TEILERKENNTNIS
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des ungarischen Staatsangehörigen XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch die BBU GmbH und durch den Rechtsanwalt Mag. Philipp TSCHERNITZ, gegen Spruchpunkt III. des Bescheids des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .2025, Zl XXXX , betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung den Beschluss und erkennt zu Recht:
A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.
B)Die Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids) wird als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerde wird die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG nicht zuerkannt.
C)Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (BF) hält sich seit 2013 – mit einer Unterbrechung zwischen XXXX 2023 und XXXX 2024 – im Bundesgebiet auf, wo er bislang drei Mal rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt wurde. Nach seiner Festnahme am XXXX .2025 wurde er von der Polizei im Auftrag des BFA über die Einleitung eines Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbots informiert und dazu befragt. Auch seine Ex-Ehefrau wurde vor dem BFA zu seinem Familienleben im Bundesgebiet befragt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid erließ das BFA gegen den BF gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein mit zwei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I.), erteilte gemäß § 70 Abs 3 FPG keinen Durchsetzungsaufschub (Spruchpunkt II.) und erkannte einer Beschwerde gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt III.). Letzteres wurde zusammengefasst damit begründet, dass anzunehmen sei, dass er sein straffälliges und gewalttätiges Verhalten bei einem Verbleib im Bundesgebiet fortsetzten werde, sodass seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet geboten sei. Er sei bereits zwei Mal wegen Straftaten zum Nachteil seiner Ex-Ehefrau verurteilt worden und habe sein delinquentes Verhalten trotzdem weiter fortgesetzt. Er gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit, insbesondere die körperliche Unversehrtheit seiner Ex-Ehefrau und der beiden gemeinsamen minderjährigen Kinder.
Vertreten durch die BBU GmbH erhob der BF eine Beschwerde gegen diesen Bescheid, mit der er neben der Durchführung einer Beschwerdeverhandlung die ersatzlose Behebung des Aufenthaltsverbots, hilfsweise die Reduktion von dessen Dauer, beantragt und eventualiter auch einen Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag stellt.
Vertreten durch den Rechtsanwalt Mag. Philipp TSCHERNITZ brachte der BF eine weitere Beschwerde ein, mit der er die ersatzlose „Aufhebung“ (gemeint offenbar: Behebung) des angefochtenen Bescheids sowie die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt.
Die beiden Beschwerden werden im Wesentlichen damit begründet, dass für den BF infolge des mittlerweile eingetretenen Gesinnungswandels eine positive Zukunftsprognose zu erstellen sei, zumal er inzwischen bereit sei, Hilfe und Therapien anzunehmen. Er halte sich schon seit mehr als zehn Jahren (mit einer sechsmonatigen Unterbrechung 2023) in Österreich auf und sei hier integriert; aufgrund seiner privaten und familiären Kontakte, insbesondere zu seinen in Österreich lebenden Kindern, die ihm sehr wichtig seien, würden seine persönlichen Interessen an einem Verbleib das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung überwiegen. Er habe sich gegenüber seinen Kindern nicht aggressiv erhalten; seine Straftaten seien auf Auseinandersetzungen mit seiner Ex-Ehefrau im Zusammenhang mit der Trennung zurückzuführen.
Das BFA legte die Beschwerde samt den Akten des Verwaltungsverfahrens dem BVwG vor und beantragte, sie als unbegründet abzuweisen. Eine Gegenäußerung zur Beschwerde wurde erstattet.
Feststellungen:
Der BF ist ein am XXXX in der ungarischen Stadt XXXX geborener ungarischer Staatsangehöriger. Er beherrscht die ungarische Sprache.
Der BF wuchs in Ungarn bei seinen Großeltern auf und absolvierte dort die Pflichtschule. Danach machte er eine XXXX , die er jedoch nicht abschloss, und eine Ausbildung zum XXXX .
Der BF war im Bundesgebiet ab 2013 mit Nebenwohnsitz gemeldet; seit Ende 2015 liegen durchgehende Hauptwohnsitzmeldungen vor. Er war im Bundesgebiet ab XXXX 2013 (mit Unterbrechungen) unselbständig erwerbstätig, teilweise war er geringfügig beschäftigt. Zwischenzeitig bezog er immer wieder Arbeitslosengeld, so von XXXX .2016 bis XXXX 2016, von XXXX .2018 bis XXXX .2018, von XXXX . bis XXXX .2018, von XXXX .2019 bis XXXX .2019, von XXXX .2020 bis XXXX .2020, von XXXX . bis XXXX .2022, von XXXX .2023 bis XXXX .2023 und zuletzt von XXXX 2024 bis XXXX .2025. Am XXXX .2016 wurde ihm eine Anmeldebescheinigung als Arbeitnehmer ausgestellt. Von Anfang XXXX 2023 bis Mitte XXXX 2024 lebte er in der Schweiz und ging dort einer Erwerbstätigkeit nach. Nachdem gegen ihn dort ein Aufenthaltsverbot erlassen worden war, kehrte er nach Österreich zurück.
Der BF war von XXXX XXXX bis XXXX XXXX mit der in Österreich lebenden ungarischen Staatsangehörigen XXXX verheiratet. Der Ehe entstammen die am XXXX in XXXX geborene XXXX und der am XXXX in XXXX geborene XXXX . Seit der Scheidung ist XXXX alleine mit der Obsorge für die Kinder betraut und lebt mit ihnen ohne den BF in einem gemeinsamen Haushalt zusammen.
Der BF konsumierte ungefähr ab XXXX Suchtgift (Kokain und Cannabisprodukte). Im XXXX wurde er in Deutschland wegen unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe verurteilt.
Der BF übte während und nach der Ehe Gewalt gegen XXXX aus. Mit dem Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX , wurde er wegen des Vergehens der Körperverletzung (§ 83 Abs 1 StGB) rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er sie am XXXX vor den Augen der Kinder durch mehrere Faustschläge in das Gesicht verletzt hatte (Prellungen im Bereich des Kinns und der Stirn). Bei der Strafbemessung wurde sein bisher ordentlicher Lebenswandel als mildernd berücksichtigt, als erschwerend hingegen die Tatbegehung gegenüber seiner Ex-Ehefrau in Anwesenheit der minderjährigen Kinder. Die Geldstrafe wurde bislang nicht vollständig gezahlt.
Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX , wurde der BF wegen der Vergehen der Körperverletzung, der Nötigung und des Diebstahls (§§ 83 Abs 1, 15, 105 Abs 1, 127 StGB) rechtskräftig zu einer fünfmonatigen, bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt, wobei die Probezeit zuletzt von drei auf fünf Jahre verlängert wurde. Der Verurteilung lag zugrunde, dass er XXXX am XXXX durch mehrere Bisse verletzt (Hämatome) und im XXXX versucht hatte, sie durch gefährliche Drohung zur (Wieder-)Aufnahme einer Liebesbeziehung mit ihm zu nötigen. Außerdem hatte er zwischen XXXX und XXXX mehrere Ladendiebstähle (Gesamtwert der Beute über EUR 1.500) begangen. Bei der Strafbemessung wertete das Gericht das umfassende, reumütige Geständnis, die teilweise Schadensgutmachung durch Rückgabe von Diebesgut und den teilweisen Versuch als mildernd, den raschen Rückfall, das Zusammentreffen von Vergehen, die einschlägige Vorstrafe und die Tatbegehung während anhängigem Strafverfahren dagegen als erschwerend.
Am XXXX wurde der BF festgenommen; seither wird er in der Justizanstalt XXXX in Untersuchungs- bzw. Strafhaft angehalten. Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX , wurde er wegen der Vergehen der Körperverletzung (§ 83 Abs 1) und der fortgesetzten Gewaltausübung (§ 107b StGB) sowie des Verbrechens der schweren Nötigung (§§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB) zu einer zehnmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt. Auch dieser Verurteilung lagen Taten zum Nachteil von XXXX zugrunde. Bei der Hausdurchsuchung am XXXX wurde in der Wohnung des BF Suchtgift (Haschisch), verbotene Dopingmittel (Testosteron) und ein Kampfmesser gefunden.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung maßgebliche Sachverhalt ergeben sich ohne entscheidungswesentliche Widersprüche aus dem unbedenklichen Inhalt der Akten des Verwaltungsverfahrens, insbesondere aus den Angaben des BF und seinen Sozialversicherungsdaten, den Strafurteilen sowie aus Informationen aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Strafregister und dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR).
Name, Geburtsdatum, Geburtsort und Staatsangehörigkeit des BF gehen aus seinen Angaben bei der Beschuldigtenvernehmung am XXXX .2025 hervor, in der er auch Angaben zu seiner Kindheit, seiner Schulbildung und seiner Berufsausbildung machte. Ungarischkenntnisse des BF sind angesichts seiner Herkunft plausibel, zumal seinen Einvernahmen jeweils Ungarischdolmetscher beigezogen wurden. Für Deutschkenntnisse liegen keine Beweisergebnisse vor. Die dem BF ausgestellte Anmeldebescheinigung ist im IZR dokumentiert. Die Wohnsitzmeldungen gehen aus dem ZMR hervor. Die Erwerbstätigkeit des BF in Österreich und der Bezug von Arbeitslosengeld werden anhand der Sozialversicherungsdaten festgestellt. Der Aufenthalt in der Schweiz zwischen XXXX 2023 und XXXX 2024 wurde vom BF angegeben und von XXXX als Zeugin bestätigt; während dieser Zeit war er zwar laut ZMR weiterhin in Österreich gemeldet, ging im Inland aber weder einer Erwerbstätigkeit nach noch bezog er Arbeitslosengeld oder war anderweitig sozialversichert. Es ist daher davon auszugehen, dass er sich während dieses Zeitraums in der Schweiz niedergelassen hatte, zumal er angab, dass gegen ihn dort ein Aufenthaltsverbot erlassen worden sei.
Der Suchtgiftkonsum des BF ergibt sich aus der im ECRIS-Auszug ersichtlichen strafgerichtlichen Verurteilung in Deutschland wegen eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz, aus dem Umstand, dass bei der Hausdurchsuchung zuletzt unter anderem Suchtmittel zum Eigenbedarf sichergestellt wurden und aus den Angaben der Zeugin XXXX vor dem BFA.
Die Feststellungen zum Strafvollzug basieren auf der aktenkundigen Vollzugsinformation, die mit der Wohnsitzmeldung in der Justizanstalt XXXX laut ZMR korrespondiert. Die strafgerichtlichen Verurteilungen des BF werden anhand der vorliegenden Strafurteile und polizeilichen Abschlussberichte sowie anhand des Strafregisters festgestellt.
Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
Aufgrund der in § 18 Abs 5 BFA-VG angeordneten amtswegigen Prüfung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG ist der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weder notwendig noch zulässig und daher zurückzuweisen.
Zu Spruchteil B):
Gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG kann einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot die aufschiebende Wirkung aberkannt werden, wenn die sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.
Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das BVwG der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für eine Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit stützt, genau zu bezeichnen.
Aufgrund der einschlägigen Vorstrafen des BF, der Wirkungslosigkeit der bisherigen Sanktionen und der persistenten Gewaltausübung im engsten Familienkreis (ohne Rücksicht auf die Auswirkungen dieses Verhaltens auf seine Kinder) ist seine sofortige Ausreise nach dem Strafvollzug im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit geboten. Die in der Beschwerde bekundete Reue und die Absicht des BF, eine Therapie zu machen und seinen Kindern in Zukunft ein guter Vater zu sein, hat noch nicht in einem - einen relevanten Zeitraum umfassenden - Wohlverhalten in Freiheit nach dem Strafvollzug ihre Entsprechung gefunden und reicht daher für den Wegfall der Gefährdungsprognose nicht aus (siehe z.B. VwGH 18.01.2024, Ra 2023/21/0112). Die Kontinuität des Inlandsaufenthalts des BF war gemäß § 53a Abs 2 Z 1 NAG durch den sechs Monate übersteigenden Aufenthalt in der Schweiz unterbrochen, sodass ihm weder der erhöhte Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs 1 fünfter Satz FPG zugutekommt noch er das gemäß § 66 Abs 1 FPG allenfalls beachtliche unionsrechtliche Recht auf Daueraufenthalt erworben hat.
Der Beschwerde ist daher derzeit die aufschiebende Wirkung nicht zuzuerkennen; Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids ist rechtskonform. Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 21 Abs 6a BFA-VG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen ist und das BVwG keine grundsätzlichen Rechtsfragen iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen hatte.
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