Spruch
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Philipp KUHLMANN sowie Mag. Christa KOCHER als Beisitzer in der Beschwerdesache von XXXX , SV XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Schloßhofer Straße vom 18.12.2024, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 10.03.2025, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Schloßhofer Straße (im Folgenden: AMS) vom 18.12.2024 wurde festgestellt, dass XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer) gemäß § 17 iVm §§ 44 und 46 AlVG das Arbeitslosengeld ab dem 18.12.2024 gebührt. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer den Antrag auf Arbeitslosengeld nicht innerhalb der festgesetzten Frist, sondern erst am 18.12.2024 eingebracht habe.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 06.01.2025 fristgerecht Beschwerde. Darin führte er aus, dass er am 27.11.2024 vom AMS ein Formular zum Ausfüllen erhalten habe. Aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen sei er nicht in der Lage gewesen, dieses Formular selbständig auszufüllen. Die Beraterin habe ihm lediglich mitgeteilt, dass er am 18.12.2024 einen Termin habe, zu dem er das Formular mitbringen solle. Leider sei er nicht ausreichend auf seinen ersten Termin am 09.12.2024 hingewiesen worden und sei ihm nicht bewusst gewesen, dass er das Formular bereits zu diesem früheren Termin einreichen hätte müssen. Der Beschwerdeführer leide an einer schweren Erkrankung und habe Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben. Zudem nehme er starke Medikamente gegen Panikattacken. Diese Umstände hätten dazu geführt, dass er die Fristen nicht korrekt wahrnehmen habe können und habe er das Formular daher erst zu seinem Termin am 18.12.2024 mitgebracht. Aufgrund seiner gesundheitlichen Situation und der fehlenden klaren Information seitens des AMS sei der Beschwerdeführer nicht in der Lage gewesen, die erforderlichen Unterlagen fristgerecht einzureichen.
Im Verfahren über die Beschwerde erließ das AMS als belangte Behörde gemäß § 14 VwGVG iVm § 56 AlVG eine mit 10.03.2025 datierte Beschwerdevorentscheidung, mit der der Bescheid vom 18.12.2024 dahingehend abgeändert wurde, dass dem Beschwerdeführer die Notstandshilfe gemäß § 38 iVm § 17 und gemäß § 58 iVm §§ 44 und 46 AlVG ab 18.12.2024 gebührt. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer seitens des AMS ein Antrag auf Arbeitslosengeld mit dem Rückgabedatum 09.12.2024 ausgefolgt worden sei. Der Beschwerdeführer habe den Antrag nicht bis 09.12.2024 beim AMS eingebracht, sondern habe er den Antrag erst am 18.12.2024 abgegeben. Der Antrag gelte daher erst mit 18.12.2024 als geltend gemacht.
Mit Schreiben vom 24.03.2025 stellte der Beschwerdeführer fristgerecht einen Antrag auf Vorlage. Darin führte er aus, dass er seitens des AMS eine falsche Auskunft erhalten habe. Sein Berater habe ihm ausdrücklich gesagt, dass er den Antrag beim nächsten Termin am 18.12.2024 mitnehmen solle, was der Beschwerdeführer schließlich auch gemacht habe. Aufgrund dieser Falschauskunft habe der Beschwerdeführer den Antrag verspätet abgegeben.
Der Vorlageantrag und die Beschwerde wurden gemäß § 15 Abs. 2 letzter Satz VwGVG unter Anschluss der Akten des Verfahrens am 30.05.2025 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde am 27.08.2025 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, an der der Beschwerdeführer, eine Vertreterin der belangten Behörde sowie eine Dolmetscherin für die Sprache Türkisch teilnahmen. Im Zuge der Verhandlung wurde XXXX , AMS-Berater des Beschwerdeführers, als Zeuge einvernommen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer hat sich im Zuge einer persönlichen Vorsprache beim AMS am 27.11.2024 arbeitslos gemeldet. Im Zuge dieser Vorsprache wurde ihm ein Antragsformular zur Gewährung von Arbeitslosengeld ausgefolgt. Darauf ist vermerkt: „Dieser Antrag ist dem Arbeitsmarktservice persönlich abzugeben bis 09.12.2024.“ Das Datum ist so groß geschrieben, dass es über zwei Zeilen geht. Im Zuge der Vorsprache des Beschwerdeführers am 27.11.2024 wurde zudem ein Beratungstermin für den 18.12.2024 vereinbart.
Der Beschwerdeführer, der mangelnde Alphabetisierungskenntnisse hat, war bei der Vorsprache am 27.11.2024 ohne Begleitung beim AMS.
Der Beschwerdeführer hat das am 27.11.2024 erhaltene Antragsformular in der Folge zuhause gemeinsam mit seiner Schwiegertochter ausgefüllt. Er hat seine Schwiegertochter nicht gefragt, bis wann das Formular abzugeben ist.
Der Beschwerdeführer hat den Antrag auf Arbeitslosengeld nicht bis 09.12.2024, sondern erst am 18.12.2024 beim AMS abgegeben.
Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer seit mehreren Jahren an psychischen Problemen leidet und diesbezüglich unter Medikation steht.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Arbeitslosmeldung des Beschwerdeführers sowie zu seiner Vorsprache vor dem AMS am 27.11.2024 ergeben sich aus den Vermerken des AMS von diesem Tag (AS 24 und 29).
Die Feststellung zu den mangelnden Alphabetisierungskenntnissen ergibt sich aus dem diesbezüglichen Vorbringen des Beschwerdeführers.
Dass der Beschwerdeführer bei der Vorsprache am 27.11.2024 ohne Begleitung beim AMS war, ergibt sich aus seiner Angabe in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Das Antragsformular liegt im Akt ein. Daraus ist der Vermerk, wonach der Antrag bis 09.12.2024 persönlich abzugeben ist, eindeutig ersichtlich. Das Datum „09.12.2024“ ist handschriftlich eingetragen.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer das Antragsformular zuhause gemeinsam mit seiner Schwiegertochter ausgefüllt hat, ergibt sich aus seinen diesbezüglichen Angaben in der Verhandlung. Die Frage, ob er bei seiner Schwiegertochter nachgefragt habe, wann das Formular abzugeben sei, hat er in der Verhandlung dezidiert verneint.
Es ist unstrittig, dass der Beschwerdeführer das Antragsformular erst am 18.12.2024 beim AMS abgegeben hat.
Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er auf die Antragsrückgabefrist bis 09.12.2024 nicht hingewiesen worden sei, sondern er im Zuge der Vorsprache am 27.11.2024 seitens des AMS-Beraters die Information erhalten habe, dass er den Antrag erst zum Termin am 18.12.2024 mitbringen solle, ist zunächst entgegenzuhalten, dass bereits der schriftliche Hinweis am Antrag, wonach die Rückgabe bis 09.12.2024 zu erfolgen hat, ausreichend ist. Abgesehen davon ist festzuhalten, dass der AMS-Berater, welcher das Gespräch mit dem Beschwerdeführer am 27.11.2024 geführt hat, in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht als Zeuge einvernommen wurde und dabei – übereinstimmend mit seinen Ausführungen in der Einvernahme vor dem AMS am 04.03.2025 – nachvollziehbar angegeben hat, dass er sich zwar an das konkrete Gespräch mit dem Beschwerdeführer am 27.11.2024 nicht erinnern könne, er sich aber sicher sei, dass er den Beschwerdeführer auf die Notwendigkeit der Antragsrückgabe bis 09.12.2024 hingewiesen habe, da seine Vorgehensweise in solchen Fällen immer die gleiche sei. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, dass der AMS-Berater wütend gewesen sei, ist die Relevanz dieses Vorbringens für gegenständliches Verfahren nicht erkennbar, zumal der Rückgabetermin am Antragsformular eindeutig und korrekt vermerkt war.
Zur mangelnden Alphabetisierung des Beschwerdeführers als Grund für die verspätete Antragsrückgabe ist wie folgt auszuführen: Aus Sicht des erkennenden Senats können arabische Zahlen in der Regel auch von Analphabeten gelesen werden und besteht das am Antragsformular über zwei Zeilen vermerkte Datum „09.12.2024“ aus arabischen Zahlen. Der Beschwerdeführer hat in der Verhandlung weiters angegeben, dass er – aufgrund seiner Lese- und Schreibschwierigkeiten – in der Regel mit Begleitung zu seinen AMS-Terminen erscheine. Wie festgestellt, hatte der Beschwerdeführer bei der Vorsprache am 27.11.2024 jedoch keine Begleitung mit und hätte er daher Kontrollmaßnahmen ergreifen müssen, wie z.B. seine Schwiegertochter beim Ausfüllen des Formulars zu fragen, welcher Rückgabetermin vermerkt ist. Insbesondere da der Beschwerdeführer psychische Probleme hat und unter Medikation steht und er die Folgen dieser psychischen Probleme aufgrund mehrjähriger Erfahrung kennt, hätte er auch deswegen Kontrollmaßnahmen setzen müssen. Dies hat er jedoch unterlassen.
Die Feststellungen zu den psychischen Problemen des Beschwerdeführers und seiner Medikation ergeben sich aus den vorgelegten ärztlichen Unterlagen in Zusammenschau mit den Angaben des Beschwerdeführers in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat – vorliegend sohin das AMS Wien Schloßhofer Straße.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmung des § 56 Abs. 2 AlVG normiert ist, dass über Beschwerden gegen Bescheide der Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservices das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und einer aus dem Kreis der Arbeitnehmer angehören, zu entscheiden ist, liegt im vorliegenden Fall Senatszuständigkeit mit Laienrichterbeteiligung vor.
Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt. Gemäß § 59 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Für Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung gilt das Antragsprinzip. Zum materiell-rechtlichen Leistungsanspruch muss der Formalakt der Geltendmachung iSd § 46 Abs. 1 AlVG hinzutreten. (vgl. Krapf/Keul, Praxiskommentar Arbeitslosenversicherungsgesetz, § 46, Rz 791).
§ 17 AlVG regelt den Beginn des Bezuges einer Leistung aus der Arbeitslosenversicherung. Dieser wird nur auf Antrag des Versicherten gewährt. Es gilt das Antragsprinzip, das bedeutet, dass der Leistungsanspruch nicht schon mit Erfüllung der materiellen Anspruchsvoraussetzungen besteht, sondern erst mit der persönlichen Geltendmachung bei der regionalen Geschäftsstelle und dem entsprechenden Antragsverfahren (vgl. Krapf/Keul Praxiskommentar Arbeitslosenversicherungsgesetz § 17 AlVG, Rz 408). Unter Geltendmachung ist idR die Abgabe des bundeseinheitlich geltenden Antragsformulars im Rahmen einer persönlichen Vorsprache zu verstehen. Hierbei handelt es sich um eine formelle Voraussetzung für die Gewährung des Bezuges von Arbeitslosengeld. Das streng formalisierte Verfahren zur Antragstellung nach § 46 AlVG soll für Klarheit sorgen und erfordert daher auch ein klares Vorgehen durch das AMS (VwGH 28.06.2006, 2005/08/0201).
Die Bestimmungen des § 46 AlVG legen klar dar, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle persönlich geltend zu machen ist und für die Geltendmachung des Anspruches das bundeseinheitliche Antragsformular zu verwenden ist. Weiters wird ausdrücklich in vorzitierter Gesetzesstelle festgehalten, dass, hat die regionale Geschäftsstelle zur Klärung der Anspruchsvoraussetzungen, etwa zur Beibringung des ausgefüllten Antragsformulars oder von sonstigen Unterlagen, eine Frist bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gesetzt und wurde diese ohne triftigen Grund versäumt, der Anspruch erst ab dem Tag als geltend gemacht gilt, ab dem die beizubringenden Unterlagen bei der regionalen Geschäftsstelle eingelangt sind.
Das AMS kann gemäß § 46 Abs. 1 AlVG von der persönlichen Vorsprache absehen, eine Antragstellung wird deshalb jedoch nicht obsolet.
Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer - den oben getroffenen Feststellungen folgend - den Leistungsantrag, welcher ihm am 27.11.2024 seitens des AMS ausgefolgt wurde, nicht innerhalb der Rückgabefrist bis 09.12.2024, sondern erst am 18.12.2024 beim AMS abgegeben. Wie beweiswürdigend ausgeführt, liegt kein triftiger Grund für die verspätete Rückgabe vor.
Der Beschwerdeführer hat sohin erst am 18.12.2024 einen Antrag auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung gestellt und konnte der Bezug daher frühestens ab diesem Tag erfolgen.
Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es handelt sich vorliegend um eine reine Feststellungs- und Beweiswürdigungsfrage im Einzelfall, wann das Formular abgegeben wurde und ob ein triftiger Grund für eine spätere Abgabe vorlag.