JudikaturBVwG

W292 2273428-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
Datenschutzrecht
20. Mai 2025

Spruch

W292 2273428-1/9Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Herwig ZACZEK als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter, Mag. René BOGENDORFER und Mag. Matthias SCHACHNER als Beisitzer, über die Beschwerde vom XXXX , vertreten durch die Fellner Wratzfeld Partner Rechtsanwälte GmbH, Schottenring 12, 1010 Wien, gegen den Bescheid der Datenschutzbehörde vom 08.03.2023, GZ. XXXX (mitbeteiligte Partei XXXX ), in einer datenschutzrechtlichen Angelegenheit:

A) Das Verfahren wird bis zur Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof über die außerordentliche Revision vom 21.02.2025 gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.01.2025, Zl. W252 2271738-1, gemäß § 34 Abs. 3 VwGVG ausgesetzt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Dem Verfahren liegt der Versand von Impferinnerungsschreiben zu Grunde, die im Namen der XXXX , dem XXXX , diverser Sozialversicherungsträger sowie in Kooperation mit XXXX Ende November/Anfang Dezember 2021 an sozialversicherte Personen über 18 Jahre mit Wohnsitz in XXXX , die keine Schutzimpfung gegen COVID-19 erhalten hatten, gesendet worden sind. Dagegen beschwerte sich eine Vielzahl der Empfänger bei der Datenschutzbehörde (im Folgenden: belangte Behörde), weil sie den Verdacht hatten, dass rechtswidrig auf ihre im Impfregister hinterlegten Daten zugegriffen worden sei.

2. Mit Eingabe vom 15.12.2021 brachte XXXX (im Folgenden: mitbeteiligte Partei) bei der belangten Behörde eine Datenschutzbeschwerde u.a. gegen den XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer) wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung ein. Demnach bestehe seitens der mitbeteiligten Partei der dringende Verdacht, dass einem an sie adressierten Impfaufforderungsschreiben eine unzulässige Weitergabe und Verarbeitung ihrer besonders geschützten persönlichen Gesundheitsdaten zugrunde liege. Daher werde beantragt, die Rechtsverletzung festzustellen, die Datenverarbeitung zu untersagen und eine Geldbuße zu verhängen.

3. In einem am 26.11.2021 gegen den Beschwerdeführer und XXXX eingeleiteten amtswegigen Prüfverfahren kam die belangte Behörde mit Bescheid vom 11.08.2022 zum Ergebnis, das der Beschwerdeführer der datenschutzrechtliche Verantwortliche für den Versand des Impferinnerungsschreiben gewesen sei.

4. Mit an die mitbeteiligte Partei gerichtetem Schreiben vom 07.09.2022 teilte die belangte Behörde die Ergebnisse des amtswegigen Prüfverfahrens mit und räumte der mitbeteiligten Partei hierzu Parteiengehör ein.

5. Nach Aufforderung durch die belangte Behörde nahm der Beschwerdeführer im Wege seiner Rechtsvertretung mit Schriftsätzen vom 31.10. und 21.11.2022 zur in der Datenschutzbeschwerde vorgebrachten Verletzung im Recht auf Geheimhaltung Stellung. Vorweg führte er aus, dass die gegenständliche Datenschutzbeschwerde wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sei, da die belangte Behörde über die (Un-)Zulässigkeit der dieser zugrundeliegenden Datenverarbeitung bereits mit Bescheid im amtswegigen Prüfverfahren vom 11.08.2022 abgesprochen habe. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde sei zudem beim Bundesverwaltungsgericht anhängig und werde in eventu die Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung über diese beantragt. Darüber hinaus werde der Übernahme der Ermittlungsergebnisse des amtswegigen Prüfverfahrens in das gegenständliche Verfahren widersprochen; insbesondere sei der Beschwerdeführer nicht als datenschutzrechtlicher Verantwortlicher zu qualifizieren und bleibe der vorliegende Datenverarbeitungsvorgang nach wie vor ungeklärt. Selbst bei gegenteiliger Annahme der datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers wäre eine Datenverarbeitung aus Gründen des öffentlichen Interesses im Bereich der öffentlichen Gesundheit zulässig.

6. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 08.03.2023 wurde der Datenschutzbeschwerde der mitbeteiligten Partei vom 15.12.2021 stattgegeben und festgestellt, dass der Beschwerdeführer die mitbeteiligte Partei dadurch im Recht auf Geheimhaltung verletzt habe, indem er unrechtmäßig auf die Daten der mitbeteiligten Partei im zentralen Impfregister und im zentralen Patientenindex zugegriffen und diese Daten zum Zweck des Versandes eines Impferinnerungsschreiben verarbeitet habe (Spruchpunkt 1.). Darüber hinaus wies die belangte Behörde den Antrag der mitbeteiligten Partei, die Datenverarbeitung zu untersagen, ab (Spruchpunkt 2.), den Antrag der mitbeteiligten Partei, gegen den Beschwerdeführer eine Geldstrafe zu verhängen, zurück (Spruchpunkt 3.) und den Antrag des Beschwerdeführers, das gegenständliche Verfahren auszusetzen, zurück (Spruchpunkt 4.)

Begründend hielt die belangte Behörde zu Spruchpunkt 1. im Wesentlichen fest, dass der Beschwerdeführer sowohl über den Zweck als auch gleichzeitig die Mittel der verfahrensgegenständlichen Datenverarbeitung entschieden habe und somit als datenschutzrechtlicher Verantwortlicher zu qualifizieren sei. Darüber hinaus bestehe keine gesetzliche Grundlage für den Zugriff des Beschwerdeführers auf die Daten der mitbeteiligten Partei im zentralen Impfregister und zentralen Patientenindex. Der vom Beschwerdeführer zur Rechtsmäßigkeit der Verarbeitung vorgebrachte § 24d Abs. 2 Z 3 GTelG 2012 sei mangels einer spezifischen Zugangsberechtigung des Beschwerdeführers nicht anwendbar.

7. Der Beschwerdeführer erhob im Wege seiner Rechtsvertretung gegen den im Spruch genannten Bescheid mit Eingabe vom 03.04.2023 das Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde und führte darin aus, der bekämpfte Bescheid sei inhaltlich rechtswidrig und beruhe zudem auf einem mangelhaften Verfahren. Hierzu brachte er zusammengefasst vor, dass einer Behandlung der Datenschutzbeschwerde durch die belangte Behörde das Hindernis der entschiedenen Sache entgegengestanden sei, der angefochtene Bescheid trotz mangelhafter und unsubstantiierter Angaben in der Datenschutzbeschwerde erlassen worden sei und die von der Behörde mittels „Umdeutung“ erfolgte Einschränkung auf den Beschwerdeführer unzulässig wäre. Zu den vorgebrachten Verfahrensmängeln führte der Beschwerdeführer aus, dass die belangte Behörde den Sachverhalt einseitig zu seinen Lasten und unzureichend ermittelt habe und der im angefochtenen Bescheid festgestellte Sachverhalt auf einer mangelnden bzw. fehlenden Beweiswürdigung beruhe. Darüber hinaus bestehe keine datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers und sei selbst bei gegenteiliger Annahme eine Verarbeitung der verfahrensgegenständlichen Daten zulässig.

8. Die belangte Behörde legte die gegenständliche Beschwerde samt den Bezug habenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge auch „BVwG“) mit Aktenvorlage vom 11.05.2023, eingelangt am 13.06.2023, vor und erstattete eine Stellungnahme.

9.Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.10.2023 zur Zl. W298 2261669-1 wurde der Beschwerde gegen den im amtswegigen Prüfverfahren der belangten Behörde ergangenen Bescheid vom 11.08.2022 stattgegeben und dieser ersatzlos behoben

10. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 06.11.2023 wurde die gegenständliche Rechtssache der vormals zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und in weiterer Folge der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen.

11. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte der mitbeteiligten Partei mit Schriftsatz vom 19.02.2024 die von der belangten Behörde vorgelegte Bescheidbeschwerde und räumte ihr die Gelegenheit ein, sich dazu innerhalb einer Frist von zwei Wochen zu äußern.

12.Mit Schriftsatz vom 12.02.2025 teilte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer und der mitbeteiligten Partei die Absicht mit, die Ermittlungsergebnisse des beim Bundesverwaltungsgericht anhängigen Parallelverfahrens zur Zl. W252 2271738-1 dem gegenständlichen Verfahren zu Grunde zu legen und übermittelte hierzu die diesbezügliche Verhandlungsniederschrift. Weites gab das Bundesverwaltungsgericht den Parteien die Gelegenheit, hierzu binnen einer Frist von zwei Wochen Stellung zu nehmen.

13.In weiterer Folge gab der Beschwerdeführer im Wege seiner Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 25.02.2025 hierzu eine Stellungnahme ab und führte aus, dass gegen das im Parallelverfahren zur Zl. W252 2271738-1 ergangene Erkenntnis vom 10.01.2025 fristgereicht eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben worden sei, weshalb die Aussetzung des gegenständlichen Verfahrens angeregt werde. Darüber hinaus liege dem Parallelverfahren zur Zl. W252 2271738-1 die „Leitentscheidung“ des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.03.2024 zur Zl. W252 2271937-1 zugrunde, welche jedoch für das vorliegende Verfahren nicht präjudiziell sei. Zudem sei der angefochtene Bescheid mangels rechtskonformen Bescheidadressat absolut nichtig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

Dem gegenständlichen Verfahren liegt im Wesentlichen derselbe Sachverhalt im Zusammenhang mit der Verarbeitung von personenbezogenen Daten im zentralen Impfregister und zentralen Patientenindex im Rahmen von Impferinnerungsschreiben wie dem Verfahren zur Zl. W252 2271738-1 zu Grunde. In der außerordentlichen Revision vom 21.02.2025 wurde insbesondere die Aufhebung und Zurückverweisung anstatt einer vollumfänglichen meritorischen Entscheidung bekämpft und darüber hinaus eine Abweichung von bzw. Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Zumutbarkeit der Bezeichnung des Beschwerdegegners, zum Vorliegen eines nichtigen Bescheides und zur Frage der datenschutzrechtlichen Verantwortung vorgebracht.

Beim Bundesverwaltungsgericht sind zum Abfragezeitpunkt 13.05.2025 113 Beschwerdeverfahren zum Themenkomplex „Impferinnerungsschreiben XXXX “ mit den Rechtsfragen zur Sachentscheidungspflicht des Bundesverwaltungsgerichtes, Zumutbarkeit der Bezeichnung des Beschwerdegegners, Vorliegen eines nichtigen Bescheides und zur datenschutzrechtlichen Verantwortung des Beschwerdeführers anhängig.

II.2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt sowie dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.01.2025, Zl. W252 2271738-1, der dagegen erhobenen außerordentlichen Revision vom 21.02.2025 und einer Nachschau in der Aktenübersicht.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1. Zu A) – Aussetzung

3.1.1.Gemäß § 34 Abs. 3 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ein Verfahren über eine Beschwerde gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG mit Beschluss aussetzen, wenn:

1. vom Verwaltungsgericht in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartenden Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen ist und gleichzeitig beim Verwaltungsgerichtshof ein Verfahren über eine Revision gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss eines Verwaltungsgerichtes anhängig ist, in welchem dieselbe Rechtsfrage zu lösen ist, und

2. eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Lösung dieser Rechtsfrage fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gleichzeitig hat das Verwaltungsgericht dem Verwaltungsgerichtshof das Aussetzen des Verfahrens unter Bezeichnung des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahrens mitzuteilen. Eine solche Mitteilung hat zu entfallen, wenn das Verwaltungsgericht in der Mitteilung ein Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu bezeichnen hätte, das es in einer früheren Mitteilung schon einmal bezeichnet hat. Mit der Zustellung des Erkenntnisses oder Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes an das Verwaltungsgericht gemäß § 44 Abs 2 VwGG ist das Verfahren fortzusetzen. Das Verwaltungsgericht hat den Parteien die Fortsetzung des Verfahrens mitzuteilen.

Aus den Erläuterungen (vgl RV 2009 BlgNR 24. GP, 8) zu § 34 VwGVG geht hervor, dass ein Verfahren ausgesetzt werden kann, wenn bei einem Verwaltungsgericht in einer erheblichen Zahl von anhängigen oder zu erwartenden Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen ist, die in einem – gleichzeitig anhängigen – Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu lösen ist. Zweck dieser Bestimmung ist daher, aus Gründen der Prozessökonomie zu vermeiden, dass die gleiche Rechtsfrage nebeneinander in mehreren Verfahren erörtert werden muss (vgl. zu den entsprechenden Bestimmungen der BAO: VwGH 18.4.1990, 89/16/0200; 21.12.2011, 2009/13/0159 sowie Ritz, BAO5 § 271).

Durch die Aussetzung eines Verfahrens soll die Funktionsfähigkeit des Verwaltungsgerichts bei einer großen Zahl gleichgelagerter Beschwerden gewährleistet sein, indem auf einen beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen „leading case“ gewartet und so dessen Rechtsansicht eingeholt werden kann. Darüber hinaus wird der Verwaltungsgerichtshof selbst vor einer potentiell massenhaften Revisionseinbringung geschützt (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 § 34 VwGVG Rz 14).

3.1.2. Fallbezogen folgt:

Beschwerdegegenständlich ist die Frage, ob der Beschwerdeführer die mitbeteiligte Partei in ihrem Recht auf Geheimhaltung durch die Verarbeitung von Daten im Rahmen des Versendens eines Impferinnerungsschreibens verletzt hat. Zur Beantwortung dieser Frage ist u.a. die Klärung der meritorischen Entscheidungspflicht des Bundesverwaltungsgerichtes, der Zumutbarkeit der Bezeichnung des Beschwerdegegners in der Datenschutzbeschwerde, des Vorliegens eines nichtigen Bescheides und der datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers wesentlich.

Zu diesen Rechtsfragen fehlt eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und sie sind wesentlicher Gegenstand der beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen außerordentlichen Revision gegen das hg. Erkenntnis zur Zl. W252 2271738-1 vom 10.01.2025.

Da beim Bundesverwaltungsgericht zum Themenkomplex „Impferinnerungsschreiben XXXX “ zahlreiche Verfahren anhängig sind, liegen die Voraussetzungen des § 34 Abs. 3 VwGVG vor.

Es wird daher das gegenständliche Beschwerdeverfahren mit nicht bloß verfahrensleitenden Beschluss (vgl. VwGH 20.12.2017, Ra 2017/12/0119) bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs über die außerordentliche Revision zu W252 2271738-1 ausgesetzt.

II.3.2. Zu B) – Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Hinsichtlich der Anwendung des § 34 VwGVG konnte sich das erkennende Gericht auf die jeweils zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs stützen. Die Beurteilung, ob im vorliegenden Verfahren dieselbe Rechtsfrage zu lösen ist wie in einem beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Revisionsverfahren, ist einzelfallbezogen und damit grundsätzlich nicht revisibel.