JudikaturBVwG

W193 2288882-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
26. Mai 2025

Spruch

W193 228882-1/72E

Im Namen der Republik!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Michaela RUSSEGGER über die Beschwerden 1. der XXXX und 2. XXXX , vertreten durch List Rechtsanwalts GmbH in 1180 Wien, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom XXXX , mit dem gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 festgestellt wurde, dass für das Vorhaben XXXX , vertreten durch Fellner Wratzfeld Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist, zu Recht:

A)

Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Mit Schreiben vom 21.12.2022 stellte die XXXX (in der Folge: Projektwerberin), vertreten durch die im Spruch genannte rechtsfreundliche Vertretung, bei der Wiener Landesregierung als UVP-Behörde (in der Folge: belangte Behörde) einen Antrag auf Feststellung, dass für das antragsgegenständliche Vorhaben XXXX (in der Folge: Vorhaben) keine Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVP-G 2000 durchzuführen ist.

2. Aufgrund dieses Antrages stellte die belangte Behörde mit Bescheid vom XXXX , fest, dass für das Vorhaben nach Maßgabe der mit dem amtlichen Sichtungsvermerk versehenen Projektunterlagen 1 bis 9 keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist. Der Bescheid wurde am 23.01.2024 öffentlich kundgemacht.

3. Mit Schreiben vom 19.02.2024 (bei der belangten Behörde per E-Mail am selben Tag und postalisch am 21.02.2024 eingelangt) erhoben die XXXX und XXXX (in der Folge: Beschwerdeführerinnen) durch die im Spruch genannte rechtsfreundliche Vertretung rechtzeitig Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde an das Bundesverwaltungsgericht. Die Beschwerdeführerinnen beantragten, das Bundesverwaltungsgericht möge nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung der Beschwerde Folge geben, den angefochtenen Bescheid aufheben sowie dahingehend abändern, dass festgestellt wird, dass das Vorhaben der mitbeteiligten Partei XXXX aufgrund einer unmittelbaren Anwendung von Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anhang II Z 10 lit. b der UVP-Richtlinie 2011/92/EG einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen ist. In eventu wurde beantragt, der Beschwerde Folge zu geben und den angefochtenen Bescheid aufzuheben und dahingehend abzuändern, dass festgestellt wird, dass gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 das Vorhaben der mitbeteiligten Partei XXXX , einem ordentlichen Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren nach dem UVP-G 2000 zu unterziehen ist sowie in eventu der Beschwerde Folge zu geben und den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Sache zur Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an die erste Instanz zurückzuverweisen.

4. Mit Schreiben vom 20.03.2024 (eingelangt am 21.03.2024) legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt zugehörigen Verwaltungsakt zur Entscheidung vor.

5. Aufgrund der noch von der belangten Behörde veranlassten Beschwerdemitteilung gab die Projektwerberin eine ausführliche Stellungnahme zu den Beschwerdevorbringen ab und begründete, warum sie die Beschwerdevorbringen nicht teilen.

6. Mit Beschluss vom 11.02.2025, Zl. W193 228882-1/7Z, bestellte das Bundesverwaltungsgerichtnichtamtliche Sachverständige für die Fachbereiche „Luftreinhaltung“ und Stadtklima“, „Lärm“, „Verkehr“, „Naturschutz“, „Landschaftsbild“, „Humanmedizin/Umweltmedizin“ sowie „Fläche und Boden“ zur Erstattung von entsprechenden Fachgutachten.

7. Mit Ladungen vom 06.03.2025, Zl. W193 228882-1/9Z, wurde vom Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung anberaumt.

8. Mit Schriftsatz vom 19.03.2025 übermittelte die Projektwerberin aufgrund der Stellungnahme des Sachverständigen für den Fachbereich „Naturschutz“ eine Stellungnahme und ergänzende Projektunterlagen.

9. Am 24.03.2025 (eingelangt am 25.03.2025) übermittelte der gerichtlich bestellte nichtamtliche Sachverständige für den Fachbereich „Fläche und Boden“ sein schriftliches Gutachten.

10. Mit Eingabe vom 03.04.2025 (eingelangt am selben Tag) übermittelte der gerichtlich bestellte nichtamtliche Sachverständige für den Fachbereich „Humanmedizin/Umweltmedizin“ ein vorläufiges schriftliches Gutachten.

11. Mit Schriftsatz vom 19.03.2025 übermittelten die Projektwerberin aufgrund der Aufforderung der Sachverständigen aus den Fachbereichen „Lärm“ sowie „Luftreinhaltung und Stadtklima“ die ergänzenden Informationen und Unterlagen.

12. Mit Schriftsatz vom 14.05.2025 übermittelte die Projektwerberin die Zurückziehung ihres Feststellungsantrages vom 21.12.2022.

13. Mit 15.04.2025 informierte das Bundesverwaltungsgericht die Sachverständigen über die Antragszurückziehung und ersuchte darum, Arbeiten an noch ausstehenden Gutachten einzustellen.

14. Mit Schreiben vom 16.04.2025 wurde die anberaumte mündliche Beschwerdeverhandlung wieder abberaumt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang wird zu den Feststellungen erhoben.

Insbesondere wird hierzu Folgendes festgestellt:

Mit Anbringen vom 21.12.2022 stellte die Projektwerberin bei der belangten Behörde gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 einen Antrag auf Feststellung, dass für das Vorhaben XXXX keine UVP-Prüfung nach dem UVP-G 2000 durchzuführen ist.

Bei diesem Vorhaben wurde die Neuerrichtung eines Lebensmittel-Großhandelsbetriebs mit Logistikfunktion, bestehend aus Logistik-, Verkaufs- und Büroflächen sowie einem Ladehof; auf dem Grundstück Nr. XXXX , im Bereich des Autobahnknotens XXXX geplant.

Nach Aufnahme ergänzender Ermittlungen durch das Bundesverwaltungsgericht (so etwa Bestellung von Sachverständigen zur Gutachtenserstattung sowie Übermittlung von zwei Gutachten durch ebenselbe und der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung) zog die Projektwerberin mit Eingabe vom 14.05.2025 durch ihre rechtsfreundliche Vertretung den verfahrenseinleitenden Feststellungsantrag vom 21.12.2022 zurück.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt, insbesondere der zu den Feststellungen erhobene Verfahrensgang sowie die Feststellungen zum verfahrenseinleitenden Antrag der Projektwerberin, ergeben sich nachvollziehbar aus dem unbestritten gebliebenen Inhalt des verwaltungsbehördlichen und des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.

Die Feststellungen zur Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Feststellungsantrages durch die Projektwerberin ergibt sich nachvollziehbar aus dem im Gerichtsakt einliegenden diesbezüglichen Schreiben vom 14.05.2025 (OZ 56). Aus dem klaren Wortlaut dieses Schreibens ergibt sich eindeutig und zweifelsfrei, dass es dem erklärten Willen der Projektwerberin entspricht, ihren Antrag auf Feststellung des Nichtvorliegens der UVP-Pflicht für das Vorhaben XXXX zurückziehen zu wollen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Allgemeines und Zuständigkeit

Gemäß § 40 Abs. 1 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP-G 2000) entscheidet über Beschwerden in Angelegenheiten nach dem UVP-G 2000 das Bundesverwaltungsgericht. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 40 Abs. 2 UVP-G 2000 sind Verfahren nach § 3 Abs. 7 leg. cit. nicht von der Senatszuständigkeit umfasst, weswegen gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vorliegt.

Gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (BVG) dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

3.2. Zu Spruchteil A) Ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides:

§ 13 AVG idgF BGBl. I Nr. 157/2024 lautet auszugsweise:

„Verkehr zwischen Behörden und Beteiligten

Anbringen

§ 13. [...]

(7) Anbringen können in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden.

[...]“

In seinem Erkenntnis vom 25.06.2021, Ro 2019/05/0018, legte der Verwaltungsgerichtshof dar, dass die Bestimmung des § 13 Abs. 7 AVG, wonach Anbringen in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden können, sich auf alle Arten von Verfahrenshandlungen beziehe, mit denen Beteiligte an eine Behörde herantreten können (vgl. etwa VwGH 06.07.2016, Ra 2016/08/0041), und daher auch für den Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 gelte.

Die Zurückziehung eines Antrages sei so lange zulässig, als dieser noch unerledigt sei und daher noch zurückgezogen werden könne (vgl. VwGH 25.07.2013, 2013/07/0099). Dies bedeute für jene Fälle, in denen der verfahrenseinleitende Antrag auf die Einleitung eines mit Bescheid abzuschließenden Verfahrens gerichtet ist, dass eine Antragszurückziehung bis zur Bescheiderlassung, im Fall einer Berufung auch bis zur Erlassung des Berufungsbescheides, möglich sei (vgl. VwGH 29.03.2001, 2000/20/0473; VfGH 30.11.1999, B 2098/98).

Der Antragsteller habe mit der Antragszurückziehung das Recht, über seinen Antrag zu disponieren (vgl. dazu explizit etwa VwGH 26.05.2014, 2013/08/0199); auf die Motive des Antragstellers für die Zurückziehung seines Antrages komme es nicht an (vgl. VwGH 24.06.2014, 2011/05/0098), und die ausdrückliche Zurückziehung eines Antrages werde als prozessuale Willenserklärung mit dem Einlangen bei der zuständigen Behörde wirksam und damit unwiderruflich (vgl. VwGH 23.07.2009, 2008/05/0241; 11.12.2002, 2002/03/0248, jeweils mwN).

Die Zurückziehung des ursprünglichen verfahrenseinleitenden Antrages während des anhängigen Beschwerdeverfahrens bewirke den Wegfall der Zuständigkeit der Behörde zur Erlassung des Bescheides und damit die nachträgliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides. Das Verwaltungsgericht habe in einem solchen Fall den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos zu beheben, andernfalls es seine Entscheidung mit Rechtswidrigkeit belaste. Eine inhaltliche Erledigung des verfahrenseinleitenden Antrages sei mit dessen rechtzeitiger und zulässiger Zurückziehung ausgeschlossen.

Wie aus der Entscheidung VwGH 25.06.2021, Ro 2019/05/0018, ebenfalls hervorgeht, ist eine amtswegige Fortführung des Feststellungsverfahrens (und Entscheidung in der Sache) durch das Bundesverwaltungsgericht nach Zurückziehung des UVP-Feststellungsantrages nicht zulässig.

Der angefochtene Bescheid der belangten Behörde ist daher aufgrund der Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrages wegen (nachträglicher) Rechtswidrigkeit des Bescheides ersatzlos zu beheben.

3.3. Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. dazu die zu Spruchteil A zitierte Rechtsprechung), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Rückverweise