwerke wie Facebook und LinkedIn, um jene Afghanen zu identifizieren, die mit westlichen Gruppen und der US-amerikanischen Hilfsagentur USAID zusammengearbeitet haben (ROW 20.8.2021). Ein hochrangiges Mitglied der ehemaligen Streitkräfte berichtet, dass ihm vor seiner Rückkehr verschiedene Versprechen gemacht wurden, er bei Ankunft auf dem Flughafen in Kabul jedoch wie ein Feind behandelt wurde. Er wurde sofort erkannt, da die Taliban sein Bild und weitere Informationen zu seiner Person über die sozialen Medien verbreiteten. Mit Stand Oktober 2023 lebt er in Kabul, sein Haus wurde mehrfach durch die Taliban durchsucht und sein Bankkonto gesperrt. Ein anderes Mitglied der ehemaligen Streitkräfte gab an, dass seine Informationen vor seiner Rückkehr auf Twitter [Anm.: jetzt X] verbreitet wurden und ein weiterer Rückkehrer berichtete, dass er eine biometrische Registrierung durchlaufen musste (KaN 18.10.2023).

Im Sommer 2023 wurde berichtet, dass die Taliban ein groß angelegtes Kameraüberwachungsnetz für afghanische Städte aufbauen (AI 5.9.2023; vgl. VOA 25.9.2023), das die Wiederverwendung eines Plans beinhalten könnte, der von den Amerikanern vor ihrem Abzug 2021 ausgearbeitet wurde, so ein Sprecher des Taliban-Innenministeriums. Die Taliban-Regierung hat sich auch mit dem chinesischen Telekommunikationsausrüster Huawei über eine mögliche Zusammenarbeit beraten, sagte der Sprecher (VOA 25.9.2023; vgl. RFE/RL 1.9.2023), wobei Huawei bestritt, beteiligt zu sein (RFE/RL 1.9.2023). Beobachter befürchten jedoch, dass die Taliban ihr Netz von Überwachungskameras auch dazu nutzen werden, abweichende Meinungen zu unterdrücken und ihre repressive Politik durchzusetzen (RFE/RL 1.9.2023), einschließlich der Einschränkung des Erscheinungsbildes der Afghanen, der Bewegungsfreiheit, des Rechts zu arbeiten oder zu studieren und des Zugangs zu Unterhaltung und unzensierten Informationen (RFE/RL 1.9.2023).

Zentrale Akteure

Taliban

Die Taliban sind eine überwiegend paschtunische, islamisch-fundamentalistische Gruppe (CFR 17.8.2022), die 2021 nach einem zwanzigjährigen Aufstand wieder an die Macht in Afghanistan kam (CFR 17.8.2022; vgl. USDOS 20.3.2023a). Die Taliban bezeichnen ihre Regierung als das "Islamische Emirat Afghanistan" (USDOS 20.3.2023a; vgl. VOA 1.10.2021), den Titel des ersten Regimes, das sie in den 1990er-Jahren errichteten, und den sie während ihres zwei Jahrzehnte andauernden Aufstands auch für sich selbst verwendeten. Das Emirat ist um einen obersten Führer, den Emir, herum organisiert, von dem man glaubt, dass er von Gott mit der Autorität ausgestattet ist, alle Angelegenheiten des Staates und der Gesellschaft zu beaufsichtigen (USIP 17.8.2022).

Die Taliban-Regierung weist eine starre hierarchische Struktur auf, deren oberstes Gremium die Quetta-Shura ist (EER 10.2022), benannt nach der Stadt in Pakistan, in der Mullah Mohammed Omar, der erste Anführer der Taliban, und seine wichtigsten Helfer nach der US-Invasion Zuflucht gesucht haben sollen. Sie wird von Mawlawi Hibatullah Akhundzada geleitet (CFR 17.8.2022; vgl. PJIA/Rehman 6.2022), dem obersten Führer der Taliban (Afghan Bios 7.7.2022a; vgl. CFR 17.8.2022, PJIA/Rehman 6.2022). Er gilt als die ultimative Autorität in allen religiösen, politischen und militärischen Angelegenheiten (EUAA 8.2022; vgl. Afghan Bios 7.7.2022a, REU 7.9.2021a).

Nach der Machtübernahme versuchten die Taliban sich von "einem dezentralisierten, flexiblen Aufstand zu einer staatlichen Autorität" zu entwickeln (EUAA 8.2022; vgl. NI 24.11.2021). Im Zuge dessen herrschten Berichten zufolge zunächst Unklarheiten unter den Taliban über die militärischen Strukturen der Bewegung (EUAA 8.2022; vgl. DW 11.10.2021) und es gab in vielen Fällen keine erkennbare Befehlskette (EUAA 8.2022; vgl. REU 10.9.2021). Dies zeigte sich beispielsweise in Kabul, wo mehrere Taliban-Kommandeure behaupteten, für dasselbe Gebiet oder dieselbe Angelegenheit zuständig zu sein. Während die frühere Taliban-Kommission für militärische Angelegenheiten das Kommando über alle Taliban-Kämpfer hatte, herrschte Berichten zufolge nach der Übernahme der Kontrolle über das Land unter den Kämpfern vor Ort Unsicherheit darüber, ob sie dem Verteidigungsministerium oder dem Innenministerium unterstellt sind (EUAA 8.2022; vgl. DW 11.10.2021).

[…]

Anti-Taliban-Widerstandsgruppen / politische Opposition

[…]

National Resistance Front (NRF)

Im Panjsher-Tal, rund 145 km von Kabul entfernt (DIP 20.8.2021), formierte sich nach der Machtübernahme der Taliban in Kabul Mitte August 2021 die National Resistance Front (NRF) (AA 26.6.2023; vgl. LWJ 6.9.2021, ANI 6.9.2021). Die Gruppierung wird von Ahmed Massoud angeführt (REU 29.9.2023; vgl. Afintl 20.2.2024).

Die NRF besteht Berichten zufolge aus Zivilisten, ehemaligen ANDSF-Mitarbeitern (SIGAR 30.4.2022; vgl. RFE/RL 13.5.2022) und ehemaligen Mitgliedern der Regierung sowie politischen Opposition (UNGA 28.1.2022). Die meisten Mitglieder der Gruppe sind ethnische Tadschiken (RFE/RL 19.5.2022; vgl. AJ 17.10.2022). Die NRF besteht auch aus mehreren regionalen Einheiten, deren Kommandeure loyal zu Massoud sind (VOA 28.4.2022; vgl. REU 30.11.2022). Unter den Kämpfern sind auch Einheiten der ehemaligen afghanischen Armee (BBC 16.5.2022; vgl. BAMF 10.2022).

Im Jahr 2022 berichteten Medien von mehreren Angriffen, die vor allem auf Kontrollpunkte und Außenposten der Taliban abzielten und der NRF zugeschrieben wurden (NYT 4.3.2022), wobei von verstärkten Kämpfen im Jänner/Februar (ACLED/APW 4.2022; vgl. 8am 25.5.2022, 8am 17.1.2022) sowie im Mai 2022 berichtet wurde (RFE/RL 19.5.2022; vgl. 8am o.D.). Aus dem Panjsher-Tal wurde berichtet, dass Angriffe auf Taliban-Stellungen regelmäßig stattfanden und Dutzende von Menschen, sowohl Taliban-Kämpfer (VOA 14.9.2022; vgl. Telegraph 12.5.2022) als auch Mitglieder der Widerstandsbewegung, getötet worden waren (VOA 14.9.2022; vgl. AMU 14.9.2022, AN 18.10.2022). Auch in der zweiten Hälfte des Jahres 2022 gingen die Kämpfe zwischen NRF und den Taliban weiter. Zusammenstöße gibt es in den Provinzen Panjsher (Afintl 15.8.2022; vgl. AJ 14.9.2022, 8am 13.10.2022, AMU 13.12.2022), Takhar (8am 14.8.2022; vgl. Aamaj 21.8.2022, 8am 23.10.2022), Baghlan (8am 17.8.2022; vgl. KP 21.8.2022, Afintl 12.12.2022), Khost (8am 13.8.2022), Kapisa (Aamaj 24.8.2022; vgl. 8am 21.11.2022) und Badakhshan (Afintl 11.10.2022b; vgl. AMU 13.12.2022, Afintl 26.12.2022).

Auch wenn die Angriffe der NRF im Jahr 2023 im Vergleich zum Vorjahr abnahmen (UNGA 20.6.2023; vgl. UNGA 1.12.2023), kam es weiterhin zu Zusammenstößen mit den Taliban. So kam es nach Angaben der NRF zu Kämpfen beispielsweise in Baghlan (Afintl 18.7.2023; vgl. KaN 18.7.2023), Kabul (Afintl 5.8.2023), Badakhshan (KaN 8.8.2023; vgl. Afintl 8.8.2023), Parwan, Kapisa und Nuristan (KaN 8.8.2023). Im November 2023 haben die NRF und die AFF, nach eigenen Erklärungen auf X, mindestens 50 Talibankämpfer getötet (VOA 6.12.2023).

[…]

Sicherheitsbehörden

Mit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 brach die 350.000 Mann starke Armee des früheren Regimes zusammen (TN 15.8.2022) und die Taliban haben faktisch die Verantwortung für die Sicherheit im Land übernommen.

[…]

Folter und unmenschliche Behandlung

Es gibt Berichte über Folter und Misshandlungen durch die Taliban (AA 26.6.2023, vgl. HRW 11.1.2024). Die Vereinten Nationen berichten über Folter und Misshandlungen von ehemaligen Sicherheitskräften bzw. ehemaligen Regierungsbeamten (UNAMA 22.8.2023; vgl. HRW 11.1.2024). Auch über Gewalt gegen Journalisten und Medienschaffende (HRW 11.1.2024; vgl. AA 26.6.2023) sowie gegen Frauenrechtsaktivisten (AA 26.6.2023 vgl. HRW 11.1.2024, AI 7.12.2023) auch in Gefängnissen wird berichtet (AA 26.6.2023; vgl. HRW 11.1.2024). Amnesty International berichtet beispielsweise über kollektive Strafen gegen Bewohner der Provinz Panjsher, darunter Folter und andere Misshandlungen (AI 8.6.2023).

Es gibt Berichte über öffentliche Auspeitschungen durch die Taliban in mehreren Provinzen, darunter Zabul (UNGA 1.12.2023), Maidan Wardak (8am 10.7.2023; vgl. BAMF 31.12.2023), Kabul (ANI 12.7.2023; vgl. AMU 12.7.2023), Kandahar (KaN 17.1.2023; vgl. KP 17.1.2023) und Helmand (KP 2.2.2023; vgl. KaN 2.2.2023). Der oberste Taliban-Führer, Emir Hibatullah Akhundzada, begrüßte die Einführung von Scharia-Gerichten und -Praktiken, einschließlich Qisas (z. B. Auspeitschungen oder Hinrichtungen), die die Öffentlichkeit mit eigenen Augen sieht (BAMF 31.12.2023).

[…]

Allgemeine Menschenrechtslage

Die in der Vergangenheit von Afghanistan unterzeichneten oder ratifizierten Menschenrechtsabkommen werden von der Taliban-Regierung, wenn überhaupt, nur sehr eingeschränkt anerkannt; es wird ein Islamvorbehalt geltend gemacht, wonach islamisches Recht im Falle einer Normenkollision Vorrang hat (AA 26.6.2023).

Seit dem Sturz der gewählten Regierung haben die Taliban die Menschenrechte und Grundfreiheiten der afghanischen Bevölkerung zunehmend und in unverhältnismäßiger Weise eingeschränkt. Insbesondere Frauen und Mädchen wurden in ihren Rechten massiv eingeschränkt und aus den meisten Aspekten des täglichen und öffentlichen Lebens verdrängt (UNICEF 9.8.2022; vgl. AA 26.6.2023, AfW 15.8.2023).

Die Taliban-Führung hat ihre Anhänger verschiedentlich dazu aufgerufen, die Bevölkerung respektvoll zu behandeln (AA 26.6.2023). Es gibt jedoch Berichte über grobe Menschenrechtsverletzungen durch die Taliban nach ihrer Machtübernahme im August 2021 (HRW 11.1.2024; vgl. AA 26.6.2023, USDOS 20.3.2023a, UNGA 1.12.2023), darunter Hausdurchsuchungen (AA 26.6.2023), Willkürakte und Hinrichtungen (AA 26.6.2023, AfW 15.8.2023). Es kommt zu Gewalt und Diskriminierung gegenüber Journalisten (AA 26.6.2023; vgl. HRW 12.1.2023, AfW 15.8.2023) und Menschenrechtsaktivisten (FH 1.2023; vgl. FIDH 12.8.2022, AA 26.6.2023, AfW 15.8.2023). Auch von gezielten Tötungen wird berichtet (HRW 11.1.2024; vgl. AA 26.6.2023). Menschenrechtsorganisationen berichten auch über Entführungen und Ermordungen ehemaliger Angehöriger des Staatsapparats und der Sicherheitskräfte (AA 26.6.2023; vgl. HRW 11.1.2024, AfW 15.8.2023). Weiterhin berichten Menschenrechtsorganisationen von Rache- und Willkürakten im familiären Kontext - also gegenüber Familienmitgliedern oder zwischen Stämmen/Ethnien, bei denen die Täter den Taliban nahestehen oder Taliban sind. Darauf angesprochen, weisen Taliban-Vertreter den Vorwurf systematischer Gewalt zurück und verweisen wiederholt auf Auseinandersetzungen im familiären Umfeld. Eine nachprüfbare Strafverfolgung findet in der Regel nicht statt (AA 26.6.2023). Die NGO Afghan Witness berichtet im Zeitraum vom 15.1.2022 bis Mitte 2023 von 3.329 Menschenrechtsverletzungen, die sich auf Verletzungen des Rechts auf Leben, des Rechts auf Freiheit von Folter, der Pressefreiheit, der Versammlungsfreiheit, der Rechte der Frauen und mehr beziehen. Für denselben Zeitraum gibt es auch immer wieder Berichte über die Tötung und Inhaftierung ehemaliger ANDSF-Mitglieder. Hier wurden durch Afghan Witness 112 Fälle von Tötungen und 130 Inhaftierungen registriert, wobei darauf hingewiesen wurde, das angesichts der hohen Zahl von Fällen, in denen Opfer und Täter nicht identifiziert wurden, die tatsächliche Zahl wahrscheinlich höher ist (AfW 15.8.2023).

Die Taliban ließen wiederholt friedliche Proteste gewaltsam auflösen. Es kam zum Einsatz von scharfer Munition (AA 26.6.2023; vgl. HRW 12.10.2022, Guardian 2.10.2022) und es gibt auch Berichte über Todesopfer bei Protesten (FH 24.2.2022, AI 15.8.2022).

Afghan Witness konnte zwischen dem ersten und zweiten Jahr der Taliban-Herrschaft einige Unterschiede erkennen. So gingen die Taliban im ersten Jahr nach der Machtübernahme im August 2021 hart gegen Andersdenkende vor und verhafteten Berichten zufolge Frauenrechtsaktivisten, Journalisten und Demonstranten. Im zweiten Jahr wurde hingegen beobachtet, dass sich die Medien und die Opposition im Land aufgrund der Restriktionen der Taliban und der Selbstzensur weitgehend zerstreut haben, obwohl weiterhin über Verhaftungen von Frauenrechtsaktivisten, Bildungsaktivisten und Journalisten berichtet wird. Frauen haben weiterhin gegen die Restriktionen und Erlasse der Taliban protestiert, aber die Proteste fanden größtenteils in geschlossenen Räumen statt - offenbar ein Versuch der Demonstranten, ihre Identität zu verbergen und das Risiko einer Verhaftung oder Gewalt zu verringern. Trotz dieser Drohungen sind Frauen weiterhin auf die Straße gegangen, um gegen wichtige Erlasse zu protestieren (AfW 15.8.2023).

[…]

Ethnische Gruppen

In Afghanistan leben laut Schätzungen zwischen 34,3 (NSIA 4.2022) und 38,3 Millionen Menschen (8am 30.3.2022; vgl. CIA 1.2.2024). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (STDOK 7.2016; vgl. CIA 1.2.2024), da die Behörden des Landes nie eine nationale Volkszählung durchgeführt haben. Es ist jedoch allgemein anerkannt, dass keine der ethnischen Gruppen des Landes eine Mehrheit bildet, und die genauen prozentualen Anteile der einzelnen Gruppen an der Gesamtbevölkerung Schätzungen sind und oft stark politisiert werden (MRG 5.1.2022).

Die größten Bevölkerungsgruppen sind Paschtunen (32-42 %), Tadschiken (ca. 27 %), Hazara (ca. 9-20 %) und Usbeken (ca. 9 %), gefolgt von Turkmenen und Belutschen (jeweils ca. 2 %) (AA 26.6.2023).

Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 20.3.2023a).

Die Taliban gehören mehrheitlich der Gruppe der Paschtunen an. Seit der Machtübernahme der Taliban werden nicht-paschtunische Ethnien in staatlichen Stellen zunehmend marginalisiert. So gibt es in der Taliban-Regierung z. B. nur wenige Vertreter der usbekischen und tadschikischen Minderheit sowie lediglich einen Vertreter der Hazara (AA 26.6.2023).

Die Taliban haben wiederholt erklärt, alle Teile der afghanischen Gesellschaft zu akzeptieren und ihre Interessen berücksichtigen zu wollen. Aber selbst auf lokaler Ebene werden Minderheiten, mit Ausnahmen in ethnisch von Nicht-Paschtunen dominierten Gebieten vor allem im Norden, kaum für Positionen im Regierungsapparat berücksichtigt, da diese v. a. paschtunischen Taliban-Mitgliedern vorbehalten sind. Darüber hinaus lässt sich keine klare, systematische Diskriminierung von Minderheiten durch die Taliban-Regierung feststellen, solange diese den Machtanspruch der Taliban akzeptieren (AA 26.6.2023).

[…]

Tadschiken

Die Volksgruppe der Tadschiken ist die zweitgrößte Volksgruppe in Afghanistan. Sie machen etwa 27 bis 30 % der afghanischen Bevölkerung aus (MRG 5.2.2021b; vgl. AA 26.6.2023). Sie üben einen bedeutenden politischen Einfluss in Afghanistan aus und stellen den Großteil der afghanischen Elite, die über ein beträchtliches Vermögen innerhalb der Gemeinschaft verfügt. Während sie in der vor-sowjetischen Ära hauptsächlich in den Städten, in und um Kabul und in der bergigen Region Badakhshan im Nordosten siedelten, leben sie heute in verschiedenen Gebieten im ganzen Land, allerdings hauptsächlich im Norden, Nordosten und Westen Afghanistans (MRG 5.2.2021b).

Als rein sesshaftes Volk kennen die Tadschiken im Gegensatz zu den Paschtunen keine Stammesorganisation (MRG 5.2.2021b). Heute werden unter dem Terminus tājik - „Tadschike“ - fast alle Dari/persisch sprechenden Personen Afghanistans, mit Ausnahme der Hazara, zusammengefasst (STDOK 7.2016).

[…]

Relevante Bevölkerungsgruppen

[...]

Mitglieder der ehemaligen Regierung / Streitkräfte / ausländischer Organisationen

Die Taliban haben offiziell eine „Generalamnestie“ für Angehörige der ehemaligen Regierung und Sicherheitskräfte angekündigt (AA 26.6.2023; vgl. UNAMA 22.8.2023). Hochrangige Taliban, auch das Oberhaupt der Bewegung, Emir Haibatullah Akhundzada, haben die Taliban-Kämpfer wiederholt zur Einhaltung der Amnestie aufgefordert und angeordnet, von Vergeltungsmaßnahmen abzusehen (AA 26.6.2023; vgl. UNAMA 22.8.2023). Berichte über Verstöße gegen diese Amnestie wurden von den Taliban-Behörden zurückgewiesen und erklärt, dass diese Verstöße auf „persönlicher Feindschaft oder Rache“ beruhten und nicht auf einer offiziellen Anweisung zu solchen Handlungen (UNAMA 22.8.2023). Außerhalb offizieller Kommunikation jedoch verbreiten Taliban-Offizielle bzw. ihnen nahestehende Kommentatoren, u. a. in den sozialen Medien, das Narrativ, dass ehemalige Regierungsmitglieder bzw. -angestellte, aber auch Personen, die mit ausländischen Regierungen gearbeitet haben, Verräter am Islam und an Afghanistan sind (AA 26.6.2023). Es wird berichtet, dass sich die Kampagnen der Taliban auch gegen die Familienmitglieder ehemaliger Militär- und Polizeikräfte richten (KaN 18.10.2023).

Während zielgerichtete, groß angelegte Vergeltungsmaßnahmen gegen ehemalige Angehörige der Regierung oder Sicherheitskräfte, oder Verfolgung bestimmter Bevölkerungsgruppen, bislang nicht nachgewiesen werden konnten (AA 26.6.2023), berichten Menschenrechtsorganisationen allerdings über Entführungen und Ermordungen ehemaliger Angehöriger des Staatsapparats und der Sicherheitskräfte (AA 26.6.2023; vgl. HRW 12.1.2023). Diese Fälle lassen sich zumindest teilweise eindeutig Taliban-Sicherheitskräften zuordnen. Inwieweit diese Taten politisch angeordnet wurden, ist nicht zu verifizieren. Sie wurden aber durch die Taliban-Regierung trotz gegenteiliger Aussagen mindestens toleriert bzw. nicht juristisch verfolgt (AA 26.6.2023).

Im März 2022 gründeten die Taliban die Kommission für die Verbindungsaufnahme und Rückführung afghanischer Persönlichkeiten (KaN 18.10.2023; vgl. SIGAR 2.2023), um mit hochrangigen ehemaligen Beamten und Spitzenmilitärs über ihre Rückkehr ins Land zu verhandeln und ihnen Sicherheit und Schutz zu versprechen. Die Rückkehrer erhalten „Immunitätskarten“, um sicherzustellen, dass sie nicht aufgrund ihrer früheren Tätigkeit inhaftiert werden. Einige müssen sich die Karten nach ihrer Rückkehr besorgen, was sich als äußerst schwierig erweist, da die Taliban keine speziellen Registrierungszentren bekannt gegeben haben und der Zugang zur Kommission nach wie vor schwierig ist. Die Kommission wird von Shahabuddin Delawar, dem Taliban-Minister für Bergbau und Erdöl, geleitet und umfasst sechs weitere hochrangige Taliban-Mitglieder aus Militär und Geheimdienst (KaN 18.10.2023; vgl. TN 17.3.2022). Seit ihrer Gründung ist es der Kommission gelungen, eine Reihe ehemaliger Beamter, darunter hochrangige Militär- und Polizeibeamte, zur Rückkehr in das Land zu bewegen. Während einige von ihnen der Rückkehr zugestimmt haben, haben viele aus Angst vor den „falschen Versprechungen“ der Taliban beschlossen, nicht zurückzukehren. Die Taliban haben sich jedoch jeden prominenten Rückkehrer zunutze gemacht, indem sie ihn auf dem Flughafen von Kabul gefilmt und die Videos dann in den sozialen Medien als Werbematerial verbreitet haben. Die meisten Rückkehrer werden später zu Taliban-Unterstützern, befürworten ihre Ideologie und fordern weltweite Anerkennung. Manche sehen diese Rückkehr als eine Treueerklärung an die Taliban. Einige Mitglieder der ehemaligen Streitkräfte, die nach Versprechungen der Taliban nach Afghanistan zurückgekehrt waren, gaben an, wie Feinde behandelt worden zu sein, und dass ihre persönlichen Daten über Social-Media verbreitet wurden. Während einer angab, dass er kurzfristig verhaftet und verhört und sein Haus im Anschluss mehrfach von den Taliban durchsucht wurde, gab ein anderer Rückkehrer an, dass er zusätzlich einen Taliban-Beamten mit 50.000 AFN bestechen musste, um eine „Immunitätskarte“ zu erhalten. Zusätzlich mussten Rückkehrer einen Treueid auf die Taliban leisten (KaN 18.10.2023).

Die Vereinten Nationen (VN) (UNAMA 22.1.2023), Nichtregierungsorganisationen (NGOs) (HRW 11.1.2024) sowie Medien (Afintl 3.2.2024; vgl. RFE/RL 13.11.2023, KaN 18.10.2023, 8am 23.7.2023) berichten von Entführungen und Ermordungen von ehemaligen Regierungs- und Sicherheitskräften seit August 2021 (AA 26.6.2023; vgl. ACLED 11.8.2023). Täter können davon ausgehen, dass auch persönlich motivierte Taten gegen diesen Personenkreis nicht geahndet werden (AA 26.6.2023).

Für den Zeitraum vom 16.8.2021 - 30.5.2023 verzeichnet ACLED über 400 Gewalttaten gegen ehemalige Regierungs- und Sicherheitsbeamte, von denen 290 von den Taliban verübt wurden (siehe nachstehende Grafik). Bei vielen Angriffen, die von nicht identifizierten Angreifern verübt wurden, haben lokale Quellen oder Familien der Opfer die Taliban beschuldigt, dafür verantwortlich zu sein (ACLED 11.8.2023).

[…]

UNAMA dokumentiert für denselben Zeitraum (15.8.2021 - 30.6.2023) sogar mindestens 800 Menschrechtsverletzungen gegen ehemalige Regierungs- und Sicherheitsbeamte, darunter außergerichtliche Tötungen, gewaltsames Verschwinden, willkürliche Verhaftungen und Inhaftierungen, Folter und Misshandlungen sowie Drohungen (UNAMA 22.8.2023).

[…]

Nach Angaben von UNAMA sind ehemalige Angehörige der afghanischen Nationalarmee am stärksten von Menschenrechtsverletzungen bedroht, gefolgt von der Polizei (sowohl der afghanischen Nationalpolizei (ANP) als auch der afghanischen Lokalpolizei (ALP)) und Beamten der National Directorate of Security (NDS). Menschenrechtsverletzungen gegen ehemalige Regierungsbeamte und Angehörige der ANDSF wurden in allen 34 Provinzen registriert, wobei die meisten Verletzungen in den Provinzen Kabul, Kandahar und Balkh verzeichnet wurden. Die oben genannten Gruppen sind zwar in allen Provinzen gefährdet, doch scheint es in einigen Gegenden zu einer verstärkten gezielten Gewalt zu kommen. So dokumentierte UNAMA mindestens 33 Menschenrechtsverletzungen gegen ehemalige ANP-Mitglieder in Kandahar (mehr als ein Viertel aller Menschenrechtsverletzungen gegen ehemalige ANP-Mitglieder im ganzen Land) und mindestens elf Fälle von Menschenrechtsverletzungen in Khost gegen ehemalige Mitglieder der Khost Protection Force (KPF), darunter außergerichtliche Tötungen, willkürliche Verhaftungen und Inhaftierungen sowie Folter und Misshandlungen (UNAMA 22.8.2023).

Für die meisten der von UNAMA berichteten Verstöße liegen nur begrenzte Informationen über die Maßnahmen vor, die von den Taliban-Behörden ergriffen wurden, um die Vorfälle zu untersuchen und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. In einigen Fällen hat UNAMA Berichte erhalten, dass die mutmaßlichen Täter von Vorfällen, die sich gegen ehemalige Regierungsbeamte und ANDSF-Mitglieder richteten, festgenommen wurden. Die Taliban-Behörden haben auch öffentlich ihre Absicht angekündigt, bestimmte Vorfälle zu untersuchen (UNAMA 22.8.2023).

Auszug aus der EUAA Country Guidance zu Afghanistan vom Mai 2024:

„Refugee Status

[…]

Members of the security institutions of the former government

This profile includes members of the former ANDSF, including former Afghan Local Police (ALP) and pro-government militias.

During the years of the conflict, ANDSF personnel, both on and off-duty, was a priority target of the Taliban. Attacks against government forces at army bases, police stations and checkpoints, deliberate killings, executions, abductions and torture against detainees, including ANDSF personnel, were reported, and explicitly legitimised by the Taliban Layeha (code of conduct) [Anti-government elements 2020, 1.2.1., pp. 13-15; 2.5., pp. 21-22; 2.6.1., pp. 22-23; State structure, 2.1., pp. 26-27; Security 2020, 1.1.1., p. 20; 1.3., pp. 30-31; 1.5.2, p. 51]. During the summer of 2021, cases were reported in which the Taliban committed killings of ANDSF members who had surrendered or were detained [Targeting 2022, 2.1., p. 56]. Sources reported that, as of June 2022, former ANDSF members, including former ALP and pro-government militias, continued to be a primary target of Taliban violence [Targeting 2022, 2.1., pp. 57-63; 2.7., p. 72].

After the takeover, the Taliban issued an amnesty for all who fought against them. The content of the amnesty has not been available beyond general reference to its existence, including from senior Taliban officials, leading to uncertainties around the temporal scope and consequences for breaching it. Sources suggest that the Taliban do not have any policy in place of targeting former Afghan security forces. Nevertheless, there have been continuous claims of Taliban members breaching the amnesty and subjecting former ANDSF members and their relatives to human right violations across the country, including killings, enforced disappearance, and torture [Country Focus 2023, 4.1.1., p. 56].

Although the Taliban have called upon their members to respect the amnesty, there is limited information on individuals facing any consequences for breaching it. Despite the fact that certain elements have been identified as possibly playing a role in the targeting, such as ‘revenge culture’, personal disputes, and retaliation following the conflict, it is not possible to discern any clear patterns on who is being targeted among former government personnel and who is not. Sources emphasised that it has been hard to discern motives behind the killings, and that people may be targeted due to personal disputes. The Taliban have also claimed that violations of the amnesty have taken place due to personal animosities. One source further reported that the most important thing for the Taliban is that individuals are loyal to them today, rather than their allegiances from before the takeover [Country Focus 2023, 4.1.1., p. 56; 4.1.3., p. 59].

Available data over killings and ill-treatments include victims who held different positions within the former government’s security forces. The Taliban’s practices towards former officials have been ‘inconsistent’, ‘ad hoc’ and a ‘mixture of contradictory policies’. On one hand, some former security personnel have been able to work in the Taliban’s de facto forces, return from abroad through the Taliban’s return commission, and stage open protests against the non-payment of pensions. On the other hand, some former security personnel have been living in hiding since the takeover, while killings and various forms of ill-treatment have occurred. Moreover, single sources have suggested that some killings have been carried out with the ‘tacit approval’ of senior Taliban commanders, and that Taliban operations against resistance groups and the ISKP might in fact be a way to target former ANDSF members [Country Focus 2023, 4.1.2., pp. 56-57].

As of 30 June 2023, according to UNAMA, since the takeover the de facto authorities had committed at least 800 cases of human rights violations against former civilian and military personnel. Violations recorded included 218 killings, 14 instances of enforced disappearance, 424 arbitrary arrests and detentions, 144 instances of torture, and multiple threats. Most cases took place in the 4 months immediately following the takeover in 2021, however killings and other human rights violations have continued in 2022 and 2023. In 2022, the NGO Safety and Risk Mitigation Organization (SMRO) recorded 76 killings and 57 detentions of former security forces, while an increase was noted in 2023 with 27 killings and 55 detentions recorded in the first quarter alone. In the second quarter of 2023, SMRO logged 2 instances of rape, 15 killings and 35 detentions of former security forces personnel in multiple provinces [Country Focus 2023, 4.1.2., pp. 58-59].

The Taliban also declared that they wanted former Afghan National Army (ANA) personnel to join their ranks and launched campaigns to recruit former ANDSF personnel. Although some former ANDSF members did join the Taliban ranks, it was reported that these efforts were of little success due to fear of retribution. Many former personnel remained in hiding or left the country [Security 2022, 1.2.2., p. 27; 2.1.2., pp. 39-41; Targeting 2022, 2.3., pp. 65-66; 2.5., pp. 69-70].

Efforts were made by Taliban members to track down former security officials through local informants, registration campaigns of former ANDSF personnel and possibly the use of former governments databases. In February 2022, the Taliban began to conduct house-to-house searches in different parts of the country which, according to some sources, also focused on finding former government employees and members of ANDSF [Security 2022, 1.2.4., p. 33; Targeting 2022, 2.2., pp. 63-65].

Cases of non-fighting army personnel being detained and killed have also been reported [Targeting 2022, 2.4., p. 68].

There were reports of targeting of former female members of the ANDSF by the Taliban or by their own relatives [Targeting 2022, 2.8, p. 73].

There have also been sporadic reports of family members of former ANDSF members being killed, detained, forcibly disappeared, tortured, and raped. Some family members were reportedly ‘caught up’ in Taliban raids targeting former ANDSF members, while others were targeted in the search for such individuals [Country Focus 2023, 4.1.2., p. 58-59; 4.1.5., pp. 62; Targeting 2022, 2.1., pp. 5, 63; 2.2., p. 64; 2.4.-2.7., pp. 67-73; Security 2022, 3.2.(c), pp. 68- 69; Country Focus 2022, 2.5., p. 46]

Do the acts qualify as persecution under Article 9 QD?

Acts reported to be committed against individuals under this profile are of such severe nature that they amount to persecution (e.g. summary executions, torture, enforced disappearances).

What is the level of risk of persecution (well-founded fear)?

For applicants who were members of the security institutions of the former government, wellfounded fear of persecution would in general be substantiated.

Family members may also have a well-founded fear of persecution, for example in the context of the Taliban searching for the individual they are related to.

[…]

Ethnic and religious minorities

[…]

Tajiks

Mainly in Tajik-dominated areas in the northeast provinces, it was reported that civilians have been subjected to house searches, arbitrary arrests, detentions, extrajudicial killings, torture and displacement because of perceived association with the NRF. Some sources identified an ethnic dimension in the targeting and identified ethnic Tajiks as prone to violations, also in Kabul City, while other sources have discarded such accounts [Country Focus 2023, 4.3.1., p. 67; 4.5.1., p. 83].

The Taliban have reportedly conducted reprisal attacks, including arbitrary arrests and killings of civilians in areas associated with resistance groups, mostly in Panjshir Province, but also in the provinces Baghlan, Takhar and in Daykundi [Country Focus 2023, 4.3., p. 65; 4.3.1. pp. 66]. Individuals originating from Panjshir Province have, according to several sources, been arrested in Kabul City for suspected links to NRF [Country Focus 2023, 4.3.1., p. 67].

Regarding the forced evictions of local communities, including Hazara, Tajik and Uzbek communities, in northeastern provinces as well as in Hazarajat, in favour of formerly displaced Pashtuns returning to their areas of origin and Kuchi nomads (also Pashtuns), a source noted that such a phenomenon could be attributed to the Taliban’s strategy aimed at gaining political and military control over these areas rather than for the purpose of ‘Pashtunisation’ of the country. It was reported that, even in provinces with a homogenous ethnic composition, such disputes have re-emerged, often along tribal or clan-based lines. However, forced evictions and displacement of minority groups were reportedly facilitated or tolerated by the de facto authorities, and in the disputes involving returning Pashtun (mainly Kuchis) refugees from Pakistan, local Taliban authorities reportedly sided with the Pashtun Kuchis leading to the local population, mainly Uzbeks and Tajiks, being evicted from their houses and lands [Country Focus 2023, 4.3.3., p. 69; 4.5.1., p. 83].

Conclusions and guidance

Do the acts qualify as persecution under Article 9 QD?

Acts reported to be committed against individuals under this profile are of such severe nature that they amount to persecution (e.g. abduction, collective punishments, torture, execution).

What is the level of risk of persecution (well-founded fear)?

The individual assessment whether there is a reasonable degree of likelihood for the applicant to face persecution should take into account whether they would be perceived as having an affiliation to NRF, with Tajiks from Panjshir and Andarab district (Baghlan province) being particularly at risk. See 3.4. Individuals perceived as members or supporters of the National Resistance Front (NRF).“

Auszug aus dem Bericht der EASO „Afghanistan State Structure and Security Forces“ vom August 2020:

„Security Institutions

[…]

Afghan National Security Forces (ANSF)

[…]

According to the USDOD, ‘the current ANDSF authorised force level remains at 382 000. The MoD [Ministry of Defence] is authorised 227 103 personnel and the MoI [Ministry of Interior] is authorised 154 626 personnel’ including the authorisation for 30 000 ALP (Afghan Local Police) personnel.“

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat, die bereits im angefochtenen Bescheid getroffen wurden, stützen sich auf die zitierten Quellen und wurden von den Parteien nicht substanziell bestritten. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

Soweit der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde die Beauftragung eines landeskundigen Sachverständigen zur aktuellen Situation in Afghanistan und den spezifisch vom Beschwerdeführer vorgebrachten Punkten beantragt ist dazu auszuführen, dass damit kein konkretes Beweisthema, das nicht bereits durch die zugrundegelegten Länderinformationen abgedeckt ist, angeführt wird. Zudem ist auf die Rechtsprechung des VwGH zu verweisen, wonach ein bloß allgemeines Vorbringen, das nicht aufzeigt, zum Nachweis welcher konkreten Tatsachen der Beweis dienen soll, auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis hinausläuft, zu dessen Aufnahme das Verwaltungsgericht nicht verpflichtet ist (zB VwGH 05.06.2024, Ra 2023/09/0058, mwN).

2.2. Zu den Feststellungen zur Person und zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Staatszugehörigkeit des Beschwerdeführers und seiner Volksgruppen- sowie Religionszugehörigkeit gründen sich auf seine diesbezüglichen übereinstimmenden und damit glaubhaften Angaben im Verfahren.

Die Feststellung dazu, dass der Beschwerdeführer aus dem Dorf XXXX , Distrikt Anderob, in der Region Baghlan, stammt und dort bis zu seiner Ausreise lebte, gründet sich aus seine entsprechenden Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und in der mündlichen Verhandlung sowie den damit in Übereinstimmung stehenden Daten des vorgelegten Militärbuches und der Tazkira des Beschwerdeführers zu seinem Hauptwohnsitz bzw. derzeitigen Wohnort in Afghanistan.

Die Feststellung zum aktuellen Aufenthalt der Eltern, Geschwister, Onkel und Tanten des Beschwerdeführers im Iran und in Afghanistan beruht auf seinen diesbezüglichen übereinstimmenden und damit glaubhaften Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und in der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellungen zur Schulbildung des Beschwerdeführers, seiner militärischen Ausbildung, seiner beruflichen Beschäftigung bis zum Jahr XXXX für das afghanische Militär und seiner daran anschließenden Tätigkeit im Lebensmittelgeschäft seines Vaters beruht auf seinen entsprechenden Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und in der mündlichen Verhandlung. Auch die vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumente, sein Militärbuch, eine Bestätigung für die Grundausbildung der Soldaten und eine Bestätigung für den Berufsausbildungskurs der Soldaten, und die vorgelegten Fotokopien lassen auf die militärische Ausbildung des Beschwerdeführers und seine Tätigkeit für das afghanische Militär schließen.

Die Feststellung dazu, dass der Beschwerdeführer für das afghanische Militär die Funktion eines einfachen Soldaten innegehabt hat, ergibt sich aus seinen entsprechenden Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und dem vorgelegten Militärbuch, aus dem hervorgeht, dass der Beschwerdeführer die Funktion eines „Junior Officer“ ausgeübt hat. Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer im Rahmen seiner Tätigkeit als einfacher Soldat konkret wahrgenommenen Aufgaben führte er vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an, er sei Telefonist gewesen und sofern er von anderen Stützpunkten Informationen erhalten habe, habe er diese entsprechend weitergeleitet. Nach seiner Zuteilung in Kandarhar, sei er bei seiner zweiten Zuteilung in Helmand an der Front gewesen bzw. sei er Pionier gewesen. Vor dem Bundesamt für Fremdenwesen näher dazu befragt, was der Beschwerdeführer mit seinen Fronteinsätzen gemeint habe, führte er aus, er habe nie auf Menschen geschossen und die Taliban seien etwa 1.000 Meter (oder mehr) entfernt gewesen sowie hätten sie seine Kameraden umgebracht. Obgleich der Beschwerdeführer damit vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl angab, er sei im Zuge seiner Zuteilung in Helmand an der Front eingesetzt gewesen, lässt sich aus seinen Angaben nicht ableiten, dass er aktiv in Kampfhandlungen involviert gewesen sei, als er selbst nach dezidierter Nachfrage von keiner einzigen Kampfhandlung berichtete, in die er selbst involviert gewesen sei. Gänzlich anders schilderte er seine konkreten Tätigkeiten für das afghanische Militär hingegen in der mündlichen Verhandlung, wonach er sowohl in Kandarhar als auch in Helmand aktiv in Kampfhandlungen involviert gewesen sei. Näher dazu befragt gab er sodann an, dass er in Helmand mit der Ermordung seiner Kameraden und dem Auffinden deren Leichen(teile) konfrontiert gewesen sei, er daran beteiligt gewesen sei, Mitglieder der Taliban festzunehmen und auszufragen und er bis zum Schluss bzw. bis zur letzten Munition gekämpft habe. Dass der Beschwerdeführer derartig aktiv in Kampfhandlungen involviert gewesen sei und insbesondere auch direkt mit den Taliban in Kontakt geraten sei, ist seinem Vorbingen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hingegen überhaupt nicht zu entnehmen. Der Beschwerdeführer vermochte diese Unstimmigkeit auch in der mündlichen Verhandlung nicht aufzuklären, als er lediglich angab, mit seinen Ausführungen bezüglich seiner Zuteilung in Kandarhar immer gemeint zu haben, im Funk tätig gewesen zu sein und Funkgeräte im Büro sowie von einem Panzer aus bedient zu haben. Dies erklärt jedoch nicht, wieso der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit keinem Wort artikulierte, dass er während seiner Zuteilung in Helmand auf die weiter oben beschriebene intensive Art und Weise in Kampfhandlungen involviert gewesen sei und Taliban festgenommen sowie ausgefragt habe. Sein Vorbringen in der mündlichen Verhandlung ist damit als gesteigert und nicht glaubhaft zu werten, sodass entsprechend seinen Ausführungen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl festzustellen ist, dass der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Funktion als einfacher Soldat für das afghanische Militär Informationen weitergeleitet hat bzw. im Funk tätig war, er jedoch nicht aktiv an Kamphandlungen beteiligt war oder Taliban festgenommen und ausgefragt hat.

Die Feststellungen zur Ausreise aus Afghanistan, zu den Ausreisekosten, deren Finanzierung und zur Weiterreise nach Österreich ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers im Laufe des Verfahrens. Das Datum der Antragstellung ergibt sich aus dem Akteninhalt.

Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers, er habe vor seiner Ausreise für sechs Monate gegen die Taliban in den Bergen gekämpft, ist aufgrund mehrerer Widersprüche nicht glaubhaft:

Hervorzuheben gilt, dass der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und in der mündlichen Verhandlung nicht einmal konstant angeben konnte, mit wem er in den Bergen gegen die Taliban gekämpft habe. Vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl führte der Beschwerdeführer dazu aus, dass etwa 30 Personen, wobei davon zehn Personen zur Familie des Beschwerdeführers (Brüder und Cousins) gehört hätten, gegen die Taliban gekämpft hätten. In der mündlichen Verhandlung sprach der Beschwerdeführer zunächst lediglich davon, dass er selbst, einer seiner Brüder, seine Cousins und ein Kommandant gegen die Taliban gekämpft hätten. Von der erkennenden Richterin darauf angesprochen, dass der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl anführte, es hätten mehrere Brüder gegen die Taliban gekämpft, korrigierte sich der Beschwerdeführer insofern selbst, als dass er nunmehr angab, es seien alle fünf Brüder mit ihm in die Berge gegangen, er und sein ältester Bruder seien sodann geblieben, während die anderen vier Brüder bereits geflüchtet seien. Diese Erklärung des Beschwerdeführers ist jedoch nicht geeignet, diesen aufgetretenen Widerspruch hinsichtlich der Beteiligung seiner Brüder am Kampf in den Bergen aufzuklären, als er nach seinen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung weiterhin lediglich mit einem Bruder gemeinsam gekämpft habe, während die anderen bereits weitergegangen seien und er vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ausdrücklich von der Kampfteilnahme seiner Brüder berichtete. In einen weiteren Widerspruch verwickelte sich der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auch dahingehend, dass er vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl angab, es hätten insgesamt 30 Personen, wobei davon zehn Personen zur Familie des Beschwerdeführers (Brüder und Cousins) gehört hätten, gegen die Taliban gekämpft. In der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer als Gesamtzahl hingegen an, dass lediglich 25 Personen, wobei davon mit ihm acht Personen zu seiner Familie gehört hätten, gegen die Taliban gekämpft.

Wie bereits gerade dargelegt, gab der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung an, dass alle fünf Brüder mit ihm gemeinsam in die Berge gegangen seien und vier seiner Brüder bereits vor einer Kampfteilnahme geflohen seien. Der fünfte verbliebene Bruder und die Cousins, die mit dem Beschwerdeführer gekämpft hätten, seien ebenso vor ihm selbst aus den Bergen geflohen. Der Beschwerdeführer sei erst danach alleine geflohen. Vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl schilderte der Beschwerdeführer diese Abfolge der Ausreise von sich und seinen Brüdern hingegen gänzlich konträr. Demnach sei der Beschwerdeführer nämlich einerseits nicht nach seinen Brüdern ausgereist, sondern vor ihnen und er sei andererseits nicht alleine, sondern mit seinen Kameraden ausgereist.

Ein gravierender Widerspruch liegt ferner darin, dass der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl von gänzlich anderen Repressalien berichtete, die seine Familienangehörigen durch die Taliban erfahren hätten. Vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gab der Beschwerdeführer noch an, dass einer seiner Brüder von den Taliban vor dem familieneigenen Lebensmittelgeschäft festgenommen, für drei Tage inhaftiert worden und durch Intervention der Dorfältesten wieder freigekommen sei, weil die Taliban gewusst hätten, dass die Familie des Beschwerdeführers gegen sie gekämpft habe. In der mündlichen Verhandlung ließ der Beschwerdeführer diese Inhaftierung und Anhaltung seines Bruders hingegen gänzlich unerwähnt und berichtete nunmehr neu davon, dass die Taliban einmal pro Woche zur Familie des Beschwerdeführers nachhause gekommen seien, sich rabiat Zugang zum Haus verschafft, dort nach dem Beschwerdeführer gesucht und das Auto entwendet hätten. Der Beschwerdeführer erwähnte zwar auch vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, dass die Taliban in seinem Herkunftsort gewesen seien und alles durchsucht hätten; dass die Taliban wöchentlich das Haus der Familie des Beschwerdeführers durchsucht und das Auto entwendet hätten, lässt sich seinem Vorbringen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hingegen nicht entnehmen. Erstmals in der mündlichen Verhandlung führte der Beschwerdeführer auch an, dass die Taliban ebenso bei seiner Ex-Schwiegerfamilie nach ihm gesucht hätten.

Widersprüchlich gestaltet sich das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers auch dahingehend, dass er vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl angab, er sei ab bzw. während des Kampfes gegen die Taliban in den Bergen nicht mehr zu seiner Familie nachhause gekommen, während er in der mündlichen Verhandlung nunmehr angab, dass er zweimal während des Kampfes gegen die Taliban in den Bergen zu seiner Familie nachhause gekommen sei; einmal zwecks der Eheschließung mit seiner Ex-Frau und ein weiteres Mal ohne besonderen Grund. Zu betonen gilt an dieser Stelle ebenso, dass der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen anderen Zeitpunkt nannte, zu dem die Eheschließung mit seiner Ex-Frau erfolgt sei. Der Beschwerdeführer gab vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nämlich an, er habe seine Ex-Frau geheiratet und sei sechs Tage nach der Eheschließung in die Berge gezogen, um gegen die Taliban zu kämpfen, sodass die Eheschließung nach seinem Vorbringen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vor dem Kampf in den Bergen gegen die Taliban erfolgt sei, während die Eheschließung nach seinem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung erst während des Kampfes in den Bergen gegen die Taliban erfolgt sei.

Sowohl vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als auch in der mündlichen Verhandlung erwähnte der Beschwerdeführer einen Nachbarn, der ebenso für das afghanische Militär gearbeitet habe und deswegen von den Taliban mitgenommen bzw. umgebracht worden sei, doch erwähnte er diesen Nachbarn in einem jeweils unterschiedlichen Kontext. Vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sei die Mitnahme dieses Nachbarn durch die Taliban der konkrete Auslöser dafür gewesen, dass der Beschwerdeführer und andere Personen begonnen hätten gegen die Taliban zu kämpfen, wohingegen die Ermordung dieses Nachbarn durch die Taliban nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung der Grund dafür gewesen sei, wieso der Beschwerdeführer nach seinen beiden Besuchen der Familie nicht mehr nachhause zu seiner Familie gekommen sei.

Aufgrund der gerade aufgezeigten Ungereimtheiten ist das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft und sind er und seine Familie mangels eines glaubhaften Vorbringens insgesamt gesehen bisher nicht ins Visier der Taliban geraten, sodass auch keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr den Taliban nunmehr auffallen würde.

Auch als ehemaliger einfacher Soldat des afghanischen Militärs besteht für den Beschwerdeführer keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass er allein aufgrund der Zugehörigkeit zum Militärpersonal der früheren afghanischen Regierung mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt durch die Taliban bedroht würde. Dem herangezogenen aktuellen Länderinformationsblatt zu Afghanistan ist dazu zunächst zu entnehmen, dass mit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 die Armee des früheren afghanischen Regimes mit einer Stärke von 350.000 Angehörigen zusammengebrochen ist. Ähnliches ergibt sich aus dem herangezogenen Bericht der EASO „Afghanistan State Structure and Security Forces“ vom August 2020, als diesem zu entnehmen ist, dass die afghanischen nationalen Sicherheitskräfte zum damaligen Zeitpunkt eine Stärke von 382.000 Angehörigen aufwiesen.

Dem aktuellen Länderinformationsblatt zu Afghanistan ist zu entnehmen, dass ACLED bis zum 30.05.2023 über 400 Gewalttaten gegen ehemalige Regierungs- und Sicherheitsbeamte, von denen 290 von den Taliban verübt wurden, verzeichnet. Der aktuellen EUAA Country Guidance zu Afghanistan vom Mai 2024 ist zudem zu entnehmen, dass von UNAMA bis zum 30.06.2023 seit der Machtübernahme der Taliban mindestens 800 Fälle von Menschenrechtsverletzungen gegenüber früherem zivilen und militärischen Personal der Vorgängerregierung dokumentiert wurden. Diese umfassten unter anderem 218 Tötungen, 14 Fälle des erzwungenen Verschwindens, 424 Festnahmen und Inhaftierungen sowie 144 Fälle von Folter und verschiedene Drohungen. Die meisten dieser Vorfälle ereigneten sich in den ersten vier Monaten nach der Machtübernahme im Jahr 2021. Auch in den Jahren 2022 und 2023 kam es weiterhin zu Tötungen und Menschenrechtsverletzungen. Insgesamt wurden von ACLED, UNAMA und der NGO Safety and Risk Mitigation Organization bis Juni 2023 1.357 Fälle erfasst, in denen Angehörige der ehemaligen afghanischen Streitkräfte aufgrund dieser ehemaligen Tätigkeit seitens der Taliban Repressalien erfahren haben. Zudem hält die aktuelle Guidance Note on Afghanistan von UNHCR aus September 2025 fest, dass sich dies auch 2024 und 2025 fortsetzte und verweist diesbezüglich auf das Update von UNAMA aus März 2025, das zwischen 01.01.2025 und 31.03.2025 23 Vorfälle und zwischen 01.07.2024 und 30.09.2024 zumindest 39 Vorfälle dokumentieren konnte. Den Berichten ist aber auch zu entnehmen, dass die Taliban offiziell eine „Generalamnestie“ für Angehörige der ehemaligen Regierung und Sicherheitskräfte angekündigt haben und die Taliban-Kämpfer wiederholt zur Einhaltung der Amnestie aufgefordert wurden. Auch wenn es zu Verstößen gegen diese Amnestie kommt, konnten groß angelegte Vergeltungsmaßnahmen gegen ehemalige Angehörige der Regierung oder Sicherheitskräfte bislang nicht nachgewiesen werden.

Diese Ausführungen zeigen, dass angesichts der hohen Zahl an ehemaligen Militär- und Sicherheitskräften nur ein geringer Anteil von Übergriffen durch Taliban-Angehörige betroffen ist, auch wenn zu berücksichtigen ist, dass wohl nicht alle Vorfälle lückenlos dokumentiert werden können. Daraus ergibt sich, dass allein die Zugehörigkeit zu den genannten Risikogruppen keine ausreichende Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung im Herkunftsstaat begründet, sofern nicht weitere konkrete Anhaltspunkte hinzutreten, die auf ein individuelles Risiko schließen lassen. Angesichts des niedrigen militärischen Rangs des Beschwerdeführers und der Beendigung seiner Tätigkeit beim Militär bereits im Jahr XXXX in Zusammenschau mit den nicht glaubhaften Behauptungen des Beschwerdeführers zur Festnahme von Taliban und Kampfteilnahme gegen die Taliban in den Bergen, ist daher davon auszugehen, dass er oder seine Familie aufgrund seiner ehemaligen Tätigkeit als einfacher Soldat für das afghanische Militär nicht in das Blickfeld der Taliban geraten sind bzw. werden.

Zur Feststellung, dass dem Beschwerdeführer aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit keine Probleme drohen: Der Beschwerdeführer artikulierte im gesamten Verfahren nicht, dass er in Afghanistan jemals Probleme aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit zu den Tadschiken erfahren habe, sodass bereits deswegen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr keine Probleme aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit erfahren würde. Davon abgesehen ergibt sich auch aus den herangezogen, zitierten Länderinformationen für den Beschwerdeführer keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer solchen Gefährdung. Der aktuellen EUAA Country Guidance zu Afghanistan vom Mai 2024 lässt sich damit zusammenhängend zwar entnehmen, dass in von Tadschiken dominierten Gebieten Zivilisten, welche aufgrund ihrer vermeintlichen Verbindung zur NRF (National Resistance Front of Afghanistan), Hausdurchsuchungen, willkürlichen Verhaftungen, Inhaftierungen, außergerichtlichen Tötungen, Folter und Vertreibungen ausgesetzt waren und derartige Repressalien auch von den Taliban ausgegangen sind. Gleichzeitig hängt eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit der Verfolgung im Zusammenhang mit der Volksgruppenzugehörigkeit zu den Tadschiken aber eben tragend davon ab, ob die betroffene Person mit der NRF assoziiert wird. Da sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verfahren gesamtheitlich nicht ableiten lässt, dass er mit der NRF in Verbindung steht und er dies auch nie behauptet hat, kann auch keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit zu den Tadschiken erkannt werden kann.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0370). Verlangt wird eine „Verfolgungsgefahr“, wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287).

Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der Begriff der „Glaubhaftmachung“ im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der Beschwerdeführer die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG § 45 Rz 3 mit Judikaturhinweisen). Die „Glaubhaftmachung“ wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der „hierzu geeigneten Beweismittel“, insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (vgl. VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Der Beschwerdeführer konnte eine Verfolgung durch die Taliban – wie in der Beweiswürdigung ausgeführt – nicht glaubhaft machen und kann deswegen sowie mangels Vorliegens konkreter gegenteiliger Anhaltspunkte eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Beschwerdeführer nunmehr den Taliban auffallen würde, nicht erkannt werden.

Wie in der Beweiswürdigung ausgeführt, droht dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan auch aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit keine asylrelevante Verfolgung durch die Taliban und würde der Beschwerdeführer nicht als verwestlicht durch die Taliban wahrgenommen werden.

Dem Beschwerdeführer ist es daher insgesamt nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der GFK genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen.

Auch vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Lage in Afghanistan kann nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer aktuell in Afghanistan eine asylrelevante Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründen droht.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ist daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.