JudikaturBVwG

W165 2279439-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
28. März 2025

Spruch

W165 2279439-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ilse LESNIAK über die Beschwerde von XXXX XXXX geb. XXXX StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (BBU GmbH), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.10.2023, ZI. 13694655800-231854452, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3 erster Satz BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idgF stattgegeben, das Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz wird zugelassen und der bekämpfte Bescheid wird behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger Syriens, reiste irregulär in das Bundesgebiet ein und stellte am 16.09.2023 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Zuvor hatte der BF am 28.08.2023 in Bulgarien einen Asylantrag gestellt (EURODAC-Treffermeldung der Kategorie „1“ zu Bulgarien vom 28.08.2023).

Am 16.09.2023 fand eine polizeiliche Erstbefragung statt.

Am 18.09.2023 richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: Dublin III-VO), gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Bulgarien. Dies unter Hinweis auf den in Bulgarien am 28.08.2023 gestellten Asylantrag.

Mit per Mail übermittelten Schreiben an das BFA vom 21.09.2023 stimmte Bulgarien der Wiederaufnahme des BF auf der Grundlage des Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO zu.

Am 02.10.2023 fand eine Einvernahme des BF vor dem BFA statt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Bulgarien gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO zur Prüfung des Antrages zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den BF gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG dessen Abschiebung nach Bulgarien zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Gegen den Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

Mit Schreiben vom 17.11.2023 setzte das BFA die bulgarische Dublin-Behörde in Kenntnis, dass die Überstellung des BF aufgrund dessen Untertauchens zu verschieben und die Überstellungsfrist gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO auf 18 Monate zu verlängern sei.

Innerhalb offener Überstellungsfrist wurde der BF nicht nach Bulgarien überstellt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Festgestellt wird zunächst der unter Pkt. I. dargelegte Verfahrensgang.

Ungeachtet der grundsätzlich vorliegenden Zuständigkeit Bulgariens zur Führung des Asylverfahrens des BF erfolgte dessen Überstellung nicht innerhalb der aufgrund des Untertauchens des BF gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO fristgerecht auf 18 Monate verlängerten Frist, konkret bis zum Ablauf des 21.03.2025.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus dem Akt des BFA, insbesondere dem mit Bulgarien geführten Konsultationsverfahren, sowie aus Abfragen des Zentralen Melderegisters (ZMR) und des Informationsverbundsystems Zentrales Fremdenregister (IZR). Überdies teilte das BFA mit Schreiben vom 27.03.2025 mit, dass die Überstellungsfrist am 21.03.2025 abgelaufen sei.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgebung der Beschwerde:

Die maßgeblichen Bestimmungen des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) idgF lauten:

§ 21 (3) Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) lauten:

Art. 29 Modalitäten und Fristen

(1) Die Überstellung des Antragstellers oder einer anderen Person im Sinne von Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe c oder d aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats nach Abstimmung der beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme — oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Artikel 27 Absatz 3 aufschiebende Wirkung hat.

(2) Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, ist der zuständige Mitgliedstaat nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person verpflichtet und die Zuständigkeit geht auf den ersuchenden Mitgliedstaat über. Diese Frist kann höchstens auf ein Jahr verlängert werden, wenn die Überstellung aufgrund der Inhaftierung der betreffenden Person nicht erfolgen konnte, oder höchstens auf achtzehn Monate, wenn die betreffende Person flüchtig ist.“

Art. 42 Berechnung der Fristen

Die in dieser Verordnung vorgesehenen Fristen werden wie folgt berechnet:

a) Ist für den Anfang einer nach Tagen, Wochen oder Monaten bemessenen Frist der Zeitpunkt maßgebend, zu dem ein Ereignis eintritt oder eine Handlung vorgenommen wird, so wird bei Berechnung dieser Frist der Tag, auf den das Ereignis oder die Handlung fällt, nicht mitgerechnet.

b) Eine nach Wochen oder Monaten bemessene Frist endet mit Ablauf des Tages, der in der letzten Woche oder im letzten Monat dieselbe Bezeichnung oder dieselbe Zahl wie der Tag trägt, an dem das Ereignis eingetreten oder die Handlung vorgenommen worden ist, von denen an die Frist zu berechnen ist. Fehlt bei einer nach Monaten bemessenen Frist im letzten Monat der für ihren Ablauf maßgebende Tag, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.

c) Eine Frist umfasst die Samstage, die Sonntage und alle gesetzlichen Feiertage in jedem der betroffenen Mitgliedstaaten.

Aufgrund des Wiederaufnahmegesuches Österreichs an Bulgarien vom 18.09.2023 und der eingetretenen Zuständigkeit Bulgariens aufgrund Zustimmung zur Wiederaufnahme des BF am 21.09.2023 ist zwar grundsätzlich zunächst die Zuständigkeit Bulgariens zur Führung des Asylverfahrens des BF eingetreten. Die infolge des Untertauchens des BF gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO erfolgte Verlängerung der Überstellungsfrist auf 18 Monate endete jedoch mit Ablauf des 21.03.2025, ohne dass der BF innerhalb offener Frist nach Bulgarien überstellt worden wäre.

Die Verfristungsbestimmungen der Dublin III-VO normieren einen Zuständigkeitsübergang auf den eine Überstellung während dieser Frist nicht durchführenden Mitgliedstaat. Ein Übergang der Zuständigkeit hat im gegenständlichen Verfahren somit stattgefunden und ist Österreich demnach nunmehr zur Führung des materiellen Verfahrens des BF zuständig. Dementsprechend war der gegenständliche, die Zuständigkeit Österreichs zurückweisende Bescheid zu beheben und das Verfahren zuzulassen.

Im gegebenen Zusammenhang bleibt anzumerken, dass die in Art 29 Abs. 1 und Abs. 2 Dublin III-VO normierte Frist zur Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat eine zwingende ist (siehe EuGH 25.10.2017, Rs C-201/16 Shiri), bei deren Nichteinhaltung die Zuständigkeit, ohne dass dies von der Reaktion des zuständigen Mitgliedstaates abhängig wäre, auf den ersuchenden Staat übergeht. Darauf kann sich auch ein Antragsteller berufen (VwGH 13.12.2017, Ra 2017/19/0081).

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG unterbleiben, zumal sämtliche verfahrenswesentliche Abklärungen, insbesondere die im gegenständlichen Verfahren relevante Frage des Vorliegens eines Fristablaufes, eindeutig aus dem vorliegenden Verwaltungsakt beantwortet werden konnten.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, da die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiter ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im Übrigen treffen Art. 29 Dublin III-VO und § 21 Abs. 3 BFA-VG klare eindeutige Regelungen (vgl. OGH 22.03.1992, 5Ob105/90), weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.