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W156 2301294-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
26. März 2025

Spruch

W156 2301294-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Alexandra KREBITZ über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg vom 19.09.2024, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.03.2025 zu Recht:

A) Die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der nunmehrige Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsangehöriger, reiste in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 18.07.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am nächsten Tag wurde er einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen und gab an, er habe Syrien verlassen, weil er von den syrischen Sicherheitskräften gesucht worden sei. Im Jahr 2013 habe die syrische Behörde das Auto seines Vaters angenommen und ihn geschlagen. Danach sei die Behörde zu ihm gekommen und habe ihn mitnehmen wollen. Der Beschwerdeführer habe flüchten können, zwei Brüder von ihm seien getötet worden und einer festgenommen.

2. Am 14.05.2024 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge: belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen. Befragt zu seinen Fluchtgründen gab er an, dass sie 2013 angegriffen worden seien und das Auto seines Vaters beschlagnahmt worden sei. Der Beschwerdeführer sei mit seiner Ehefrau und seinen Schwestern geflüchtet, seine Brüder seien festgenommen worden und ein paar Tage später tot aufgefunden worden, obwohl sie nichts gemacht hätten. Der Beschwerdeführer habe auch für Hilfsorganisationen an der Grenze zu Israel gearbeitet, weshalb er als Verräter bezeichnet und beschuldigt worden sei, mit Israel zusammenzuarbeiten.

3. Mit Bescheid vom 19.09.2024, Zl. XXXX , zugestellt am 24.09.2024, wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz vom 18.07.2023 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten (gemeint wohl in Bezug auf den Herkunftsstaat Syrien) zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).

4. Der Beschwerdeführer brachte gegen Spruchpunkt I. des Bescheides eine Beschwerde ein, welche am 14.10.2024 bei der belangten Behörde einlangte.

5. Die belangte Behörde legte den Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 17.10.2024 zur Entscheidung vor.

6. Am 13.03.2025 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht ein, welche einen Kartenausschnitt der Herkunftsorte des Beschwerdeführers enthielt und in welcher ausgeführt wurde, dass die Fluchtgründe des Beschwerdeführers aufgrund der Änderung der Machverhältnisse stärker zu Tage getreten seien. Insbesondere wurde auf die schlechte Sicherheitslage aufgrund der israelischen Angriffe in Syrien verwiesen.

7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 18.03.2025 eine Beschwerdeverhandlung im Beisein des Beschwerdeführers, seiner Rechtsvertreterin und eines Dolmetschers der Sprache Arabisch durch. Ein Vertreter der belangten Behörde nahm an der Verhandlung nicht teil.

Beigeschafft wurden folgende Berichte zur Situation in Syrien:

- COI-CMS Country of Origin Information – Content Management System, Version 11 vom 27.03.2024

- UNHCR Position on Returns to the Syrian Arabic Republic, Dezember 2024

- UNHCR - Regional Flash Updates Syria situation crisis

- UNHCR’s Financial Requirements, Voluntary Return of Syrian Refugees and IDPs, January - December 2025

- UNHCR Operational Framework, Voluntary Return of Syrian Refugees and IDPs, 2025

- EUAA Country Guidance 17.04.2024

- Kurzinformation der Staatendokumentation SYRIEN Sicherheitslage, Dezember 2024

- BAMF - Briefing Notes Gruppe 62 – Informationszentrum Asyl und Migration vom 03. Februar 2025, Syrien

- Ecoi.netSyrien, Arabische Republik - Informationssammlung zu Entwicklungen rund um den Sturz von Präsident Assad

- Kurzinformation der Staatendokumentation SYRIEN Sicherheitslage Dezember 2024: HTS nimmt Städte in Nordsyrien ein, vom 03.12.2024.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer führt den im Spruch genannten Namen und wurde am XXXX in Damaskus geboren. Er ist syrischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und sunnitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Arabisch.

Der Beschwerdeführer wuchs zunächst in XXXX , Gouvernement Rif Dimashq, südlich von Damaskus auf und besuchte dort etwa sieben Jahre lang die Schule. Danach zog die Familie nach XXXX , Gouvernement Quneitra, um und besuchte der Beschwerdeführer dort noch zwei Jahre lang die Schule. Nach Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs lebte der Beschwerdeführer zunächst in der Umgebung von XXXX und zwischen 2013 und 2016 an verschiedenen Orten. Im Jahr 2016 kehrte er nach XXXX zurück und pendelte etwa ab 2017 zwischen verschiedenen Orten in Quneitra und Daraa und reiste im Jahr 2021 schließlich in die Türkei aus.

Nach der Schule arbeitete der Beschwerdeführer als Maler, er war auch als Viehhändler und Gelegenheitsarbeiter tätig und arbeitete beim Verteilen von Hilfsgütern. Aufgrund des Bürgerkrieges hatte der Beschwerdeführer nicht immer Arbeit, zur Finanzierung des Lebensunterhaltes war er teilweise auf Hilfe angewiesen. Von 2003 bis 2005 leistete der Beschwerdeführer seinen Grundwehrdienst für das syrische Militär.

Der Beschwerdeführer ist seit 2007 mit XXXX , geb. XXXX , verheiratet. Das Ehepaar hat zwei Töchter und fünf Söhne. Diese leben in Syrien, abwechselnd in XXXX und Quneitra. Eine Schwester des Beschwerdeführers lebt in XXXX und eine in XXXX . Der Bruder des Beschwerdeführers lebt in der Türkei. Zwei Brüder sind bereits verstorben. Die Mutter des Beschwerdeführers ist ebenso bereits verstorben. Sein Vater lebt mit seiner zweiten Ehefrau in XXXX .

Im Jahr 2016 wurde der Beschwerdeführer bei einem Bombardement verletzt und daraufhin in Israel medizinisch behandelt. Es befindet sich weiterhin ein Splitter im Schädel des Beschwerdeführers und ist er deshalb durch Kopfschmerzen, Schwindelattacken sowie Taubheitsgefühle auf der rechten Seite eingeschränkt. Er nimmt Beruhigungstabletten und Schmerzmittel.

Der Beschwerdeführer besucht in Österreich einen Deutschkurs und ist beim Arbeitsmarktservice arbeitssuchend gemeldet. Er hat mehrere Tage ehrenamtlich gearbeitet.

Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.

Er beantragte nach seiner Einreise nach Österreich am 18.07.2023 die Zuerkennung von internationalen Schutz. Mit Bescheid des BFA vom 19.09.2024 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Syrien zuerkannt.

Seit der militärischen Großoffensive der dschihadistischen Gruppe Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) und dem Sturz des Assad-Regimes befindet sich ein Großteil des syrischen Staatsgebiets, abgesehen vom Nordosten des Landes, unter deren Kontrolle, so auch das Gouvernement Rif Dimashq. Zwischen den von Israel besetzten Golanhöhen und der Stadt Quneitra befindet sich eine entmilitarisierte Pufferzone. Nach dem Sturz des Assad-Regimes rückte das israelische Militär in die Pufferzone, so auch nach XXXX vor.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

1.2.1. Der Beschwerdeführer ist in Syrien nicht der Gefahr von physischer und/oder psychischer Gewalt durch die HTS als Nachfolgeorganisation der al-Nusra-Front aufgrund der Unterstellung, Spion für Israel zu sein, ausgesetzt.

1.2.2. Schließlich ist der Beschwerdeführer auch keiner Bedrohung in Zusammenhang mit den Festnahmen und Tod seiner Brüder ausgesetzt.

1.2.3. Aufgrund des Sturzes des Assad-Regimes ist der Beschwerdeführer zum Entscheidungszeitpunkt keiner Bedrohung durch das ehemalige Regime ausgesetzt.

1.2.4. Aktuell ist der Beschwerdeführer ist in Syrien keiner Gefahr einer konkret gegen ihn gerichteten physischen und/oder psychischen Gewalt ausgesetzt.

1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers

Die Länderfeststellungen zur Lage in Syrien basieren auf nachstehenden Quellen:

- Länderinformation der Staatendokumentation Syrien vom 27.03.2024, Version 11 (LIB),

- Kurzinformation der Staatendokumentation: SYRIEN vom 10.12.2024 (KI),

- UNHCR Regional Flash Update #13 Syria situation crisis vom 07.02.2025 (UNHCR #13),

- ACCORD Informationssammlung zu Entwicklungen rund um den Sturz von Präsident Assad (ACCORD).

1.3.1. Politische Lage

Nach monatelanger Vorbereitung und Training starteten islamistische Regierungsgegner unter der Führung der Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) die Operation „Abschreckung der Aggression“ und setzten der Regierung von Präsident Bashar al-Assad innerhalb von 11 Tagen ein Ende (KI S. 1).

Am 30.11.2024 nahmen die Oppositionskämpfer Aleppo ein, am frühen Morgen des 8.12.2024 verkündeten Medienkanäle der HTS, dass sie in die Hauptstadt eingedrungen sind und schließlich, dass sie die Hauptstadt vollständig unter ihre Kontrolle gebracht haben. Die Einnahme Damaskus’ ist ohne Gegenwehr erfolgt, die Regierungstruppen hatten Stellungen aufgegeben, darunter den Flughafen. Das Armeekommando hatte die Soldaten außer Dienst gestellt. Russland verkündete den Rücktritt und die Flucht von al-Assad (KI S. 2 f.).

Kurdisch geführte Kämpfer übernahmen am 6.12.2024 die Kontrolle über Deir ez-Zour im Nordosten Syriens, nachdem vom Iran unterstützte Milizen dort abgezogen waren, sowie über einen wichtigen Grenzübergang zum Irak. Sie wurden von den USA bei ihrem Vorgehen unterstützt. Die von der Türkei unterstützten Rebellengruppierungen unter dem Namen Syrian National Army (SNA) im Norden Syriens starteten eine eigene Operation gegen die von den Kurden geführten Syrian Democratic Forces (SDF) im Norden von Aleppo. Im Zuge der Operation „Morgenröte der Freiheit“ nahmen diese Gruppierungen am 9.12.2024 die Stadt Manbij ein. Die Kampfhandlungen zwischen Einheiten der durch die Türkei unterstützten Syrian National Army (SNA) auf der einen Seite und den SDF auf der anderen Seite dauerten danach weiter an. Türkische Drohnen unterstützten dabei die Truppen am Boden durch Luftangriffe (KI S. 3).

Der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge sind seit Beginn der Offensive 910 Menschen ums Leben gekommen, darunter 138 Zivilisten. Beim Vormarsch auf Homs waren tausende Menschen Richtung Küste nach Westen geflohen. Bei der Offensive gegen Manbij wurden hingegen einige Zivilisten in Richtung Osten vertrieben (KI S. 6).

In Damaskus herrschte weit verbreitetes Chaos nach der Machtübernahme durch die Opposition. So wurde der Sturz von Assad mit schweren Schüssen gefeiert und Zivilisten stürmten einige staatliche Einrichtungen, wie die Zentralbank am Saba-Bahrat-Platz, das Verteidigungsministerium (Zivilschutz) in Mleiha und die Einwanderungs- und Passbehörde in der Nähe von Zabaltani, außerdem wurden in verschiedenen Straßen zerstörte und brennende Fahrzeuge gefunden. Anführer al-Joulani soll die Anweisung an die Oppositionskämpfer erlassen haben, keine öffentlichen Einrichtungen anzugreifen und erklärte, dass die öffentlichen Einrichtungen bis zur offiziellen Übergabe unter der Aufsicht von Ministerpräsident Mohammed al-Jalali aus der Assad-Regierung bleiben. Gefangene wurden aus Gefängnissen befreit, wie aus dem berüchtigten Sedanaya Gefängnis im Norden von Damaskus (KI S. 6).

Die Akteure

Syrische Arabische Armee (SAA)

Die Syrische Arabische Armee kämpfte gemeinsam mit den National Defense Forces, einer regierungsnahen, paramilitärischen Gruppierung. Unterstützt wurde die SAA von der Hisbollah, Iran und Russland. Die Einheiten der syrischen Regierungstruppen zogen sich beim Zusammenstoß mit den Oppositionskräften zurück, während diese weiter vorrückten. Viele Soldaten flohen oder desertierten. In Suweida im Süden Syriens sind die Soldaten der Syrischen Arabischen Armee massenweise desertiert. Am 7.12. flohen mehrere Tausend syrische Soldaten über die Grenze in den Irak. Präsident al-Assad erhöhte am 4.12. die Gehälter seiner Soldaten, nicht aber dasjenige von Personen, die ihren Pflichtwehrdienst ableisteten. Dieser Versuch, die Moral zu erhöhen, blieb erfolglos (KI S. 6).

Die Opposition forderte die Soldaten indes zur Desertion auf. Aktivisten der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte beobachteten, dass Hunderte Soldaten ihre Militäruniformen ausgezogen haben, nachdem sie entlassen wurden. Offiziere und Mitarbeiter des Regimes ließen ihre Militär- und Sicherheitsfahrzeuge in der Nähe des Republikanischen Palastes, des Büros des Premierministers und des Volkspalastes unverschlossen stehen, aus Angst von Rebellen am Steuer erwischt zu werden (KI S. 6 f.).

Obwohl Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) den plötzlichen Vormarsch auf Aleppo gestartet hat und treibende Kraft der Offensive war haben auch andere Rebellengruppierungen sich gegen die Regierung gewandt und sich am Aufstand beteiligt (KI S. 7).

Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS)

Die HTS wurde 2011 als Ableger der al-Qaida unter dem Namen Jabhat an-Nusra gegründet. Im Jahr 2017 brach die Gruppierung ihre Verbindung mit der Al-Qaida und formierte sich unter dem Namen Hay’at Tahrir ash-Sham neu, gemeinsam mit anderen Gruppierungen. Sie wird von der UN, den USA, der Europäischen Union und der Türkei als Terrororganisation eingestuft. Der Anführer der HTS, der bisher unter seinem Kampfnamen Abu Mohammed al-Joulani bekannt war, hat begonnen wieder seinen bürgerlichen Namen, Ahmad ash-Shara’a, zu verwenden. Er positioniert sich als Anführer im Post-Assad Syrien. Die HTS hat in den letzten Jahren versucht, sich als nationalistische Kraft und pragmatische Alternative zu al-Assad zu positionieren (KI S. 7).

Der Gruppierung werden Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Einem Terrorismusexperten zufolge gibt es bereits erste Videos von Personen aus dem HTS-Umfeld, die ein Kalifat aufbauen wollen (KI S. 7).

National Liberation Front (NFL)

Eine Reihe kleinerer Kampfgruppen, aus denen sich die NFL zusammensetzt, nahmen an der Operation „Abschreckung der Aggression“ teil, darunter die Jaish al-Nasr, das Sham Corps und die Freie Idlib-Armee. Die 2018 in Idlib gegründete NFL umfasst mehrere nordsyrische Fraktionen, von denen einige auch unter das Dach der Freien Syrischen Armee fallen (KI S. 7).

Ahrar al-Sham Movement

Die Ahrar al-Sham-Bewegung ist hauptsächlich in Aleppo und Idlib aktiv und wurde 2011 gegründet. Sie definiert sich selbst als „umfassende reformistische islamische Bewegung, die in die Islamische Front eingebunden und integriert ist“ (KI S. 8).

Jaish al-Izza: Jaish al-Izza

Übersetzt: „Die Armee des Stolzes“ ist Teil der Freien Syrischen Armee und konzentriert sich auf den Norden des Gouvernements Hama und einige Teile von Lattakia. Im Jahr 2019 erhielt die Gruppierung Unterstützung aus dem Westen, darunter auch Hochleistungswaffen (KI S. 8).

Nur Eddin Zinki-Bewegung (Zinki)

Diese Gruppierung entstand 2014 in Aleppo, versuchte 2017, sich mit der HTS zusammenzuschließen, was jedoch nicht funktionierte. Die beiden Gruppierungen kämpften 2018 gegeneinander, und „Zinki“ wurde Anfang 2019 von ihren Machtpositionen in der Provinz Aleppo vertrieben. Ein Jahr später verhandelte „Zinki“ mit der HTS, und ihre Kämpfer kehrten an die Front zurück, und seitdem ist die Gruppe unter den oppositionellen Kämpfern präsent (KI S. 8).

Milizen in Südsyrien: Gruppierungen aus südlichen Städten und Ortschaften, die sich in den letzten Jahren zurückhielten, aber nie ganz aufgaben und einst unter dem Banner der Freien Syrien Armeekämpften, beteiligten sich am Aufstand. In Suweida nahmen Milizen der syrischen Minderheit der Drusen Militärstützpunkte ein (KI S. 8).

Syrian Democratic Forces (SDF)

Die SDF ist eine gemischte Truppe aus arabischen und kurdischen Milizen sowie Stammesgruppen (KI S. 8). Die kurdische Volksschutzeinheit YPG ist die stärkste Miliz des Bündnisses und bildet die militärische Führung der SDF. Sie werden von den USA unterstützt. Im kurdisch kontrollierten Norden liegen die größten Ölreserven des Landes (KI S. 8).

Syrian National Army (SNA)

Diese werden von der Türkei unterstützt und operieren im Norden Syriens im Grenzgebiet zur Türkei. Der SNA werden mögliche Kriegsverbrechen, wie Geiselnahmen, Folter und Vergewaltigung vorgeworfen. Plünderungen und die Aneignung von Privatgrundstücken, insbesondere in den kurdischen Gebieten, sind ebenfalls dokumentiert (KI S. 8).

1.3.2. Aktuelle Lageentwicklung

Die neue Übergangsregierung und Ahmed Al-Sharaa (Führer der HTS)

Mohammed Al-Baschir, der bis zum Sturz Baschar Al-Assads die mit Hay'at Tahrir al-Sham (HTS) verbundenen Syrischen Heilsregierung im Nordwesten Syriens geleitet hatte, wurde am 10. Dezember 2024 als Interimspremierminister mit der Leitung der Übergangsregierung des Landes bis zum 1. März 2025 beauftragt. Die Minister der Syrischen Heilsregierung übernahmen vorerst die nationalen Ministerposten. Laut dem Congressional Research Service (CRS) seien einige RegierungsbeamtInnen und Staatsangestellte der ehemaligen Regierung weiterhin im Regierungsapparat beschäftigt. Am 21. Dezember ernannte die Übergangregierung Asaad Hassan Al-Schibani zum Außenminister und Murhaf Abu Qasra zum Verteidigungsminister. Beide seien Verbündete des HTS-Anführers Ahmed Al-Scharaa. Am 29. Dezember legte Al-Sharaa in einem Interview mit dem saudischen Fernsehsender Al-Arabiyya dar, dass es bis zu vier Jahren dauern könne, bis Wahlen stattfinden werden, da die verschiedenen Kräfte Syrien einen politischen Dialog führen und eine neue Verfassung schreiben müssten (ACCORD).

Al-Sharaa erklärte am 17. Dezember, dass alle Rebellenfraktionen aufgelöst und in die Reihen des Verteidigungsministeriums integriert würden. Am 29. Dezember sagte Al-Sharaa in einem Interview aus, dass das syrische Verteidigungsministerium plant auch die kurdischen Streitkräfte in seine Reihen aufzunehmen. Es gebe Gespräche mit den Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) zur Lösung der Probleme im Nordosten Syriens. Am 10. Jänner 2025 bestätigte der Kommandeur der SDF, Mazloum Abdi, dass sich seine Streitkräfte in ein umstrukturiertes syrisches Militär integrieren würden. AFP berichtete am 8. Jänner, dass laut einem Sprecher des Southern Operations Room, einer Koalition bewaffneter Gruppen aus der südlichen Provinz Daraa, die am 6. Dezember gebildet wurde, um beim Sturz Assads zu helfen, die Kämpfer Südsyriens nicht mit einer Auflösung ihrer Gruppen einverstanden seien. Sie könnten sich jedoch eine Integration in das Verteidigungsministerium in ihrer momentanen Form vorstellen (ACCORD).

Am 29. Dezember wurde eine Liste mit 49 Personen, die zu Kommandeuren der neuen syrischen Armee ernannt wurden, veröffentlicht. Unter den Namen seien einige Mitglieder der HTS, sowie ehemalige Armeeoffiziere, die zu Beginn des syrischen Bürgerkriegs desertierten. Laut Haid Haid, beratender Mitarbeiter beim britischen Think Tank Chatham Haus, wurden die sieben höchsten Ränge von HTS-Mitgliedern besetzt. Laut einem weiteren Experten seien auch mindestens sechs Nicht-Syrer unter den neuen Kommandeuren (ACCORD).

Die neue Führung hatte sich seit ihrer Machtübernahme verpflichtet, die Rechte der Minderheiten zu wahren. Anfang Jänner kündigte das Bildungsministerium der Übergangsregierung auf seiner Facebook-Seite einen neuen Lehrplan für alle Altersgruppen an, der eine stärker islamische Perspektive widerspiegelt und alle Bezüge zur Assad-Ära aus allen Fächern entfernt. Zu den vorgeschlagenen Änderungen gehörte unter anderem die Streichung der Evolutionstheorie und der Urknalltheorie aus dem naturwissenschaftlichen Unterricht. AktivistInnen zeigten sich besorgt über die Reformen (ACCORD).

Sicherheitslage

Israel hat Gebäude der Syrischen Sicherheitsbehörden und ein Forschungszentrum in Damaskus aus der Luft angegriffen, sowie militärische Einrichtungen in Südsyrien, und den Militärflughafen in Mezzeh. Israelische Streitkräfte marschierten außerdem in al-Quneitra ein und besetzten weitere Gebiete abseits der Golan-Höhen, sowie den Berg Hermon. Die israelische Militärpräsenz sei laut israelischem Außenminister nur temporär, um die Sicherheit Israels in der Umbruchphase sicherzustellen. Am 9.12.2024 wurden weitere Luftangriffe auf syrische Ziele durchgeführt. Einer Menschenrechtsorganisation zufolge fliegt Israel seine schwersten Angriffe in Syrien. Sie fokussieren auf Forschungszentren, Waffenlager, Marine-Schiffe, Flughäfen und Luftabwehr. Quellen aus Sicherheitskreisen berichten indes, dass Israelisches Militär bis 25km an Damaskus in Südsyrien einmarschiert wäre (KI S. 9).

Die israelische Luftwaffe und Marine führten zwischen 7. und 11. Dezember mehr als 350 Angriffe in Syrien durch und zerstörten dabei schätzungsweise 70 bis 80 Prozent der strategischen Militärgüter Syriens zwischen Damaskus und Latakia. Die israelischen Streitkräfte haben außerdem Bodentruppen aus den von Israel besetzten Golanhöhen nach Osten in eine entmilitarisierte Pufferzone in Syrien sowie, laut israelischen Angaben, auch knapp darüber hinaus verlegt. Laut arabischen Medien rückten israelische Streitkräfte bis in ländliche Gebiete der Provinz Damaskus vor. Dies wurde von israelischer Seite dementiert. In der Nacht vom 14. Zum 15. Dezember griff Israel Dutzenden Ziele in Syrien mit Luftangriffen an. Den Luftangriffen ging einer Erklärung des israelischen Verteidigungsministers voraus, wonach die israelischen Truppen auf dem in der vergangenen Woche eingenommenen Berg Hermon (Arabisch: Jabel Sheikh) den Winter über verbleiben würden. Israels Ministierpräsident gab weiters bekannt, dass er einem Plan zur Ausweitung des Siedlungsbaus auf den von Israel besetzten Golanhöhen zugestimmt habe. Am 20. Dezember schossen israelische Streitkräfte auf DemonstrantInnen in einem Dorf in der Gegend von Maariya im Süden Syriens, die gegen die Aktivitäten der Armee protestierten, und verletzten dabei einen Demonstranten. Die israelischen Streitkräfte operierten auch in syrisch kontrollierten Gebieten außerhalb der Pufferzone. Am 29. Dezember griff Israel ein Waffendepot nahe der Stadt Adra an. Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden bei dem Angriff mindestens 11 Personen, hauptsächlich ZivilistInnen, getötet. Laut syrischen Medien drang die israelische Armee am 30. Dezember tief in das Gebiet Quneitra vor und vertrieb Angestellte aus Regierungsbüros (ACCORD).

Das US-Central Command gab an, dass die US-Streitkräfte Luftangriffe gegen den Islamischen Staat in Zentralsyrien geflogen sind. Präsident Biden kündigte an, weitere Angriffe gegen den Islamischen Staat vorzunehmen, der das Machtvakuum ausnützen könnte, um seine Fähigkeiten wiederherzustellen (KI S. 9).

Russland versucht, obwohl es bis zum Schluss al-Assad unterstützte, mit der neuen Führung Syriens in Dialog zu treten. Anstatt wie bisher als Terroristen bezeichnen russische Medien die Opposition mittlerweile als „bewaffnete Opposition“ (KI S. 9).

Sozio-Ökonomische Lage

Die Opposition versprach, den Minderheiten keinen Schaden zuzufügen und sie nicht zu diskriminieren, egal ob es sich um Christen, Drusen, Schiiten oder Alawiten handle. Gerade letztere besetzten unter der Führung Al-Assad’s oft hohe Positionen im Militär und den Geheimdiensten (KI S. 9).

Für alle Wehrpflichtigen, die in der Syrischen Arabischen Armee gedient haben, wurde von den führenden Oppositionskräften eine Generalamnestie erlassen. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie wurden untersagt. Ausgenommen von der Amnestie sind jene Soldaten, die sich freiwillig für den Dienst in der Armee gemeldet haben (KI S. 9 f.).

Die syrischen Banken sollen ihre Arbeit am 10.12.2024 wiederaufnehmen, die Bediensteten wurden aufgefordert, an ihre Arbeitsplätze zurückzukehren (KI S. 10).

Die HTS, die weiterhin auf der Terrorliste der UN steht, ist seit 2016 von Sanktionen des UN-Sicherheitsrates betroffen. Diplomaten zufolge war die Streichung der HTS von der Sanktionenliste kein Thema bei der jüngsten Ratssitzung (KI S. 10).

Bevor der Wiederaufbau zerstörter Städte, Infrastruktur und Öl- und Landwirtschaftssektoren beginnen kann, muss mehr Klarheit über die neue Regierung Syriens geschaffen werden (KI S. 10).

1.3.3. Das Gebiet unter Kontrolle von Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS)

In der nordwestlichen Provinz Idlib und den angrenzenden Teilen der Provinzen Nord-Hama und West-Aleppo befindet sich die letzte Hochburg der Opposition in Syrien. Das Gebiet wird von dem ehemaligen al-Qaida-Ableger Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) [Anm.: übersetzt soviel wie: Komitee zur Befreiung der Levante] beherrscht, der nach Ansicht von Analysten einen Wandel durchläuft, um seine Herrschaft in der Provinz zu festigen. Das Gebiet beherbergt aber auch andere etablierte Rebellengruppen, die von der Türkei unterstützt werden. HTS hat die stillschweigende Unterstützung der Türkei, die die Gruppe als Quelle der Stabilität in der Provinz und als mäßigenden Einfluss auf die radikaleren, transnationalen dschihadistischen Gruppen in der Region betrachtet. Durch eine Kombination aus militärischen Konfrontationen, Razzien und Festnahmen hat die HTS alle ihre früheren Rivalen wie Hurras ad-Din und Ahrar ash-Scham effektiv neutralisiert. Durch diese Machtkonsolidierung unterscheidet sich das heutige Idlib deutlich von der Situation vor fünf Jahren, als dort eine große Anzahl an dschihadistischen Gruppen um die Macht konkurrierte. HTS hat derzeit keine nennenswerten Rivalen. Die Gruppe hat Institutionen aufgebaut und andere Gruppen davon abgehalten, Angriffe im Nordwesten zu verüben. Diese Tendenz hat sich nach Ansicht von Experten seit dem verheerenden Erdbeben vom 6.2.2023, das Syrien und die Türkei erschütterte, noch beschleunigt (LIB S. 34 f.).

Aufgrund des militärischen Vorrückens der Regime-Kräfte und nach Deportationen von Rebellen aus zuvor vom Regime zurückeroberten Gebieten, ist Idlib in Nordwestsyrien seit Jahren Rückzugsgebiet vieler moderater, aber auch radikaler, teils terroristischer Gruppen der bewaffneten Opposition geworden. Zehntausende radikal-militanter Kämpfer, insb. der HTS, sind in Idlib präsent. Unter diesen befinden sich auch zahlreiche Foreign Fighters (Uiguren, Tschetschenen, Usbeken) (ÖB Damaskus 12.2022). Unter dem Kommando der HTS stehen zwischen 7.000 und 12.000 Kämpfer, darunter ca 1.000 sogenannte Foreign Terrorist Fighters. Viele IS­-Kämpfer übersiedelten nach dem Fall von Raqqa 2017 nach Idlib - großteils Ausländer, die für den Dschihad nach Syrien gekommen waren und sich nun anderen islamistischen Gruppen wie der Nusra-Front [Jabhat al-Nusra], heute als HTS bekannt, angeschlossen haben. Meistens geschah das über persönliche Kontakte, aber ihre Lage ist nicht abgesichert. Ausreichend Geld und die richtigen Kontaktleute ermöglichen derartige Transfers über die Frontlinie. Der IS sieht den Nordwesten als ptenzielles Einfallstor in die Türkei und als sicheren Rückzugsort, wo seine Anhänger sich unter die Bevölkerung mischen. Laut einem Bericht des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom Februar 2023 sind neben HTS und Hurras ad-Din unter anderem auch die zentralasiatischen Gruppierungen Khatiba at-Tawhid wal-Jihad (KTJ) - im März 2022 in Liwa Abu Ubayda umbenannt - und das Eastern Turkistan Islamic Movement (ETIM) - auch bekannt als Turkistan Islamic Party (TIP) - in Nordwestsyrien präsent (LIB S. 35).

Im Jahr 2012 stufte Washington Jabhat an-Nusra [Anm.: nach Umorganisationen und Umbenennungen nun HTS] als Terrororganisation ein. Auch die Vereinten Nationen führen HTS als terroristische Vereinigung. Die Organisation versuchte, dieser Einstufung zu entgehen, indem sie 2016 ihre Loslösung von al-Qaida ankündigte und ihren Namen mehrmals änderte, aber ihre Bemühungen waren nicht erfolgreich und die US-Regierung führt sie weiterhin als „terroristische Vereinigung“. HTS geht gegen den IS und al-Qaida vor und reguliert nun die Anwesenheit ausländischer Dschihadisten mittels Ausgabe von Identitätsausweisen für die Einwohner von Idlib, ohne welche z.B. das Passieren von HTS-Checkpoints verunmöglicht wird. Die HTS versucht so, dem Verdacht entgegenzutreten, dass sie das Verstecken von IS-Führern in ihren Gebieten unterstützt, und signalisiert so ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft bei der Terrorismusbekämpfung. Im Mai 2023 startete die HTS in den Provinzen Idlib und Aleppo beispielsweise eine Verhaftungskampagne gegen Hizb ut-Tahrir (HuT) als Teil der langfristigen Strategie, andere islamistische Gruppen in den von ihr kontrollierten Gebieten zu unterwerfen und die Streichung der HTS von internationalen Terroristenlisten zu erwirken. Das Vorgehen gegen radikalere, konkurrierende Gruppierungen und die Versuche der Führung, der HTS ein gemäßigteres Image zu verpassen, führten allerdings zu Spaltungstendenzen innerhalb der verschiedenen HTS-Fraktionen. Im Dezember 2023 wurden diese Spaltungstendenzen evident. Nach einer Verhaftungswelle, die sich über ein Jahr hinzog, floh eine Führungspersönlichkeit in die Türkei, um eine eigene rivalisierende Gruppierung zu gründen. Die HTS reagierte mit einer Militäroperation in Afrin. HTS verfolgt eine Expansionsstrategie und führt eine Offensive gegen regierungsnahe Milizen im Raum Aleppo durch (LIB S. 35 f.).

Wehrdienst

Anders als die Regierung und die Syrian Democratic Forces (SDF), erlegen bewaffnete oppositionelle Gruppen wie die SNA (Syrian National Army) und HTS (Hay’at Tahrir ash-Sham) Zivilisten in von ihnen kontrollierten Gebieten keine Wehrdienstpflicht auf. Quellen des niederländischen Außenministeriums berichten, dass es keine Zwangsrekrutierungen durch die SNA und die HTS gibt. In den von den beiden Gruppierungen kontrollierten Gebieten in Nordsyrien herrscht kein Mangel an Männern, die bereit sind, sich ihnen anzuschließen. Wirtschaftliche Anreize sind der Hauptgrund, den Einheiten der SNA oder HTS beizutreten. Die islamische Ideologie der HTS ist ein weiterer Anreiz für junge Männer, sich dieser Gruppe anzuschließen. Im Jahr 2022 erwähnt der Danish Immigration Service (DIS) Berichte über Zwangsrekrutierungen der beiden Gruppierungen unter bestimmten Umständen im Verlauf des Konfliktes. Während weder die SNA noch HTS institutionalisierte Rekrutierungsverfahren anwenden, weist die Rekrutierungspraxis der HTS einen höheren Organisationsgrad auf als die SNA. Im Mai 2021 kündigte HTS an, künftig in ldlib Freiwilligenmeldungen anzuerkennen, um scheinbar Vorarbeit für den Aufbau einer „regulären Armee“ zu leisten. Der Grund dieses Schrittes dürfte aber eher darin gelegen sein, dass man in weiterer Zukunft mit einer regelrechten „HTS-Wehrpflicht“ in ldlib liebäugelte, damit dem „Staatsvolk“ von ldlib eine „staatliche“ Legitimation der Gruppierung präsentiert werden könnte. Die HTS rekrutiert auch gezielt Kinder, bildet sie religiös und militärisch aus und sendet sie an die Front (LIB S. 155 f.).

Menschenrechtslage

Bewaffnete terroristische Gruppierungen, wie z. B. HTS, sind verantwortlich für weitverbreitete Menschenrechtsverletzungen, darunter rechtswidrige Tötungen und Entführungen, rechtswidrige Inhaftierungen, körperliche Misshandlungen und Tötungen von Zivilisten und Rekrutierungen von Kindersoldaten (USDOS 20.3.2023). Personen, welche in Verdacht geraten, gleichgeschlechtliche Beziehungen zu haben, sind in Gebieten extremistischer Gruppen der Gefahr von Exekutionen ausgesetzt (LIB S. 169).

HTS ging teils brutal gegen politische Gegner vor, denen z. B. Verbindungen zum Regime, Terrorismus oder die „Gefährdung der syrischen Revolution“ vorgeworfen würden. Weiterhin legen die Berichte nahe, dass Inhaftierten Kontaktmöglichkeiten zu Angehörigen und Rechtsbeiständen vorenthalten werden. Auch sei HTS, laut Berichten des SNHR, für weitere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich, vor allem in den Gefängnissen unter seiner Kontrolle (LIB S 169).

In der Region Idlib war 2019 ein massiver Anstieg an willkürlichen Verhaftungen und Fällen von Verschwindenlassen zu verzeichnen, nachdem HTS dort die Kontrolle im Jänner 2019 übernommen hatte. Frauen wurden bzw. sind in den von IS und HTS kontrollierten Gebieten massiven Einschränkungen ihrer Freiheitsrechte ausgesetzt. Angehörige sexueller Minderheiten werden exekutiert. Berichtet wurden zudem Verhaftungen von Minderjährigen, insbesondere Mädchen. Als Gründe werden vermeintliches unmoralisches Verhalten, wie beispielsweise das Reisen ohne männliche Begleitung oder unangemessene Kleidung angeführt. Mädchen soll zudem in vielen Fällen der Schulbesuch untersagt worden sein. HTS zielt darüber hinaus auch auf religiöse Minderheiten ab. So hat sich HTS laut der CoI im März 2018 zu zwei Bombenanschlägen auf den schiitischen Friedhof in Bab as-Saghir bekannt, bei dem 44 Menschen getötet, und 120 verletzt wurden. Versuche der Zivilgesellschaft, sich gegen das Vorgehen der HTS zu wehren, werden zum Teil brutal niedergeschlagen. Mitglieder der HTS lösten 2020 mehrfach Proteste gewaltsam auf, indem sie auf die Demonstrierenden schossen oder sie gewaltsam festnahmen. Laut der UNCOI gibt es weiterhin Grund zur Annahme, dass es in Idlib unverändert zu Verhaftungen und Entführungen durch HTS-Mitglieder, auch unter Anwendung von Folter, kommt. Zusätzlich verhaftete HTS eine Anzahl von IDPs unter dem Vorwand, dass diese sich weigerten, in Lager für IDPs zu ziehen, und HTS verhaftete auch BürgerInnen für die Kontaktierung von Familienangehörigen, die im Regierungsgebiet lebten (LIB S. 169).

1.3.4. Rückkehr

Seit 2011 waren 12,3 Millionen Menschen in Syrien gezwungen, zu flüchten - 6,7 Millionen sind aktuell laut OCHA (United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs) Binnenvertriebene (LIB S. 269).

As of 5 February, some 270,000 Syrians have crossed back into the country, including refugee returnees. More than 650,000 Syrians remain newly internally displaced since the escalation of hostilities in late November 2024, part of the more than 7.4 million total IDPs in the country. As of late January, more than 700,000 IDPs have returned to their homes (UNHCR #13).

This week, UNHCR continued to provide legal support to refugee returnees and IDPs, including awareness raising sessions and assistance with civil documentation proceedings for returnees from Lebanon in Al-Hassakeh and Ar-Raqqa. Many returning families report having lost their IDs, family booklets and Housing, Land and Property (HLP) documents, making this type of assistance more and more pressing. Increasing numbers of IDPs and returnees are approaching UNHCR for support given the negative implications that lack of documentation can have for accessing rights and services (UNHCR #13).

Awareness raising sessions on landmines and unexploded ordnance are also ongoing each week in various parts of the country – especially important given the persistent threat these remnants of war pose to civilian populations, particularly children and agricultural workers. According to HALO Trust, the number of people killed or wounded by landmines and other explosive devices in Syria has reached crisis levels – more than 400 since December 2024. As temperatures warm up, school terms end and more people decide to return home, the risks of casualties will only increase (UNHCR #13).

Die UNO konstatiert im Bericht der von ihr eingesetzten Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic (COI) vom 7.2.2023 landesweit schwere Verstöße gegen die Menschenrechte sowie das humanitäre Völkerrecht durch verschiedene Akteure, welche Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen darstellen könnten, und sieht keine Erfüllung der Voraussetzungen für nachhaltige, würdige Rückkehr von Flüchtlingen gegeben. Eine UNHCR-Umfrage im Jahr 2022 unter syrischen Flüchtlingen in Ägypten, Libanon, Jordanien und Irak ergab, dass nur 1,7 Prozent der Befragten eine Rückkehr in den nächsten 12 Monaten vorhatten. Obwohl sich am Bestehen der Fluchtursachen, insbesondere im Hinblick auf verbreitete Kampfhandlungen sowie die in weiten Teilen des Landes katastrophale humanitäre, wirtschaftliche und Menschenrechtslage nichts geändert hat, erhöhen manche Aufnahmestaaten in der Region gezielt den politischen, rechtlichen und sozioökonomischen Druck auf syrische Geflüchtete, um eine „freiwillige Rückkehr“ zu erwirken (LIB S. 269 f.).

RückkehrerInnen nach Syrien müssen laut Human Rights Watch mit einer Reihe von Menschenrechtsverletzungen rechnen, von willkürlicher Verhaftung, Folter, Verschwindenlassen bis hin zu Beschränkungen beim Zugang zu ihren Herkunftsgebieten. Vergleichbare Menschenrechtsverletzungen und Repressionen durch lokale Akteure wurden im Berichtszeitraum, in absoluten Zahlen betrachtet in geringerem Umfang, auch in Nicht-Regimegebieten dokumentiert. Unverändert besteht somit in keinem Teil Syriens ein umfassender, langfristiger und verlässlicher Schutz für verfolgte Personen und Rückkehrende. Es gibt keine Rechtssicherheit oder Schutz vor politischer Verfolgung, willkürlicher Verhaftung und Folter. Die Gefahr, Opfer staatlicher Repression und Willkür zu werden, bleibt für Einzelne unvorhersehbar. Auch erschienen Berichte über erneute Vertreibung, Sanktionen bzw. Repressionen, bis hin zu einer unmittelbaren Gefährdung für Leib und Leben von Rückkehrenden. Menschenrechtsorganisationen und Rückkehrende berichten von zahlreichen Fällen, in denen Rückkehrende verhaftet, gefoltert oder eingeschüchtert wurden. Nach entsprechenden Berichten von Amnesty International (AI) und Human Rights Watch (HRW) von September bzw. Oktober 2021 präsentierten der Zusammenschluss von Zivilgesellschaftsorganisationen Voices for Displaced Syrians Forum und der Think Tank Operations and Policy Center im Frühjahr 2022 eine gemeinsame Studie (Stand November 2022) zu Rückkehrenden aus Europa (Deutschland, Dänemark, Niederlande), der engeren Nachbarschaft (Türkei, Libanon, Jordanien, Irak, Ägypten) und anderen Regionen Syriens. Diese dokumentiert innerhalb eines Jahres schwierigste Rückkehrbedingungen in allen Regionen Syriens, darunter in einigen Fällen physische Gewalt und Verhaftungen der Betroffenen oder von Angehörigen sowie weitgehende Bewegungsbeschränkungen. Sie kommt zu dem Schluss, dass die Rückkehrbedingungen nach Syrien in keiner Hinsicht erfüllt seien. UNHCR, IKRK und IOM vertreten unverändert die Auffassung, dass die Bedingungen für eine freiwillige Rückkehr von Geflüchteten nach Syrien in Sicherheit und Würde angesichts der unverändert bestehenden, signifikanten Sicherheitsrisiken in ganz Syrien nicht erfüllt sind. Eine sichere Rückkehr Geflüchteter kann derzeit insofern für keine Region Syriens und für keine Personengruppe gewährleistet, vorhergesagt oder gar überprüft werden (LIB S. 270).

Darüber hinaus können belastbare Aussagen oder Prognosen zu Rückkehrfragen nach geografischen Kriterien laut Auswärtigem Amt weiterhin nicht getroffen werden (LIB S. 270).

Laut UNHCR sind von 2016 bis Ende 2020 170.000 Flüchtlinge (40.000 2020 gegenüber 95.000 im Jahr 2019) zurückgekehrt, der Gutteil davon aus dem Libanon und Jordanien (2019: 30.000), wobei die libanesischen Behörden weit höhere Zahlen nennen (bis 2019: 187.000 rückkehrende Flüchtlinge). COVID-bedingt kam die Rückkehr 2020 zum Erliegen. Die Rückkehr von Flüchtlingen wird durch den Libanon und die Türkei mit erheblichem politischem Druck verfolgt. Als ein Argument für ihre Militäroperationen führt die Türkei auch die Rückführung von Flüchtlingen in die von der Türkei kontrollierten Gebiete an. Die Rückkehrbewegungen aus Europa sind sehr niedrig. Eine von Russland Mitte November 2020 initiierte Konferenz zur Flüchtlingsrückkehr in Damaskus (Follow-up 2021 sowie 2022), an der weder westliche noch viele Länder der Region teilnahmen, vermochte an diesen Trends nichts zu ändern (LIB S. 270 f.).

Laut Vereinten Nationen (u. a. UNHCR) sind die Bedingungen für eine nachhaltige Flüchtlingsrückkehr in großem Umfang derzeit nicht gegeben (LIB S. 271).

Hindernisse für die Rückkehr

Shelter remains a critical issue and potential barrier for return. According to the RPIS results, of the 61% of refugees who own a home in Syria, 81% report that it is either fully destroyed or partially damaged and uninhabitable. Based on observations on the ground, UNHCR estimates that in parts of Aleppo Governorate, nearly 60% of houses are uninhabitable, forcing families to create temporary shelters with plastic sheeting, while others live in UNHCR-supported hosting centres. Still others are staying with relatives, often in overcrowded conditions. In some areas, families living in homes owned by other refugees who intend to return are under pressure to vacate (UNHCR #13).

Underscoring these issues, the UN Syria Commission of Inquiry report, released on 6 February, notes in detail the patterns of systematic, largescale destruction of civilian infrastructure and homes over 14 years of conflict in Syria and emphasizes the need to address HLP rights and violations in order to avoid exacerbating social tensions and fuelling future grievances (UNHCR #13).

Rückkehrenden sind auch Human Rights Watch zufolge mit wirtschaftlicher Not konfrontiert wie der fehlenden Möglichkeit, sich Grundnahrungsmittel leisten zu können. Die meisten finden ihre Heime ganz oder teilweise zerstört vor, und können sich die Renovierung nicht leisten. Die syrische Regierung leistet keine Hilfe bei der Wiederinstandsetzung von Unterkünften. In der von der Türkei kontrollierten Region um Afrîn nordöstlich von Aleppo Stadt wurde überdies berichtet, dass Rückkehrer ihre Häuser geplündert oder von oppositionellen Kämpfern besetzt vorgefunden haben. Auch im Zuge der türkischen Militäroperation ‚Friedensquelle‘ im Nordosten von Syrien Anfang Oktober 2019 kam es zu Plünderungen und gewaltsamen Enteignungen von Häusern und Betrieben von Kurden, Jesiden und Christen durch Türkei-nahe Milizen. Neben den fehlenden sozioökonomischen Perspektiven und Basisdienstleistungen ist es oft auch die mangelnde individuelle Rechtssicherheit, die einer Rückkehr entgegensteht. Nach wie vor gibt es Berichte über willkürliche Verhaftungen und das Verschwinden von Personen. Am stärksten betroffen sind davon Aktivisten, oppositionelle Milizionäre, Deserteure, Rückkehrer und andere, die unter dem Verdacht stehen, die Opposition zu unterstützen. Um Informationen zu gewinnen, wurden auch Familienangehörige oder Freunde von Oppositionellen bzw. von Personen verhaftet. Deutlich wird die mangelnde Rechtssicherheit auch laut ÖB Damaskus an Eigentumsfragen. Das Eigentum von Personen, die wegen gewisser Delikte verurteilt wurden, kann vom Staat im Rahmen des zur Terrorismusbekämpfung erlassenen Gesetzes Nr. 19 konfisziert werden. Darunter fällt auch das Eigentum der Familien der Verurteilten in einigen Fällen sogar ihrer Freunde. Das im April 2018 erlassene Gesetz Nr. 10 ermöglicht es Gemeinde- und Provinzbehörden, Zonen für die Entwicklung von Liegenschaften auszuweisen und dafür auch Enteignungen vorzunehmen. Der erforderliche Nachweis der Eigentumsrechte für Entschädigungszahlungen trifft besonders Flüchtlinge und Binnenvertriebene. Konkrete Pläne für die Einrichtung von Entwicklungszonen deuten auf Gebiete hin, die ehemals von der Opposition gehalten wurden. Von den großflächigen Eigentumstransfers dürften regierungsnahe Kreise profitieren. Auf Druck von Russland, der Nachbarländer sowie der Vereinten Nationen wurden einige Abänderungen vorgenommen, wie die Verlängerung des Fristenlaufs von 30 Tagen auf ein Jahr. Flüchtlinge und Binnenvertriebene sind besonders von Enteignungen betroffen. Zudem kommt es zum Diebstahl durch Betrug von Immobilien, deren Besitzer - z.B. Flüchtlinge - abwesend sind. Viele von ihren Besitzern verlassene Häuser wurden mittlerweile von jemandem besetzt. Sofern es sich dabei nicht um Familienmitglieder handelt, ist die Bereitschaft der Besetzer, das Haus oder Grundstück zurückzugeben, oft nicht vorhanden. Diese können dann die Rückkehrenden beschuldigen, Teil der Opposition zu sein, den Geheimdienst auf sie hetzen, und so in Schwierigkeiten. Der Mangel an Wohnraum und die Sorge um zurückgelassenes Eigentum gehören zu den Faktoren, die syrische Flüchtlinge davon abhalten, nach Syrien zurückzukehren (LIB S. 271 f.).

Laut einer Erhebung der Syrian Association for Citizen's Dignity (SACD) ist für 58 Prozent aller befragten Flüchtlinge die Abschaffung der Zwangsrekrutierung die wichtigste Bedingung für die Rückkehr in ihre Heimat. Nach Einschätzung von Human Rights Watch nutzt das Regime Schlupflöcher in den Amnestiedekreten aus, um Rückkehrer unmittelbar nach der Einreise wieder auf Einberufungslisten zu setzen. Amnesty International dokumentierte Fälle von Rückkehrern, die aufgrund der Wehrpflicht zunächst festgenommen und nach Freilassung unmittelbar zum Militärdienst eingezogen wurden (LIB S. 272).

Die laut Experteneinschätzung katastrophale wirtschaftliche Lage ist ein großes Hindernis für die Rückkehr: Es gibt wenige Jobs, und die Bezahlung ist schlecht. Neben sicherheitsrelevanten und politischen Überlegungen der syrischen Regierung dürfte die Limitierung der Rückkehr auch dem Fehlen der notwendigen Infrastruktur und Unterkünfte geschuldet sein (LIB S. 272).

Das geringe Angebot an Bildungs-, Gesundheits- und Grundversorgungsleistungen in Syrien wirken abschreckend auf potenzielle Rückkehrer. Eine geringere Lebensqualität im Exil erhöht nicht immer die Rückkehrbereitschaft. Es hat sich gezeigt, dass Flüchtlinge seltener in Bezirke zurückkehren, die in der Vergangenheit von intensiven Konflikten geprägt waren. Ein relevanter Faktor im Zusammenhang mit der Schaffung von physischer Sicherheit ist auch die Entminung von rückeroberten Gebieten, insbesondere solchen, die vom IS gehalten wurden (z.B. Raqqa, Deir Ez-Zor). Laut aktueller Mitteilung von UNMAS vom November 2022 sind weder Ausmaß noch flächenmäßige Ausdehnung der Kontaminierung von Syrien mit explosiven Materialien bisher in vollem Umfang bekannt. Es wird geschätzt, dass mehr als zehn Mio. Menschen also rund 50 Prozent der Bevölkerung dem Risiko ausgesetzt sind, in ihrem Alltag mit explosiven Materialien in Kontakt zu kommen. Dabei sind Männer aufgrund unterschiedlicher sozialer Rollen dem Risiko stärker ausgesetzt als Frauen. Im Schnitt gab es seit Kriegsbeginn alle zehn Minuten ein Opfer des Kriegs oder mittelbarer Kriegsfolgen. Ein Drittel der Opfer von Explosionen sind gestorben, 85 Prozent der Opfer sind männlich, fast 50 Prozent mussten amputiert werden und mehr als 20 Prozent haben Gehör oder Sehvermögen verloren. Zwei Drittel der Opfer sind lebenslang eingeschränkt. 39 Prozent der Unfälle ereigneten sich in Wohngebieten, 34 Prozent auf landwirtschaftlichen Flächen, zehn Prozent auf Straßen oder am Straßenrand. Seit 2019 waren 26 Prozent der Opfer IDPs [Anm.: Infolge der Erdbeben im Februar 2023 erhöht sich die Gefahr, dass Explosivmaterialen wie Minen durch Erdbebenbewegungen, Wasser etc. verschoben werden] (LIB S. 272).

Es ist wichtig, dass die Rückkehrer an ihren Herkunftsort zurückkehren, weil sie dann Zugang zu einem sozialen Netzwerk und/oder ihrem Stamm haben. Diejenigen, die aus dem Ausland in ein Gebiet ziehen, aus dem sie nicht stammen, verfügen nicht über ein solches Sicherheitsnetz. So berichtet UNHCR von einer ‚sehr begrenzten‘ und ‚abnehmenden‘ Zahl an Rückkehrern über die Jahre. Im 1. Quartal 2022 kehrten demnach insgesamt 22.052 Personen an ihre Herkunftsorte zurück. Hierbei handelte es sich allerdings zu 94 Prozent um Rückkehrer innerhalb Syriens. Insgesamt ging im Jahr 2022 laut UN-Einschätzung die Bereitschaft zu einer Rückkehr zurück, und zwar aufgrund von Sicherheitsbedenken der Flüchtlinge. Stattdessen steigt demnach die Zahl der SyrerInnen, welche versuchen, Europa zu erreichen, wie beispielsweise das Bootsunglück vom 22.9.2022 mit 99 Toten zeigte. In diesem Zusammenhang wird Vorwürfen über die willkürliche Verhaftung mehrer männlicher Überlebender durch die syrische Polizei und den Militärnachrichtendienst nachgegangen (LIB S. 272 f.).

Während die syrischen Behörden auf internationaler Ebene öffentlich eine Rückkehr befürworten, fehlen syrischen Flüchtlingen, im Ausland arbeitenden SyrerInnen und Binnenflüchtlingen, die ins Regierungsgebiet zurückkehren wollen, klare Informationen für die Bedingungen und Zuständigkeiten für eine Rückkehr sowie bezüglich einer Einspruchsmöglichkeit gegen eine Rückkehrverweigerung (LIB S. 272).

Das deutsche Auswärtige Amt zieht den Schluss, dass eine sichere Rückkehr Geflüchteter insofern für keine Region Syriens und für keine Personengruppe gewährleistet, vorhergesagt oder gar überprüft werden kann. UNHCR ruft weiterhin die Staaten dazu auf, keine zwangsweise Rückkehr von syrischen Staatsbürgern sowie ehemals gewöhnlich dort wohnenden Personen - einschließlich früher in Syrien ansässiger Palästinenser - in irgendeinen Teil Syrien zu veranlassen, egal wer das betreffende Gebiet in Syrien beherrscht (LIB S. 277).

Auch die lokale Bevölkerung hegt oft Argwohn gegen Personen, die das Land verlassen haben. Es besteht eine große Kluft zwischen Syrern, die geflohen sind, und jenen, die dort verblieben sind. Erstere werden mit Missbilligung als Leute gesehen, die ‚davongelaufen‘ sind, während Letztere oft Familienmitglieder im Krieg verloren und unter den Sanktionen gelitten haben. Es kann daher zu Denunziationen oder Erpressungen von Rückkehrern kommen, selbst wenn diese eigentlich ‚sauber‘ [Anm.: aus Regimeperspektive] sind, mit dem Ziel, daraus materiellen Gewinn zu schlagen [Anm.: siehe hierzu auch die Thematik des Immobiliendiebstahls durch Betrug, der sich oft gegen seit langem Abwesende richtet, z.B. im Überkapitel Rückkehr] (LIB S. 277).

Ein weiteres soziales Problem sind persönliche Racheakte: Wenn bei Kämpfen zwischen zwei Gruppen jemand getötet wurde, kann es vorkommen, dass jemand, der mit dem Mörder verwandt ist, von der Familie des Ermordeten im Sinne der Vergeltung getötet wird. Dies hindert viele an der Rückkehr in ihren Heimatort (LIB S. 278).

Es hat sich gezeigt, dass Flüchtlinge seltener in Bezirke zurückkehren, die in der Vergangenheit von intensiven Konflikten geprägt waren. Das geringe Angebot an Bildungs-, Gesundheits- und Grundversorgungsleistungen in Syrien wirken abschreckend auf potenzielle Rückkehrer. Eine geringere Lebensqualität im Exil erhöht nicht immer die Rückkehrbereitschaft. Es ist wichtig, dass die Rückkehrer an ihren Herkunftsort zurückkehren, weil sie dann Zugang zu einem sozialen Netzwerk und/oder ihrem Stamm haben. Diejenigen, die aus dem Ausland in ein Gebiet ziehen, aus dem sie nicht stammen, verfügen nicht über ein solches Sicherheitsnetz. So berichtet UNHCR von einer ‚sehr begrenzten‘ und ‚abnehmenden‘ Zahl an Rückkehrern über die Jahre. Im 1. Quartal 2022 kehrten demnach insgesamt 22.052 Personen an ihre Herkunftsorte zurück und davon handelte es sich bei 94 % um Rückkehrer innerhalb Syriens, wenngleich von der UNO auch Fälle dokumentiert sind, dass Binnenvertriebene von aktuell oppositionell gehaltenen Gebieten aus nicht in ihre Heimatdörfer im Regierungsgebiet zurückkehren durften - trotz vorheriger Genehmigung (LIB S. 286).

Laut Einschätzung der United Nations Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic könnte das Vorgehen der Regierung möglicherweise eine Verletzung von Unterkunfts-, Land- und Besitzrechten dar. Die Duldung der Inbesitznahme von Immobilien durch Dritte könnte eine Verletzung des Schutzes genannter Rechte darstellen. Sie haben auch mögliche Verletzungen des internationalen humanitären Gewohnheitsrechts zur Folge bezüglich der Besitzrechte von Vertriebenen (LIB S. 286).

Ergänzende Informationen zur Behandlung bei und nach der Rückkehr

Am 10.5.2023 erklärten die Außenminister von Russland, Türkei, Iran und Syrien, dass erst die nötige Infrastruktur für eine sichere Rückkehr von Flüchtlingen nach Syrien geschaffen werden müsse. Es besteht nach wie vor kein freier und ungehinderter Zugang von UNHCR und anderer Menschenrechtsorganisationen zu Rückkehrenden in Syrien, sodass eine Nachverfolgung und Überwachung des Rückkehrprozesses sowie des Schicksals der Rückkehrenden nicht möglich ist. Aufgrund der fehlenden Überwachung durch internationale Organisationen bei der Rückkehr ist es unklar, wie systematisch und weit verbreitet Übergriffe gegen Rückkehrer sind. Es gibt kein klares Gesamtmuster bei der Behandlung von Rückkehrern, auch wenn einige Tendenzen zu beobachten sind. Die Tatsache, dass der zuständige Beamte am Grenzübergang oder in der örtlichen Sicherheitsdienststelle die Befugnis hat, seine eigene Entscheidung über den einzelnen Rückkehrer zu treffen, trägt zur Abwesenheit eines klaren Musters bei. Die Behandlung von Menschen, die nach Syrien einreisen, hängt stark vom Einzelfall ab, und es gibt keine zuverlässigen Informationen über den Kenntnisstand der syrischen Behörden über einzelne Rückkehrer (LIB S. 288 f.).

Es ist schwierig, Informationen über die Situation von Rückkehrern in Syrien zu erhalten. RückkehrerInnen und Binnenvertriebene sind am ehesten von gesellschaftlichem Ausschluss und einem Mangel an Zugang zu öffentlichen Leistungen in der näheren Zukunft ausgesetzt. Enteignungen dienen der Schaffung von Hürden für rückkehrende Flüchtlinge und Binnenvertriebene und der Belohnung von regimeloyalen Personen mit einer daraus resultierenden demografischen Änderung in ehemaligen Hochburgen der Opposition (LIB S. 289).

Anhand der von der CoI (Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic der Vereinten Nationen), Nichtregierungsorganisationen (NRO) und anderen dokumentierten Einzelschicksalen der Vergangenheit ist die Bedrohung der persönlichen Sicherheit im Einzelfall das zentrale Hindernis für Rückkehrende. Unverändert besteht nach Bewertung des deutschen Auswärtigen Amts in keinem Teil Syriens ein umfassender, langfristiger und verlässlicher Schutz für verfolgte Personen und Rückkehrende. Es gibt keine Rechtssicherheit oder Schutz vor politischer Verfolgung, willkürlicher Verhaftung und Folter. Die Gefahr, Opfer staatlicher Repression und Willkür zu werden, bleibt für Einzelne unvorhersehbar. Auch erschienen Berichte über erneute Vertreibung, Sanktionen bzw. Repressionen, bis hin zu einer unmittelbaren Gefährdung für Leib und Leben von Rückkehrenden. Menschenrechtsorganisationen und Rückkehrende berichten von zahlreichen Fällen, in denen Rückkehrende verhaftet, gefoltert oder eingeschüchtert wurden (LIB S. 290 f.).

Eine gemeinsame Studie von Zivilgesellschaftsorganisationen im Frühjahr 2022 (Stand November 2022) zu Rückkehrenden aus Europa (Deutschland, Dänemark, Niederlande), der engeren Nachbarschaft (Türkei, Libanon, Jordanien, Irak, Ägypten) und anderen Regionen Syriens dokumentiert schwierigste Rückkehrbedingungen in allen Regionen Syriens, darunter in einigen Fällen physische Gewalt und Verhaftungen der Betroffenen oder von Angehörigen sowie weitgehende Bewegungsbeschränkungen. Sie kommt zu dem Schluss, dass die Rückkehrbedingungen nach Syrien in keiner Hinsicht erfüllt seien. Eine sichere Rückkehr Geflüchteter kann nach Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amts insofern für keine Region Syriens und für keine Personengruppe gewährleistet, vorhergesagt oder gar überprüft werden. Auch UNHCR und Menschenrechtsorganisationen haben keinen freien und ungehinderten Zugang zu Rückkehrenden in Syrien, sodass eine Nachverfolgung und Überwachung des Rückkehrprozesses sowie des Schicksals der Rückkehrenden nicht möglich ist. UNHCR kann unverändert weder ein umfassendes Monitoring zur Lage von zurückgekehrten Binnenvertriebenen und Flüchtlingen sicherstellen, noch einen Schutz ihrer Rechte gewährleisten (LIB S. 292).

Syrische Rückkehrende aus Europa

Eine sichere Rückkehr Geflüchteter kann laut deutschem Auswärtigen Amt für keine Region Syriens und für keine Personengruppe gewährleistet, vorhergesagt oder gar überprüft werden. Auch UNHCR und andere Menschenrechtsorganisationen haben keinen freien und ungehinderten Zugang zu Rückkehrenden in Syrien, sodass eine Nachverfolgung und Überwachung des Rückkehrprozesses sowie des Schicksals der Rückkehrenden nicht möglich ist. UNHCR kann unverändert weder ein umfassendes Monitoring zur Lage von zurückgekehrten Binnenvertriebenen und Flüchtlingen sicherstellen, noch einen Schutz ihrer Rechte gewährleisten (LIB S. 299).

Die verfügbaren Informationen über SyrerInnen, die aus Europa nach Syrien zurückkehren, sind begrenzt. Zur Situation von rückkehrenden Flüchtlingen aus Europa gibt es auch aufgrund deren geringer Zahl keine Angaben: Im Jahr 2020 kehrten 137 syrische Flüchtlinge freiwillig und mit Unterstützung der dänischen Behörden aus Dänemark nach Syrien zurück. Im selben Jahr suchten zehn SyrerInnen bei den niederländischen Behörden um Hilfe für eine Rückkehr nach Syrien an. In Dänemark leben rund 35.000 Syrer und Syrerinnen, in den Niederlanden ca. 77.000. Nach Angaben des deutschen Innenministeriums kehrten von 2017 bis Juni 2020 über 1.000 SyrerInnen mit finanzieller Unterstützung Deutschlands aus Deutschland nach Syrien zurück. Die meisten syrischen Flüchtlinge in der EU erwägen nicht, in (naher) Zukunft nach Syrien zurückzukehren, wie Umfragen aus verschiedenen europäischen Staaten illustrieren. Diejenigen, die nicht nach Syrien zurückkehren wollten, wiesen auf verschiedene Hindernisse für eine Rückkehr hin, darunter das Fehlen grundlegender Dienstleistungen (wie Bildung, Gesundheitsversorgung und soziale Sicherheit) (LIB S. 299 f.).

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes ergeben sich aus dem Ermittlungsverfahren, insbesondere der Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, durch Einsichtnahme in die Akten der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und dem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, des bekämpften Bescheides, des Beschwerdeschriftsatzes, der Stellungnahme und den vorgelegten Beweismitteln.

2.1. Zu den Feststellungen der Person des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers ergeben sich aus der Aktenlage und seinen Angaben vor dem Bundesverwaltungsgericht. Es haben sich keine Umstände ergeben, an den Angaben des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Die Feststellungen des Geburtsorts und der zahlreichen Wohn- und Aufenthaltsorte des Beschwerdeführers in Syrien beruhen auf seinen diesbezüglichen, im Wesentlichen übereinstimmenden Angaben im Verfahren (vgl. BFA S. 8 und 14; Verhandlungsschrift S. 5 f.).

Die Feststellungen zum Schulbesuch des Beschwerdeführers und seiner Berufserfahrung beruhen ebenso auf seinen Schilderungen (vgl. BFA S. 15; Verhandlungsschrift S. 5). Dass die finanzielle Lage des Beschwerdeführers in Syrien schlecht war, da er nicht immer eine Beschäftigung hatte, gibt er nachvollziehbar an und ist dies aufgrund des Bürgerkriegs auch glaubhaft (vgl. BFA S. 15; Verhandlungsschrift S. 9 und 13). Dass der Beschwerdeführer von 2003 bis 2005 den Grundwehrdienst absolvierte, gibt er vor der belangten Behörde an (vgl. BFA S. 17) und ist aufgrund des Alters des Beschwerdeführers glaubhaft.

Die Feststellungen zur Ehefrau des Beschwerdeführers beruhen auf seinen Angaben (vgl. Erstbefragung S. 3; BFA S. 11) sowie den vorgelegten Übersetzungen des Familienregisterauszugs und der Heiratsurkunde (vgl. Verwaltungsakt AS 81 f. und 87).

Die Feststellungen zu den übrigen Familienangehörigen des Beschwerdeführers und deren Wohnorten ergeben sich ebenso aus seinen Schilderungen (vgl. Erstbefragung S. 3; BFA S. 13; Verhandlungsschrift S. 7 f.).

Die Feststellungen zur Kopfverletzung des Beschwerdeführers und seinen damit einhergehenden Einschränkungen beruhen auf seinen diesbezüglichen Schilderungen (vgl. insb. BFA S. 3 f.) und den vorgelegten medizinischen Befunden (vgl. Verwaltungsakt AS 23 f.).

Dass der Beschwerdeführer in Österreich Arbeit sucht, gibt er mehrmals an, ebenso seine ehrenamtliche Tätigkeit. Dass er einen Deutschkurs besucht, gibt er in der Beschwerdeverhandlung an (vgl. BFA S. 21; Verhandlungsschrift S. 8 und 10).

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit in Österreich ergibt sich aus dem Strafregisterauszug, der keine Verurteilungen aufweist.

Die Feststellung zum Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ergeben sich aus der Erstbefragung (S. 2) und dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 19.09.2024.

Die Feststellungen zu den Machtverhältnissen in Syrien beruhen auf den zitierten Länderinformationen, der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 12.03.2025 sowie auf einer Nachschau auf der aktuellen Karte auf https://syria.liveuamap.com.

2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

2.2.1. Der Beschwerdeführer lebte etwa ab dem Alter von 13 Jahren, somit ca. ab XXXX in XXXX an der syrisch-israelischen Grenze. Er gibt an, aufgrund der geographischen Nähe von Israel Hilfsgüter sowie medizinische Versorgung in Israel erhalten zu haben sowie für Israel Hilfsgüter verteilt zu haben (vgl. BFA S. 3, 19 f.; Verhandlungsschrift S. 9 und 13).

Vor dem BFA schildert der Beschwerdeführer auch, er werde vom Geheimdienst der syrischen Regierung gesucht und sei dieser etwa fünf Mal bei ihm zu Hause in XXXX gewesen. Der Beschwerdeführer sei zu diesen Zeiten selbst nie zu Hause gewesen, lediglich ein Mal habe er sie vom Nachbarn aus gesehen (vgl. BFA S. 20). Das Vorbringen des Beschwerdeführers zu den konkret ihn betreffenden Verfolgungshandlungen bleibt jedoch insgesamt vage. Auch in der Beschwerdeverhandlung bleibt das Vorbringen des Beschwerdeführers diesbezüglich oberflächlich, allerdings bringt er nunmehr vor, er sei von der al-Nusra-Front, aus welcher die HTS hervorgegangen ist, des Verrates beschuldigt worden, weil er von Israel Lebensmittelzuwendungen erhalten habe und in Israel medizinisch behandelt worden sei. Die al-Nusra-Front kenne den Beschwerdeführer persönlich (vgl. Verhandlungsschrift S. 9 und 12 f.). Wenn auch eine Nachschau auf den historischen Karten bezüglich XXXX und XXXX auf https://www.cartercenter.org/news/multimedia/map/exploring-historical-control-in-syria.html ergibt, dass die al-Nusra-Front dort bis etwa Mitte 2018 die Kontrolle ausübte und somit mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers über die Präsenz der al-Nusra-Front übereinstimmt, so stehen seine Angaben in der Beschwerdeverhandlung dennoch in Widerspruch mit den Angaben vor der belangten Behörde, da er zuerst eine Verfolgung durch die syrische Regierung und später eine Verfolgung durch die al-Nusra-Front vorbringt. Schließlich steigert der Beschwerdeführer sein Vorbringen in der mündlichen Verhandlung auch dahingehend, dass er nunmehr vorbringt, dass seitens der al-Nusra-Front bei den Hirten aus der Region nach dem Beschwerdeführer gefragt worden sei (vgl. Verhandlungsschrift S. 12 f.). Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Beschwerdeführer dies nicht bereits bei der Einvernahme vor der belangten Behörde vorbringt, zumal der Vorwurf der Zusammenarbeit mit Israel bereits erörtert wurde, und aufgrund der früheren Gebietskontrolle durch die al-Nusra-Front diese an den Wohnorten des Beschwerdeführers auch eine Bedrohung darstellen hätte können (vgl. BFA S. 19 f.).

Der Beschwerdeführer wurde in der mündlichen Verhandlung danach gefragt, was er nunmehr nach dem Machtwechsel in Syrien befürchte. Dazu führt er aus, dass er der neuen Regierung nicht traue und unter dieser nicht leben könne. Die al-Nusra-Front kenne den Beschwerdeführer persönlich (vgl. Verhandlungsschrift S. 9). Auch mit dieser Skepsis wird eine konkret den Beschwerdeführer treffende Bedrohung nicht vorgebacht.

Es mag zwar aufgrund der notorisch angespannten Beziehung zwischen Syrien und Israel nicht ausgeschlossen werden, dass Personen aus der Region der Golanhöhen vorgeworfen wird, mit Israel zusammenzuarbeiten. Der Berichtslage ist allerdings nicht zu entnehmen, dass seitens der HTS Personen aus der syrisch-israelischen Grenzregion mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Zusammenarbeit mit Israel unterstellt wird. Dass konkret der Beschwerdeführer mit diesem Vorwurf konfrontiert war und deshalb aktuell Repressionen ausgesetzt ist, kann anhand seines oberflächlichen und in nicht unwesentlichen Punkten widersprüchlichen Vorbringens nicht festgestellt werden.

Zudem ist festzuhalten, dass es derzeit in Teilen der entmilitarisierten Pufferzone in Quneitra östlich der Golanhöhen israelische Militärpräsenz gibt. Diese mag zwar nach Angaben des Militärs lediglich temporär sein, um die Sicherheit Israels in der Umbruchphase sicherzustellen, zum Entscheidungszeitpunkt befindet sich XXXX allerdings unter israelischer Kontrolle und erscheint auch vor diesem Hintergrund nicht aktuell, dass dem Beschwerdeführer dort vorgeworfen wird, Spion für Israel zu sein. Wie bereits ausgeführt, droht ihm ein derartiger Vorwurf auch nicht von der HTS.

2.2.2. Auch die Angaben des Beschwerdeführers zur Verhaftung und Ermordung seiner beiden Brüder im Jahr 2013 bleiben insgesamt vage, da der Beschwerdeführer vorbringt, sie seien von der syrischen Regierung und ihren Milizen angegriffen und dabei seien seine Brüder festgenommen worden. Einige Tage später seien sie bei einem Flussufer tot aufgefunden worden (vgl. Erstbefragung S. 6; BFA S. 8, 18 f.; Beschwerde S. 2). Auf Nachfrage, weshalb die Brüder festgenommen worden seien, antwortet der Beschwerdeführer, dass viele junge Männer festgenommen worden seien, es sei Krieg und Kampf gewesen (vgl. BFA S. 20). Aus diesen Angaben ergibt sich nicht, dass gezielt die Brüder verhaftet worden sind, sondern generell junge Männer betroffen waren. Dass deshalb nunmehr eine Bedrohung des Beschwerdeführers bestehen würde, kann nicht gesehen werden, zumal der Beschwerdeführer nach dem Vorfall noch beinahe zehn Jahre in Syrien wohnte, wenn auch an unterschiedlichen Orten.

2.2.3. Der Beschwerdeführer bringt gleichbleibend vor, dass er an Demonstrationen gegen das Assad-Regime teilgenommen, sich darüber hinaus aber nicht politisch betätigt habe. (vgl. BFA S. 8 und 18 f.; Verhandlungsschrift S. 8 f.).

Zum Entscheidungszeitpunkt erweist sich eine Bedrohung durch das Assad Regime nach dessen Sturz und der Machtübernahme durch die HTS nicht mehr als aktuell. Eine Nachschau auf https://syria.liveuamap.com zeigt noch zwei Enklaven von pro-Assad Kräften um die Basis Hmeimim der russischen Luftstreitkräfte bei Jablah und um die (russische) Marinebasis Tartus, darüber hinaus aber keinerlei Gebiete unter der Führung des Baath-Regimes. Mangels Gebiets- und Herrschaftsgewalt geht zum Entscheidungszeitpunkt daher von den syrischen Regimekräften keine Bedrohung für den Beschwerdeführer aus. Soweit der Beschwerdeführer in der Stellungnahme vom 12.03.2025 vorbringt, es sei noch nicht vorhersehbar, welche Teile des Sicherheitsapparates ausgetauscht bzw. inwiefern Personen, die unter dem Assad-Regime im Sicherheitsapparat tätig gewesen seien, weiterhin in ihrer Position bleiben werden, ist festzuhalten, dass auch aus dieser Befürchtung kein konkretes Bedrohungsszenario des Beschwerdeführers zu entnehmen ist.

2.2.4. Der Beschwerdeführer brachte auch sonst keine aktuelle, konkret gegen ihn gerichtete Bedrohung durch andere Akteure in Syrien vor und ist eine derartige Gefahr aus der aktuellen Berichtslage nicht ersichtlich.

2.3. Zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers

Es wurde vor allem Einsicht genommen in folgende Erkenntnisquellen des Herkunftsstaates des Beschwerdeführers:

- Länderinformation der Staatendokumentation Syrien vom 27.03.2024, Version 11 (LIB),

- Kurzinformation der Staatendokumentation: SYRIEN vom 10.12.2024 (KI),

- UNHCR Regional Flash Update #13 Syria situation crisis vom 07.02.2025 (UNHCR #13),

- ACCORD Informationssammlung zu Entwicklungen rund um den Sturz von Präsident Assad (ACCORD).

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf verschiedenen, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Ausführungen zu zweifeln. Aus den zitierten Quellen in Zusammenschau mit https://syria.liveuamap.com ergeben sich auch die aktuellen Entwicklungen in Syrien, insbesondere hinsichtlich der Großoffensive der HTS und der daraus folgenden Machtübernahme.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1 Zu A) Abweisung der Beschwerden gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide

3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg.cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (in der Folge GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist).

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder in Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 19.12.2007, 2006/20/0771). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl. VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Weiters muss sie sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Für die Zuerkennung des Asylstatus ist es zum einen nicht zwingend erforderlich, dass bereits in der Vergangenheit Verfolgung stattgefunden hat, zum anderen ist eine solche „Vorverfolgung“ für sich genommen auch nicht hinreichend. Entscheidend ist, ob die betroffene Person vor dem Hintergrund der zu treffenden aktuellen Länderfeststellungen im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts bei Rückkehr in ihren Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. VwGH 03.05.2016, Ra 2015/18/0212, mwN).

Zur Beurteilung, ob die Verfolgungsgründe als glaubhaft gemacht anzusehen sind, ist auf die persönliche Glaubwürdigkeit des Erstbeschwerdeführers und das Vorbringen zu den Fluchtgründen abzustellen. Die „Glaubhaftmachung“ wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung setzt positiv getroffene Feststellungen der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 11.06.1997, 95/01/0627).

3.1.2. Der Beschwerdeführer konnte eine Verfolgung iSd GFK durch die HTS als Nachfolgerin der al-Nusra-Front aufgrund des Vorwurfs der Zusammenarbeit mit bzw. Spionagetätigkeit für Israel nicht glaubhaft machen und ist diese aufgrund der Länderinformationen auch nicht ersichtlich.

3.1.3. Auch eine asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers aufgrund der Verhaftung und Ermordung seiner Brüder oder eine Verfolgung durch das Assad-Regime konnte zum Entscheidungszeitpunkt nicht festgestellt werden.

3.1.4. Auch sonst konnte der Beschwerdeführer keine begründete Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe iSd GFK darlegen.

Die vom Beschwerdeführer mehrfach vorgebrachte schlechte Versorgungs- und Sicherheitslage und die damit einhergehende reale Gefahr der Verletzung der Art. 2 oder 3 EMRK wurde bereits im Rahmen der Zuerkennung des Status des subsidiären Schutzes berücksichtigt und ist für das gegenständliche Verfahren nicht mehr von Relevanz, da Sache des Beschwerdeverfahrens die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten ist. Es wird nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer insbesondere durch die schlechte Versorgungs- und Sicherheitslage ab dem Ausbruch des Bürgerkriegs sowie durch seine Verletzung und bleibenden Beeinträchtigungen vom syrischen Bürgerkrieg negativ betroffen war. Eine aktuelle asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers liegt damit allerdings nicht vor.

Zu der vom Beschwerdeführer angeführten Inhaftierung in Libyen ist auf § 3 Abs. 1 AsylG 2005 hinzuweisen, der die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nur vorsieht, wenn dem Fremden im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht. Der Herkunftsstaat ist gemäß § 2 Abs. 1 Z. 17 AsylG 2005 jener Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt; nur im Falle der Staatenlosigkeit gilt der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes als Herkunftsstaat. Auf Grund der syrischen Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers kann somit sein Vorbringen im Hinblick auf Libyen außer Betracht bleiben (vgl. VwGH 02.03.2006, 2004/20/0240).

3.1.5. Der Vollständigkeit halber wird festgehalten, dass sich aus den getroffenen Länderfeststellungen weder ergibt, dass jedem Rückkehrer, der im Ausland einen Asylantrag gestellt hat, eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird, noch, dass Personen, deren Familienangehörigen im Ausland Asyl gewährt wurde, allgemein asylrelevante Verfolgung zu befürchten hätten. Zwar laufen Personen, die aus dem Land geflohen sind, Gefahr, von der syrischen Regierung als illoyal angesehen zu werden und kann dies zu willkürlichen Verhaftungen führen. Auch die lokale Bevölkerung hegt oft Argwohn gegen Personen, die Syrien verlassen haben. Eine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende Gruppenverfolgung von Rückkehrern ist nicht festzustellen (vgl. dazu auch VwGH 04.01.2021, Ra 2020/18/0147).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.