Spruch
I403 2187477-2/23E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , türkischer Staatsbürger, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.10.2024, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.02.2025 und am 05.05.2025 zu Recht:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 16.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 20.01.2018 abgewiesen wurde. Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung in die Türkei zulässig sei. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.08.2022, G315 2187477-1/41E, - soweit gegenständlich relevant – als unbegründet abgewiesen.
Am 12.12.2023 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK. In einer Stellungnahme vom 23.07.2024 verwies er auf seine „eheähnliche Lebensgemeinschaft mit XXXX (im Folgenden: Z.H.)“.
Mit im Spruch genannten Bescheid des BFA vom 15.10.2024 wurde der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zurückgewiesen (Spruchpunkt I.), gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.), festgestellt, dass die Abschiebung in die Türkei zulässig ist (Spruchpunkt III.) und dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV) sowie ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt V.). Die Zurückweisung des Antrages wurde damit begründet, dass sich die Umstände seit der Rechtskraft des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.08.2022, G315 2187477-1/41E nicht „derart“ geändert hätten, dass eine neuerliche Abwägung des Artikel 8 EMRK geboten ist.
Am 15.11.2024 wurde Beschwerde erhoben und unter anderem moniert, dass die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers Z.H., deren zeugenschaftliche Einvernahme beantragt wurde, nicht einvernommen worden sei und dass sie seit mehreren Jahren eine Beziehung mit dem Beschwerdeführer führe und sie auch verlobt seien.
Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 21.11.2024 vorgelegt; am 18.02.2025 wurde eine mündliche Verhandlung abgehalten, zu welcher der Beschwerdeführer krankheitsbedingt nicht erschien, in welcher aber Z.H. zeugenschaftlich befragt wurde. Am 05.05.2025 wurde die Verhandlung fortgesetzt und nunmehr auch der Beschwerdeführer im Beisein seiner Rechtsvertretung befragt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.08.2022, G315 2187477-1/41E, wurde festgehalten: „Es kann nicht festgestellt werden, dass eine (familienähnliche) Beziehung vorliegt.“ Dem Erkenntnis lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer zum damaligen Zeitpunkt keine Lebensgemeinschaft führte.
1.2. Die bulgarische Staatsbürgerin Z.H. lernte den Beschwerdeführer über das Internet kennen, während sie in Deutschland bzw. der Türkei aufhältig war. Im August 2021, nachdem sie etwa zwei Jahre Kontakt mit dem Beschwerdeführer hatte, zog sie in seine Wohnung nach Österreich. Sie ist geschieden, ihre drei Kinder im Alter von 10 (Zwillinge) bzw. 14 Jahren befinden sich in Bulgarien bei der Mutter ihres früheren Ehemannes.
Spätestens 2023 kam es zu einer vorübergehenden Trennung von Z.H. und dem Beschwerdeführer; sie zog am 24.02.2023 in eine andere Wohnung und zeigte den Beschwerdeführer wegen der Ausübung von Gewalt an; das Verfahren wurde in der Folge eingestellt. Z.H. gab diesbezüglich an, dass es zu Problemen gekommen sei, da sie eifersüchtig gewesen sei. Seit 13.01.2025 besteht wieder ein gemeinsamer Wohnsitz und ist eine Eheschließung geplant.
Der Beschwerdeführer führt daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Beziehung mit Z.H.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellung zu 1.1. ergibt sich aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.08.2022, G315 2187477-1/41E.
Die Feststellung zu 1.2. ergibt sich insbesondere aus der Befragung von Z.H. in der Verhandlung am 18.02.2025 und des Beschwerdeführers in der Verhandlung am 05.05.2025. Die bulgarische Staatsbürgerschaft von Z.H. ergibt sich aus der Vorlage ihres Ausweises in der mündlichen Verhandlung. Auch wenn, nicht zuletzt aufgrund der unterschiedlichen Wohnsitzmeldungen und der polizeilichen Anzeige, welche sich durch die im Akt einliegende Einstellung des Verfahrens ergibt, davon auszugehen ist, dass es 2023 zu einer vorübergehenden Trennung der Beziehung zwischen Z.H. und dem Beschwerdeführer gekommen war, geht das Gericht, auch aufgrund des in den Verhandlungen gewonnenen persönlichen Eindrucks und der übereinstimmenden Angaben, davon aus, dass die Beziehung gegenwärtig aufrecht und eine Eheschließung geplant ist, sobald die bulgarischen Dokumente von Z.H. übersetzt wurden.
Die belangte Behörde argumentierte im angefochtenen Bescheid, dass das Bundesverwaltungsgericht im Vorverfahren keine Beziehung festgestellt habe und sich an den Familienverhältnissen nichts geändert habe. Allerdings wurde nur auf ein schriftliches Parteiengehör abgestellt und eine Befragung von Z.H. bzw. des Beschwerdeführers unterlassen. Nach Durchführung der öffentlichen mündlichen Verhandlung, welcher das BFA fernblieb, kommt das Bundesverwaltungsgericht zum Ergebnis, dass von einer Beziehung zwischen dem Beschwerdeführer und Z.H. auszugehen ist und wird diese festgestellt.
Dadurch hat sich der Sachverhalt gegenüber dem Bezugserkenntnis, in dem von keiner Beziehung des Beschwerdeführers ausgegangen worden war, verändert.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Hat die Behörde (wie hier) einen Antrag zurückgewiesen, so ist Sache des Beschwerdeverfahrens lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung. Eine erstmalige inhaltliche Entscheidung über den zugrundeliegenden Antrag würde demgegenüber den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschreiten (vgl. VwGH 12.10.2015, Ra 2015/22/0115).
Anträge gemäß § 55 AsylG 2005 sind gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Ein maßgeblich geänderter Sachverhalt in diesem Sinn liegt nicht erst dann vor, wenn der vorgebrachte Sachverhalt auch konkret dazu führt, dass nunmehr der begehrte Aufenthaltstitel erteilt werden müsste. Vielmehr liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nur dann nicht vor, wenn die geltend gemachten Umstände von vornherein keine solche Bedeutung aufgewiesen hätten, die eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK geboten hätte. Nur in einem solchen Fall ist eine – der Sache nach der Zurückweisung wegen entschiedener Sache nachgebildete – Zurückweisung gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zulässig (VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).
Seit der in Rechtskraft erwachsenen Rückkehrentscheidung vom 25.08.2022 sind fast drei Jahre verstrichen. Alleine daraus ergibt sich allerdings noch keine Notwendigkeit einer Neubeurteilung iSd Art 8 EMRK (VwGH 29.03.2021, Ra 2017/22/0196) und wäre eine allfällige Intensivierung des Privatlebens zu einem Zeitpunkt entstanden, als bereits eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorgelegen war (VfGH 25.08.2022, E 1656/2022). Zugleich kam es aber auch zu einer Änderung im Familienleben des Beschwerdeführers. Im Bezugserkenntnis aus dem Jahr 2022 war festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer keine Beziehung führt. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt führt er eine Beziehung und plant eine Eheschließung. Alleine aufgrund dessen kann nicht „von vornherein“ ausgeschlossen werden, dass eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK geboten ist.
Ein maßgeblich geänderter Sachverhalt, der einer Antragszurückweisung nach § 58 Abs. 10 AsylG 2005 entgegen steht, liegt schon dann vor, wenn die geltend gemachten Umstände nicht von vornherein eine zu Gunsten des Fremden vorzunehmende neue Beurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK als ausgeschlossen erscheinen lassen (VwGH 19.09.2019, 2019/21/0173, Rn. 9, mwN).
Bei einer Gesamtbetrachtung der dargestellten Umstände ist eine abweichende Beurteilung nach Art. 8 EMRK im vorliegenden Fall jedenfalls nicht ausgeschlossen, womit eine Zurückweisung nach § 58 Abs. 10 AsylG 2005 nicht in Betracht kommt. In Stattgabe der Beschwerde war daher der angefochtene Bescheid zu beheben, da auch die auf der Zurückweisung aufbauenden Spruchpunkte zu beheben waren.
Für das vom BFA in weiterer Folge fortzusetzende Verfahren ergibt sich, dass durch die im vorliegenden Fall gebotene Aufhebung des angefochtenen Bescheides in der Sache der verfahrensgegenständliche Antrag des Beschwerdeführers wieder unerledigt ist und über diesen meritorisch abzusprechen ist (vgl. VwGH 17.11.2016, Ra 2016/21/0314).
In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass mit der gegenständlichen Entscheidung in keiner Weise dem Ergebnis des fortzusetzenden Verfahrens vorgegriffen oder die Frage der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung behandelt werden soll. Die Prüfung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung hat im fortzusetzenden Verfahren zu erfolgen.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.