Spruch
W129 2258380-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. DDr. Markus GERHOLD über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch die erziehungsberechtigte Mutter XXXX , beide vertreten durch RA Mag. Alfred Witzlsteiner, gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Tirol vom 19.07.2022, Zl. XXXX /0001-allg/2022, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer besuchte im Schuljahr 2021/2022 die 1. Klasse ( XXXX , 9. Schulstufe) der HTBLVA XXXX .
2. Am 30.06.2022 entschied die Klassenkonferenz, dass der Beschwerdeführer gemäß § 25 SchUG nicht zum Aufstieg in die nächsthöhere Schulstufe berechtigt sei. Der Beschwerdeführer habe in den Pflichtgegenständen „Deutsch“, „Naturwissenschaften“, „Fachspezifische Informationstechnik“ und „Energiesysteme“ jeweils die Note „Nicht genügend“ erhalten. Im Pflichtgegenstand „Werkstätte und Produktionstechnik“ sei keine Beurteilung erfolgt.
Die Entscheidung wurde am 09.07.2022 durch persönliche Übernahme durch die erziehungsberechtige Mutter zugestellt.
3. Gegen diese Entscheidung erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch seine erziehungsberechtigte Mutter, ebenfalls am 09.07.2022 fristgerecht Widerspruch, welcher wie folgt eingeleitet wurde:
„Sehr geehrter Herr Direktor, hiermit bringe ich Widerspruch gegen die Nichtberechtigung zum Aufsteigen in die nächsthöhere Klasse ein (…)“
In weiterer Folge wird umfassend auf die Unrichtigkeit der negativen Beurteilung in (nur) drei Gegenständen, konkret „Deutsch“, „Naturwissenschaften“ und „Fachspezifische Informationstechnik“ Bezug genommen.
Der Schriftsatz endet mit dem Antrag, dem Rechtsmittel Folge zu geben, die negative Beurteilung in den drei genannten Pflichtgegenständen abzuändern sowie – wörtlich – „festzustellen, dass [der Beschwerdeführer] für den Aufstieg in die 6. Klasse AHS [sic!] zugelassen wird“.
4. Mit Bescheid vom 19.07.2022, Zl. 74.514/0001-allg/2022, wies die Bildungsdirektion für Tirol (im Folgenden: belangte Behörde) den Widerspruch des Beschwerdeführers als unzulässig zurück. In ihrer Begründung stützte sie sich sinngemäß und im Wesentlichen darauf, dass sich der Widerspruch „ausschließlich gegen die Benotung“ mit „Nicht genügend“ in den genannten Pflichtgegenständen richte und dass die Entscheidung der Klassenkonferenz nicht bestritten werde, wonach der Beschwerdeführer nicht zum Aufstieg in die nächsthöhere Schulstufe berechtigt sei. Die im Jahreszeugnis enthaltenen Beurteilungen der einzelnen Pflichtgegenstände könnten nicht als widerspruchsfähig angesehen werden. Es liege ein unzulässiger Widerspruch vor.
5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, nunmehr rechtsfreundlich vertreten, fristgerecht Beschwerde und brachte dabei – unter anderem – im Wesentlichen vor, sein Widerspruch richte sich auch gegen die Entscheidung, wonach der Beschwerdeführer nicht zum Aufstieg in die nächsthöhere Schulstufe berechtigt sei.
6. Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 11.08.2022, eingelangt am 17.08.2022, die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer besuchte im Schuljahr 2021/2022 die 1. Klasse ( XXXX , 9. Schulstufe) der HTBLVA XXXX .
1.2. Am 30.06.2022 entschied die Klassenkonferenz, dass der Beschwerdeführer gemäß § 25 SchUG nicht zum Aufstieg in die nächsthöhere Schulstufe berechtigt sei. Der Beschwerdeführer hat in den Pflichtgegenständen „Deutsch“, „Naturwissenschaften“, „Fachspezifische Informationstechnik“ und „Energiesysteme“ jeweils die Note „Nicht genügend“ erhalten. Im Pflichtgegenstand „Werkstätte und Produktionstechnik“ ist keine Beurteilung erfolgt.
1.3. Gegen diese Entscheidung erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch seine erziehungsberechtigte Mutter, ebenfalls am 09.07.2022 fristgerecht Widerspruch, welcher wie folgt eingeleitet wurde:
„Sehr geehrter Herr Direktor, hiermit bringe ich Widerspruch gegen die Nichtberechtigung zum Aufsteigen in die nächsthöhere Klasse ein (…)“
In weiterer Folge wird umfassend auf die Unrichtigkeit der negativen Beurteilung in (nur) drei Gegenständen, konkret „Deutsch“, „Naturwissenschaften“ und „Fachspezifische Informationstechnik“ Bezug genommen.
Der Schriftsatz endet mit dem Antrag, dem Rechtsmittel Folge zu geben, die negative Beurteilung in den drei genannten Pflichtgegenständen abzuändern sowie – wörtlich – „festzustellen, dass [der Beschwerdeführer] für den Aufstieg in die 6. Klasse AHS [sic!] zugelassen wird“.
Die negative Beurteilung im Pflichtgegenstand „Energiesysteme“ und die Nicht-Beurteilung im Pflichtgegenstand „Werkstätte und Produktionstechnik“ wurden im Widerspruch ausdrücklich als korrekt bezeichnet.
1.4. Die „maßgeblichen Personen in der HTBLVA XXXX haben bereits vor dem 30.06.2022 gewusst, dass der Beschwerdeführer (…) nach dem 1. Schuljahr von der HTBLVA XXXX in das BORG XXXX – mit zum Teil anderen Schulfächern – wechseln wird“.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, dem Verfahren vor der belangten Behörde und der Beschwerde. Der Sachverhalt ist aktenkundig, unstrittig und deshalb erwiesen. Der verfahrensmaßgebliche Sachverhalt entspricht dem oben angeführten Verfahrensgang und konnte auf Grund der vorliegenden Aktenlage zweifelsfrei und vollständig festgestellt werden.
Die Feststellung zum Punkt 1.4. ergibt sich – wörtlich zitiert – aus dem vorliegenden Beschwerdeschriftsatz des rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführers und findet auch im Akteninhalt (zB Mails zwischen der Mutter des Beschwerdeführers und Lehrkräften) Deckung.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt mangels gegenteiliger gesetzlicher Regelung somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
3.2. Gemäß § 71 Abs. 2 lit. c) SchUG ist gegen die Entscheidung, dass der Schüler zum Aufsteigen nicht berechtigt ist oder die letzte Stufe der besuchten Schulart nicht erfolgreich abgeschlossen hat (Entscheidung gemäß § 20 Abs. 6, 8 und 10, Entscheidung nach Ablegung von einer oder zwei Wiederholungsprüfungen, jeweils in Verbindung mit § 25) oder zum Übertritt in eine mindestens dreijährige mittlere oder in eine höhere Schule nicht berechtigt ist (Entscheidung gemäß § 20 Abs. 6a), ein Widerspruch an die zuständige Schulbehörde zulässig. Der Widerspruch ist schriftlich (in jeder technisch möglichen Form, nicht jedoch mit E-Mail) innerhalb von fünf Tagen bei der Schule, im Falle der Externistenprüfungen bei der Prüfungskommission, einzubringen.
3.3. Voraussetzung für die Berechtigung zum Aufsteigen ist gemäß § 25 Abs. 1 SchUG, dass das Jahreszeugnis in allen Pflichtgegenständen eine Beurteilung aufweist und in keinem Pflichtgegenstand die Note „Nicht genügend“ enthält.
Zu A) Abweisung der Beschwerde
3.4. Wenn die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen hat, ist – so die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes – Sache des Beschwerdeverfahrens die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung (vgl. VwGH 23.06.2015, Ra 2015/22/0040, mwN; 1.9.2017, Ra 2016/03/0055 mwN). Der äußerste Rahmen für die Prüfbefugnis ist die „Sache“ des bekämpften Bescheides im Sinne des § 27 VwGVG (vgl. VwGH 16.03.2016, Ra 2015/04/0042; 26.03.2015, Ra 2014/07/0077).
Beschwerdegegenstand war fallbezogen (nur) die Zurückweisung des Widerspruchs des Beschwerdeführers vom 09.07.2022.
Den mehreren Seiten umfassenden Widerspruch vom 09.07.2022 leitete der Beschwerdeführer wie folgt ein: „Sehr geehrter Herr Direktor, hiermit bringe ich Widerspruch gegen die Nichtberechtigung zum Aufsteigen in die nächsthöhere Klasse ein.(…)“. In weiterer Folge wurde umfassend auf die Unrichtigkeit der negativen Beurteilung in (nur) drei Gegenständen, konkret „Deutsch“, „Naturwissenschaften“ und „Fachspezifische Informationstechnik“ Bezug genommen. Der Schriftsatz endet mit dem Antrag, dem Rechtsmittel Folge zu geben, die negative Beurteilung in den drei genannten Pflichtgegenständen abzuändern sowie – wörtlich – „festzustellen, dass [der Beschwerdeführer] für den Aufstieg in die 6. Klasse AHS [sic!] zugelassen wird“
3.3. Die belangte Behörde interpretierte den vorliegenden Schriftsatz dahingehend, dass er nur gegen die negativen Beurteilungen gerichtet sei, nicht aber gegen die Entscheidung, wonach der Beschwerdeführer nicht zum Aufstieg in die nächsthöhere Schulstufe berechtigt sei. Die Nichtbekämpfung der negativen Beurteilung im Fach „Energiesysteme“ sowie der Nicht-Beurteilung im Fach Werkstätte und Produktionstechnik lege den Schluss nahe, dass diese (nur deshalb) akzeptiert würden, weil sie einem gewünschten Übertritt des Beschwerdeführers in eine AHS vermeintlich nicht im Weg stünden.
3.4. Ein Anbringen (vgl. § 13 AVG) ist nach den hierfür in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 26.09.2019, Ra 2018/10/0201, mwN) entwickelten Grundsätzen auszulegen. Danach kommt es bei der Ermittlung von Rechtsqualität und Inhalt eines Anbringens nicht auf die Bezeichnung durch den Einschreiter bzw. auf „zufällige Verbalformen“ an, sondern auf den Inhalt der Eingabe, also auf das daraus erkenn- und erschließbare Ziel (Begehren) des Einschreiters. Parteienerklärungen sind im Verfahren ausschließlich nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen, wobei entscheidend ist, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszwecks und der Aktenlage objektiv verstanden werden muss (vgl. etwa die Nachweise bei Hengstschläger/Leeb, AVG2 Rz 38 zu § 13).
Der Widerspruch des Beschwerdeführers, welcher als Anbringen im Sinne des § 13 AVG zu verstehen ist, war nach seinem objektiven Erklärungswert einerseits darauf gerichtet, die Benotung in drei mit „Nicht genügend“ beurteilten Pflichtgegenständen („Deutsch“, „Naturwissenschaften“ und „Fachspezifische Informationstechnik“) anzufechten, und andererseits darauf gerichtet, „festzustellen, dass [der Beschwerdeführer] für den Aufstieg in die 6. Klasse AHS [sic!] zugelassen wird“.
3.5. Dem Beschwerdeführer ist zu konzedieren, dass die belangte Behörde nicht auf die Einleitung des Widerspruchs Bezug genommen hat, in welcher angeführt wird, dass sich der Widerspruch (auch) gegen die Nichtberechtigung zum Aufsteigen in die nächsthöhere Klasse richtet. Somit kann nicht gesagt werden, dass sich das Rechtsmittel tatsächlich nur gegen die negativen Beurteilungen gerichtet hat.
3.6. Dennoch erfolgte die Zurückweisung des Widerspruchs im Endergebnis zu Recht – dies aus folgenden Erwägungen:
3.6.1. Der Beschwerdeführer räumte im Widerspruch ausdrücklich ein, dass er im Pflichtgegenstand „Werkstätte und Produktionstechnik“ zu Recht nicht beurteilt wurde.
Dadurch ist jedoch ein Antritt bei einer Wiederholungsprüfung nach § 23 Abs 1 SchUG ausgeschlossen und steht diese Nichtbeurteilung – ohne Absolvierung einer etwaigen Nachtragsprüfung – einer Aufstiegsberechtigung zwingend entgegen.
3.6.2. Verfahrensgegenständlich begehrte der Beschwerdeführer zudem ausdrücklich die Feststellung, „dass [der Beschwerdeführer] für den Aufstieg in die 6. Klasse AHS [sic!] zugelassen wird“.
Eine solche Aufstiegsberechtigung – nämlich in eine bestimmte Klasse einer anderen Schulart (AHS) – war jedoch nicht Gegenstand der Entscheidung der Klassenkonferenz vom 30.06.2022. In dieser Entscheidung wurde (nur) über die Berechtigung des Aufstiegs in die nächsthöhere Klasse der vom Beschwerdeführer besuchten Schulart abgesprochen (vgl. Hauser, Schulunterrichtsgesetz, § 25, 281 mit weiteren Literaturverweisen unter FN 807), aber nicht über die Berechtigung des Aufstiegs in eine bestimmte Klasse einer anderen Schulart.
3.7. Im Endergebnis erfolgte die Zurückweisung des Widerspruchs somit zu Recht, sodass eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers unterbleiben konnte. Dennoch ist kritisch festzuhalten, dass dem Beschwerdeführer bzw. seiner gesetzlichen Vertreterin im Verlauf des Verwaltungsverfahrens die – prima vista durchaus schlüssigen – Begründungen der Lehrkräfte für die negativen Beurteilungen offenkundig vorenthalten wurden (vgl. etwa die Diskrepanz zwischen den mutmaßenden Ausführungen in der Beschwerde zum Teilfach Chemie: „Die Beschwerdeführer gehen zu Recht nicht davon aus, dass Chemie negativ war“ und den Ausführungen der Lehrkraft: „… zeigte kein Interesse an Chemie“, „…. zeigte keine Motivation den Unterrichtsstoff zu lernen, „Lernleistung war immer am niedrigsten Niveau“, wobei sich dieses Fazit an mehreren aufgelisteten, größtenteils negativen Leistungen des Beschwerdeführers orientierte).
Im Endergebnis war die Beschwerde aus den oben angeführten Gründen abzuweisen.
3.8. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte sowohl gemäß § 24 Abs 2 Z 1. erster Fall als auch gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG Abstand genommen werden, da der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage geklärt ist und eine mündliche Erörterung die weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Abgesehen davon ist das Schulrecht nicht von Art. 6 EMRK und auch nicht von Art. 47 GRC erfasst (vgl. VfGH 10.03.2015, E 1993/2014, sowie VwGH 23.05.2017, Ra 2015/10/0127).
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich als klar und eindeutig (vgl. dazu auch OGH 22.3.1992, 5 Ob 105/90; vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).