JudikaturBVwG

W136 2271504-2 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
13. März 2025

Spruch

W136 2271504-2/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER-BINDER über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Mag. Brunner, Mag. Stummvoll Rechtsanwälte OG, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Landesverteidigung vom 11.04.2024, Zl. P844167/89-Erg Miliz/2024, betreffend Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung eines Funktionsdienstes:

A)Der angefochtene Bescheid wird gemäß §§ 28 Abs. 3 VwGVG, 26 Abs. 1 Z 1 WG 2001 behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverwiesen.

B)Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem beschwerdegegenständlichen Bescheid der Bundesministerin für Landesverteidigung vom 11.04.2024 wurde der Beschwerdeführer von der Verpflichtung zur Leistung des Funktionsdienstes aus militärischen Rücksichten von Amts wegen bis 26.06.2024 befristet befreit. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer mit Ablauf des Tages der Zustellung dieses Bescheides vorzeitig aus dem Funktionsdienst entlassen. Begründend führte die Behörde aus, dass der Anregung des Militärkommandos Burgenland auf befristete Befreiung zu entnehmen sei, dass „derzeit keine Verwendung an Ihrer weiteren militärischen Dienstleistung gegeben sei“. Der Beschwerdeführer habe bestätigt, über den maßgeblichen Sachverhalt in Kenntnis gesetzt worden zu sein. Ihm sei im Zuge einer niederschriftlichen Einvernahme am 19.03.2024 vorgehalten worden, dass er im Verdacht stehe, mehrere strafrechtliche Delikte und mehrere disziplinarrechtliche Vergehen begangen zu haben. Die strafrechtlich relevanten Tatbestände schadeten dem Ansehen des Bundesheeres und wären mit einer Weiterverwendung des Beschwerdeführers beim Assistenzeinsatz bzw. im Funktionsdienst unvereinbar. Der Beschwerdeführer habe den Funktionsdienst am 03.04.2024 angetreten, um Funktionsdienst bei der 2. AssKp/MilKdo B zu leisten.

Dieser Bescheid wurde vom Beschwerdeführer am 12.04.2024 persönlich übernommen.

2. Mit gegen diesen Bescheid rechtzeitig erhobener Beschwerde brachte der Beschwerdeführer vor, der Bescheid enthalte keinerlei Begründung, warum kein weiterer Bedarf an einer militärischen Verwendung des Beschwerdeführers gegeben sei. Auch gebe es keine Ausführungen darüber, auf welchen straf- und disziplinarrechtlichen Vorwürfen der Spruch überhaupt gründe. Es sei somit nicht feststellbar, um welche Vorwürfe es sich überhaupt handle. Im Übrigen bestreite der Beschwerdeführer diese Vorwürfe. Der Beschwerdeführer sei daher in seinem Recht auf ein faires Verfahren und in seinem Recht auf rechtliches Gehör verletzt, weiters in seinem Recht auf Teilnahme an einem Funktionsdienst verletzt.

3. Mit Note vom 21.05.2024 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor und verwies zum Einwand des mangelnden Parteiengehörs bzw. dass der Beschwerdeführer nicht wisse warum an seiner Person kein militärischer Bedarf gegeben sei, auf die Niederschrift vom 19.03.2024, die Kenntnisnahme vom 09.04.2024 sowie das Schreiben betreffend Akteneinsicht vom 07.05.2024.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Die Behörde begründete die amtswegige Befreiung des Beschwerdeführers im Bescheid vom 11.04.2024 mit dem mangelnden Bedarf an der weiteren militärischen Verwendung des Beschwerdeführers wegen straf- und disziplinarrechtlicher Vorwürfe. Weder im Bescheid noch in der Beschwerdevorlage werden die Gründe für den mangelnden Bedarf oder die straf- und disziplinarrechtlichen Vorwürfe näher dargestellt. Diese Umstände ergeben sich auch nicht aus der von der Behörde bei Aktenvorlage angegeben Niederschrift vom 19.03.2024. Aus dem verwaltungsbehördlichen Akt lassen sich keinerlei von der Behörde in diesem Zusammenhang gesetzte Ermittlungsschritte erkennen. Es findet sich lediglich eine Beschuldigteneinvernahme des Beschwerdeführers durch die 1.AssKp/MilKdo Wien vom 19.03.2024, die somit aufgenommen wurde, bevor der Beschwerdeführer den Funktionsdienst, aus dem er nunmehr entlassen wurde, angetreten hat. Welche Vorwürfe gegen den Beschwerdeführer erhoben werden, ist aus dieser Niederschrift ebenso wenig ersichtlich wie aus dem Schreiben, mit dem der Beschwerdeführer am 09.04.2024 in Kenntnis gesetzt wurde, dass seine Entlassung beantragt wird.

1.2. Die Behörde wird schneller und einfacher als das Bundesverwaltungsgericht in der Lage sein, den Umständen nachzugehen, welche zur Anregung des Militärkommandos Burgenland auf vorzeitige Entlassung geführt haben, insbesondere welche Umstände dazu geführt haben, dass der militärische Bedarf an einer Verwendung des Beschwerdeführers, zum Zeitpunkt des Antritts seines Funktionsdienstes am 03.04.2024 bestanden hat, obwohl bereits am 19.03.2024 der Vorwurf nicht näher ausgeführter straf- und disziplinarrechtlicher Vergehen erhoben wurde. Die belangte Behörde wird die notwendigen Ermittlungen damit schneller und einfacher als das Bundesverwaltungsgericht durchführen können. Das Bundesverwaltungsgericht müsste allfällige Zeugen zudem im Rahmen einer mündlichen Verhandlung einvernehmen, was zur Entstehung von Zeugengebühren führen würde, weshalb das notwendige Ermittlungsverfahren von der Behörde auch kostengünstiger erledigt werden kann, als vom Bundesverwaltungsgericht.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zu 1.1. ergeben sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt. Aus diesem waren keine zur Klärung des maßgeblichen Sachverhalts gesetzte Ermittlungsschritte erkennbar. Der Beschwerdeführer monierte ausdrücklich in seiner Beschwerde, zu allenfalls gegen ihn bestehenden Vorwürfen nicht gehört sowie über diese nicht informiert worden zu sein. Die belangte Behörde behauptete weder das Gegenteil, sondern gibt im Rahmen der Beschwerdevorlage an, dass dem Beschwerdeführer Parteiengehör gewährt worden wäre, indem er von der Entlassung in Kenntnis gesetzt worden sei. Allerdings stellt die nicht näher begründete Information über einen Antrag auf vorzeitige Entlassung kein Parteiengehör dar, weshalb damit für die belangte Behörde nichts gewonnen ist. Ebenso kann eine inhaltsleere Beschuldigteneinvernahme, die mit dem Beschwerdeführer aufgenommen wurde, bevor dieser den Funktionsdienst überhaupt angetreten hat, ein Parteiengehör iZm der vorzeitigen Entlassung darstellen.

2.2. Die Feststellungen zu 1.2. ergeben sich aus dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichts.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Gemäß § 26 Abs. 1 Z 1 WG sind taugliche Wehrpflichtige, soweit zwingende militärische Erfordernisse nicht entgegenstehen, von Amts wegen von der Verpflichtung zur Leistung eines Präsenzdienstes zu befreien, wenn und solange es militärische Rücksichten oder sonstige öffentliche Interessen erfordern. Zunächst ist auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach zwar keine Vorschriften bestehen, denen zufolge ein subjektives Recht auf Leistung des Wehrdienstes eingeräumt wird (Hinweis B vom 23. Oktober 2009, 2009/11/0112, mit Hinweis auf den B vom 22. September 1995, 95/11/0212). Jedoch hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen, dass nach bereits erfolgter Einberufung zum (Auslandseinsatz-)Präsenzdienst jedenfalls eine Rechtsposition derart erlangt wird, dass die Behörde die amtswegige Befreiung nur unter den in § 26 Abs. 1 Z. 1 WehrG 2001 umschriebenen Voraussetzungen verfügen darf und diesbezügliche Beschwerden als zulässig angesehen werden (VwGH 26.04.2013, 2013/11/0098). Voraussetzung für die amtswegige Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung eines Auslandspräsenzdienstes, der nach § 19 Abs. 1 Z 9 WehrG 2001 als Präsenzdienst gilt, ist nach § 26 Abs. 1 Z 1 WehrG 2001, dass militärische Rücksichten oder sonstige öffentliche Interessen dies erfordern. § 26 Abs. 1 Z 1 WehrG 2001 räumt der Behörde hierbei kein Ermessen ein (vgl. die RV eines Bundesgesetzes, mit dem das Wehrgesetz 1990 geändert wird, 300 BlgNR 21. GP, 37, unter Hinweis auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes noch zur früheren Rechtslage). Ob eine Befreiung aus militärischen oder anderen öffentlichen Interessen erforderlich ist, ist stets nach den Umständen im Einzelfall zu beurteilen (Hinweis E vom 14. September 2004, 2004/11/0054). Ein befehlswidriges Verhalten kann diese Voraussetzungen erfüllen (VwGH 28.01.2016, 2013/11/0167). Gegenständlich hat die Behörde die Umstände, welche das Vorliegen militärischer Rücksichten oder sonstiger öffentliche Interessen an einer vorzeitigen Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des gegenständlichen Wehrdienstes begründen würden, nur derart kursorisch beschrieben, dass es dem Beschwerdeführer nicht möglich ist, diesen konkret entgegenzutreten. Und auch dem Bundesverwaltungsgericht ist es auf dieser Grundlage nicht möglich, das Vorliegen der Voraussetzungen für eine solche Befreiung zu beurteilen. Auch ergeben sich aus dem Verwaltungsakt weder Zeugen für das Bestehen solcher Umstände, noch anderweitige Aktenteile, die eine den Umständen des Einzelfalles gerecht werdende Überprüfung möglich machen würden. Die Behörde stützte ihren Bescheid ausschließlich auf eine nicht näher bezeichnete Anregung, weil wegen angeblich strafrechtlicher und disziplinarrechtlicher Vorwürfe kein Bedarf an seiner weiteren Verwendung bestünde, ohne im Rahmen von Ermittlungen an die notwendigen Informationen und Beweismittel zu gelangen, um dem Beschwerdeführer konkret und mit Beweismittel unterlegt jene Umstände vorhalten zu können, die das Vorliegen militärischer Rücksichten oder öffentlicher Interessen für seine Befreiung begründen könnten.Gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat, den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Kassation dann zulässig (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063), wenn der Sachverhalt nicht feststeht, weil die Behörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, die Behörde zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat, konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde Ermittlungen unterließ, damit diese im Sinn einer „Delegierung“ dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden oder die Behörde ähnlich schwerwiegende Ermittlungsfehler begangen hat. Gegenständlich hat die Behörde – wie festgestellt – keinerlei Ermittlungsschritte betreffend allenfalls vorliegende Umstände, welche das Vorliegen militärischer oder öffentlicher Interessen an der vorzeitigen Entlassung aus dem Funktionsdienst und der befristeten Befreiung von der Verpflichtung der Leistung des Funktionsdienstes begründen könnten, gesetzt. Da die Behörde darüber hinaus schneller, einfacher und wohl kostengünstiger das im vorliegenden Fall noch notwendige Ermittlungsverfahren erledigen wird können als das Bundesverwaltungsgericht, ist die Aufhebung des Bescheides und die Zurückverweisung der Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zulässig.

In diesem Zusammenhang wird auf das sachgleiche Beschwerdeverfahren, in dem mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes W136 2271504-1/2E vom 19.01.2024 ein Bescheid der Behörde behoben wurde, verwiesen.In diesem Sinne hat auch der Verwaltungsgerichtshof (VwGH 28.03.2017, Ro 2016/09/0009) ausgeführt, dass, wenn die Behörde den entscheidungswesentlichen Sachverhalt sehr unzureichend festgestellt hat, indem sie keine für die Entscheidung in der Sache brauchbaren Ermittlungsergebnisse geliefert hat (vgl. VwGH 20.10.2015, Ra 2015/09/0088; VwGH 23.02.2017, Ra 2016/09/0103), eine Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 VwGVG zulässig ist. Das ist hier – wie oben dargestellt – der Fall, zumal „die militärischen Rücksichten“ in keiner die verwaltungsgerichtliche Überprüfung ermöglichenden Art und Weise ermittelt und dargestellt wurden.Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid zu beheben war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht hat sich an der unter A) zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes orientiert und diese seiner Entscheidung zu Grunde gelegt, daher ist keine offene Rechtsfrage zu sehen. Die Revision ist daher unzulässig.