JudikaturBVwG

W205 2280661-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
21. März 2025

Spruch

W205 2280661-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. SCHNIZER-BLASCHKA über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch die BBU GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.09.2023, Zl. 1330510105/223376754, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.10.2024, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein somalischer Staatsangehöriger, stellte am 23.10.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 24.10.2022 wurde er von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an, dass er seit 2020 Atheist sei. Burco sei eine sehr religiöse Stadt und die Leute hätten ihn umbringen wollen. Er habe alle seine Gründe einer Asylantragstellung angegeben. Bei einer Rückkehr habe er Angst um sein Leben.

2. Am 15.11.2022 wurde ein Informationsersuchen nach Artikel 34 der Dublin III-Verordnung an Griechenland gerichtet, woraufhin am 21.11.2022 eine Antwort der griechischen Behörden einlangte. Darin wurde bekannt gegeben, dass der BF am 31.05.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe. Sein Antrag sei am 30.08.2022 für unzulässig befunden worden.

3. Am 07.06.2023 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) niederschriftlich einvernommen. Zu seinem Fluchtgrund befragt führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass er 2020 Atheist geworden sei und auf Social Media anonym unter einem anderen Namen über den Atheismus und den Islam geschrieben habe. Eine Diskussion auf der Plattform „ XXXX “ sei aufgezeichnet und auf Youtube gepostet worden. Einige Personen hätten seine Stimme erkannt. Der Beschwerdeführer sei daraufhin von seinem Bruder verprügelt und als Ungläubiger bezeichnet worden. Auch seine restliche Familie habe ihn als Ungläubigen bezeichnet. Seine Mutter habe aber seinen Bruder davon abgehalten, ihn weiter zu schlagen. Der Beschwerdeführer sei daraufhin nach Burco und anschließend nach Hargeysa gegangen und daraufhin geflohen.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.) und ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt sowie eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für 1 Jahr erteilt (Spruchpunkte II. und III.).

Begründend führte die belangte Behörde zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates – wie im angefochtenen Bescheid näher ausgeführt - im Wesentlichen aus, dass er seine Fluchtgeschichte nicht nachvollziehbar und zudem auch unplausibel, widersprüchlich sei und er sie lebensfremd geschildert habe. Außerdem sei für die belangte Behörde nicht ersichtlich, inwiefern er in anderen Teilen Somalias verfolgt worden wäre. Eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Somalia sei aber aufgrund der Versorgungs- und der allgemeinen Lage in Somalia und mangels Vorliegens einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht möglich.

5. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, in welcher im Wesentlichen dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften, geltend gemacht wurden.

6. Mit E-Mail vom 05.08.2024 legte er dem Bundesverwaltungsgericht seinen bei der belangten Behörde eingebrachten Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte vor.

7. Am 02.10.2024 fand die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt. Der Beschwerdeführer erschien in Begleitung seiner Rechtsvertretung und wurde unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Somali zu seiner Identität und Herkunft, den persönlichen Lebensumständen im Herkunftsstaat und zu seinen Fluchtgründen sowie seiner Situation im Fall seiner Rückkehr einvernommen. Der genaue Verhandlungsverlauf ist der Niederschrift der mündlichen Verhandlung zu entnehmen (OZ 5).

8. Mit Parteiengehör vom 28.02.2025 wurde dem Beschwerdeführer das aktuelle Länderinformationsblatt vom 16.01.2025, Version 7, übermittelt und ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt (OZ 7).

9. In der Stellungnahme vom 12.03.2025 führte der Beschwerdeführer im Wege seiner Rechtsvertretung im Wesentlichen aus, dass sich aus den Länderinformationen die Asylrelevanz des Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers ergebe und seine Furcht vor Verfolgung aufgrund seines Atheismus begründet sei (OZ 8).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und zu seinem Leben in Österreich:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Somalia, ehemals Moslem, aktuell Atheist und gehört dem Hauptclan der Isaaq, XXXX an. Seine Identität steht nicht fest. Der Beschwerdeführer spricht Somali. Er ist in XXXX , in der Region XXXX , Somaliland, geboren aufgewachsen. Er hat die Schule besucht, sowie ein Informatikstudium absolviert.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aus einem der von ihm genannten Gründe –konkret wegen seiner Abkehr vom Islam und seiner Angehörigkeit zum Atheismus – seinen Herkunftsstaat verlassen hat oder ihm aus diesen Gründen im Fall seiner Rückkehr eine konkrete Gefahr drohen würde.

Zur maßgeblichen Situation in Somalia wird folgendes festgestellt:

Zur allgemeinen Lage in Somalia werden folgende, für das gegenständliche Verfahren relevante Länderfeststellungen der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt (Wiedergabe der relevanten Auszüge des Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 16.01.2025, Version 7 COI-CMS):

Sicherheitslage und Situation in den unterschiedlichen Gebieten

Letzte Änderung 2025-01-09 08:04

Zwischen Nord- und Süd-/Zentralsomalia sind gravierende Unterschiede bei den Zahlen zu Gewalttaten zu verzeichnen (ACLED 2023). Auch das Maß an Kontrolle über bzw. Einfluss auf einzelne Gebiete variiert. Während Somaliland die meisten der von ihm beanspruchten Teile kontrolliert, wird die Lage über die Kontrolle geringer Teilgebiete von Puntland von al Shabaab beeinflusst (und in noch geringeren Teilen vom sogenannten Islamischen Staat in Somalia), während es hauptsächlich an Clandifferenzen liegt, wenn Puntland tatsächlich keinen Zugriff auf gewisse Gebiete hat. In Süd-/Zentralsomalia ist die Situation noch viel komplexer. In Mogadischu und den meisten anderen großen Städten hat al Shabaab keine Kontrolle, jedoch eine Präsenz. Dahingegen übt al Shabaab über weite Teile des ländlichen Raumes Kontrolle aus. Zusätzlich gibt es in Süd-/Zentralsomalia große Gebiete, wo unterschiedliche Parteien Einfluss ausüben; oder die von niemandem kontrolliert werden; oder deren Situation unklar ist (BMLV 7.8.2024).

Laut einer Quelle der FFM Somalia 2023 sind Hargeysa, Berbera, Burco, Garoowe und – in gewissem Maße – Dhusamareb sichere Städte. Alle anderen Städte variieren demnach von einem Grad zum anderen. Auch Kismayo selbst ist sicher, aber hin und wieder gibt es Anschläge. Bossaso ist im Allgemeinen sicher, es kommt dort aber zu gezielten Attentaten. Dies gilt auch für Galkacyo (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Laut einer weiteren Quelle sind auch Baidoa, Jowhar und Belet Weyne diesbezüglich innerhalb des Stadtgebietes wie Kismayo zu bewerten (BMLV 7.8.2024). Laut einer anderen Quelle sind alle Hauptstädte der Bundesstaaten relativ sicher (UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023).

Eine Quelle gibt die Lage mit Stand 28.6.2024 folgendermaßen wieder:

C:\Users\kattnere\AppData\Local\Microsoft\Windows\INetCache\Content.MSO\E40E611B.tmp PGN 28.6.2024

Critical Threats bietet einen Überblick über die spezifisch auf al Shabaab bezogene Situation für Somalia und Kenia (Karte vom April 2024):

C:\Users\kattnere\AppData\Local\Microsoft\Windows\INetCache\Content.MSO\636534E1.tmp CT/Karr/AEI 23.9.2024

ACLED bietet einen Überblick über die Vorfälle in Somalia innerhalb vier unterschiedlicher Monate des Jahres 2024:

(ACLED 29.11.2024; ACLED 28.10.2024; ACLED 30.9.2024; ACLED 31.7.2024)

Somaliland

Letzte Änderung 2025-01-10 07:25

Zum Konflikt um Laascaanood siehe Konflikt um Laascaanood / Khatumo-SSC

Somaliland hat im Vergleich zu anderen Teilen Somalias das größte Maß an Sicherheit, Stabilität und Entwicklung erreicht (AA 23.8.2024; vgl. ÖB Nairobi 10.2024). Das Land ist ein Leuchtturm relativen Friedens am Horn von Afrika (Cannon/Conversation 22.11.2024). Die Situation dort ist wesentlich besser als in Süd-/Zentralsomalia, die Sicherheitslage ist weitgehend stabil (ÖB Nairobi 10.2024). Eine Quelle der FFM Somalia 2023 erklärt dazu, dass Somaliland viele Fortschritte gemacht hat, dass Peacebuilding, Versöhnung und Staatsaufbau zu den großen Erfolgen gehören, die das Land erzielt hat (INGO-V/STDOK/SEM 5.2023). Bereits in den 1990er-Jahren wurde ein erfolgreicher Versöhnungsprozess abgeschlossen, der die Grundlage für die unabhängige und vergleichsweise erfolgreiche Staatsbildung bildete. Der Frieden in Somaliland bleibt jedoch laut einer Quelle fragil (BS 2024). Eine andere Quelle erklärt, dass Somaliland stabil, das politische System aber - aufgrund des Drei-Parteien-Systems - problembehaftet ist. Eine Fragilität ist demnach jedoch nicht zu erkennen, auch wenn politische Streitigkeiten mitunter zu Gewalt führen können (BMLV 7.8.2024). Eine weitere Quelle sieht in Somaliland - abseits des Konflikts um Laascaanood - ein Bollwerk gegen extremistische Bedrohungen, v. a. gegen al Shabaab (Sahan/SWT 14.2.2024).

Die Regierung kann die meisten der eigenen Gebiete regieren und dort Vorhaben umsetzen. Nur das Randgebiet zu Puntland und einige sehr entlegene ländliche Gebiete sind davon ausgenommen (BS 2024). Nach anderen Angaben endet die Kontrolle durch Somaliland etwa in der Mitte der Region Sanaag; in der Region Sool bei Oog; und auch das Gebiet Cayn in Togdheer wird demnach nicht von Somaliland kontrolliert (PGN 28.6.2024), wiewohl sich der Großteil von Togdheer unter Kontrolle Somalilands befindet. Die Regionen Woqooyi Galbeed und auch die Region Awdal werden zur Gänze von Somaliland kontrolliert - auch wenn der sogenannte "Awdal State" in letzter Zeit hie und da in Erscheinung tritt (BMLV 7.8.2024). Anders ausgedrückt kontrolliert die Regierung den Westen des Landes zu 100 %; im Osten wird ihr Anspruch teilweise herausgefordert (SECEX/STDOK/SEM 4.2023). Die Sicherheitskräfte können außerhalb der Regionen Sool und Sanaag in einem vergleichsweise befriedeten Umfeld ein höheres Maß an Sicherheit im Hinblick auf terroristische Aktivitäten und allgemeine Kriminalität herstellen als in anderen Landesteilen. Dies gilt insbesondere für die Regionen Awdal und Woqooyi Galbeed mit den Städten Hargeysa und Berbera (AA 3.6.2024).

Laut Angaben einer Quelle der FFM Somalia 2023 muss niemand aufgrund einer vorgeblich schlechten Sicherheitslage den Westen Somalilands verlassen, während im Osten des Landes Blutfehden einen Grund darstellen könnten. Die meisten Migranten verlassen das Land demnach aber auf der Suche nach wirtschaftlichen Möglichkeiten. Bei Frauen kann auch FGM oder eine bevorstehende Zwangs- oder Frühehe ein Grund sein (SOMNAT/STDOK/SEM 5.2023).

Städte: Hinsichtlich Hargeysa gibt es keine Sicherheitsprobleme. Die Kriminalitätsrate ist relativ niedrig. Wenn es zu einem Mord kommt, dann handelt es sich üblicherweise um einen gezielten Rachemord auf der Basis eines Clankonflikts (BMLV 7.8.2024). Die Diaspora investiert in der Stadt (Economist/L. Taylor 29.8.2024). Eine Quelle der FFM Somalia 2023 gibt an, dass manche Menschen Hargeysa als deutlich sicherer erachten als Nairobi. Die Mitarbeiter der Quelle können sich in Hargeysa jedenfalls frei bewegen. Auch in Berbera ist die Sicherheitslage demnach gut, die Stadt unproblematisch (MAEZA/STDOK/SEM 4.2023). Auch eine weitere Quelle erklärt, dass Hargeysa und Berbera sichere Städte sind (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Auch Burco ist relativ ruhig (BMLV 7.8.2024), gemäß Angaben einer Quelle der FFM Somalia 2023 ist diese Stadt sicher (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Laut einer anderen Quelle ist die Sicherheit dort hingegen nicht gleich gut wie in Hargeysa (MAEZA/STDOK/SEM 4.2023). Eine weitere Quelle erklärt, dass hinsichtlich der Städte Borama, Hargeysa, Berbera und Burco das größte Sicherheitsrisiko ein Verkehrsunfall ist (Omer/STDOK/SEM 4.2023). Eine andere Quelle gibt an, dass in diesen vier Städten - und in den größeren Städten generell - Rechtsstaatlichkeit herrscht. Die Behörden gewährleisten dort demnach die Sicherheit der Bevölkerung, es gibt keine großen Probleme mit Raub oder Mord. Generell ist Kriminalität kein großes Problem im täglichen Leben (INGO-V/STDOK/SEM 5.2023). Gemäß einer anderen Quelle stellen Jugendbanden in Hargeysa immer noch ein Problem dar, genauso wie Kleinkriminalität. Es gibt Arbeitslosigkeit und auch Drogenkonsum (SECEX/STDOK/SEM 4.2023). In der Kriminalstatistik der somaliländischen Polizei für das Jahr 2022 finden sich 27.801 registrierte Delikte. In 5.565 dieser Fälle wurden die Ermittlungen aus Mangel an Beweisen eingestellt, 11.320 wurden in gegenseitigem Einverständnis gelöst, 10.916 vor Gericht abgehandelt und entschieden und 540 befinden sich noch in Untersuchung. Im Jahr 2022 wurden 266 Vergewaltigungen angezeigt, diesbezüglich gab es 280 Beschuldigte. Davon wurden 240 gefasst. Außerdem wurden 60 Personen ermordet, 49 Mörder wurden verhaftet, auf elf Verdächtige laufen Haftbefehle (SD 4.11.2022). Im Jahr 2021 hatte es 89 Morde gegeben, 84 Verdächtige wurden in Haft genommen (SD 4.11.2021).

In Somaliland sind im Jahr 2024 bis inklusive August aufgrund von Konflikt und Unsicherheit kaum Menschen vertrieben worden: 1.000 in Sool, 400 in Togdheer, 200 in Sanaag und keine in der Hauptstadtregion Woqooyi Galbeed sowie in Awdal (UNHCR 2024). Im Jahr 2023 waren es noch 232.000 Vertriebene (UNHCR 2023). [Anm.: Nahezu alle Vertriebenen standen damals in Zusammenhang mit dem Konflikt um Laascaanood; siehe Konflikt um Laascaanood / Khatumo-SSC.]

Al Shabaab konnte in Somaliland nicht Fuß fassen (ÖB Nairobi 10.2024; vgl. JF 18.6.2021). Die Gruppe kontrolliert keine Gebiete in Somaliland (AA 23.8.2024), und es gibt dort auch keine signifikanten Aktivitäten von al Shabaab. Die Gruppe kann dort auch keine "Steuern" einheben (BMLV 7.8.2024).

Mehrere Quellen der FFM Somalia 2023 geben an, dass es seit 2008 keine relevanten terroristischen Angriffe gegeben hat (SECEX/STDOK/SEM 4.2023; vgl. MAIO-G/STDOK/SEM 4.2023; INGO-V/STDOK/SEM 5.2023). Somaliland hat bemerkenswerte Kapazitäten aufgebaut. Durch die Glaubwürdigkeit der bestehenden Institutionen entstand Vertrauen der Öffentlichkeit in die Verwaltung. Dies wiederum erschwert al Shabaab ihre Operationen (Schwartz/HO 12.9.2021). Neben formellen nachrichtendienstlichen Netzen gibt es ein informelles Netz an Nachbarschaftswachen (BMLV 9.2.2023). Die Regierung setzt auf Älteste, lokale Behördenvertreter und besorgte Bürger; und darauf, dass diese verdächtige Aktivitäten und Neuankömmlinge bei der Polizei oder beim Geheimdienst melden (JF 18.6.2021). Dementsprechend werden terroristische Pläne immer wieder durch Sicherheitskräfte vereitelt und Operateure der al Shabaab verhaftet (Weiss/FDD 11.8.2021), bzw. von Personen, die der Tätigkeit für al Shabaab verdächtigt werden (SECEX/STDOK/SEM 4.2023; vgl. MAIO-G/STDOK/SEM 4.2023) - z. B. sieben Verhaftungen im Jänner 2024 (Halqabsi 29.1.2024). Und als etwa im November 2019 Kämpfer der al Shabaab aus Puntland in die Garof-Berge im Osten der Region Sanaag vordrangen, wurde dies rasch gemeldet. In der Folge gelang es einer lokalen Miliz und ausgewählten Armee- und Polizeieinheiten, al Shabaab zu vertreiben. Ähnliche Vorgänge haben sich Mitte 2021 wiederholt, auch damals wurde der Vorstoß eingedämmt. Wenn also al Shabaab Orte in Sanaag aufsucht, dann kommt es mitunter zu Predigten; i.d.R. ziehen sich Angehörige der Gruppe dann aber schnell wieder in die Berge zurück (BMLV 7.8.2024).

Eine Quelle der FFM Somalia 2023 erklärt, dass man in Somaliland vor al Shabaab einigermaßen sicher ist. Auch wenn es ggf. zu Drohungen kommen kann, mangelt es der Gruppe dort an Kapazitäten und Personal, al Shabaab kann nicht agieren (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Eine andere Quelle bestätigt dies (BMLV 7.8.2024). Eine andere Quelle der FFM gibt an, dass Hargeysa von al Shabaab möglicherweise als sicherer Hafen genutzt wird (SECEX/STDOK/SEM 4.2023). Die Gruppe verfügt über eine Präsenz, wird aber nicht aktiv (SECEX/STDOK/SEM 4.2023; vgl. MAEZA/STDOK/SEM 4.2023), stellt keine Regeln auf und errichtet keine Checkpoints (SECEX/STDOK/SEM 4.2023). Eine Quelle erklärt, dass auch Verfolgungshandlungen von al Shabaab gegen Personen in Somaliland generell unbekannt sind (BMLV 7.8.2024). Es konnten in den konsultierten Quellen keine Informationen gefunden werden, wonach Deserteure von al Shabaab in Somaliland gefährdet wären.

Der Nachrichtendienst von al Shabaab (Amniyat) verfügt in Somaliland über ein Netzwerk an Informanten bzw. unterhält die Gruppe in größeren Städten Schläferzellen. Die Grenzgebiete zu Puntland sind für eine Infiltration durch al Shabaab anfällig. Dort versucht die Gruppe, lokale Clans, die sich von der Regierung diskriminiert fühlen, für sich zu gewinnen (BMLV 7.8.2024). Dies gilt etwa für die in Sanaag vorherrschenden Warsangeli. Im nordwestlichen Puntland ist dies der Gruppe teilweise gelungen. In Sanaag hingegen stellen sich lokale Milizen gegen al Shabaab (Weiss/FDD 12.9.2022). Trotzdem konnte al Shabaab in den letzten Jahren fast unmerklich in Somaliland vordringen - insbesondere in der Region Sanaag (ICG 10.11.2022). Laut einer Quelle der FFM Somalia 2023 durchqueren Angehörige der Gruppe manchmal den Bezirk Ceerigaabo "in peaceful transit" – in Konvois, mit weißen Fahnen. Die lokalen Gemeinden akzeptieren al Shabaab, es kommt auch zu Eheschließungen (SECEX/STDOK/SEM 4.2023). Außerdem versucht al Shabaab, den SSC-Khatumo zu unterwandern. Gleichzeitig sind die Kämpfer der Gruppe in Sanaag eher darauf bedacht, sich nicht erwischen zu lassen (BMLV 7.8.2024).

Am 11.9.2022 ist es zu einem der äußerst seltenen Anschläge in Somaliland gekommen. Im Dorf Milxo (Sanaag, Bezirk Laasqoray) kamen fünf Menschen ums Leben, als ein Selbstmordattentäter in einem Teehaus einen Sprengsatz zündete. Niemand hat sich zu dem Anschlag bekannt, eine Täterschaft von al Shabaab wird lediglich vermutet (Weiss/FDD 12.9.2022). Generell hat die Gruppe angekündigt, aufgrund des sogenannten Maritime Agreement zwischen Somaliland und Äthiopien seine Aktivitäten in Somaliland verstärken zu wollen (Halqabsi 29.1.2024).

Clankonflikte bestehen wie überall in Somalia auch in Somaliland, und es kann zu Auseinandersetzungen und Racheakten kommen, die zivile Opfern fordern. Clankonflikte stellen aber kein Sicherheitsproblem dar, das die politische Stabilität der Region gefährdet (ÖB Nairobi 10.2024; vgl. BMLV 7.8.2024). Derartige Konflikte konzentrieren sich zudem in den Regionen Sanaag und Sool (ÖB Nairobi 10.2024; vgl. Omer/STDOK/SEM 4.2023; SOMNAT/STDOK/SEM 5.2023; INGO-V/STDOK/SEM 5.2023) und sind i.d.R. lokal begrenzt (Omer/STDOK/SEM 4.2023). So bekämpfen sich beispielsweise die Isaaq-Clans der Habr Jeclo und Habr Yunis immer wieder in Ceel Afweyn (Sanaag) (Omer/STDOK/SEM 4.2023). Laut einer Quelle der FFM Somalia 2023 können zwar Männer aus Ostsomaliland von anhaltenden Blutfehden betroffen sein; in Westsomaliland ist die Situation demnach aber anders (SOMNAT/STDOK/SEM 5.2023).

Den Behörden ist es gelungen, einen relativ wirksamen Schutz gegen Banden und Milizen zu gewährleisten (AA 23.8.2024). Üblicherweise werden Landstreitigkeiten auf traditionellem Wege geklärt - durch Älteste (SECEX/STDOK/SEM 4.2023; vgl. Omer/STDOK/SEM 4.2023). Die Regierung greift auch in Clankonflikte ein, etwa im Bereich Balli Samatar (Togdheer), wo die Polizei gemeinsam mit Ältesten aufgrund gewalttätiger Auseinandersetzungen interveniert hat (SOCOM 24.9.2023). Bei einem anderen Beispiel, bei welchem im Umfeld von Burco fünf Menschen getötet und sechs verletzt worden sind, kam es zu einer Versöhnungskonferenz. Diese wurde von mehreren Ministern Somalilands geleitet (SLST 21.6.2023). I.d.R. folgt im Fall von Clankonflikten ein Aufruf der Regierung an die betroffenen Ältesten, eine Konfliktlösung herbeizuführen. Bei einer weiteren Eskalation schreiten Sicherheitskräfte ein, und die Regierung versucht, das Problem eigenständig zu lösen. Dieser Ansatz ist nicht immer erfolgreich (STDOK 8.2017). Laut einer Quelle der FFM Somalia 2023 greift die Regierung in Konflikte hingegen nur dann ein, wenn sie selbst Interesse am Streitgegenstand hat (SECEX/STDOK/SEM 4.2023). Laut einer anderen Quelle greift die Regierung erst nach einer Eskalation über die lokale Ebene hinweg ein. Ansonsten setzt sie auf eine Regelung von Konflikten durch Älteste (BMLV 7.8.2024). Als Normalbürger betroffen ist man durch Clankonflikte v. a. hinsichtlich der Bewegungsfreiheit, weil man die Konfliktgebiete nicht bereisen kann. Grundsätzlich sind nur die involvierten Clans betroffen (Omer/STDOK/SEM 4.2023).

In der Region Awdal gibt es (wieder) Separatisten der Gadabursi, die entsprechenden Bestrebungen wurden von der Diaspora angezettelt. Es kommt zu kleineren Schießereien mit Vertretern des "Awdal State". Auch hier ist eine Eskalation unwahrscheinlich (BMLV 7.8.2024). Für diese Separatisten gibt es abseits der Diaspora keine Unterstützung der Gadabursi vor Ort (AQ21 11.2023; vgl. Omer/STDOK/SEM 4.2023; BMLV 14.9.2023). Diese sind seit Langem in das politische System Somalilands erfolgreich integriert (AQ21 11.2023).

Östliches Grenzgebiet [siehe dazu auch Unterkapitel Sicherheitslage / Somaliland / SSC-Khatumo]: Die Grenze zu Puntland (AA 23.8.2024) bzw. die östlichen Teile der Regionen Sool und Sanaag sowie der Bezirk Buuhoodle (Togdheer) sind umstritten (BS 2024). Laut puntländischer Verfassung ist die gesamte Region Sool Teil Puntlands. Dies gilt auch für Sanaag (ohne den Bezirk Ceel Afweyn und den nordöstlichen Teil des Bezirks Ceerigaabo) sowie den Bezirk Buuhoodle in Togdheer (MBZ 6.2023). Entlang dieser Grenze gibt es ein Nebeneinander von puntländischen und somaliländischen Institutionen. Der Streifen reicht 30-50 km nach Somaliland hinein. Sowohl die Polizei als auch die Verwaltungen beider Seiten arbeiten dort Seite an Seite. Im Rahmen von Wahlen und Wählerregistrierung kommt es mitunter zu Spannungen, die sich üblicherweise wieder legen. Keine der Verwaltungen verfügt in diesen Gebieten über die absolute Kontrolle (SECEX/STDOK/SEM 4.2023). Nach den Auseinandersetzungen um Laascaanood bildet der SSC-Khatumo einen Puffer zwischen Somaliland und Puntland (BMLV 7.8.2024).

Vorfallszahlen: In den somaliländischen Regionen Awdal (571.230), Sanaag (325.136), Sool (478.265), Togdheer (780.092) und Woqooyi Galbeed (1.313.146) leben nach Angaben einer Quelle 3,467.869 Einwohner (IPC 13.12.2022). Im Vergleich dazu meldete die ACLED-Datenbank im Jahr 2022 insgesamt 22 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden (Kategorie "Violence against Civilians"). Bei 16 dieser 22 Vorfälle wurde jeweils ein Zivilist oder eine Zivilistin getötet. Im Jahr 2023 waren es 14 derartige Vorfälle (elf davon mit je einem Toten) (ACLED 12.1.2024). In der Zusammenschau von Bevölkerungszahl und Violence against Civilians ergeben sich für 2023 folgende Zahlen (Vorfälle von "Violence against Civilians" je 100.000 Einwohner): Awdal 0,18; Sanaag 1,23; Sool 1,46; Togdheer 0,13; Woqooyi Galbeed 0,08; [Anm.: Die Zahlen könnten noch um einiges niedriger sein, da manche Quellen für Somaliland eine viel höhere Bevölkerungszahl nennen. So geht BBC von 5,7 (BBC 2.1.2024) und al Jazeera oder der Economist von 6 Millionen Einwohnern aus (AJ 19.11.2024; vgl. Economist/L. Taylor 29.8.2024).]

In der Folge eine Übersicht für die Jahre 2013-2023 zur Gesamtzahl an Vorfällen mit Todesopfern sowie zur Subkategorie "Violence against Civilians", in welcher auch "normale" Morde inkludiert sind. Die Zahlen werden in zwei Subkategorien aufgeschlüsselt: Ein Todesopfer; mehrere Todesopfer. Es bleibt zu berücksichtigen, dass es je nach Kontrolllage und Informationsbasis zu over- bzw. under-reporting kommen kann; die Zahl der Todesopfer wird aufgrund der Schwankungsbreite bei ACLED nicht berücksichtigt:

C:\Users\kattnere\AppData\Local\Microsoft\Windows\INetCache\Content.MSO\A30DE4C1.tmp ACLED 12.1.2024

Konflikt um Laascaanood / Khatumo-SSC / Dhulbahante

Letzte Änderung 2025-01-10 07:31

Hintergrund: Dhulbahante finden sich in allen Regierungen: in Somaliland, in Puntland und auch in der somalischen Bundesregierung (Sahan/STDOK/SEM 4.2023). So sind etwa der aktuelle Vizepräsident Puntlands und auch der Sprecher des somaliländischen Unterhauses Dhulbahante (BMLV 7.8.2024). Der im November 2024 neugewählte Präsident Somalilands hat in seinem neuen Ministerkabinett einen Dhulbahante und zwei Warsangeli (Horn 14.12.2024).

1993 hat der Clanführer (Garaad) der Dhulbahante das Abkommen zur inneren Einigung Somalilands mit unterzeichnet. Bereits 1998 kam es zu Meinungsverschiedenheiten mit der Regierung, Garaad Jama wendete sich nach Puntland, bei dessen Errichtung sich die Dhulbahante beteiligten. Von da an wechselten die Dhulbahante mehrfach die Seite (Omer/STDOK/SEM 4.2023). Ein Argument, das im Rahmen des Konflikts immer wieder gegen Somaliland ins Feld geführt wurde, ist die Vernachlässigung der Dhulbahante-Gebiete durch die Regierung in Hargeysa (Omer/STDOK/SEM 4.2023) bzw. dass der Clan durch das von Isaaq dominierte Regierungssystem Somalilands sowohl politisch als auch wirtschaftlich an den Rand gedrängt worden ist (Sahan/SWT 19.6.2023; vgl. Economist/L. Taylor 29.8.2024).

Eskalation: In den vergangenen Jahren war es in Laascaanood (Sool) immer wieder zu Morden und Attentaten gekommen, ohne dass die Taten aufgeklärt worden sind. Unter den Opfern fanden sich u. a. Sicherheitsbeamte, Clanälteste, Wirtschaftstreibende und Aktivisten (Sahan/SWT 4.1.2023; vgl. Economist/L. Taylor 29.8.2024). Die Attentatsserie begann 2009. Aktivisten der Dhulbahante argumentierten, dass Somaliland eine große Militär- und Polizeipräsenz in Laascaanood hatte, es aber zu keinen bedeutenden Verhaftungen gekommen war (Norman/AFRA 3.3.2023), und die Regierung nicht ausreichend für Sicherheit gesorgt hat (Sahan/SWT 19.6.2023). Diesbezüglich ist zu erwähnen, dass es innerhalb der Dhulbahante seit langer Zeit Spaltungen gibt. Zudem hat eine beträchtliche Anzahl der Ermordeten einem Subclan angehört, der weitgehend als pro-somaliländisch gilt (Norman/AFRA 3.3.2023). Gleichzeitig war laut einer Quelle al Shabaab seit Anfang der 2000er-Jahre in Laascaanood präsent. Somaliland hat der Gruppe eine Reihe von Attentaten und Bombenanschlägen in der Stadt angelastet, es ist auch zu diesbezüglichen Verurteilungen gekommen (Sahan/SWT 19.6.2023). Manche Dhulbahante machten hingegen Hargeysa für die Mordserie verantwortlich (Economist/L. Taylor 29.8.2024; vgl. Sahan/SWT 19.6.2023). Die Regierung in Hargeysa wies jedoch jede Verwicklung in diese gezielten Tötungen in Laascaanood zurück (Economist/L. Taylor 29.8.2024; vgl. RD 2.1.2023). Gleichzeitig hat der somalische Außenminister später angegeben, dass die Bundesregierung dazu beigetragen hatte, dass sich die Unzufriedenheit der Bewohner von Sool mit der somaliländischen Regierung verstärkt hat (Sahan/SWT 26.4.2024).

Die unaufgeklärten Morde waren jedenfalls Ende 2022 der Funke zur Eskalation (INGO-V/STDOK/SEM 5.2023). Dies galt insbesondere für den Mord an einem Blogger bzw. Jungpolitiker der Opposition (Norman/AFRA 3.3.2023; vgl. Sahan/SWT 4.1.2023), einem prominenten Dhulbahante (MAIO-G/STDOK/SEM 4.2023), im Dezember 2022. In der Folge kam es Ende Dezember 2022 in Laascaanood zu mehrtägigen - mitunter gewaltsamen - Protesten (SD 29.12.2022; vgl. INGO-V/STDOK/SEM 5.2023). Bei den auch über den Jahreswechsel anhaltenden Unruhen sind 20-40 Menschen getötet worden (Sahan/SWT 4.1.2023; vgl. RD 2.1.2023; Norman/AFRA 3.3.2023). Die somaliländische Polizei hatte unproportional Gewalt angewendet. Bei den meisten getöteten Personen handelte es sich um Zivilisten, aber auch Angehörige der Sicherheitskräfte fanden sich unter den Opfern (Sahan/SWT 4.1.2023).

Im Zuge der Eskalation in Laascaanood kamen Garaads der Dhulbahante in die Stadt, um die Zukunft des Clans zu diskutieren (INGO-V/STDOK/SEM 5.2023). In der Folge kam es zu einem Abkommen der separatistischen Sool-Sanaag-Cayn-(Khatumo)-Miliz (SSC-Khatumo) mit den Garaads (Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Anfang Feber 2023 erklärten die Ältesten in Laascaanood, dass sie sich von Somaliland lösen und wieder Somalia beitreten wollten (BAMF 13.2.2023; vgl. INGO-V/STDOK/SEM 5.2023; NLM/Barnett 7.8.2023). Sie erklärten die Autonomie der Gebiete von Sool, Sanaag und Cayn (BMLV 9.2.2023). Begründet wurde der Schritt u. a. mit einem Mangel an Sicherheit sowie ungleicher Macht- und Ressourcenverteilung (INGO-V/STDOK/SEM 5.2023).

Unmittelbar nach der Autonomieerklärung kam es zu Auseinandersetzungen. Es brachen Kämpfe zwischen Sicherheitskräften Somalilands und lokalen Kämpfern bzw. Clanmilizen aus (BMLV 9.2.2023; vgl. BAMF 13.2.2023). Nach den ersten Zusammenstößen haben sich die somaliländischen Truppen aus der Stadt selbst zurückgezogen, um die Spannungen zu entschärfen (NH 13.6.2023; vgl. Norman/AFRA 3.3.2023). Die Kampfhandlungen dauerten jedoch weiter an, es kam auch zum Einsatz von Artillerie und Steilfeuer (BAMF 27.2.2023; vgl. IO-D/STDOK/SEM 4.2023). Im Zuge der Kampfhandlungen wurden im Zeitraum Ende Dezember 2022 bis Juni 2023 laut UNSOM 87 Zivilisten getötet und 465 verletzt (HRW 11.1.2024). Nach anderen Angaben wurden insgesamt mehr als 300 Menschen getötet und über 600 verletzt - darunter Dutzende Zivilisten (ÖB Nairobi 10.2024).

Am 25.8.2023 eroberte SSC-Khatumo den wichtigen Militärstützpunkt in Gooja'ade in der Nähe von Laascaanood. Bei den Kämpfen wurden Dutzende somaliländische Soldaten getötet, Hunderte weitere als Kriegsgefangene genommen (Sahan/SWT 18.9.2023). Zu weiteren Gefechten und Kampfhandlungen kam es am 9. und 11.10.2023 (BMLV 1.12.2023) sowie zwischen 8. und 23.11.2023 (UNSC 2.2.2024). U. a. haben Rebellen des SSC-Khatumo ein Dorf der Isaaq / Habr Jeclo niedergebrannt, Zivilisten wurden getötet. Der Handel in Richtung Somaliland/Berbera blieb auch danach weitgehend unterbrochen (AQ21 11.2023).

Aktuelle Lage: Die Front verläuft nun östlich von Caynaabo (BMLV 7.8.2024) und steht etwa 100 Kilometer westlich von Laascaanood (ICG 6.3.2024). Der SSC-Khatumo steht bei Guumeys, Somaliland bei Oog (HIPS 7.5.2024). Die Front ist stark militarisiert. Beide Seiten stehen sich misstrauisch gegenüber (ICG 6.3.2024; vgl. AA 23.8.2024). Anfang November 2024 kam es im Vorfeld der somaliländischen Wahlen zu mehrtägigen Auseinandersetzungen an der Front von Qorilugud und Shanged im Bereich Buuhoodle, es gab Tote und Verletzte (SD 2.11.2024; vgl. Mog24 2.11.2024; SD 3.11.2024). Nach den Wahlen hatte der neue somaliländische Präsident angegeben, den Konflikt friedlich lösen zu wollen (SG 15.12.2024). Allerdings kam es danach in Sanaag zu Auseinandersetzungen [siehe weiter unten].

SSC-Khatumo - "Bundesstaat" und innere Spannungen: Bis zum aktuellen Konflikt wurden "SSC" und "Khatumo" immer nur von Handlangern der Diaspora betrieben. Die Führung lag immer bei der Diaspora. Diesmal konnte man aber den Clanführer der Dhulbahante für sich gewinnen, der neben der traditionellen Rolle nun auch eine politische Rolle innehat (BMLV 14.9.2023). Der SSC-Khatumo möchte ein eigener somalischer Bundesstaat werden (AA 23.8.2024; vgl. NH 13.6.2023; GO 23.12.2023). Dies bedeutet, dass sowohl die Ansprüche Somalilands als auch frühere Ansprüche Puntlands auf das Territorium abgelehnt werden (NH 13.6.2023). Allerdings wird nur die Region Sool vorwiegend von Dhulbahante bewohnt. "SSC" bezieht sich aber auf drei Teile, die einen Bundesstaat Somalias ausmachen sollen. Anders als in Sool, gibt es in Sanaag nur wenige Dhulbahante, hingegen viele Isaaq und Warsangeli. Und im Bezirk Caynaabo ("Cayn") wohnen laut einer Quelle v. a. Isaaq (Omer/STDOK/SEM 4.2023). Insgesamt repräsentiert der SSC-Khatumo daher nur einen Teil von Togdheer und einen Teil der Region Sool, steht aber jedenfalls nicht für Sanaag, für die Warsangeli (BMLV 14.9.2023). Der Suldan der Warsangeli hat angegeben, sich nicht an diesem Konflikt beteiligen zu wollen. Die Mehrheit dieses Clans steht außerhalb des SSC-Khatumo (Omer/STDOK/SEM 4.2023; vgl. AQ21 11.2023). Auch im Zuge der Auseinandersetzungen um Ceerigaabo (Sanaag) im Dezember 2024 [siehe weiter unten] hat sich ein Suldan der Warsangeli dagegen verwehrt, dass der SSC-Khatumo seinen Clan repräsentieren würde (PP 19.12.2024). Ein eigener Bundesstaat ist aber keine Option, solange die Warsangeli diesen nicht befürworten (BMLV 4.7.2024). Und gleichzeitig spricht der SSC-Khatumo nach wie vor nur für einen Teil der Dhulbahante (BMLV 7.8.2024). Nicht alle wollen einen eigenen Bundesstaat; manche wollen ein Teil Puntlands werden, einige wenige unterstützen den Verbleib bei Somaliland - v. a. Dhulbahante aus dem westlichen Teil von Sool (Omer/STDOK/SEM 4.2023).

SSC-Khatumo - Verwaltung: Im Juli 2023 hat der SSC-Khatumo bzw. haben die Garaads einen 45-köpfigen Rat eingesetzt (NLM/Barnett 7.8.2023; vgl. Economist/L. Taylor 29.8.2024). Im August 2023 hat der Rat Abdikadir Ahmed Aw-Ali als Führer und Mohamed Abdi Ismail als Stellvertreter der Verwaltung gewählt. Im September 2023 ernannte Abdikadir Ahmed ein neunköpfiges Kabinett (CSC-SSC 26.3.2024). Tatsächlich ist aber Garaad Jama der mächtigste Mann im "Staat" (Economist/L. Taylor 29.8.2024).

Laut einem Bericht vom Anfang des Jahres 2024 fehlen im Bereich des SSC-Khatumo immer noch staatliche Dienste. Es gibt kein funktionsfähiges Gerichtssystem, der Polizei mangelt es an Kapazitäten und Ausbildung. Etwa 120 Polizisten wurden rekrutiert. Insgesamt ist die Verwaltung schwach, laut einer Quelle gibt es in der Stadt häufig Gewalttaten (HRCSL 3.2024). Im August 2024 verlautbarte die Übergangsverwaltung ein Waffentrageverbot für Laascaanood (GN 22.8.2024; vgl. Sahan/SWT 26.8.2024), nachdem es in der Stadt zu mehreren ungeklärten Morden gekommen ist, und die Stadt mit zunehmender Unsicherheit zu kämpfen hat (GN 22.8.2024). Eine Quelle erklärt, dass sich das Verbot u. a. auch gegen eine Einheit der al Shabaab innerhalb des SSC-Khatumo richtet (Sahan/SWT 26.8.2024).

SSC-Miliz: Einschließlich der Milizen in Cayn verfügt SSC-Khatumo über 3.000-4.000 lose organisierte Kämpfer (BMLV 7.8.2024). Viele kommen von auswärts und haben seit Jahren keinen Fuß mehr nach Laascaanood gesetzt. Soldaten der Bundesarmee, der Sicherheitskräfte Puntlands und der somaliländischen Armee desertieren entlang der Clanlinien, um sich SSC-Khatumo bzw. Clanmilizen anzuschließen (NLM/Barnett 7.8.2023). Auch aus der Diaspora strömten Dutzende heran (Sahan/SWT 11.9.2023). All diese Kräfte, die nominell als SSC-Khatumo gelten, schlossen sich entlang der Subclans zu verschiedenen Einheiten zusammen. So gibt es Milizlager der Dhulbahante / Yahye, der Majerteen / Isse Mohamud, der Dhulbahante / Ugaadhyahan, der Majerteen / Osman Mohamud usw. Dementsprechend gibt es auch kein gemeinsames Kommando (NLM/Barnett 7.8.2023). Seitens der Warsangeli beteiligen sich nur einzelne Kämpfer (BMLV 14.9.2023; vgl. Omer/STDOK/SEM 4.2023). Die Kämpfer des SSC-Khatumo dienen aus eigener Motivation, sie sind Freiwillige, die keinen Sold, keine Ausbildung und auch keine Angelobung erhalten (NLM/Barnett 7.8.2023).

Kriegsgefangene: Eine Quelle der FFM Somalia 2023 erklärt, dass Somaliland die Kämpfer des SSC-Khatumo als Terroristen erachtet (IO-D/STDOK/SEM 4.2023). Laut einer anderen Quelle werden die Gefangenen gut behandelt und vermutlich nicht vor Gericht gestellt, sondern nach Ende des Konflikts freigelassen (Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Der SSC-Khatumo hat angekündigt, Kriegsgefangene in Einklang mit islamischem und Gewohnheitsrecht sowie mit internationalen Normen zu behandeln. Jene Kriegsgefangenen, die ‘Kriegsverbrechen’ verübt haben, werden demnach vor Gericht gestellt (HO 29.8.2023). In Laascaanood werden vom SSC-Khatumo rund 300 Personen als Kriegsgefangene in Haft gehalten (HRCSL 3.2024).

Puntland ist für den SSC-Khatumo die Lebensader, von dort kommen Waffen und Versorgung (NLM/Barnett 7.8.2023). Zu den militärischen Anführern des Aufstandes zählten auch mehrere Offiziere puntländischer Sicherheitskräfte "in Karenzierung" (AQ21 11.2023). Offiziell hat sich Puntland jedenfalls nicht beteiligt (AA 23.8.2024). Puntland hat in den letzten Monaten keine Partei für den SSC-Khatumo ergriffen. Ein Grund dafür ist, dass der SSC-Khatumo ein eigener somalischer Bundesstaat werden möchte und aus puntländischer Sicht damit auf der Seite von Präsident Hassan Sheikh Mohamud steht (BMLV 7.8.2024). Zwischen der Verwaltung des SSC-Khatumo und Puntland herrscht ein gespanntes Verhältnis (HO 22.11.2024).

Somalische Bundesregierung: Die Bundesregierung hat den SSC-Khatumo bislang lediglich als "legitimate administrative authority" bzw. als Übergangsverwaltung anerkannt, nicht aber als Bundesstaat (Sahan/SWT 26.4.2024; vgl. BMLV 7.8.2024; Economist/L. Taylor 29.8.2024).

Buuhoodle (Cayn): Quellen der FFM Somalia 2023 erklären: Es gibt zwar einen somaliländischen Bürgermeister für Buuhoodle, dieser residiert aber nicht in der Stadt. Es gibt dort keine physische Präsenz Somalilands (Omer/STDOK/SEM 4.2023), und dieser Teil des beanspruchten Gebiets steht auch definitiv nicht unter Kontrolle der Regierung (SECEX/STDOK/SEM 4.2023). Einige Kilometer vor Buuhoodle "endet" Somaliland, der letzte von der Regierung kontrollierte Ort ist demnach Qoorlugud (SECEX/STDOK/SEM 4.2023; vgl. Omer/STDOK/SEM 4.2023). In Buuhoodle wohnen Dhulbahante, die Stadt wird im Wesentlichen von ihnen selbstverwaltet (SECEX/STDOK/SEM 4.2023; vgl. Omer/STDOK/SEM 4.2023). Die Stimmung ist pro-Puntland. Es gibt dort keine somaliländischen Flaggen, keine somaliländischen Nummerntafeln. Somaliland respektiert diesen Zustand (SECEX/STDOK/SEM 4.2023).

Sanaag: Auf dem Gebiet der Warsangeli sind beide Verwaltungen - jene aus Puntland und jene aus Somaliland - vertreten. Beide sind für die Menschen vor Ort nützlich, die Warsangeli pflegen zu beiden Seiten gute Kontakte (Omer/STDOK/SEM 4.2023). Von einer Quelle wird der ländliche Raum von Sanaag bis etwa ein Drittel westwärts der Grenze zu Puntland als von Puntland kontrolliert angegeben. Für die Orte im Nordosten der Region – insbesondere Badhaan und Laasqoray – wird die Kontrolle als 'gemischt' angegeben (AQ15 8.2023). Eine Quelle bestätigt, dass das östliche Drittel von Sanaag eher von Puntland kontrolliert wird (BMLV 7.8.2024). Nach anderen Angaben fällt hingegen die östliche Hälfte von Sanaag v. a. in die Kategorie "Kontrolle unklar" (PGN 28.6.2024). Der Bezirk Caynaabo wird nach Angaben einer Quelle vom SSC-Khatumo kontrolliert (ACLED 30.9.2024).

Im August 2024 kam es nahe Ceerigaabo zwischen Isaaq / Habr Yunis / Muse Ismail und Dhulbahante / Naleeye Ahmed zu Kampfhandlungen. Mindestens neun Menschen wurden dabei getötet. Die somaliländische Regierung entsandte Sicherheitskräfte nach Ceerigaabo (ACLED 30.9.2024). Der Konflikt ereignete sich v. a. in Goof (ca. 40 Kilometer entfernt von Ceerigaabo) und hat sich zuletzt an der Ermordung eines prominenten Unterstützers des SSC-Khatumo entzündet (HO 29.8.2024). Im November 2024 hat die Regierung eine Ausgangssperre über Ceerigaabo verhängt, nachdem es dort zu Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppen gekommen ist. Dabei waren mehrere Todesopfer zu beklagen (HO 26.11.2024). Mitte Dezember ist es um Ceerigaabo erneut zu schweren Kämpfen zwischen Kräften Somalilands und des SSC-Khatumo gekommen (SD 15.12.2024). Eine Quelle berichtet von 15 Todesopfern. Demnach haben mit dem SSC-Khatumo verbündete Milizen die Eskalation mit einem Angriff auf somaliländische Sicherheitskräfte ausgelöst (SG 15.12.2024). Zuvor hatte der SSC-Khatumo Somaliland beschuldigt, in Ceerigaabo gezielt Zivilisten zu töten (SG 15.12.2024; vgl. SMN 18.12.2024). Gemäß anderen Quellen gab es sieben Todesopfer und zahlreiche Verletzte - darunter auch Zivilisten. Somaliland hat i.d.F. seine stärkste Militäreinheit nach Ceerigaabo verlegt (GO 18.12.2024; vgl. SMN 18.12.2024). Laut Vereinten Nationen, die den Vorgang als "Clan Violence" titulierten, haben 43.000 Menschen v. a. in benachbarten Gebieten Zuflucht gesucht (UN OCHA 18.12.2024).

Ethnische Spannungen bzw. Diskriminierung aufgrund des Konflikts um Laascaanood - Ergebnisse der FFM Somalia 2023 (4.-5.2023):

Letzte Änderung 2025-01-10 07:33

Isaaq und Dhulbahante sind eng miteinander verwoben. Es sind die zwei am stärksten durch Mischehen verbundenen Clans in Somalia. Alleine in Hargeysa gibt es 60-70 % Mischehen. Hier erkennt man die Clans nicht einmal an ihrem Dialekt - weil sie eben so durchmischt sind (Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Dhulbahante sind in Hargeysa sehr präsent (MAEZA/STDOK/SEM 4.2023).

Ihm Rahmen des Konflikts um Laascaanood wurden Familien auf die Zerreißprobe gestellt (Sahan/STDOK/SEM 4.2023). V. a. zu Beginn des Konflikts gingen die Emotionen hoch (SECEX/STDOK/SEM 4.2023). Manche Dhulbahante sahen die Verlustzahlen der Kämpfe im Osten und befürchteten, dass an ihnen Rache genommen werden wird (Scholar/STDOK/SEM 5.2023). Eine andere Quelle erklärt, dass sich Dhulbahante stigmatisiert gefühlt haben, und deshalb Hargeysa verlassen haben (MAIO-G/STDOK/SEM 4.2023). Eine Quelle macht für diese Ängste grundsätzlich auch Social Media verantwortlich. [Zitat] "In den ersten Wochen ging es auf den Sozialen Medien verrückt zu. Ehefrauen sagten auf TikTok: 'Ich lasse mich von meinem Mann scheiden, weil er ein Dhulbahante ist.'" (Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Insgesamt war im Rahmen des Konflikts um Laascaanood ein teils erschreckendes Niveau an ethnisch geprägter, sog. hate speech auf beiden Seiten zu beobachten, angestachelt insbesondere durch die Diaspora (AA 23.8.2024; vgl. Omer/STDOK/SEM 4.2023).

Als die Kämpfe in Laascaanood begonnen haben, gab es vereinzelte Berichte über Vorfälle gegen Dhulbahante. So soll in Burco eine junge Frau von anderen jungen Frauen verprügelt worden sein. Auch aus Hargeysa kamen derartige Berichte (Scholar/STDOK/SEM 5.2023). So entstanden immer größere Spannungen und schließlich verließen manche Dhulbahante die Städte (Omer/STDOK/SEM 4.2023), flohen aus Borama, Burco (Scholar/STDOK/SEM 5.2023; vgl. INGO-V/STDOK/SEM 5.2023) oder Hargeysa - aus Angst. Sie wollten kein Risiko eingehen (SOMNAT/STDOK/SEM 5.2023). Viele von denen, die gegangen sind, gingen nach Jijiga (Äthiopien), Garoowe, Bossaso, Galkacyo und Ceerigaabo (Scholar/STDOK/SEM 5.2023). Die meisten Dhulbahante sind aber geblieben (SOMNAT/STDOK/SEM 5.2023).

Die Situation hat sich später beruhigt, die Emotionen gingen nach unten (SECEX/STDOK/SEM 4.2023). Intellektuelle oder Studenten haben öffentlich gefordert, dass Dhulbahante nicht diskriminiert werden sollen (Scholar/STDOK/SEM 5.2023). Jene, die geblieben sind, wurden nicht wirklich zum Ziel (Scholar/STDOK/SEM 5.2023; vgl. MAIO-G/STDOK/SEM 4.2023). Nach anderen Angaben werden Dhulbahante mitunter angefeindet (MAEZA/STDOK/SEM 4.2023). Eine andere Quelle betont, dass den Dhulbahante nichts geschehen ist. Der Quelle ist kein einziges Beispiel bekannt, wo es diesbezüglich zu Racheakten gekommen wäre (SOMNAT/STDOK/SEM 5.2023). Auch eine weitere Quelle betont, dass die Bedrohungssituation für Dhulbahante nicht real ist (Omer/STDOK/SEM 4.2023). Wieder eine weitere Quelle erklärt, dass es für Dhulbahante weder in Hargeysa noch in Burco oder Borama Probleme gibt (INGO-V/STDOK/SEM 5.2023), eine andere stellt das Fehlen von Problemen für Hargeysa fest (SECEX/STDOK/SEM 4.2023). Und noch eine weitere Quelle erklärt [Zitat]: "Es gibt in Hargeysa keine Repressionen gegen Dhulbahante. Sie sind zu sehr durchmischt [Original: intermingled]." (Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Weitere Quellen erklären, dass Dhulbahante in Hargeysa nicht angegriffen (IO-D/STDOK/SEM 4.2023) bzw. belästigt werden (MAIO-G/STDOK/SEM 4.2023). Insgesamt gibt es laut einer Quelle keine grobe Diskriminierung von Dhulbahante, die in Hargeysa leben. Selbst in der somaliländischen Armee gibt es demnach Dhulbahante (Scholar/STDOK/SEM 5.2023).

Eine Quelle berichtet hingegen, dass es vorkommen kann, dass Dhulbahante von „normalen“ Menschen beschimpft werden - z. B. am Arbeitsplatz (Scholar/STDOK/SEM 5.2023). Mehrere Quellen haben außerdem davor gewarnt, dass sich die diesbezügliche Lage verschlechtern könnte (IO-D/STDOK/SEM 4.2023; vgl. SOMNAT/STDOK/SEM 5.2023, SECEX/STDOK/SEM 4.2023). Drei Quellen betonen, dass Rache durchaus im Raum steht - v. a. wenn die Kämpfe weiter andauern (Scholar/STDOK/SEM 5.2023; vgl. MAIO-G/STDOK/SEM 4.2023, SOMNAT/STDOK/SEM 5.2023). Laut einer Quelle wird es dann in erster Linie im Osten von Somaliland zu Rachemorden kommen. In den Gebieten östlich von Burco gibt es zwischen den Isaaq und den Dhulbahante eine lange Geschichte an Rachemorden. In Hargeysa ist so etwas demnach lediglich in Einzelfällen vorstellbar (Scholar/STDOK/SEM 5.2023). Trotzdem fühlen sich Dhulbahante nunmehr mitunter auf Isaaq-Gebiet unsicher bzw. unwohl (Omer/STDOK/SEM 4.2023; vgl. SECEX/STDOK/SEM 4.2023) - und umgekehrt (Omer/STDOK/SEM 4.2023).

Betroffen sind neben den Dhulbahante auch andere Clans. Eine Quelle berichtet, dass ihre puntländischen Mitarbeiter in der Vergangenheit in Hargeysa nie Probleme gehabt hätten. Nun aber würden diese immer öfter belästigt (MAEZA/STDOK/SEM 4.2023). Andererseits haben einige Isaaq Garoowe verlassen (Omer/STDOK/SEM 4.2023). Eine Quelle berichtet, dass sie Mitarbeiter aus anderen Teilen Somalias aus Somaliland abgezogen hat, weil diese sich bedroht fühlten. Das Ansehen von Somalis aus anderen Landesteilen verändert sich in Somaliland. Somalische Akteure werden für den Konflikt in Laascaanood verantwortlich gemacht (MAEZA/STDOK/SEM 4.2023).

In öffentlich verfügbaren Quellen konnten keine neueren Informationen gefunden werden, welche auf eine Diskriminierung von Dhulbahante in z. B. Hargeysa hinweisen würden.

Religionsfreiheit

Letzte Änderung 2025-01-16 14:10

Die somalische Bevölkerung bekennt sich zu über 99 % zum sunnitischen Islam (AA 23.8.2024). Nur eine sehr kleine Minderheit hängt tatsächlich einer anderen Religion oder islamischen Richtung an (USDOS 30.6.2024; vgl. FH 2024b; AA 23.8.2024). Die auf tausend Mitglieder geschätzte (USDOS 30.6.2024) christliche Minderheit praktizieren ihren Glauben nicht in der Öffentlichkeit und versucht, nicht aufzufallen (FH 2024b; vgl. USDOS 30.6.2024).

Somalis folgten traditionell der Shafi’i-Schule des islamischen Rechts, geführt von mehreren dominanten Sufi-Orden bzw. Sekten (turuuq) (Bryden/TEL 8.11.2021). Der Sufismus hat sich in Ostafrika in den vergangenen 200 Jahren ausgebreitet und in Somalia eigene Formen angenommen (AQSOM 2 7.2022). Seit 20 Jahren macht sich allerdings der Einfluss des Wahhabismus bemerkbar. Damit geht einher, dass die Auslegung und Praktizierung des Islam je nach Region zunehmend konservative Züge annimmt und infolgedessen die Freiheit der Weltanschauung eingeschränkt sowie progressive Gesetzgebung verhindert wird (AA 23.8.2024). Dieser Trend hin zu einer konservativeren, "puristischen" Auslegung des Islam gilt sowohl für Somalia als auch für Somaliland. Religiöse Normen beeinflussen zunehmend Politik, Wirtschaft und Gesellschaft (BS 2024). Andererseits schätzen viele Somali trotz des aggressiven Vordringens des importierten Salafismus’ nach wie vor ihren Sufi-Glauben und ihre Sufi-Bräuche (Bryden/TEL 8.11.2021). Als Sufi-Hochburgen gelten Galgaduud und Hiiraan (Sahan/SWT 14.10.2022). Salafisten, al Quaida und al Shabaab verabscheuen hingegen die Sufi-Interpretation des Islam (AQSOM 2 7.2022).

Unabhängig von staatlichen Bestimmungen und insbesondere jenseits der Bereiche, in denen die staatlichen Stellen effektive Staatsgewalt ausüben können, sind islamische und lokale Traditionen und islamisches Gewohnheitsrecht weit verbreitet (AA 23.8.2024). Es herrscht ein starker sozialer Druck, den Traditionen des sunnitischen Islam zu folgen. Eine Konversion zu einer anderen Religion bleibt verboten, gilt als sozial inakzeptabel und als Verrat an Clan und Familie (USDOS 30.6.2024; vgl. FH 2024b). Jene, die unter dem Verdacht stehen, konvertiert zu sein, sowie deren Familien müssen mit Belästigungen seitens ihrer Umgebung rechnen (USDOS 30.6.2024). Sowohl Konversion als auch Apostasie und Aussagen, die als Blasphemie erachtet werden könnten, können zu Diskriminierung und Drangsalierung (MBZ 6.2023) und auch zu einer Verhaftung führen (USDOS 30.6.2024). Eine offen nicht-muslimische Lebensweise ist wegen sozialen Drucks nicht möglich und kann insbesondere zu einem praktischen Ausschluss aus dem Clansystem und der Familie führen, was schwerwiegende soziale Konsequenzen hat (AA 23.8.2024).

Gebiete unter Regierungskontrolle

Letzte Änderung 2025-01-16 14:12

Somalia ist seinem verfassungsmäßigen Selbstverständnis nach ein islamischer Staat, der nicht vorrangig auf religiöse Vielfalt und Toleranz ausgelegt ist (AA 23.8.2024). Die Verfassungen von Somalia, Puntland und Somaliland bestimmen den Islam als Staatsreligion. Das islamische Recht (Scharia) wird als grundlegende Quelle der staatlichen Gesetzgebung genannt (AA 23.8.2024; vgl. BS 2024; USDOS 30.6.2024), alle Gesetze müssen mit den generellen Prinzipien der Scharia konform sein. Auch die Verfassungen der anderen Bundesstaaten erklären den Islam zur offiziellen Religion (USDOS 30.6.2024; vgl. HumInt 28.8.2020).

Der Übertritt zu einer anderen Religion und Apostasie sind gesetzlich nicht explizit verboten, wohl aber wird die Scharia entsprechend interpretiert. Blasphemie und "Beleidigung des Islam" sind hingegen Straftaten, die mit zwei Jahren Haft geahndet werden können (USDOS 30.6.2024; vgl. MBZ 6.2023). Nach anderen Angaben ist es Muslimen verboten, eine andere Religion anzunehmen (AA 23.8.2024). Jedenfalls sind Missionierung bzw. die Werbung für andere Religionen laut Verfassung verboten (FH 2024b; vgl. MBZ 6.2023). Andererseits bekennt sich die Verfassung zur Religionsfreiheit (AA 23.8.2024). Auch sind dort ein Diskriminierungsverbot aufgrund der Religion (FH 2024b) sowie die freie Glaubensausübung festgeschrieben (USDOS 30.6.2024).

Es sind keine rezenten Fälle bekannt, wo Apostasie vom Staat verfolgt worden wäre (MBZ 6.2023). Trotzdem üben Nicht-Muslime ihren Glauben nicht frei aus (MBZ 6.2023). Es ist illegal, sich als Atheist oder nicht-religiös zu bezeichnen. Im April 2019 wurde ein Universitätsprofessor zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt, weil er sich "blasphemisch" geäußert hatte (er hatte auf Facebook die Frage gestellt, ob es angesichts der Dürre eine sinnvolle Strategie sei, zu beten). Der Professor wurde nach zehn Monaten Haft entlassen, bekam aber weiterhin Morddrohungen (HumInt 28.8.2020). In Benadir hat der Gouverneur anlässlich des Ramadan 2024 eine Warnung ausgegeben, wonach Restaurants und Hotels, welche während der Fastenstunden Gäste bewirten, der Entzug der Betriebslizenz droht. Auch der öffentliche Khat- oder Tabakkonsum sei demnach untersagt (HO 11.3.2024). Insgesamt ist Somalia von einer staatlich geregelten Religion weit entfernt (BMLV 4.7.2024).

Gebiete von al Shabaab

Letzte Änderung 2025-01-16 14:10

In den Gebieten unter Kontrolle von al Shabaab sind Politik und Verwaltung von religiösen Dogmen geprägt (BS 2024). Dort ist die Praktizierung eines moderaten Islams sowie anderer Religionen untersagt. Bei öffentlicher Ausübung drohen drastische Strafen (AA 23.8.2024). Al Shabaab setzt in den von ihr kontrollierten Gebieten gewaltsam die eigene harsche Interpretation des Islam und der Scharia durch (FH 2024b; vgl. USDOS 30.6.2024). Die Gruppe drangsaliert, verletzt oder tötet Menschen aus unterschiedlichen Gründen, u. a. dann, wenn sich diese nicht an die Edikte der Gruppe halten. Eltern, Lehrer und Gemeinden, welche sich nicht an die Vorschriften von al Shabaab halten, werden bedroht (USDOS 30.6.2024). Menschen werden von der Polizei der al Shabaab (Hisba) zum Pflichtgebet in die Moscheen beordert (TRN/Heide-Ottosen/Abdi Y./Nor/Khalil/Zeuthen 2022). Die Gruppe verbietet in ihrem Gebiet generell "un-islamisches Verhalten" - Kinos, Fernsehen, Musik, Internet, das Zusehen bei Sportübertragungen, der Verkauf von Khat, Rauchen und weiteres mehr. Es gilt das Gebot der Vollverschleierung (USDOS 30.6.2024; vgl. TRN/Heide-Ottosen/Abdi Y./Nor/Khalil/Zeuthen 2022; CFR 6.12.2022a). Allerdings scheint al Shabaab bei der Durchsetzung derartiger Normen pragmatisch zu sein (ICG 27.6.2019a, S. 7) bzw. erfolgt diese nicht einheitlich (TRN/Heide-Ottosen/Abdi Y./Nor/Khalil/Zeuthen 2022).

Al Shabaab droht damit, jeden Konvertiten zu exekutieren (USDOS 30.6.2024). Auf Apostasie steht die Todesstrafe (FH 2024b). Kritik am Islam und selbstverständlich auch Blasphemie können zur Exekution führen (HumInt 28.8.2020). Am 5.8.2021 wurde ein 83-Jähriger in der Nähe der Stadt Ceel Buur (Galmudug) von al Shabaab durch ein Erschießungskommando hingerichtet. Dem urteilenden Gericht zufolge hatte der Mann gestanden, den Propheten beleidigt zu haben (BAMF 9.8.2021; vgl. USDOS 12.4.2022). Gegner denunziert al Shabaab öffentlich als Ungläubige (BS 2024).

Somaliland

Letzte Änderung 2025-01-16 14:11

Die somaliländische Verfassung sieht zwar Glaubensfreiheit vor (FH 2024a), erklärt aber gleichzeitig den Islam zur Staatsreligion und verbietet die Konversion zu einer anderen sowie die Missionierung für eine andere Religion (USDOS 30.6.2024; vgl. FH 2024a; AA 23.8.2024). Auch Blasphemie ist verboten (USDOS 22.4.2024). Weder in Hargeysa noch im Rest Somalilands gibt es eine Religionspolizei. Der Islam und die damit verbundenen Regeln finden breite Akzeptanz (STDOK 8.2017).

Laut Angaben einer Quelle der FFM Somalia 2023 kommt es gegenüber im Land befindlichen christlichen Äthiopiern fallweise zu Diskriminierung auf Basis der Religion (LAW-A/STDOK/SEM 4.2023).

Staatlicherseits kommt es ebenfalls fallweise zur Strafverfolgung von Nicht-Muslimen: Am 6.8.2022 wurde eine 22-jährige Frau von einem Regionalgericht wegen Konversion zum Christentum zu einer siebenjährigen Haftstrafe verurteilt (USDOS 22.4.2024; vgl. ACIA 10.5.2023), die Strafe wurde im Mai 2023 um zwei Jahre gekürzt (USDOS 22.4.2024). Bereits im August 2022 war eine andere Konvertitin vom Regionalgericht in Hargeysa ebenfalls zu fünf Jahren Haft verurteilt (ACIA 10.5.2023) - wegen Blasphemie, Apostasie Beleidigung des Islam und des Propheten sowie der Verbreitung des Christentums. Im Oktober 2023 wurde die Berufung einer der beiden vor dem Supreme Court in Hargeysa verhandelt. Sie wurde nach ihrer "Rückkehr" zum Islam wieder auf freien Fuß gesetzt (USDOS 30.6.2024). Die andere Frau befand sich (Stand Mai 2023) in Haft, auch sie hat gegen das Urteil Berufung eingelegt (ACIA 10.5.2023). Beide Frauen hatten ihre Konversion zum Christentum auf sozialen Medien bekannt gegeben (MBZ 6.2023).

2. Beweiswürdigung:

2.1. Mangels Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments steht die Identität des Beschwerdeführers nicht fest. Seine Staatsangehörigkeit und seine Herkunft erscheinen auf Grund seiner Sprachkenntnisse sowie seines insofern stringenten Vorbringens während des gesamten Verfahrens glaubhaft.

Die Feststellungen über die Clan- und das mangelnde Glaubensbekenntnis des Beschwerdeführers sowie seinen Bildungsgrad beruhen auf seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben im Rahmen der Einvernahme am 07.06.2023, der Erstbefragung durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 24.10.2022 und in der Beschwerde vom 23.10.2023 sowie in der mündlichen Verhandlung am 02.10.2024 und der Stellungnahme vom 12.03.2025.

Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Wie sich aus der Erstbefragung, der Einvernahme vor der belangten Behörde sowie der mündlichen Beschwerdeverhandlung ergibt, hatte der Beschwerdeführer ausreichend Zeit und Gelegenheit, seine Fluchtgründe umfassend und im Detail darzulegen sowie allfällige Beweismittel vorzulegen.

Dabei ist festzuhalten, dass auf Grund der allgemeinen Lebenserfahrung davon ausgegangen werden kann, dass ein Asylwerber grundsätzlich in der Lage sein muss, umfassende und inhaltlich übereinstimmende Angaben zu den konkreten Umständen und dem Grund der Ausreise aus dem Herkunftsstaat zu machen, zumal eine Person, die aus Furcht vor Verfolgung ihren Herkunftsstaat verlassen hat, gerade in ihrer ersten Einvernahme auf konkrete Befragung zu ihrer Flucht die ihr gebotene Möglichkeit wohl kaum ungenützt lassen wird, die Umstände und Gründe ihrer Flucht in umfassender und in sich konsistenter Weise darzulegen, um den beantragen Schutz vor Verfolgung auch möglichst rasch erhalten zu können. Es entspricht auch der allgemeinen Lebenserfahrung, dass eine mit Vernunft begabte Person, die behauptet, aus Furcht vor Verfolgung aus ihrem Herkunftsstaat geflüchtet zu sein, über wesentliche Ereignisse im Zusammenhang mit ihrer Flucht, die sich im Bewusstsein dieser Person einprägen, selbst nach einem längeren Zeitraum noch ausreichend konkrete, widerspruchfreie und nachvollziehbare Angaben machen kann.

Der Beschwerdeführer war, wie in der Folge darzulegen ist, allerdings nicht in der Lage, glaubhaft zu machen, dass er konkret aufgrund seiner Zuwendung zum Atheismus einer Bedrohung ausgesetzt ist:

Denn der Beschwerdeführer gab im Laufe des gesamten Verfahrens an, dass er sich in den Sozialen Medien anonym zum Atheismus geäußert habe. Auch bei der Diskussion auf „ XXXX “ sei lediglich seine Stimme aufgezeichnet worden (vgl. AS 68ff; S. 6ff in OZ 5). Wer seine Stimme erkannt haben soll, legte der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme jedoch nicht nachvollziehbar dar. Denn während er im Rahmen der freien Erzählung seiner Fluchtgeschichte darauf verwies, dass „einige Leute“ seine Stimme erkannt hätten und daraufhin seine Familie kontaktiert hätten (vgl. AS 69), so behauptete er, befragt dazu, woran man erkenne, dass es sich bei der Stimme in dem Video um seine handle, nur wenig später, dass seine Familie sofort seine Stimme erkennen könne und das Video auch lange dauern würde. Bei einer kurzen Audiodatei könne man behaupten, dass diese bearbeitet sei, nicht jedoch bei einer langen. Fremde Menschen könnten seine Stimme jedoch nicht erkennen (vgl. AS 73). Auf weitere Nachfrage hierzu führte er im Widerspruch hierzu jedoch wieder an, dass wenn ihn niemand kenne, man trotzdem seine Stimme erkennen könne und die anderen seine Stimme nicht erkennen können würden, bevor er rede sowie, dass sie es nicht zuordnen könnten (vgl. AS 73). Für das Bundesverwaltungsgericht war demnach nicht nachvollziehbar wer genau seine Stimme erkennen hätte sollen, da er sich eingangs nur auf seine Familie, später jedoch auch auf andere Menschen und außerdem – wie im Folgeabsatz angeführt -später sogar noch auf Freunde und Verwandte verwies. Auch wenn das Erkennen seiner Stimme durch Familie, Freunde, Verwandte oder andere Menschen, die ihn persönlich reden gehört hätten, nicht ausgeschlossen ist, so wiegt diese Unstimmigkeit umso schwerer, als nicht nachvollziehbar ist, warum er diese Personengruppen nicht allesamt von vornherein nannte, sondern seine Antworten an die entsprechenden Fragen anpasste und den Personenkreis somit unterschiedlich definierte.

Des Weiteren gelang es dem Beschwerdeführer nicht plausibel dazulegen, wie seine Familie bzw. sein Bruder von der Audiodatei und somit vom (mangelnden) Glauben des Beschwerdeführers erfahren haben soll. So gab er in der Einvernahme einerseits an, dass sie es von anderen Leuten erfahren hätten, der Beschwerdeführer aber nicht wisse wie, wobei es sein könne, dass seine Verwandten seine Stimme erkannt hätten. Andererseits wich er auch der Frage, woher er davon wisse, dass andere Leute seine Familie kontaktiert und gefragt hätten, ob es sich bei der Stimme auf der Audiodatei um seine handle, aus, indem er nicht auf das „woher“, sondern bloß auf das „wer“, also eine Vermutung betreffend den Verräter, welcher nur ein Freund oder Verwandter sein könne, einging (vgl. AS 73f).

Außerdem gab er auch an, dass er „alles“ (bezogen auf seine Gespräche auf „ XXXX “) geheim gehalten und auf seinem Handy gesperrt hätte (vgl. AS 72), wobei er zuvor noch vorbrachte, dass sein Bruder ihm sein Handy weggenommen, geschaut und gesehen habe, dass er Bücher über den Atheismus gelesen habe (vgl. AS 69). Auf Vorhalt dieser Unstimmigkeit erwiderte er nur, dass er ihm das Handy abgenommen und es „plötzlich“ entsperrt gewesen sei, wodurch er alles habe sehen können (vgl. AS 74). Dabei ist jedoch keinesfalls nachvollziehbar, warum sich ein Handy „plötzlich“ entsperrt haben soll. Auch seine Erklärung in der Beschwerde ist nicht dazu geeignet dies aufzulösen, da er dort im Wesentlichen darauf verwies, dass der Bruder ihm das Handy entrissen habe, als er es verwendet habe und es daher bereits entsperrt gewesen sei (vgl. AS 165). Er geht jedoch nicht darauf ein, dass dieses „plötzlich entsperrt“ gewesen wäre, als er ihm das Handy abgenommen habe. Der Beschwerdeführer konnte demnach nicht plausibel darlegen, wie sein Bruder an die sich auf seinem Handy befindlichen – belastenden - Informationen gelangt sein soll. Vor dem Hintergrund dieser uneinheitlichen Erklärungen geht das Gericht nicht davon aus, dass die anonymen Podcasts eine über den engsten Familienkreis hinausgehende Identifikation des Beschwerdeführers wahrscheinlich machen bzw. eine solche Identifikation bereits erfolgt ist.

Dem Beschwerdeführer gelang es in weiterer Folge ebenso nicht verständlich darzulegen, warum er als Atheist nach außen über den engsten Familienkreis hinaus bekannt gemacht (m.a.W. verraten) werden sollte. Zwar behauptete er, dass sein Bruder und auch die anderen Verwandten, wie die Onkel mütterlicher- und väterlicherseits, sicher davon erfahren hätten (vgl. S. 8 in OZ 5) und er behauptete auch, Angst zu haben, dass ihn seine Familie, vor allem sein Bruder, ins Gefängnis bringen oder dass er ihn selbst töten würde, da er gesagt habe, dass er ein Ungläubiger sei und er nach islamischen Vorschriften behandelt und getötet gehörte und bestritt, in seinen Herkunftsstaat zurückkehren zu können, da er jetzt ein Ungläubiger sei, weil er von der Religion abgefallen sei und die Leute dort das nicht akzeptieren könnten, sowie erwähnte, dass er Angst habe, dass seine Familie, seine Verwandten und das Volk dort ihn töten würde, da man dort so behandelt werde (vgl. S. 8 in OZ 5). Er relativierte aber die von seiner Familie ausgehende Bedrohung bereits dahingehend, als er zur Reaktion seiner Mutter auf seine Zugehörigkeit zum Atheismus betreffend zwar angab, dass sie schockiert und entsetzt gewesen sei, sowie sie es nicht akzeptieren habe können und es sie sehr traurig gemacht habe (vgl. S. 8 in OZ 5), aber auch, dass seine Mutter dazwischen gegangen sei, als sein Bruder ihn habe schlagen wollen (vgl. AS 69; S. 6 in OZ 5). Schon daraus geht aus Sicht des Gerichts hervor, dass – ungeachtet dessen, dass sein Verhalten von der Familie nicht nur nicht gebilligt, sondern sogar abgelehnt wurde - von seiner Familie keine hinreichend wahrscheinliche Gefahr bestünde, dass diese den Glaubensabfall öffentlich machen würde oder gar selbst Hand anlegen würde, um dem Beschwerdeführer zu schaden. Es ist auch nicht plausibel, dass ein Interesse der Familie an der Öffentlichmachung dieses Verhaltens bestehen könnte, gereicht es doch in seinem Kulturkreis auch der Familie des Beschwerdeführers nicht zur Ehre.

Dazu kommt aber gegenständlich auch, dass der Beschwerdeführer in seiner Erstbefragung vorbrachte, dass er den Ausreiseentschluss im November 2021 gefasst habe (vgl. AS 25), wobei sich der Vorfall mit seinem Bruder bereits am 11.09.2021 (vgl. AS 73, S. 6 in OZ 5) ereignet habe. Nach diesem Vorfall konnte er demnach noch über zwei Monate bis zu seiner Ankunft in der Türkei am 20.11.2021 verbringen, ohne, dass es zu weiteren Vorfällen gekommen wäre, auch wenn er nach dem Vorfall in Burco in einem Hotel sowie einen Monat und 20 Tage in Hargeysa gewesen sei (vgl. AS 69; S. 6 in OZ 5). Demzufolge hat er somit auch nicht nur ein paar Nächte (vgl. AS 69), sondern sogar noch fast drei Wochen in Burco, seinem Herkunftsort, verbracht (vgl. auch Verhandlungsprotokoll S. 6 in OZ 5). Aus seiner pauschalen Behauptung, dass er aus Angst nicht in Hargeysa habe bleiben wollen und es sehr einfach gewesen sei, dass man ihn dort finde (vgl. AS 69 und 75) konnte ebenso keine konkrete Gefährdung abgeleitet werden, zumal er diversen Drohanrufen unter anderem auch durch seine Familie durch eine neue Wertkarte eine Woche nach dem Vorfall entgehen hätte können (vgl. AS 74f). Auch daraus kann abgeleitet werden, dass weder die Familie selbst die körperliche Integrität des Beschwerdeführers beeinträchtigen würde noch durch einen (allfälligen) Ausstoß des Beschwerdeführers aus dem Familienverband für ihn - angesichts seines hohen Ausbildungsgrades als Absolvent einer Universität (vgl. AS 21; AS 66, 70; S. 4f in OZ 5) - eine Bedrohung seines Lebens, der körperlichen Integrität oder seiner Freiheit bzw. die Menschenwürde einhergehen würde.

Zu den behaupteten Drohanrufen muss angemerkt werden, dass er nicht nur behauptete, solche durch seine Familie, sondern auch durch Unbekannte erhalten zu haben (vgl. AS 74). Wenn er aber nur durch engste Freunde/Familie/Verwandte an der Stimme erkannt worden sein konnte (vgl. 69 und 73f; zum diesbezüglichen Widerspruch siehe weiter oben), ist jedoch keinesfalls nachvollziehbar, wie Unbekannte an seine Nummer hätten kommen können. Auch diesen habe er aber offenbar durch die bloße Änderung seiner Wertkarte ausweichen können (vgl. AS 75), was für die Unglaubwürdigkeit dieses Vorbringens spricht.

Soweit der Beschwerdeführer auf mediale Drohnachrichten verweist (vgl. AS 79f; Beilage ./A zur Verhandlung), ist diesen entgegenzuhalten, dass diese bereits aus dem Jahr 2022, also vor dem Vorfall der Aufnahme der Diskussion stammen (vgl. auch AS 72) und der Beschwerdeführer selbst angab, dass er dort nicht unter seinem Klarnamen (vgl. S. 9 in OZ 5) auftritt. Im Hinblick darauf, dass die Identität des Beschwerdeführers aufgrund seines anonymen Auftretens nicht rückverfolgbar ist, ist auch daraus kein individuell gefährdendes Bedrohungsszenario naheliegend.

Im Lichte dessen, dass es demnach unwahrscheinlich ist, dass der Abfall des Beschwerdeführers von seinem Glauben einem feindselig eingestellten Personenkreis bzw. gar den staatlichen Behörden bekannt wird, treffen – entgegen den Beschwerdebehauptungen –die sonst Betroffenen (insbesondere Konvertiten) drohenden Folgen auf den Beschwerdeführer nicht zu, nach den Länderberichten (Kapitel „Religionsfreiheit“, Unterkapitel „Somaliland“) ergäbe sich für tatsächlich Betroffene nämlich Folgendes: Die somaliländische Verfassung sieht zwar Glaubensfreiheit vor, erklärt aber gleichzeitig den Islam zur Staatsreligion und verbietet die Konversion zu einer anderen sowie die Missionierung für eine andere Religion sowie Blasphemie. Es gibt jedoch weder in Hargeysa noch im Rest Somalilands eine Religionspolizei. Der Islam und die damit verbundenen Regeln finden jedoch breite Akzeptanz. Staatlicherseits kommt es fallweise zur Strafverfolgung von Nicht-Muslimen: Am 6.8.2022 wurde eine 22-jährige Frau von einem Regionalgericht wegen Konversion zum Christentum zu einer siebenjährigen Haftstrafe verurteilt, die Strafe wurde im Mai 2023 um zwei Jahre gekürzt. Bereits im August 2022 war eine andere Konvertitin vom Regionalgericht in Hargeysa ebenfalls zu fünf Jahren Haft verurteilt - wegen Blasphemie, Apostasie Beleidigung des Islam und des Propheten sowie der Verbreitung des Christentums. Im Oktober 2023 wurde die Berufung einer der beiden vor dem Supreme Court in Hargeysa verhandelt. Sie wurde nach ihrer "Rückkehr" zum Islam wieder auf freien Fuß gesetzt. Die andere Frau befand sich (Stand Mai 2023) in Haft, auch sie hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Beide Frauen hatten ihre Konversion zum Christentum auf sozialen Medien bekannt gegeben. Auch wenn in Somaliland eine fallweise Strafverfolgung von Nicht-Muslimen vorkommt, so kann daraus keinesfalls eine systematische Verfolgung von Nicht-Muslimen abgeleitet werden.

Abgesehen davon, dass es – wie oben dargelegt – nicht wahrscheinlich ist, dass tatsächlichen Feinden der Abfall des Beschwerdeführers vom Glauben bekannt wird, kommt im Beschwerdefall dazu, dass bei den in den Länderinformationen angeführten Fällen sogar eine Konversion der betroffenen Personen erfolgt ist und dies Anlass für die Strafverfolgung war, gegenständlich ist der Beschwerdeführer jedoch nicht zu einem anderen Glauben konvertiert, sondern hat sich dem Atheismus, also der Weltanschauung, die die Existenz eines oder mehrerer Götter verneint bzw. bezweifelt, zugewandt. Selbst wenn er also in seiner Heimatstadt mit rund 750.000 Einwohnern verbleiben sollte, ist auch nicht maßgeblich wahrscheinlich, dass die Bewohner der Stadt erkennen könnten, wenn der Beschwerdeführer den Islam nicht ausübt und keine Moschee besucht wird, zumal der Beschwerdeführer mangels Zuwendung zu einer anderen Religion auch nicht durch den Besuch nicht-muslimischer Gebetshäuser mit einer anderen Glaubensrichtung in Verbindung gebracht werden könnte.

Zu seiner Stellungnahme vom 12.03.2025 muss zudem angemerkt werden, dass er sich dort lediglich auf jene Stellen der Länderinformationen bezog, die sich entweder generell auf die Religionsfreiheit beziehen oder auf jene Kapitel, die sich mit der Religionsfreiheit in von der Regierung oder Al Shabaab kontrollierten Gebieten beschäftigen, wobei keine der letzten beiden Kapitel für den aus Somaliland stammenden Beschwerdeführer relevant sind. Ihm gelang es demnach auch unter Berücksichtigung dieser Verweise nicht glaubhaft darzulegen, inwiefern für ihn konkret in Somaliland aufgrund seiner Zuwendung zum Atheismus ein Verfolgungsrisiko bestehen sollte.

Zu dem in der Beschwerde angeführten Bericht „International Protection Considerations with Regard to People Fleeing Somali“ der UNHCR von September 2022 muss zudem angemerkt werden, dass auch dort lediglich davon gesprochen wird, dass Angehörige von Minderheitsreligionen oder Personen, die der Blasphemie oder Apostasie von anderen Akteuren als Al Shabaab beschuldigt werden, „likely in need of international refugee protection“ sind. Auch eine solche Verfolgung würde aber voraussetzen, dass der angenommene Atheismus feindlich gesinnten Akteueren bekannt wird, was aber im Beschwerdefall – wie ausgeführt - als nicht maßgeblich wahrscheinlich anzusehen ist.

Daher geht auch das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine konkrete, gegen seine Person gerichtete aktuelle Gefahr durch seinen Abfall vom Glauben glaubhaft zu machen.

Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass allfälligen dem Beschwerdeführer tatsächlich drohenden Risiken durch die bereits von der belangten Behörde erfolgte Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ausreichend Rechnung getragen wurde.

Zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat gründen sich auf die im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingeführte Länderinformation der Staatendokumentation Somalia, Version 7, vom 16.01.2025 und den darin jeweils angeführten Länderberichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen.

Die diesem Erkenntnis zugrunde gelegten Länderfeststellungen gründen sich auf Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes und schlüssiges Gesamtbild der Situation in Somalia ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem BVwG von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation fallrelevant nicht wesentlich geändert haben.

Auch in seiner Beschwerde und der Stellungnahme vom 12.03.2025 trat der Beschwerdeführer den Länderinformationen nicht substantiiert entgegen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Asyl):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling iSd. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK (i.d.F. des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. zuletzt VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0413 mit Verweis auf E vom 28. Mai 2009, 2008/19/1031).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Gemäß § 3 Abs. 3 Z. 1 und § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Asylantrag abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind (vgl. zuletzt VwGH 14.07.2021, Ra 2021/14/0066).

Damit ist - wie der Verwaltungsgerichtshof zur GFK judiziert - nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (vgl. VwGH 24.11.2005, 2003/20/0109). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "inländischen Flucht- oder Schutzalternative" (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal wirtschaftliche Benachteiligungen auch dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (vgl. zuletzt sinngemäß VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 27.06.1995, 94/20/0836; 23.7.1999, 99/20/0208; 21.09.2000, 99/20/0373; 26.02.2002, 99/20/0509 m.w.N.; 12.09.2002, 99/20/0505; 17.09.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 m.w.N.).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. zuletzt VwGH 29.01.2020, Ra 2019/18/0228 mit Verweis auf VwGH vom 28. Oktober 2009, 2006/01/0793, mwN).

Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert wird. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256; 13.11.2008, 2006/01/0191).

Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich nicht, dass dem Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat Verfolgung aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe droht, zumal der vorgebrachte Fluchtgrund des Beschwerdeführers - wie oben festgestellt und in der Beweiswürdigung ausführlich dargelegt - nicht in ausreichender Intensität einen Eingriff in das Leben, die körperliche Integrität oder die Freiheit bzw. die Menschenwürde darstellt.

Da sohin keine Umstände vorliegen, wonach es ausreichend wahrscheinlich wäre, dass der Beschwerdeführer in seiner Heimat in asylrelevanter Weise bedroht wäre, ist die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten durch das Bundesamt im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Da sich die vorliegende Beschwerde ausdrücklich nur gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides richtet, sind die Spruchpunkte II. und III. bereits in Rechtskraft erwachsen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des VwGH abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des VwGH nicht einheitlich beantwortet wurde.

Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Die tragenden Elemente der Entscheidung liegen allein in der Bewertung der Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers und demgemäß in Tatbestandsfragen bzw. beweiswürdigenden Überlegungen.

Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht insbesondere auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte und des EGMR beziehungsweise auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den rechtlichen Erwägungen wiedergegeben.