Spruch
L501 2315894-1/5E IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER als Vorsitzende und den Richter Mag. Hermann LEITNER sowie den fachkundigen Laienrichter Reg. Rat Johann PHILIPP als Beisitzer über die Beschwerde von Frau XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice vom 26.05.2025, XXXX betreffend Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) insofern stattgegeben, als die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses bis zum 30.06.2024 aufgrund des Vorliegens eines Grades der Behinderung (GdB) von 60 vH gegeben sind; hinsichtlich des Zeitraumes ab 01.07.2024 wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Mit dem am 07.12.2023 im Sozialministeriumservice (in der Folge „belangte Behörde“) eingelangten Schriftstück beantragte die nunmehr beschwerdeführenden Partei (in der Folge „bP“) die Ausstellung eines Behindertenpasses, zumal der das Vorliegen einer Behinderung ab dem 10.08.2019 bescheinigende Behindertenpass mit einem GdB von 60 vH am 31.01.2024 ablaufen werde.
In dem hierauf von der belangten Behörde aufgrund der Aktenlage eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 18.03.2024 wurde mit Hinweis auf das Vorliegen einer abgeschlossenen rezidivfreien Heilungsbewährung bei Brustkrebserkrankung rechts der GdB mit 20 vH festgestellt.
Im Zuge des seitens der belangten Behörde mit Schreiben vom 21.03.2024 gemäß § 45 Abs. 3 AVG gewährten Parteiengehörs monierte die bP mit Schriftsatz vom 04.04.2024 unter Beifügung eines fachärztlichen Zeugnisses vom 04.04.2024 eine nicht nachvollziehbare und unschlüssige Ermittlung des GdB
In dem hierauf eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 06.11.2024 aus dem Bereich Allgemeinmedizin wird basierend auf der klinischen Untersuchung vom 30.10.2024 im Wesentlichen wie folgt ausgeführt:
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: führende Funktionsstörung: Das einzige Leiden bestimmt den Gesamtgrad der Behinderung von 20%.
Mit Schreiben vom 14.11.2024 wurde der Partei das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens gemäß § 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern. Mit Schriftsatz vom 20.11.2024 moniert die bP unter Beilage eines dreiseitigen Berichts ihres letzten Reha-Aufenthaltes neuerlich die Einstufung des GdB für nicht nachvollziehbar und unschlüssig. Es seien im Zusammenhang mit einigen im Gutachten angeführten Statuserhebungen keine physischen Untersuchungen durchgeführt worden, auch sei das vorgelegte fachärztliche Zeugnis zwar angeführt, aber man habe sich offenkundig nicht damit auseinandergesetzt. Unklar sei zudem, warum die Einstufung nach der PosNr. 08.03.01 vorgenommen worden sei, obwohl It. Anlage zur Einschätzungsverordnung maligne Erkrankungen nach Abschnitt 13 einzuschätzen seien.
In dem hierauf eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 16.05.2025 aus dem Bereich Allgemeinmedizin und Chirurgie wird basierend auf der klinischen Untersuchung vom 07.05.2025 im Wesentlichen wie folgt ausgeführt:
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung: Psychischer Erschöpfungszustand - kein Fachbefund vorgelegt oder nachgereicht
Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid wurde in der Folge der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen, da mit einem GdB von 20 vH die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt seien. Nach Zitierung der rechtlichen Grundlagen wurde festgehalten, dass gemäß den dem Bescheid beiliegenden und einen Teil der Begründung bildenden Ergebnissen des ärztlichen Begutachtungsverfahrens ein Grad der Behinderung von 20 vH vorliege.
In der fristgerecht erhobenen Beschwerde stellt die bP ohne Vorlage weiterer Unterlagen den bisherigen Verfahrensgang dar und erklärt im Hinblick auf die am 07.05.2025 stattgefundene Befundaufnahme, dass sie aufgrund der eingeschränkten finanziellen und organisatorischen (schulpflichtiges Kind) Möglichkeiten vor diesem Zeitpunkt keinen neuerlichen Antrag auf Anschlussrehabilitation gestellt bzw. keine weiterführende Therapie z.B. betreffend den psychischen Zustand begonnen habe und aufgrund der beiden vorgelegten ärztlichen Berichte und Zeugnisse keine Veranlassung gesehen habe, auf eigene Kosten und Anstrengungen weitere Fachbefunde einzuholen. Die Einstufung des GdB sei verfehlt und habe man sich mit der von ihr behaupteten andauernden Therapie, den bestehenden Einschränkungen, insbesondere den psychischen Einschränkungen nicht nachvollziehbar auseinandergesetzt. Aufgrund der überlangen Verfahrensdauer in Verbindung mit den bestehenden Einschränkungen sei zwischenzeitlich trotz der o.g. Widrigkeiten eine psychoonkologische Behandlung mit entsprechend begleitender Medikation begonnen worden. Bei Bedarf könne ein psychoonkologischer Befund vorgelegt werden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen:
Die bP erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses: Sie ist österreichische Staatsangehörige und hat ihren Wohnsitz im Inland.
bis 30.06.2024:
ab 01.07.2024:
II.2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich zweifelsfrei aus dem zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verwaltungsakt der belangten Behörde sowie des Gerichtsaktes; die Ausführungen zu den allgemeinen Voraussetzungen aus dem Meldenachweis.
Die von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten sind in medizinischer Hinsicht ausführlich begründet, schlüssig und nachvollziehbar. Die vorliegenden Funktionseinschränkungen wurden von den Sachverständigen im Rahmen der klinischen Untersuchung unter Berücksichtigung der vorgelegten Befunde erhoben.
Die im Vergleich zum Sachverständigengutachten aus dem Jahr 2019 geänderte Einstufung der unter lfd. Nr. 01 angeführten Funktionseinschränkung erfolgt ab 01.07.2024 (Ende der kurativen Therapie lt. Befund vom 26.09.2023) entsprechend der Vorgabe der Anlage zur Einschätzungsverordnung im Hinblick auf den Ablauf der fünfjährigen Heilungsbewährung.
Für entfernte Malignome mit abgeschlossener adjuvanter Behandlung kommt nach Abschluss der Heilungsbewährung, d.h. wenn durch die kurative Therapie die Krebserkrankung als beseitigt angesehen wird, die Positionsnummer 13.01.02 der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010 idF 251/2012 in Frage. Der Zeitpunkt des Beginns der Heilungsbewährung richtet sich bei operativer Entfernung des Malignoms nach dem Zeitpunkt der Operation, bei (zusätzlichen) anderen Therapieformen (Chemotherapie, Bestrahlung) nach Abschluss dieser Behandlung. Gegenständlich kam es 12/2018 zu einem operativen Eingriff mit anschließender - bis Juni 2019 andauernden - Chemotherapie und Bestrahlung (vgl. vorgelegter Befund vom 26.09.2023). Die kurative Therapie endete sohin erst mit Juni 2019, sodass die Heilungsbewährung nach der Einschätzungsverordnung erst mit 30.06.2024 endete. Wenn die bP auf das vorgelegte fachärztliche Zeugnis vom 04.04.2024 verweist, wonach regelmäßig Bisphosphonat, Goserelin und Tamoxifen appliziert werde, so ist festzuhalten, dass es sich hierbei um ein laufende antihormonelle Rezidivprophylaxe handelt, welche von den kurativen Therapieformen der Positionsnummer 13.01.02 nicht umfasst ist.
Wenn die bP moniert, die Sachverständigen wären nicht auf die im Entlassungsbericht vom 11.04.2024 bzw. im fachärztlichen Zeugnis vom 04.04.2024 enthaltenen und von ihr im Gespräch vorgebrachten Beschwerden eingegangen, so ist eingangs zu betonen, dass bereits im Gutachten vom 06.11.2024 auf das Vorliegen einer Leistungsminderung, von Hitzewallungen, Stimmungsschwankungen, Narbenschmerz sowie einer leichten Bewegungseinschränkung in der rechten Schulter Bedacht genommen wurde. Auch wurde im Gutachten aus dem Bereich der Orthopädie beim Begutachtungsergebnis eine endlagige Bewegungseinschränkung in der rechten Schulter berücksichtigt.
Entgegen den Beschwerdeausführungen wurde im vorgelegten fachärztlichen Zeugnis vom 04.04.2024 keineswegs das Vorliegen einer psychischen Beeinträchtigung bei der bP beschrieben, sondern wird vielmehr zunächst nur allgemein wie folgt festgehalten: „Wie sie der Literatur entnehme können, führt diese Therapie zu typischen Wechselnebenwirkungen (Bewegungseinschränkungen, Gelenksbeschwerden, depressive Verstimmungen und Libidoverlust).“ Anschließend wird im Bezug auf die bP aber ausgeführt, dass therapiebedingt eine Einschränkung der Beweglichkeit im Bereich der rechten Schuler sowie Narbenschmerzen im OP-Bereich bestünden, das Bestehen einer psychischen Beeinträchtigung wird nicht beschrieben.
Im vorgelegten dreiseitigen Entlassungsbericht vom 11.04.2024 findet sich zwar der Passus „es besteht eine deutliche psychische Belastung durch die Erkrankung“, allerdings findet sich dieser Passus in Zusammenhang mit den von der bP bei der Definition der Therapieziele beschriebenen Beschwerden:
„Aufgrund der Diagnose und der damit verbundenen Therapien ergaben sich für die Patientin folgende Beschwerden: Deutlicher Verlust von Kraft und Ausdauer, die Belastbarkeit ist herabgesetzt, im Bereich der rechten Schulter kann aufgrund der OP und der adjuvanten Radiatio eine deutliche Bewegungseinschränkung beschrieben werden, es besteht eine deutliche psychische Belastung durch die Erkrankung. Additiv besteht, vor allem nach längerem Sitzen, eine deutliche Bewegungseinschränkung im Bereich beider Hüften.“
Die von der bP in ihrer Beschwerde vorgebrachte Notwendigkeit weiterführender Therapien liest sich im Bericht vom 11.04.2024 wie folgt:
„Schlussendlich können die Therapieziele sehr gut erreicht werden, es sind seitens der Patientin sehr ausgedehnte Wanderungen rund um die Rehabilitation möglich. Vor allem durch die physikalischen Maßnahmen und die Massagen (Narbentherapie) kommt es zu einer deutlichen Schmerzreduktion im Bereich der rechten Schulter. Die Beweglichkeit kann deutlich gebessert werden. Die Fortsetzung dieser Maßnahmen im häuslichen Bereich werden definitiv empfohlen. Ebenso verbessert sich die Beweglichkeit im Bereich der Hüften nach der physikalischen Befundung und den einzelnen Einheiten. Der Patientin werden Maßnahmen vermittelt, um diesen Defekt in der häuslichen Umgebung weiter zu verbessern. Auch diesbezüglich wird der Hausarzt hiermit höflichst gebeten, diese Maßnahmen in der häuslichen Umgebung fortzuführen.“
Zusammenfassend ist zu sohin betonen, dass sich weder aus den Stellungnahmen der bP im Rahmen des gewährten Parteiengehörs, in dem die psychische Belastung nicht angesprochen, sondern nur allgemein auf Funktionseinschränkungen hingewiesen wurde, noch aus dem Entlassungsbericht vom 11.04.2024 oder dem fachärztlichen Zeugnis vom 04.04.2024 die Notwendigkeit einer gesondert einzuschätzenden psychischen bzw. psychiatrischen Funktionseinschränkung ergibt, zumal sogar im Bericht vom 11.04.2024 betont wird, dass die Therapieziele schlussendlich sehr gut erreicht worden seien.
Dem Vorbringen, die Sachverständigen wären aufgrund der Hinweise im Entlassungsbericht vom 11.04.2024 bzw. im fachärztlichen Zeugnis vom 04.04.2024 verhalten gewesen, einen Psychologen zur Beurteilung heranzuziehen, kann daher nicht gefolgt werden.
In diesem Zusammenhang ist überdies zu betonen, dass der Pflicht der Behörde zur amtswegigen Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes jedenfalls die Mitwirkungspflicht der Partei gegenübersteht, der insbesondere dort Gewicht zukommt, wo ihr eine bessere Kenntnis der Sachlage zuzumuten ist; es ist grundsätzlich Sache der Partei, die anspruchsbegründenden Tatsachen zu behaupten und unter Beweis zu stellen (vgl. VwGH vom25.05.2005, 2004/09/0030). Die bP ist dieser Mitwirkungsverpflichtung hinsichtlich der in der Beschwerde vorgebrachten Leiden, insbesondere dem psychischen, nicht nachgekommen. Weder der von ihr in der Beschwerde angesprochene Entlassungsbericht vom 11.04.2024 noch das fachärztlichen Zeugnis vom 04.04.2024 enthält einen Befund oder eine entsprechende Diagnose. Die vorgelegten Bestätigungen lassen weder die Tatsachen, auf die sich das Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen, sie sind sohin mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar (vgl. VwGH vom 17.02.2004, 2002/06/0151). So kann insbesondere auch dem fachärztlichen Zeugnis vom 04.04.2024 mangels Befundaufnahme nicht entnommen werden, wie es zur Feststellung eines etwas reduziertem Allgemeinzustandes sowie der deutlich reduzierten Kraft und Ausdauer kommt.
Selbst die in der Beschwerde vorgebrachte psychoonkologische Behandlung mit begleitender Therapie wird nicht belegt, sondern es wird nur erklärt, dass ein psychoonkologischer Befund vorgelegt werden könne. In diesem Zusammenhang ist überdies auf das Neuerungsverbot des § 46 BBG zu verweisen, wonach im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen.
Der Verfassungsgerichtshof hat iZm mit § 46 BBG (vgl. G225/2021) wie folgt ausgeführt: „Dem Behindertenpasswerber obliegt es, jene Beeinträchtigungen anzugeben, die seiner Einschätzung nach den maßgeblichen Grad der Behinderung oder der Einschränkung der Erwerbsfähigkeit zur Folge haben. Wenn daher §46 dritter Satz BBG das Vorbringen "neuer Tatsachen" auf die Zeitphase von der Antragstellung bis zur Vorlage einer allfälligen Beschwerde an das BVwG beschränkt, so grenzt er damit letztlich nur den Verfahrensgegenstand in einer nicht zu beanstandenden Weise ab. Da der Behindertenpasswerber seine maßgeblichen Beeinträchtigungen kennt, liegt es an ihm, diese bereits während des Verfahrens vor der Verwaltungsbehörde offenzulegen (soweit er sie geltend machen möchte) und gegebenenfalls auch (Privat-)Gutachten als Reaktion auf von der Behörde herangezogene Sachverständigengutachten vorzulegen. Es kann dem Gesetzgeber daher vom rechtsstaatlichen Standpunkt nicht entgegengetreten werden, wenn er - aus Gründen der Strukturierung von Verfahren und damit letztlich aus Gründen der Verfahrensökonomie - vom Behindertenpasswerber im Ergebnis verlangt, die von ihm als maßgeblich erachteten Einschränkungen bereits vor der Verwaltungsbehörde und nicht (teilweise, nämlich mit ergänzenden Tatsachenvorbringen) erstmals vor dem BVwG geltend zu machen und die als erforderlich erachteten Beweismittel vorzulegen.“
Die aufgrund des Zustands nach Brustkrebs rechts nach wie vor bestehenden Funktionseinschränkungen wurden seitens der Sachverständigen nicht als so schwerwiegend beschrieben, als dass sie einen höheren GdB begründen könnten.
Die bP ist den gutachterlichen medizinischen Ausführungen weder auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten noch hat sie Beweise vorgelegt, die die Annahme zulassen würde, die Schlussfolgerungen der Sachverständigen seien unzutreffend (vgl. VwGH vom 05.10.2016, Ro 2014/06/0044). Die gutachterlichen medizinischen Ausführungen wurden von der bP zudem weder substantiiert bestritten noch wurden Ungereimtheiten oder Widersprüche aufgezeigt, die eine Beeinspruchung auch ohne einem Entgegentreten auf gleichem fachlichen Niveau ermöglicht hätten (vgl. VwGH vom 20.10.2008, 2005/07/0108).
II.3. Rechtliche Beurteilung:
II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch einen Senat, anzuwendendes Verfahrensrecht:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen. Gemäß Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).
Zu A) Abweisung der Beschwerde
II.3.2.Die für den vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise wie folgt:
§ 1. (1) […]
(2) Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
[…]
§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.
Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
[…]
§ 42.
(1) Der Behindertenpass ist ein amtlicher Lichtbildausweis und hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum und den festgestellten Grad der Behinderung zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des Menschen mit Behinderungen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
(2) Der Behindertenpaß ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
[…]
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3), der Behindertenpass gemäß § 43 Abs. 1 oder der Parkausweis für Menschen mit Behinderungen gemäß § 43 Abs. 1a eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu. Der Behindertenpass ist kein Nachweis im Sinne des § 14 Abs. 1 des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG), BGBl. Nr. 22/1970 , in der jeweils geltenden Fassung.
[…]
II.3.3. Auszug aus der Anlage zur Einschätzungsverordnung BGBl. II Nr. 261/2010 idF 251/2012:
II.3.4. Die von Amts wegen eingeholten Gutachten sind - wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt – hinsichtlich der medizinischen Einschätzungen richtig, vollständig und schlüssig. Die im Rahmen der rechtlichen Beurteilung vorzunehmende Zuordnung der von den Sachverständigen beschriebenen Funktionseinschränkungen zur entsprechenden Pos.Nr. nach der Anlage zur Einschätzungsverordnung bedingt bis 30.06.2024 einen GdB von 60 vH, und zwar aufgrund der unter dem Pkt. Beweiswürdigung dargelegten Berechnung der Heilungsbewährung lt. Anlage.
Nach Ablauf der Heilungsbewährung war ab 01.07.2024 ein Grad der Behinderung von zwanzig (20) von Hundert (vH) festzustellen. Da folglich die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses mit diesem Zeitpunkt nicht mehr vorliegen, war die Beschwerde insoweit abzuweisen.
Abschließend darf auf § 41 Abs. 2 BBG hingewiesen werden, wonach offenkundige Änderungen einer Funktionsbeeinträchtigung (etwa durch Hinzutreten weiterer Beeinträchtigungen) jederzeit mit einem neuen Antrag geltend gemacht werden können, und auch ohne eine solche Änderung nach einem Jahr ab der letzten rechtskräftigen Entscheidung eine neue Entscheidung begehrt werden kann.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.
Absehen von einer mündlichen Verhandlung
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 19. Februar 1998, Zl. 8/1997/792/993 (Fall Jacobsson; ÖJZ 1998, 41) unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Fall Jacobsson vor dem Obersten Schwedischen Verwaltungsgericht nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (vgl. VwGH 03.11.2015, 2013/08/0153).
Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über den Grad der Behinderung sind die Art und das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen, welche auf Grundlage eines medizinischen Sachverständigengutachtens einzuschätzen sind. Wie in gegenständlicher Entscheidung ausgeführt wurde, wurden die Gutachten in medizinischer Hinsicht grundsätzlich als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Der auf sachverständiger Basis ermittelte, entscheidungsrelevante Sachverhalt ist sohin geklärt, nicht ergänzungsbedürftig und wurden in der Beschwerde keine Rechts- oder Tatsachenfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher abgesehen werden.