JudikaturBVwG

W162 2307254-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
10. Juli 2025

Spruch

W162 2307254-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ulrike LECHNER, LL.M als Vorsitzende und die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER sowie die fachkundige Laienrichterin Verena KNOGLER BA, MA, als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , SVNR: XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX , vom 31.01.2025, OB: XXXX , betreffend die Zurückweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. XXXX (in der Folge: Beschwerdeführerin) ist seit 14.12.2022 Inhaberin eines befristeten Behindertenpasses mit einem eingetragenen Grad der Behinderung in Höhe von 60 v.H.

2. Mit Bescheid vom 31.07.2024 wurde ihr am 15.01.2024 eingelangter Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass nach Durchführung eines medizinischen Beweisverfahrens gemäß §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz abgewiesen.

Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.

3. Die Beschwerdeführerin stellte am 16.12.2024 neuerlich einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass.

4. Mit Stellungnahme von Dr. XXXX vom 20.01.20025 wurde unter Bezugnahme auf die vorgelegten Beweismittel festgestellt, dass keine Änderung der Beurteilung vom 22.04.2024 vorliegt.

5. Mit Bescheid vom 31.01.2025 hat die belangte Behörde ihren Antrag gemäß § 41 und § 45 BBG zurückgewiesen. Unter Zitierung der maßgeblichen Bestimmungen führte sie begründend aus, dass seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen sei und die Beschwerdeführerin eine offenkundige Änderung ihres Leidenszustandes nicht glaubhaft geltend gemacht habe.

6. Gegen diesen Bescheid richtet sich die am 05.02.2025 erhobene Beschwerde, mittels welcher die Beschwerdeführerin auf ihren Leidenszustand verwies.

7. Am 07.02.2025 langte der Verwaltungsakt samt Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz im Inland und verfügt über einen Behindertenpass.

Mit Bescheid vom 31.07.2024 wurde ihr am 15.01.2024 eingelangter Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass rechtskräftig abgewiesen. Der neuerliche Antrag auf Vornahme dieser Zusatzeintragung ist am 16.12.2024 bei der belangten Behörde eingelangt und wurde mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 31.01.2025 zurückgewiesen.

1.2. Bei der Beschwerdeführerin ist seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung keine offenkundige Änderung der Funktionsbeeinträchtigungen eingetreten.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Identität der Beschwerdeführerin sowie deren inländischer Wohnsitz, die Daten zur Innehabung eines Behindertenpasses, zur letzten rechtskräftigen Abweisung des Antrages auf Vornahme der begehrten Zusatzeintragung und zur erneuten Antragstellung betreffend die Vornahme der Zusatzeintragung ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt.

2.2. Die Feststellungen zum mangelnden Eintritt einer offenkundigen Änderung des Gesundheitszustandes ergeben sich aus der Einsichtnahme in das der letzten rechtskräftigen Entscheidung über die Vornahme der Zusatzeintragung zugrunde gelegte medizinische Sachverständigengutachten, dem Beschwerdevorbringen sowie den vorliegenden medizinischen Beweismitteln. Die Beschwerdeführerin selbst hat weder im Rahmen der erneuten Antragstellung noch im Zuge der Beschwerdeerhebung eine maßgebliche Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes behauptet. Vielmehr hat sie lediglich auf ihren Leidenszustand verwiesen und vorgebracht, dass sie immer große Probleme hätte, irgendwo hinzufahren, weil sie oft auf die Toilette müsse, die Ärzte hätten ihre Termine verschoben. Die Beschwerdeführerin monierte damit jedoch keine offenkundige Änderung ihres Leidenszustandes und konnte dies auch nicht durch Beweismittel dokumentieren.

So wurde mit dem neuerlichen Antrag auf Vornahme des begehrten Zusatzvermerkes lediglich ein ärztlicher Entlassungsbrief eines Rehabilitationszentrums in Vorlage gebracht. In diesem Befund scheint die Diagnose „bleibende partielle Parese der rechten oberen Gliedmaße, vor allem post-operative Deltoideusschwäche“ neben anderen postoperativen Folgen auf. Im selben Befund findet sich unter „Sonstiges“ die Ausführung: „kann Auto fahren, kann Öffis benutzen“. Es finden sich jedoch weder in den Unterlagen zum Neuantrag noch in der vorgelegten Beschwerde begründete Anhaltspunkte zum Schluss auf eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel. Eine maßgebliche Veränderung des Gesundheitszustandes gegenüber der Letztbeurteilung samt resultierenden funktionellen Folgeerscheinungen mit Bezug zur Benützbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel wird nicht behauptet und ist eine solche auch nicht ableitbar.

Mit Stellungnahme vom 20.01.2025 hat der Sachverständige Dr. XXXX die mit der neuen Antragstellung vorgelegten Beweismittel begutachtet und nachvollziehbar ausgeführt, dass keine Änderung der Beurteilung vom 22.04.2024 vorliegt.

Insgesamt lässt sich somit aus den Angaben der Beschwerdeführerin und den vorgelegten Beweismitteln nicht auf eine offenkundige Änderung des Gesundheitszustandes gegenüber der letzten rechtskräftigen Beurteilung schließen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.1. Zu Spruchpunkt A):

3.1.1. Zur Entscheidung in der Sache:

Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. Nr. 283/1990, ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten (§ 1 Abs. 2 BBG).

Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50vH (50%) ist nach Maßgabe der in § 40 Abs. 1 BBG näher bezeichneten Voraussetzungen auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Behindertenpass auszustellen. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen (§ 42 Abs. 1 BBG).

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird (§ 41 Abs. 2 BBG).

"Offenkundig" sind solche Tatsachen, deren Richtigkeit - unter Bedachtnahme auf die Lebenserfahrung - der allgemeinen Überzeugung entsprechen bzw. allgemein bekannt sind. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Beurteilung der Leidenszustände ist nicht erforderlich. Denn "Offenkundigkeit" bringt es mit sich, dass eine Tatsache erkennbar ist, ohne dass eine Prüfung der individuellen Situation erforderlich ist (VwGH 16.09.2008, 2008/11/0083).

Nach dem feststehenden Sachverhalt hat die Beschwerdeführerin innerhalb weniger Monate nach rechtskräftiger Abweisung ihres Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ neuerlich die Eintragung dieses Zusatzvermerkes in den Behindertenpass beantragt. Eine offenkundige Veränderung der bei der Beschwerdeführerin gegebenen Funktionsbeeinträchtigungen konnte nicht festgestellt werden, sodass der gegenständlichen Beschwerde gegen den zurückweisenden Bescheid der belangten Behörde ein Erfolg versagt bleibt.

Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass es der Beschwerdeführerin freisteht, nach Ablauf der Jahresfrist neuerlich einen Antrag auf Vornahme der begehrten Zusatzeintragung einzubringen.

3.1.2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG). Die Verhandlung kann u.a. entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben oder die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären ist (§ 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG).

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden (§ 24 Abs. 3 VwGVG).

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen (§ 24 Abs. 4 VwGVG).

Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat mit Blick auf Art. 6 EMRK die Auffassung vertreten, dass eine Verhandlung nicht in jedem Fall geboten ist, und zwar insbesondere dann nicht, wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten sind, sodass eine Verhandlung nicht notwendig ist und das Gericht aufgrund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden kann (u.a. VwGH 01.09.2022, Ra 2021/03/0163 unter Verweis auf EGMR 18.7.2013, Nr. 56422/09, Schädler-Eberle/Liechtenstein, Rz 97 ff; EGMR 08.11.2016, Nr. 64160/11, Pönkä/Estland).

Die gegenständliche Beschwerdeentscheidung erfordert die Beurteilung der Offenkundigkeit einer allenfalls eingetretenen Änderung von Funktionsbeeinträchtigungen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung kann unterbleiben, weil „Offenkundigkeit" die freie Erkennbarkeit der angezogenen Umstände mit sich bringt, ohne dass eine Prüfung der individuellen Situation erforderlich wäre. Die Beschwerdeführerin hat eine Verschlechterung der vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen nicht (substantiiert) behauptet und ist die (erkundende) Abführung eines gesonderten Ermittlungsverfahrens vor diesem Hintergrund nicht statthaft.

3.2. Zur Unzulässigkeit der Revision in Spruchpunkt B):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen, die vorliegende Entscheidung hängt von Tatsachenfragen ab. Maßgebend ist, ob eine offenkundige Änderung des Leidenszustandes des Beschwerdeführers glaubhaft geltend gemacht wurde. Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.