JudikaturVwGH

Ra 2023/18/0496 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
06. Oktober 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed und den Hofrat Mag. Tolar als Richter sowie die Hofrätin Dr. Kronegger als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Amesberger, über die Revision des A A, vertreten durch Ing. Mag. Dr. Roland Hansély, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Mahlerstraße 13/3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. November 2023, I411 2271620 1/8E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Syriens und Angehöriger der arabischen Volksgruppe, stellte am 28. Juni 2022 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, dass in Syrien Bürgerkrieg herrsche und er vor dem Militärdienst geflohen sei. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst vor der Hay’at Tahrir ash Sham (HTS), die ihn mehrere Wochen eingesperrt habe, weil er nicht für sie habe kämpfen wollen.

2 Mit Bescheid vom 3. April 2023 wies das BFA den Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab, erkannte dem Revisionswerber den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei. Begründend führte das BVwG aus, der Revisionswerber habe keine asylrelevante Verfolgung durch die HTS glaubhaft machen können. Eine Rekrutierung zum Wehrdienst der syrischen Armee oder Verfolgungshandlungen durch das syrische Regime habe er in seiner von der HTS kontrollierten Heimatregion, welche erreichbar sei, ohne in Kontakt mit dem syrischen Regime treten zu müssen, nicht zu befürchten.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Die vorliegende außerordentliche Revision macht zu ihrer Zulässigkeit geltend, das BVwG weiche von höchstgerichtlicher Rechtsprechung ab, indem es die Asylrelevanz des Vorbringens des Revisionswerbers verkannt habe: Ihm würde aufgrund seiner Herkunft aus einem „Rebellengebiet“ vom syrischen Regime bei der Einreise eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werden, aufgrund derer er zwangsrekrutiert und bestenfalls als „Kanonenfutter“ verwendet werden würde. Das BVwG habe Parteivorbringen betreffend die Erreichbarkeit der Heimatregion des Revisionswerbers übergangen. Er sei überdies in seiner Heimatstadt asylrelevanter Gefahr einer (neuerlichen) Verfolgung durch die HTS ausgesetzt, die ihm „Regierungsfreundlichkeit“ unterstelle.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt erkannt, unter welchen Voraussetzungen die Verweigerung des Militärdienstes eine Asylgewährung rechtfertigt. Er hat sich dabei auch mit der speziellen Situation in Syrien auseinandergesetzt (vgl. dazu etwa VwGH 4.7.2023, Ra 2023/18/0108 ; VwGH 28.2.2024, Ra 2023/20/0619, jeweils mwN). Die Revision zeigt nicht auf, dass das BVwG fallbezogen von diesen rechtlichen Leitlinien abgewichen wäre, oder, dass sie einer Ergänzung oder Änderung bedürften.

10 Ebenso hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es aus asylrechtlicher Sicht nicht darauf ankommen kann, ob die Einreise in einen verfolgungssicheren Landesteil aus der Sicht des potentiellen Verfolgers legal stattfindet, sondern nur darauf, ob die den Grenzübergang beherrschenden Autoritäten eine Einreise in das sichere Gebiet zulassen (VwGH 29.2.2024, Ra 2024/18/0043). Im vorliegenden Fall hat sich das Verwaltungsgericht mit den Einreisemodalitäten und der Behauptung des Revisionswerbers, schon beim Grenzübertritt von den syrischen Behörden aufgegriffen und verfolgt zu werden, entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. erneut VwGH 4.7.2023, Ra 2023/18/0108) auseinandergesetzt. Es gelingt der Revision nicht darzutun, dass das Verwaltungsgericht diese Vorgaben nicht beachtet hätte.

11 Soweit die Zulässigkeitsbegründung der Revision darlegt, der Revisionswerber sei in seiner Heimatstadt der Gefahr einer (neuerlichen) Verfolgung durch die HTS ausgesetzt, ist darauf hinzuweisen, dass die HTS gemäß der im Entscheidungszeitpunkt des BVwG aktuellen und dem angefochtenen Erkenntnis zugrunde gelegten Berichtslage in von ihr kontrollierten Gebieten keine Zwangsrekrutierungen durchführt, weil sie genug freiwillige Kämpfer findet. Gleichzeitig zog das BVwG nicht in Zweifel, dass der Revisionswerber vor seiner Ausreise an einem Checkpoint der HTS willkürlich und zufällig festgenommen, jedoch gegen Zahlung einer näher beschriebenen Summe wieder freigelassen worden sei. Dass derartige willkürliche Festnahmen (etwa zwecks Erpressung von Geldsummen) stattfänden, schloss das BVwG erkennbar auch für die Zukunft nicht aus. Die Revision vermag aber nicht darzutun, dass diese Gefährdung in einem Fall wie dem vorliegenden eine Verknüpfung mit einem Verfolgungsgrund aufweist und daher Asyl gerechtfertigt hätte. Subsidiärer Schutz wurde dem Revisionswerber hingegen ohnedies erteilt.

12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 6. Oktober 2024

Rückverweise