Spruch
L504 2311756-1/4E IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Reinhard ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch Emre ADAR, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.03.2025, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
Aus dem Verfahrensgang des angefochtenen Bescheides ergibt sich Folgendes (Auszug aus dem angefochtenen Bescheid):
„(…) Im Zuge einer polizeilichen Kontrolle auf der A10, Parkplatz Glanegg, am 15.05.2024,
wurden Sie von der österreichischen Polizei in einer türkischen Zugmaschine kontrolliert.
Bei der Kontrolle Ihres türkischen Reisepasses und Visums stellte die Polizei fest, dass Sie
sich länger als die erlaubten 90 Tage in einem Zeitraum von 180 Tagen trotz
niederländischen Visums „C“, jedoch ohne Aufenthaltstitel eines Mitgliedsstaates im
Gebiet der Mitgliedsstaaten aufgehalten haben.
Sie haben den erlaubten Aufenthalt um 70 Tage überschritten.
Wann Sie in das Bundesgebiet einreisten, ist nicht bekannt.
Nach Einhebung einer Sicherheitsleistung von EUR 500,00 und Ausfolgung eines
Bescheides zur Namhaftmachung eines Zustellbevollmächtigten wurden Sie durch den
Journaldienst der LPD Salzburg aus der Anhaltung entlassen.
Am 15.05.2024 wurde die mit 15.05.2024 datierte Anzeige der LPD Salzburg dem
Bundesamt übermittelt.
Mit 21.05.2024 wurde durch das Bundesamt ein Verfahren zur Erlassung einer
aufenthaltsbeendenden Maßnahme eröffnet.
Am 17.09.2024 wurde dem Bundesamt die mit 14.05.2024 und mit 25.06.2024
rechtskräftige Strafverfügung über EUR 500,00 wegen §§ 31 Abs. 1a, Abs. 1 i.V.m. § 120 1a
FPG übermittelt.
Um den Sachverhalt im Lichte Ihrer persönlichen Verhältnisse beurteilen zu können,
wurde Ihnen die Möglichkeit gegeben, im Sinne des Rechtes auf Parteiengehör, eine
Stellungnahme zur beabsichtigten Vorgehensweise des Bundesamtes innerhalb einer
angemessenen Frist abzugeben und Ihnen darin mitgeteilt, dass das Bundesamt
beabsichtigt, gegen Sie eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot für das
Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten zu erlassen und Sie auf die Möglichkeit der
Übermittlung des Länderinformationsblattes Ihres Herkunftsstaates hingewiesen.
Im gleichen Schriftsatz wurde mitgeteilt, dass für den Fall, dass Sie zur beabsichtigten
Vorgangsweise der Behörde nicht Stellung nehmen, das Verfahren, ohne nochmaliger
Anhörung, aufgrund der Aktenlage fortgeführt und entschieden wird.
Am 11.10.2024 wurde das Parteiengehör an Ihre angegebene türkische Adresse versandt.
Am 11.11.2024 traf das Schriftstück mit dem Vermerk „unzureichende Adresse“ wieder
beim Bundesamt ein.
Am 19.11.2024 wurde das PG öffentlich bekannt gemacht und am 04.12.2024 von der
Amtstafel abgenommen.
Trotz Einräumung einer angemessenen Frist traf bis dato keine Stellungnahme Ihrerseits
beim Bundesamt ein.
Aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes ist davon auszugehen, dass Sie das
Bundesgebiet bereits verlassen haben.
Es ist dem Bundesamt nicht bekannt, wann Sie das Bundesgebiet verlassen haben.
Zuletzt waren Sie im Besitz eines niederländischen Visums „C“, gültig bis 24.01.2025.
Gemäß § 52 BFA-VG werden Sie mittels „Information Rechtsberatung“ darüber in Kenntnis
gesetzt, dass Ihnen kostenlos ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt wird. (…)“
Die Behörde zog die folgenden Beweismittel heran:
Von der beschwerdeführenden Partei vorgelegte Beweismittel:
− Türkischer Reisepass, gültig bis XXXX 2033.
− Ein- und Ausreisestempel.
− Visum „C“ der Niederlande für 90 Tage in einem Zeitraum von 180 Tage, gültig
vom XXXX
Weitere von der Behörde herangezogene Beweismittel:
− Der gesamte Inhalt des Fremdenaktes zu IFA-Zahl 1395235001.
− Verständigung über die Beabsichtigung der Erlassung einer Rückkehrentscheidung
samt Einreiseverbot und Aufforderung zur Stellungnahme vom 02.10.2024.
− Ergebnis der fahndungstechnischen Abfrage.
− Länderinformationsblatt zur Türkei.
− Anzeige der LPD Salzburg vom 15.05.2024.
− Strafverfügung der LPD Salzburg vom 24.05.2024, VStV/924300911666/2024.
− Zustellschein PG mit dem Vermerk „unzureichende Adresse“, eingegangen am
11.11.2024.
− Öffentliche Bekanntmachung PG vom 19.11.2024.
− VIS-Auszug vom 13.03.2025.
Der Entscheidung legte die Behörde folgende Feststellungen zugrunde (Auszug aus dem Bescheid):
„(…)
Zu Ihrer Person:
Sie sind nicht österreichischer Staatsbürger.
Sie sind türkischer Staatsbürger.
Sie sind Fremder im Sinne des Fremdenpolizeigesetzes.
Ihre Identität steht fest.
Sie sind im Besitz eines gewöhnlichen türkischen Reisepasses.
Sie waren zum Zeitpunkt der Anhaltung im Besitz eines niederländischen Visums „C“.
Sie sprechen Türkisch.
Es konnte nicht festgestellt werden, dass Sie dem Assoziierungsabkommen mit der Türkei
unterliegen.
Es konnte nicht festgestellt werden, dass Sie sich auf die Stillhalteklausel berufen hätten.
Es konnte nicht festgestellt werden, dass Sie an einer schwerwiegenden Krankheit leiden.
Sie sind als erwachsener Mann im erwerbsfähigen Alter zu qualifizieren.
Es wurde von Ihnen kein Zustellbevollmächtigter namhaft gemacht.
Zu Ihrem Aufenthalt in Österreich:
Es wird festgestellt, dass Sie sich am Kontrolltag, dem 15.05.2024, im Bundesgebiet aufgehalten haben.
Sie reisten am 15.05.2024, aus Deutschland kommend, in das Bundesgebiet aus.
Sie waren im Besitz eines gültigen gewöhnlichen türkischen Reisepasses und eines
niederländischen Visums „C“, Gültigkeit 6 Monate, für 90 Tage je 180 Tage.
Es steht fest, dass Sie den erlaubten Aufenthalt am 15.05.2024 um 70 Tage überschritten haben.
Es steht fest, dass Sie in Österreich keine sozialen Anknüpfungspunkte aufweisen.
Sie waren bis dato im Bundesgebiet nicht gemeldet und gingen keiner sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nach.
Sie erfüllen die Einreisevoraussetzungen des Art. 6 SGKX nicht.
Es steht fest, dass Sie aktuell nicht im Besitz eines Visums eines Mitgliedsstaates sind.
Es steht fest, dass Sie dazwischen im Besitz eines niederländischen Visums „C“, gültig vom
XXXX waren.
Es steht fest, dass Sie nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels eines anderen Mitgliedsstaates sind.
Es steht fest, dass Sie sich zum Zeitpunkt der Kontrolle unrechtmäßig im Bundesgebiet bzw. im
Gebiet der Mitgliedsstaaten aufgehalten haben.
Es steht fest, dass Sie wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem FPG rechtskräftig bestraft wurden.
Für das Bundesamt steht fest, dass Sie das Bundesgebiet zwischenzeitlich wieder verlassen haben.
Ihr Aufenthalt im Bundesgebiet stellt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar.
Aufgrund des bisher gezeigten Verhaltens muss eine negative Zukunftsprognose für Ihre Person durch das Bundesamt erstellt werden.
Zu Ihrem Privat- und Familienleben:
Es konnten keine familiären Bindungen in Österreich oder in einem Mitgliedsstaat ermittelt
werden.
Es steht fest, dass sie in der Türkei wohnen.
Ihr Familienstand konnte nicht festgestellt werden.
Sie sind im Bundesgebiet bzw. den Mitgliedsstaaten weder sozial noch beruflich verankert.
Sie arbeiten in der Türkei als LKW-Fahrer.
Die öffentlichen Interessen der Republik Österreich überwiegen allenfalls bestehenden privaten Interessen Ihrer Person.
Es wird festgestellt, dass kein schützenswertes Privat- und Familienleben im Bundesgebiet oder den Mitgliedsstaaten besteht. (…)“
Die Behörde setzte sich mit der abschiebungsrelevanten Lage in der Türkei auseinander und kam zum Ergebnis, dass sich dadurch kein Abschiebehindernis für die bP ergibt.
Die Behörde führte beweiswürdigend aus (Auszug aus dem Bescheid):
„(…)
Betreffend die Feststellungen zu Ihrer Person:
Die Feststellungen zu Ihrer Person ergeben sich aus dem vorliegenden Akteninhalt. Sie
sind im Besitz eines gültigen gewöhnlichen türkischen Reisepasses. Der Behörde liegen
keine ärztlichen Befunde vor, welche auf eine lebensbedrohliche Krankheit hinweisen
würden. Sie haben offenbar den Großteil Ihres Lebens in der Türkei zugebracht und
wohnen in der Türkei. Sie sprechen Türkisch. Sie gaben keine Stellungnahme ab. Das
Parteiengehör, welches an Ihre angegebene Adresse in der Türkei übermittelt wurde,
wurde mit dem Vermerk „Adresse unzureichend“. Einen Zustellbevollmächtigten machten
Sie nicht namhaft. Auch nahmen Sie sonst in keiner Weise mit dem Bundesamt Kontakt
auf. Weder der Artikel 6 noch der Artikel 7 des Assoziierungsabkommens noch die
Stillhalteklausel ist in Ihrem Fall auf Ihre Person anzuwenden.
Aufgrund der Aktenlage geht das Bundesamt davon aus, dass Sie nicht dem
Assoziierungsabkommen EWG/Türkei unterliegen, da dieses, unter anderem, auf die
beschäftigungsrechtliche Stellung von türkischen Arbeitnehmern in einem Mitgliedsstaat
bzw. auf Familiennachzug abzielt. Eine Voraussetzung hierzu wäre jedoch auch ein
rechtmäßiger Aufenthalt, welcher in Ihrem Fall nicht mehr gegeben ist.
Betreffend die Feststellungen zu Ihrem Aufenthalt in Österreich:
Durch eine Kontrolle der Polizei auf der A10, Parkplatz Glanegg, am 15.05.2024 wurde
bekannt, dass Sie den erlaubten Aufenthalt mit Ihrem niederländischen Visum „C“ von 90
Tagen in einem Zeitraum von 180 Tagen zwischen XXXX erheblich,
nämlich um 70 Tage, überschritten haben. Da Sie nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels
eines Mitgliedsstaates waren war Ihr Aufenthalt im Bundesgebiet bzw. den
Mitgliedsstaaten unrechtmäßig. Die Polizei hob vor Ort eine Sicherheitsleistung von EUR
500,00 ein und gewährte Ihnen die Weiterfahrt.
Als türkischer Staatsbürger unterliegen Sie mit einem gewöhnlichen türkischen Reisepass
der Visumspflicht.
Die Durchführung der fahndungstechnischen Abfragemöglichkeiten ergab, dass Sie bis
dato in Österreich weder gemeldet waren noch einer Beschäftigung nachgingen. Sie
benutzen Österreich als Transitland. Sie erfüllen die Voraussetzungen des Art. 6 SGKX
nicht. Sie haben gegen das Fremdenpolizeigesetz verstoßen.
Aktuell sind Sie laut VIS-Auszug nicht m Besitz eines Visums eines Mitgliedsstaates.
Dazwischen waren Sie im Besitz von einem niederländischen Visum „C“, gültig vom
XXXX
Betreffend die Feststellungen zu Ihrem Privat- und Familienleben:
Die Feststellungen zu Ihrem Privat- und Familienleben ergeben sich aufgrund des
vorliegenden Akteninhaltes. Da Sie bis dato keine Stellungahme abgegeben haben, geht
die Behörde davon aus, dass Sie keine Familienangehörigen im Bundesgebiet bzw. den
Mitgliedsstaaten haben, zu welchen ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis besteht.
Es ist davon auszugehen, dass Sie in der Türkei sozialisiert wurden. Ein schützenswertes
Familienleben im Bundesgebiet oder den Mitgliedsstaaten liegt aus Sicht des
Bundesamtes nicht vor.
Dennoch stellt, ein in Verbindung mit einer Rückkehrentscheidung zeitgleich
einhergehendes Einreiseverbot einen, wenngleich ob des vorliegenden Sachverhaltes, als
minder zu bezeichnendem Eingriff in Ihr Privatleben dar.
Betreffend die Feststellungen zur Lage in Ihrem Herkunftsstaat / im Zielstaat:
Die Feststellungen zur Lage in Ihrem Herkunftsland ergeben sich aus dem
Länderinformationsblatt. Das Länderinformationsblatt (LIB) der Staatendokumentation ist
ein bescheidtaugliches COI-Dokument, das beruhend auf den Bedürfnissen in Verfahren
des Asyl- und Fremdenwesens (RD, EASt, ASt, BVwG) mittels Recherche von vorhandenen,
vertrauenswürdigen und vorrangig öffentlichen Informationen gemäß den Standards der
Staatendokumentation erstellt wird.
Sie gaben keine Stellungnahme ab.
Persönliche Gründe, die gegen Ihre Rückkehr in die Türkei sprechen, sind der ho. Behörde
nicht bekannt und wurden von Ihnen auch nicht bekanntgegeben. Eine staatliche
Verfolgung in der Türkei kann ausgeschlossen werden. Sie sind mit Sicherheit bereits
wieder in die Türkei zurückgekehrt. Ihnen wurde am XXXX in der Türkei ein Visum
„C“ der Niederlande erteilt.
Betreffend die Feststellungen zu den Gründen für die Erlassung des Einreiseverbotes:
Am 17.09.2024 wurde dem Bundesamt eine, mit 24.05.2024 datierte und mit 25.06.2024
rechtskräftige, Strafverfügung über EUR 500,00 der LPD Salzburg übermittelt. Nach Abzug
der einbehaltenen Sicherheitsleistung ergibt sich eine offene Forderung in Höhe von EUR
0,00. Als Grund wurde die Feststellung des unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet
nach dem Fremdenpolizeigesetz angeführt.
Sie haben sich mit Ihrem niederländischen Visum „C“, welches vom XXXX
XXXX gültig war und zum Aufenthalt für 90 Tagen in einem Zeitraum von 180 Tagen
berechtigte, nach Kontrolle der Ein- und Ausreisestempel durch die Polizei, erheblich,
nämlich um 70 Tage, zu lange im Gebiet der Mitgliedsstaaten aufgehalten. Es ist davon
auszugehen, dass ohne den Aufgriff durch die Polizei, Sie weiterhin im Gebiet der
Mitgliedsstaaten verharrt hätten.
Sie haben sich als Fremder am 15.05.2024, um 00:45 Uhr, in 5082 Glanegg, A10, Parkplatz,
nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten, da Sie keine der in § 31 Abs. 1 FPG
normierten Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt erfüllt haben: Sie waren
nicht rechtmäßig eingereist. Sie waren nicht auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung
oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und
Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer
Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt; Sie waren nicht Inhaber eines
gültigen von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels bis zu drei Monaten;
Ihnen kam kein Aufenthaltsrecht nach dem AsylG zu. Sie haben sich nicht bis zur
Entscheidung über einen Verlängerungsantrag im Bundesgebiet aufgehalten; Sie waren
nicht Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels für unternehmensintern transferierte
Arbeitnehmer gemäß ICT-Richtlinie eines anderen Mitgliedsstaates, der das SDÜ nicht
vollständig anwendet; Sie waren nicht gemäß der Forscher und Studenten-Richtlinie
Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels „Forscher“ eines anderen Mitgliedsstaates und
haben eine Tätigkeit für eine Forschungseinrichtung ausgeübt, die gemäß § 1 Abs. 2 lit h
AuslBG vom sachlichen Anwendungsbereich des AuslBG ausgenommen ist, oder waren als
deren Familienangehöriger Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels eines anderen
Mitgliedsstaates; Sie waren nicht gemäß der Forscher und Studentenrichtlinie Inhaber
eines gültigen Aufenthaltstitels „Student“ eines anderen Mitgliedsstaates und haben an
einem Unions- oder multilateralen Programm mit Mobilitätsmaßnahmen teilgenommen
oder bestand für Sie eine Vereinbarung zwischen zwei oder mehreren
Hochschuleinrichtungen; Sie waren nicht gemäß der Blaue-Karte-EU-Richtlinie Inhaber
eines gültigen Aufenthaltstitels „Blaue Karte EU“ eines anderen Mitgliedsstaates und
haben nicht eine geschäftliche Tätigkeit gem. § 12c Abs.3 AuslBG ausgeübt, solange ihr
Aufenthalt im Bundesgebiet in den vergangenen 180 Tagen nicht insgesamt die Dauer von
90 Tagen überschritten hat; Sie waren nicht gemäß der Blaue-Karte-EU-Richtlinie Inhaber
eines gültigen Aufenthaltstitels „Blaue Karte EU“ eines anderen Mitgliedsstaates oder als
deren Familienangehörige Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels eines anderen
Mitgliedsstaates, jeweils für die Dauer von bis zu einem Monat ab Ihrer Einreise in das
Bundesgebiet zur Beantragung eines Aufenthaltstitels gemäß § 50a Abs. 1 oder 3 NAG,
und ergab sich Ihr rechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet nicht aus anderen
bundesgesetzlichen Vorschriften.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt: § 120 Abs. 1a FPG iVm. §§ 31 Abs.
1 und 1a FPG.
Damit steht fest, dass Sie sich unrechtmäßig im Bundesgebiet bzw. im Gebiet der
Mitgliedsstaaten aufgehalten haben. Da es sich um eine erhebliche Überschreitung des
legalen Aufenthaltes handelt und das Bundesamt davon ausgehen muss, dass Ihnen dieser
Umstand bewusst war, ist auch von einer vorsätzlichen Übertretung des
Fremdenpolizeigesetzes auszugehen.
Das Bundesamt geht davon aus, dass Sie über die gesetzlichen Grundlagen zur Einreise für
türkische Staatsbürger in das Gebiet der Mitgliedsstaaten vertraut sind. Deshalb mussten
Sie sich über Ihren unsicheren Aufenthaltsstatus im Klaren gewesen sein, sowie dass jede
strafbare Handlung bzw. der unrechtmäßige Aufenthalt zur Erlassung einer
aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Erlassung eines schengenweiten
Einreiseverbotes führen kann, zumal Sie weder sozial, familiär oder beruflich integriert
sind.
Ihr Verhalten zeigt eindeutig, dass Sie mit einer gewissen kriminellen Energie ausgestattet
sind. Auch haben Sie sich als weder vertrauens- noch glaubwürdig erwiesen. Ihr
Unrechtsbewusstsein, insbesondere in Bezug auf die Einhaltung der für die Einreise und
den Aufenthalt maßgeblichen Gesetze, nicht sonderlich ausgeprägt ist.
Es bestehen keinerlei schützenswerte familiäre Bindungen zu Österreich oder zu einem
Mitgliedsstaat. Ihr Aufenthalt stellt somit eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche
Ordnung und Sicherheit im Bundesgebiet dar. (…)“
Im angefochtenen Bescheid traf die Behörde nachfolgende Entscheidung:
„Gemäß § 10 Absatz 2 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 1 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen.
II. Es wird gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass Ihre Abschiebung gemäß §
46 FPG in die TÜRKEI zulässig ist.
III. Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 2 Ziffer 3 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr.
100/2005 (FPG) idgF, wird gegen Sie ein auf die Dauer von 1 Jahr/Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.
IV. Gemäß § 55 Absatz 4 FPG wird eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt.
V. Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wird gemäß § 18 Absatz 2 Ziffer 1 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. Nr. 87/2012, (BFA-VG) idgF, die aufschiebende Wirkung aberkannt.“
Dagegen wurde Beschwerde eingebracht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt)
Oa. Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.
2. Beweiswürdigung
Hinsichtlich der Beweiswürdigung wird auf die Ausführungen des Bundesamtes verwiesen. Auf Basis der vom Bundesamt übermittelten Aktenlage ergibt sich insbesondere, dass die Behörde davon ausgeht, dass die bP schon zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung nicht mehr im Bundesgebiet war. Es ergeben sich auch keine Hinweise, dass sie zum Gegenwärtigen Zeitpunkt im Bundesgebiet verweilt.
3. Rechtliche Beurteilung
Ad A)
§ 52 FPG
(1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich
1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder
2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.
(…)
Daraus folgt:
Das Bundesamt hat gegen den Fremden gem. § 52 Abs 1 Z1 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen, weil sich die bP „nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält“. Aus der Entscheidung bzw. den Feststellungen geht jedoch hervor, dass die Behörde zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung davon ausging, dass der Fremde bereits zuvor zu unbekanntem Zeitpunkt wieder das Bundesgebiet verlassen und in die Türkei zurückgekehrt ist. Es ergeben sich auch keine Hinweise darauf, dass die bP sich aktuell wieder im Bundesgebiet „aufhält“.
Da der Fremde somit schon zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesamtes nicht mehr in Österreich aufhältig war, was die Behörde auch selbst feststellte, lagen bzw. liegen die Voraussetzungen des § 52 Abs 1 Z 1 FPG somit nicht vor, weshalb die Rückkehrentscheidung und die damit in Verbindung stehenden bzw. eine Rückkehrentscheidung bedingenden, nachfolgenden Spruchpunkte ersatzlos behoben werden.
Anzumerken ist, dass sich aus der Aktenlage auch nicht konkret das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 2 leg cit ergibt, da nicht ersichtlich ist, dass die belangte Behörde „binnen sechs Wochen ab Ausreise“ das Rückkehrentscheidungsverfahren eingeleitet hat. Die Behörde trifft keine Feststellung wann die bP tatsächlich Österreich verlassen hat. Der Aktenlage nach wurde die bP am 15.05.2024 von Organen des öff. Sicherheitsdienstes betreten und führt die Behörde im Bescheid an, dass sie am 21.05.2024 ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eröffnet habe. Weder aus dem Bescheid noch der Aktenlage kann aber entnommen werden, welche Verfahrenshandlungen die Behörde tätigte um davon sprechen zu können, dass tatsächlich binnen 6 Wochen ab (unbekanntem) Ausreisezeitpunkt ein Rückkehrentscheidungsverfahren eingeleitet worden wäre. Vielmehr ist als erste Verfahrenshandlung des Bundesamtes „zur Erlassung eines Einreiseverbotes“ im Akt erst eine mit 02.10.2024 datierte „Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme“ ersichtlich. Dafür, dass diese Einleitung binnen 6 Wochen ab Ausreise stattgefunden hätte, gibt der Inhalt des Bescheides und Verwaltungsaktes nichts Konkretes her.
Absehen von einer mündlichen Beschwerdeverhandlung
Gem. § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG konnte eine Verhandlung entfallen, weil auf Grund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben sein wird.
Ad B)
Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.