JudikaturBVwG

W128 2317465-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
13. August 2025

Spruch

W128 2317465-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael FUCHS-ROBETIN über die Beschwerde von XXXX , gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Tirol vom 24.07.2025, Zl. 75.601/0002-allg/2025, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der bekämpfte Bescheid wird ersatzlos aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Am 27.06.2025 entschied die Klassenkonferenz der Klasse 7C des BORG XXXX , dass der Beschwerdeführer zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe nicht berechtigt sei, da er in den Pflichtgegenständen „Latein“ und „Mathematik“ mit „Nicht genügend“ beurteilt worden sei.

2. Mit Schreiben vom 06.07.2025 erhob der Beschwerdeführer Widerspruch gegen diese Entscheidung. Begründend führte der Beschwerdeführer aus, dass die Beurteilung im Pflichtgegenstand „Latein“ unrichtig sei.

3. Mit dem bekämpften Bescheid wies die belangte Behörde den Widerspruch als unzulässig zurück und führte dazu begründend im Wesentlichen zusammengefasst aus, dass nur die Beurteilung im Pflichtgegenstand „Latein“ angefochten wurde und somit jene in „Mathematik“ unbekämpft geblieben sei. Nachdem der Beschwerdeführer bereits im vorangegangenen Schuljahr in „Mathematik“ mit „Nicht genügend“ beurteilt worden sei, käme so ein Aufsteigen mit einem „Nicht genügend“ nicht in Frage und komme der Widerspruch somit einer unzulässigen Notenbeschwerde gleich.

4. Einlangend mit 31.07.2025 erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig die verfahrensgegenständliche Beschwerde. Begründend führte er aus, dass sich sein Widerspruch sehr wohl gegen das Nichtaufsteigen richtete und er beabsichtige im Herbst eine Wiederholungsprüfung abzulegen. Nachdem er die Beurteilung in Latein für rechtswidrig halte, könne er bei Bestehen der einen Wiederholungsprüfung in die nächsthöhere Klasse aufsteigen.

5. Mit Schreiben vom 06.08.2025 legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor, ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer besuchte im Schuljahr 2024/2025 die Klasse 7C des BORG XXXX Im Jahreszeugnis vom 04.07.2025 wurde der Beschwerdeführer in den Pflichtgegenständen „Latein“ und „Mathematik“ jeweils mit „Nicht genügend“ beurteilt.

Am 27.06.2025 entschied die Klassenkonferenz der Klasse 7C des BORG XXXX , dass der Beschwerdeführer zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe nicht berechtigt sei

Der Einleitungssatz des Widerspruchs vom 06.07.2025 lautet (auszugsweise): „[…] binnen offener Frist erhebe ich, […], Widerspruch gegen die Entscheidung der Nicht-Berechtigung zum Aufsteigen in die nächste Schulstufe, [….]“

2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich unmittelbar aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, sowie den Ausführungen im bekämpften Bescheid und dem Inhalt der Beschwerde.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu A)

3.1.1. Anzuwendende Rechtslage

Gemäß § 23 Abs. 1 Schulunterrichtsgesetz (SchUG), BGBl. Nr. 472/1986, idgF darf ein Schüler – ausgenommen in der Grundschule sowie in Sonderschulen mit Klassenlehrersystem sowie in der 10. bis 13. Schulstufe von Schulen, an denen die semestrierte Oberstufe geführt wird – in einem Pflichtgegenstand oder in zwei Pflichtgegenständen eine Wiederholungsprüfung ablegen, wenn im Jahreszeugnis

1. der Schüler in nicht leistungsdifferenzierten Pflichtgegenständen mit „Nicht genügend“ beurteilt worden ist oder

2. der Schüler gemäß dem niedrigeren Leistungsniveau mit „Nicht genügend“ beurteilt worden ist oder

3. der Schüler in der letzten Stufe einer Schulart gemäß einem höheren Leistungsniveau mit „Nicht genügend“ beurteilt worden ist;

hiebei darf die Gesamtanzahl der Beurteilungen mit „Nicht genügend“ gemäß Z 1 bis 3 zwei nicht übersteigen.

Gemäß § 25 Abs. 1 SchUG ist ein Schüler zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe berechtigt, wenn er die Schulstufe erfolgreich abgeschlossen hat. Eine Schulstufe ist erfolgreich abgeschlossen, wenn das Jahreszeugnis in allen Pflichtgegenständen eine Beurteilung aufweist und in keinem Pflichtgegenstand die Note „Nicht genügend“ enthält.

Gemäß § 25 Abs. 2 SchUG ist ein Schüler ferner zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe berechtigt, wenn das Jahreszeugnis zwar in einem Pflichtgegenstand die Note „Nicht genügend“ enthält, aber

a) der Schüler nicht auch schon im Jahreszeugnis des vorhergegangenen Schuljahres in demselben Pflichtgegenstand die Note „Nicht genügend“ erhalten hat,

b) der betreffende Pflichtgegenstand – ausgenommen an Berufsschulen – in einer höheren Schulstufe lehrplanmäßig vorgesehen ist und

c) die Klassenkonferenz feststellt, daß der Schüler auf Grund seiner Leistungen in den übrigen Pflichtgegenständen die Voraussetzungen zur erfolgreichen Teilnahme am Unterricht der nächsthöheren Schulstufe im Hinblick auf die Aufgabe der betreffenden Schulart aufweist.

Gemäß § 71 Abs. 2 lit. c SchUG ist gegen die Entscheidung, dass der Schüler zum Aufsteigen nicht berechtigt ist oder die letzte Stufe der besuchten Schulart nicht erfolgreich abgeschlossen hat (Entscheidung gemäß § 20 Abs. 6, 8 und 10, Entscheidung nach Ablegung von einer oder zwei Wiederholungsprüfungen, jeweils in Verbindung mit § 25) oder zum Übertritt in eine mindestens dreijährige mittlere oder in eine höhere Schule nicht berechtigt ist (Entscheidung gemäß § 20 Abs. 6a) ist ein Widerspruch an die zuständige Schulbehörde zulässig.

Gemäß § 71 Abs. 4 SchUG hat die zuständige Schulbehörde in den Fällen des Abs. 2, insoweit sich der Widerspruch auf behauptete unrichtige Beurteilungen mit „Nicht genügend“ stützt, diese zu überprüfen. Wenn die Unterlagen nicht zur Feststellung, daß eine auf „Nicht genügend“ lautende Beurteilung unrichtig oder richtig war, ausreichen, ist das Verfahren zu unterbrechen und der Widerspruchswerber zu einer kommissionellen Prüfung (Abs. 5) zuzulassen. Die Überprüfung der Beurteilungen bzw. die Zulassung zur kommissionellen Prüfung hat auch dann zu erfolgen, wenn deren Ergebnis keine Grundlage für eine Änderung der angefochtenen Entscheidung gibt.

3.1.2. Rechtsprechung der Höchstgerichte

Weist ein Anbringen einen undeutlichen Inhalt auf, so hat die Behörde durch Herbeiführung einer entsprechenden Erklärung den wahren Willen des Einschreiters festzustellen, diesen also zu einer Präzisierung aufzufordern bzw. zum Inhalt einzuvernehmen (vgl. für viele VwGH vom 20.05.2025, Ro 2025/08/0049).

Gemäß § 71 Abs. 9 SchUG 1986 ist gegen Entscheidungen, die weder im Abs. 1 (iVm § 70 Abs. 1) noch im Abs. 2 genannt werden, ein Widerspruch nicht zulässig. Die dem Widerspruch unterliegenden Angelegenheiten sind in § 71 Abs. 1 und 2 SchUG 1986 taxativ aufgezählt. Nur in den Fällen eines zulässig erhobenen Widerspruchs hat die zuständige Schulbehörde ein Verwaltungsverfahren durchzuführen und eine Entscheidung mit Bescheid zu treffen (siehe VwGH vom 21.12.2016, Ra 2016/10/0106).

Die mit "Nicht genügend" erfolgte Jahresbeurteilung im Wiederholungsgegenstand wird durch den neuen Sachverhalt nach Ablegung der Wiederholungsprüfung überholt (vgl. VwGH vom 29.06.21992, 91/10/0109).

Das SchUG kennt keine formelle, einem Rechtszug unterliegende Entscheidung betreffend die Zulassung zu einer Wiederholungsprüfung; das Gesetz ordnet lediglich an, daß die Berechtigung zur Ablegung einer Wiederholungsprüfung (§ 23 Abs. 1 SchUG bis § 23 Abs. 4 SchUG) auf dem Jahreszeugnis zu vermerken ist (§ 22 Abs. 2 lit f sublit. cc SchUG; § 22 Abs. 6 erster Satz SchUG). Dieser Vorgang ist im § 71 Abs. 1 SchUG und § 71 Abs. 2 SchUG nicht genannt; eine Berufung ist daher nach § 71 Abs. 9 SchUG dieser Gesetzesstelle nicht zulässig. Erst die Entscheidung über das Aufsteigen, die auf den nach Ablegung einer Wiederholungsprüfung erfolgten Beurteilungen beruht, welche in dem nach § 22 Abs. 6 zweiter Satz SchUG ausgestellten "neuen" Jahreszeugnis enthalten sind, unterliegt sodann der Berufung nach § 72 Abs. 2 lit b SchUG (siehe VwGH vom 27.11.1995, 94/10/0056).

3.1.3. Für den gegenständlichen Fall bedeutet das:

Die belangte Behörde hat dem Anbringen des nicht rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführers – abweichend von der in der zitierten Rechtsprechung des VwGH geforderten Ermittlung des „wahren Willens“ – ohne weitere Ermittlungsschritte den Charakter einer bloßen „Notenbeschwerde“ unterstellt. Neben diesem Verfahrensfehler ist der Behörde jedoch auch inhaltlich nicht zu folgen – aus folgendem Grund:

Die von der belangten Behörde zitierte hg. Entscheidung vom 25.08.2022, W129 2258380-1, betraf einen Fall, bei dem der Beschwerdeführer in vier Gegenständen mit „Nicht genügend“ beurteilt wurde und in zwei Pflichtgegenständen keine Beurteilung erfolgte. Die Anfechtung von drei „Nicht genügend“ hätte in diesem Falle zu keiner anderen rechtlichen Stellung des Beschwerdeführers geführt und vermochte daher, von einer bloßen Notenbeschwerde abgesehen, keinen zulässigen Widerspruch darstellen.

Gemäß § 71 Abs. 4 letzter Satz SchUG hat die Überprüfung der Beurteilungen auch dann zu erfolgen, wenn deren Ergebnis keine Grundlage für eine Änderung der angefochtenen Entscheidung gibt.

Nach dieser Bestimmung ist – unter Berücksichtigung der oben zitierten Judikatur des VwGH – ein Widerspruch gegen eine Entscheidung gemäß § 71 Abs. 2 lit. c SchUG zulässig, wenn das erfolgreiche Durchdringen der Beschwerde die rechtliche Stellung des Beschwerdeführers verändern kann, auch wenn dies nicht zwingend zu einer Abänderung der angefochtenen Entscheidung führt.

Im Gegenständlichen Verfahren müsste der Beschwerdeführer im Falle der Änderung seiner Beurteilung im Pflichtgegenstand „Latein“ nur mehr zu einer Wiederholungsprüfung in „Mathematik“ antreten, was eine Änderung seiner rechtlichen Stellung bewirken würde.

Insofern durfte die belangte Behörde nicht davon ausgehen, dass es sich bei dem Widerspruch vom 06.07.2025 um eine bloße Notenbeschwerde handelt.

Der bekämpfte Bescheid ist daher ersatzlos zu beheben.

Die belangte Behörde wird sich im fortgesetzten Verfahren inhaltlich mit dem Widerspruch zu befassen haben. Durch die ersatzlose Behebung ist es der belangten Behörde verwehrt, bei unveränderter Sach- und Rechtslage neuerlich eine zurückweisende Entscheidung zu treffen.

3.1.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte im gegenständlichen Fall gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben ist.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.