Spruch
G314 2300372-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des spanischen Staatsangehörigen XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .2024, Zl. XXXX , betreffend die Erlassung einer Ausweisung zu Recht:
A) Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (BF) beantragte am XXXX .2024 bei der Niederlassungsbehörde die Ausstellung einer Anmeldebescheinigung als Arbeitnehmer.
Das - in der Folge gemäß § 55 Abs 3 NAG von der Niederlassungsbehörde befasste - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) informierte ihn mit Schreiben vom XXXX .2024 über die Einleitung eines Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und forderte ihn auf, sich innerhalb von 14 Tagen zur beabsichtigten Erlassung einer Ausweisung zu äußern und Fragen zu seinem Aufenthalt in Österreich sowie zu seinem Privat- und Familienleben zu beantworten. Der BF reagierte auf dieses Schreiben zunächst nicht.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde er daraufhin gemäß § 66 Abs 1 FPG iVm § 55 Abs 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde ihm gemäß § 70 Abs 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt (Spruchpunkt II.). Die Ausweisung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass er nicht nachgewiesen habe, dass sein Lebensunterhalt gesichert sei und eine umfassende Krankenversicherung bestünde. Maßgeblichen private oder familiäre Kontakte im Bundesgebiet seien nicht ersichtlich.
Dieser Bescheid wurde dem BF am XXXX zugestellt.
Mit E-Mail vom XXXX erstattete er eine (verspätete) Stellungnahme zum Schreiben des BFA vom XXXX , mit der er diverse (teils fremdsprachige) Unterlagen übermittelte.
Mit E-Mail vom XXXX erhob er eine Beschwerde gegen den Bescheid vom 23.08.2024, mit der er (neben der Durchführung einer Beschwerdeverhandlung) beantragt, diesen ersatzlos zu beheben. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag. Er begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass er in Österreich geringfügig beschäftigt und krankenversichert sei, außerdem arbeite er an einem wissenschaftlichen Werk. Er habe ausreichende Existenzmittel aus seinen Ersparnissen und einer Erbschaft, sodass er keine Sozialhilfeleistungen beziehe. Das BFA habe ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt, weil er nicht persönlich einvernommen worden sei, und die Manuduktionspflicht gemäß § 13a AVG verletzt, weil es den (rechtsunkundigen) BF hätte anleiten müssen, alle relevanten Angaben zu machen. Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen seien mangelhaft, ebenso die Beweiswürdigung. Der BF erfülle die Voraussetzungen für ein (drei Monate übersteigendes) unionsrechtliches Aufenthaltsrecht, von ihm gehe auch keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit aus, sodass eine Ausweisung bei richtiger rechtlicher Beurteilung unzulässig sei. Gleichzeitig mit der Beschwerde legte der BF verschiedene, teils fremdsprachige, Unterlagen vor.
Das BFA legte die Beschwerde samt den Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor und beantragte, sie als unbegründet abzuweisen.
Das BVwG forderte den BF auf, eine deutsche Übersetzung der fremdsprachigen Urkunden vorzulegen. In seiner Stellungnahme vom XXXX vertrat er, das BVwG sei zur Übersetzung der Urkunden verpflichtet. Gleichzeitig legte er einen Dienstvertrag über seine vollversicherte Erwerbstätigkeit ab XXXX vor.
Feststellungen:
Der am XXXX in der venezolanischen Stadt XXXX geborene BF ist Staatsangehöriger von Spanien; er beherrscht die spanische, aber auch die deutsche Sprache. Nach dem Besuch der Deutschen Schule XXXX studierte er an Universitäten in Deutschland und in Spanien. In seinem Herkunftsstaat war er vor der Einreise in das Bundesgebiet sowohl unselbständig als auch selbständig erwerbstätig, z.B. als Umweltberater und Spezialist für Abfallwirtschaft und Kompostierung, und zuletzt in XXXX wohnhaft.
Der BF ist ledig und kinderlos, er ist gesund und arbeitsfähig.
Im XXXX reiste er in das Bundesgebiet ein. Seit XXXX ist er in XXXX , wo er ein Zimmer bei einer befreundeten Familie bewohnt. mit Hauptwohnsitz gemeldet. Er hat in Österreich keine Familienangehörigen, aber einen Freundes- und Bekanntenkreis. Er hat drei Geschwister, die nach wie vor in Spanien leben und mit denen er in regelmäßigem Kontakt steht, und kehrt auch immer wieder besuchsweise in seinen Herkunftsstaat zurück.
Der BF ist in Österreich seit XXXX geringfügig beschäftigt; davor war er im Inland nicht erwerbstätig. Im Zeitraum XXXX bis XXXX bestand zusätzlich ein vollversichertes Beschäftigungsverhältnis im Ausmaß von 25 Wochenstunden bei einem anderen Arbeitgeber. Im Zeitraum XXXX bis XXXX und wieder seit XXXX besteht eine Selbstversicherung gemäß § 19a ASVG bei der Österreichischen Gesundheitskasse. Neben Einkünften aus seiner unselbständigen Arbeit kommt der BF mit Hilfe von Einnahmen aus der Vermietung von Immobilien auf den Kanarischen Inseln für seinen Lebensunterhalt auf. Er hat in Österreich nie Sozialhilfe bezogen und dies auch nicht beantragt.
Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten; es sind ihm auch keine Verstöße gegen die öffentliche Ordnung anzulasten. Am XXXX beantragte er bei der Niederlassungsbehörde die Ausstellung einer Anmeldebescheinigung als Arbeitnehmer; über diesen Antrag wurde noch nicht entschieden.
Der BF ist in Österreich weder in einem Verein noch ehrenamtlich engagiert und hat auch sonst keine konkreten weiteren Integrationsbemühungen gesetzt.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und der Gerichtsakten des BVwG.
Die Feststellungen basieren ebenfalls auf dem Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens, insbesondere auf den Angaben des BF in seiner Stellungnahme und der Beschwerde, auf den von ihm vorgelegten Urkunden, seinen Sozialversicherungsdaten sowie auf Informationen aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR) und dem Strafregister.
Name und Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit und Geburtsort des BF gehen aus seinem Personalausweis hervor, der dem BVwG in Kopie vorliegt.
Spanischkenntnisse des BF sind angesichts seiner Herkunft plausibel. Aufgrund des von ihm glaubhaft angegebenen Besuchs einer deutschsprachigen Schule und des Studiums an einer deutschen Universität ist auch von entsprechenden Deutschkenntnissen auszugehen. Seine Erwerbstätigkeit in Spanien wird anhand seiner diesbezüglichen Angaben festgestellt, sein letzter Wohnsitz dort ist (damit übereinstimmend) auch in seinem Personalausweis ersichtlich. Die Feststellungen zu seiner familiären und gesundheitlichen Situation basieren ebenfalls auf seinen (grundsätzlich plausiblen) Angaben dazu.
Die Wohnsitzmeldung des BF in Österreich geht aus dem ZMR hervor. Sein Inlandsaufenthalt wird aus seiner Stellungnahme an das BFA abgeleitet, ebenso die Feststellungen zu seinen privaten und familiären Anknüpfungen in Österreich und in Spanien.
Die Beschäftigungsverhältnisse des BF im Inland ergeben sich aus den vorgelegten Dienstverträgen und den Sozialversicherungsdaten, aus denen auch die Krankenversicherung hervorgeht. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass er in Österreich je Sozialhilfe bezogen oder auch nur beantragt hat, ebensowenig für maßgebliche Verstöße gegen die öffentliche Ordnung. Die vom BF angegebenen Einnahmen aus Immobilienvermietung in Spanien sind aufgrund der von ihm dazu vorgelegten Urkunden nachvollziehbar.
Der Antrag auf Ausstellung einer Anmeldebescheinigung ist im IZR dokumentiert und ergibt sich auch aus dem aktenkundigen Schreiben der Niederlassungsbehörde an das BFA. Eine Entscheidung darüber liegt demnach noch nicht vor, was auch aufgrund des anhängigen Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme naheliegt.
Die Feststellung der strafrechtlichen Unbescholtenheit des BF beruht auf dem Strafregister, in dem keine Verurteilungen aufscheinen. Es gibt keine Beweisergebnisse für über die Feststellungen hinausgehende Anknüpfungen des BF im Inland oder für weitere konkrete Integrationsbemühungen.
Rechtliche Beurteilung:
Als Staatsangehöriger von Spanien ist der BF Fremder iSd § 2 Abs 4 Z 1 FPG und EWR-Bürger iSd § 2 Abs 4 Z 8 FPG. Gemäß § 66 Abs 1 FPG kann er daher ausgewiesen werden, wenn ihm aus den Gründen des § 55 Abs 3 NAG - unter anderem wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen nach § 51 NAG - das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, er ist zur Arbeitssuche eingereist und kann nachweisen, dass er weiterhin Arbeit sucht und begründete Aussicht hat, eingestellt zu werden.
Gemäß § 51 Abs 1 NAG sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate insbesondere dann berechtigt, wenn sie in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind (Z 1) oder wenn sie für sich (und - so vorhanden - ihre Familienangehörigen) über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, sodass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen (Z 2).
Der BF hält sich einerseits als Arbeitnehmer iSd § 51 Abs 1 Z 1 NAG in Österreich auf, zumal ihm auch eine geringfügige unselbständige Beschäftigung ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht vermittelt, wenn es sich nicht um eine völlig untergeordnete und unwesentliche Tätigkeit handelt (siehe VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0130). Andererseits erfüllt er auch die Voraussetzungen des § 51 Abs 1 Z 2 NAG, zumal er aufgrund der Selbstversicherung über einen entsprechenden Krankenversicherungsschutz sowie über ausreichende Existenzmittel (einerseits aus seiner Erwerbstätigkeit und andererseits aus der Vermietung von Immobilien in seinem Herkunftsstaat) verfügt und im Inland keine Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen muss.
Daher kommt ihm im Zeitpunkt dieser Entscheidung ein drei Monate übersteigendes unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Österreich zu. Da von ihm keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausgeht, ist die Erlassung einer Ausweisung nicht rechtskonform.
Der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids ist daher Folge zu geben und dieser Spruchpunkt ersatzlos zu beheben. Dies bedingt auch den ersatzlosen Entfall des darauf aufbauenden Spruchpunkts II. des angefochtenen Bescheids.
Die Revision ist wegen der Einzelfallbezogenheit dieser Entscheidung, die keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG begründet, nicht zuzulassen.