Spruch
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. DRUCKENTHANER über die Beschwerde von Herrn XXXX geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch RA Dr. Gregor Klammer, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, zu Recht:
A) I. Der Beschwerde gegen die Festnahme des Beschwerdeführers am 16.02.2025 um 14.05 Uhr und Anhaltung im Rahmen der Festnahme bis 19.26 Uhr wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 1 und Z 2 BFA-VG, § 34 Abs. 3 BFA-VG stattgegeben und die Festnahme und darauf basierende Anhaltung für rechtswidrig erklärt.
II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) hat gemäß § 35 Abs. 1 und Abs. 4 Z. 1 VwGVG idgF iVm § 1 Z. 1 VwG-AufwErsV idgF dem Beschwerdeführer den Verfahrensaufwand in Höhe von € 767,60 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (BF) wurde am 16.02.2025 anlässlich einer Personenkontrolle festgenommen.
Dagegen erhob er durch seine Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerde; im Wesentlichen begründete er dieselbe wie folgt:
„(…)
Seit 05.11.2019 bin ich mit der österreichischen Staatsbürgerin, Frau (…), geboren am (…), verheiratet. (…)
In der Zwischenzeit hat meine Gattin allerdings eine Teilzeitarbeit in Bratislava angenommen, im Ausmaß von 10 Stunden pro Woche, angenommen. Der erste Tag zum Arbeitsantritt war der 05.04.2022. Sie arbeitet in der Folge mehrere Monate in der Slowakei. Meine Ehefrau war daher grenzüberschreitende Arbeiterin (sie hat keinen Wohnsitz in der Slowakei) und nutzte ihre Rechte als EU-Bürgerin. In der Folge beantragte ich eine EWR-Angehörigen Aufenthaltskarte, welche mir auch im Jänner 2025 schließlich nach einem positiven Erkenntnis des VwG Wien ausgestellt wurde.
(…)
Die MA35 erhob eine außerordentliche Amtsrevision, über welche bis heute nicht entschieden wurde. Die ao Amtsrevision ist weiterhin beim VwGH anhängig. Es wurde der ao Revision keine aufschiebende Wirkung gewährt.
Am 16.02.2025 ging ich am frühen Nachmittag in das PAZ Hernalser Gürtel, um einen Freund von mir zu besuchen. Plötzlich wurde ich festgenommen und mir wurde mitgeteilt, dass meine Karte widerrufen worden wäre.
Ich wurde daraufhin mehrere Stunden festgehalten, bis mein Anwalt um 19:30 Uhr vorbeikam. Prompt wurde ich entlassen.“
Der Beschwerdeführer stellte schließlich die Anträge, das BVwG möge die Festnahme am 16.02.2025 und darauf basierende Anhaltung für rechtswidrig erklären und ihm den Ersatz des durch die Beschwerde entstandenen Aufwandes für Eingabegebühr, Schriftsatz und etwaige Verhandlung zu Handen seines Vertreters zusprechen.
Die Verwaltungsbehörde legte den Verwaltungsakt vor, gab eine Stellungnahme ab, und führte zur Beschwerde wie folgt aus:
„Die Ehefrau von Herrn (…), wie auch der Beschwerde zu entnehmen, ist eine grenzüberschreitende Arbeiterin ohne Wohnsitz in der Slowakei.
Herrn (…), in der Folge BF genannt, wurde aufgrund der Ehe die Eigenschaft eines begünstigten Drittstaatsangehörigen zuerkannt und wurde ihm in der Folge mit Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Wien vom 27 März 2024 zu VGW-151/090/3389/2023-37 eine Aufenthaltskarte für Familienangehörige ausgestellt, diese hat eine Gültigkeit vom 15.01.2024 – 15.01.2029.
Das BFA hat aufgrund eine Erkenntnisses des VwGH (VwGH 21.03.2024, RA 2022/21/0106) mit E-Mail vom 06.05.2024 einerseits die MA 35 in Kenntnis gesetzt, dass es sich beim BF, entgegen der Rechtsansicht des VwGW, womöglich nicht um einen begünstigten Drittstaatsangehörigen handelt anderseits wurde in der elektronischen Anwendung (IFA) der Behörde ein Vermerk zur besagten Judikatur angebracht. Die MA 35 brachte in weiterer Folge eine außerordentliche Revision ein, die noch immer anhängig ist.
Unglücklicherweise hatte die Abspeicherung dieses Vermerkes zur Folge, dass der gültige Aufenthaltstitel des BF rückwirkend mit dem Gültigkeitsdatum 21.03.2024 widerrufen wurde, weiters zeigte das IZR System ab diesem Moment einen unrechtmäßigen Aufenthalt an, genauso das IFA System des BFA. Als Herr (…) am 16.02.2025 im PAZ HG vorsprach und die diensthabenden Journaldienst-Beamten des BFA von seiner Anwesenheit durch Anruf der LPD erfuhren und sein Staus prüften, gab es für sie keinen Grund die Daten aus dem System anzuzweifeln. Ein Festnahmeauftrag wurde erlassen, der BF wurde einer Einvernahme zugeführt und es wurde eine Wohnsitzerhebung veranlasst. Der Aufenthaltstitel des BF wurde durch die LPD sichergestellt. Nachdem die Überprüfung des Wohnsitzes positiv ausfiel, wurde der BF ohne Mitwirkung seiner Rechtsvertretung am 16.02.2025 um 19:17 Uhr entlassen.
(…)
Aus diesem Grund wird der Beschwerde substanziell nicht entgegengetreten. Die Daten wurden bereits im System richtiggestellt. Das BFA bedauert den Vorfall zutiefst und beantragt die eingebrachte Maßnahmenbeschwerde ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung einer Entscheidung zuzuführen.“
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Sachverhalt:
Dem Beschwerdeführer wurde aufgrund der Ehe mit einer österreichischen Staatsangehörigen die Eigenschaft eines begünstigten Drittstaatsangehörigen zuerkannt und wurde ihm in der Folge mit Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Wien vom 27 März 2024 zu VGW -151/090/3389/2023-37 eine Aufenthaltskarte für Familienangehörige ausgestellt, diese hat eine Gültigkeit vom 15.01.2024 – 15.01.2029 (Erk. Des VGW v. 27.03.2024).
Die MA35 (als Verfahrenspartei im angeführten Verfahren vor dem Wiener Verwaltungsgericht) erhob gegen diese Entscheidung eine außerordentliche Amtsrevision, über welche bis heute nicht entschieden wurde. Die ao Amtsrevision ist weiterhin beim VwGH anhängig. Es wurde der ao Revision auch keine aufschiebende Wirkung gewährt (Bewchwerdeschriftsatz, Stellungnahme der Behörde).
Am 16.02.2025 begab sich der Beschwerdeführer am frühen Nachmittag in das PAZ Hernalser Gürtel, um einen Freund zu besuchen (Beschwerdeschriftsatz, Meldung der LPD Wien, vom 16.02.2025, GZ: PAD/25/00339223/001/FW) .
Aufgrund eines Eintragungsfehlers in das IFA gingen die diensthaben Journaldienstbeamten der Verwaltungsbehörde vom illegalen Aufenthalt des Beschwerdeführers aus, und wurde der Beschwerdeführer am 16.02.2025 um 14.05 Uhr von einem Sicherheitsorgan der LPD Wien nach Rücksprache mit der Verwaltungsbehörde festgenommen (Meldung der LPD Wien, vom 16.02.2025, GZ: PAD/25/00339223/001/FW) – der entsprechende Festnahmeauftrag der Verwaltungsbehördevom 16.02.2025 erging gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 BFA-VG in der ausdrücklichen Annahme des illegalen Aufenthalts des Beschwerdeführers (Festnahmeauftrag v. 16.02.2025, IFA-Zahl/Verfahrenszahl: 1138160401/211987652).
Mit Entlassungsanordnung vom 16.02.2025, 19.17 Uhr, verfügte die Verwaltungsbehörde die Entlassung des Beschwerdeführers (Entlassungsschein v. 16.02.2025).
Um 19.26 Uhr des 16.02.205 endete dann die Verwaltungsverwahrungshaft; der Beschwerdeführer befand sich (also) am 16.02.2025 in der Zeit von 14.05 Uhr bis 19.26 Uhr in Verwaltungsverwahrungshaft (Anhaltedatei des BMI).
Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich unzweifelhaft aus den angeführten Entscheidungsgrundlagen, im Besonderen aus den in Klammer einzeln aufgelisteten Dokumenten. In der Stellungnahme (anlässlich der Aktenvorlage) räumte die Verwaltungsbehörde ihren Irrtum ein und trat, wie selbst ausdrücklich festhielt, „der Beschwerde substanziell nicht entgegen“.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte daher unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde als geklärt anzusehen war.
Rechtliche Beurteilung:
Allgemein:
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht u. a. über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG (dazu gehören der Festnahmeauftrag gemäß § 34 BFA-VG und die Festnahme gemäß § 40 BFA-VG) und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG (dazu gehört die Abschiebung nach § 46 FPG).
Nach § 3 Abs. 1 Z 1 und 3 BFA-G obliegt dem Bundesamt – und damit einer Bundesbehörde – die Vollziehung des BFA-VG sowie die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG). Diese Angelegenheiten werden demnach in unmittelbarer Bundesverwaltung vollzogen. Die Durchführung einzelner vom BFA angeordneter bzw. diesem zuzurechnender Maßnahmen - etwa dem Festnahmeauftrag, aber auch der Anhaltungen nach § 40 BFA-VG - obliegt gemäß § 5 BFA-VG den Landespolizeidirektionen, in deren Sprengel sich der Fremde aufhält. Auch dabei handelt es sich um eine Vollziehung in unmittelbarer Bundesverwaltung.
Ist im Verfahren wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG eine Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen, so hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 6 VwGVG die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären und gegebenenfalls aufzuheben.
Nach § 22a Abs. 1 BFA-VG hat der Fremde das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist (Z 1), er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde (Z 2), oder gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde (Z 3).
Im gegenständlichen fall bildet daher § 22a Abs. 1 Z 1 und Z 2 BFA-VG die formelle Grundlage.
Zu Spruchpunkt A) I. (Festnahme und Anhaltung am 16.02.2025):
Die inhaltlich gesehen zur Diskussion stehende Bestimmung – entsprechend dem von der Verwaltungsbehörde erlassenen Festnahmeauftrag – lautet:
§ 34. BFA-VG
(3) Ein Festnahmeauftrag kann gegen einen Fremden auch dann erlassen werden,
1.wenn die Voraussetzungen zur Verhängung der Schubhaft nach § 76 FPG oder zur Anordnung gelinderer Mittel gemäß § 77 Abs. 1 FPG vorliegen und nicht aus anderen Gründen die Vorführung vor das Bundesamt erfolgt;
Da, wie sich in Wahrheit herausstellte, der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt seiner Festnahme und Anhaltung nicht illegal im Bundesgebiet aufhielt und insofern auch keine Sicherungsmaßnahmen (zum Zwecke der Außerlandesbringung) zur Diskussion standen, entbehrte die Festnahme und darauf anhaltende Anhaltung der gesetzlichen Grundlage und war daher mit entsprechender Rechtswidrigerklärung spruchgemäß vorzugehen.
Zu Spruchpunkt A) II. (Kosten):
In der Frage des Kostenanspruches – nur der Beschwerdeführer begehrte den Ersatz seiner Aufwendungen – ist § 35 VwGVG die anspruchsbegründende Norm; diese lautet:
§ 35 VwGVG
(1) Dem Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbar verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 b B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.
(2) Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei.
(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.
Da die beschwerdeführende Partei vollständig obsiegte, steht ihr nach den angeführten Bestimmungen dem Grunde nach der Ersatz ihrer Aufwendungen zu.
Hinsichtlich der konkreten Höhe des "Ersatzes ihrer Aufwendungen" sind gegenständlich §35 Abs. 4 Z 3 und 5 iVm § 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV) maßgeblich.
(4) Als Aufwendungen gemäß Abs. 1 gelten:
1. die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,
[...]
3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.
(5) Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.
§ 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013 lautet:
1. Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 737,60 Euro
(…)
In diesem Sinne war dem Beschwerdeführer Kostenersatz im beantragten Umfang – auch für Barauslagen und Aufwand – also in der Gesamthöhe von € 767,60 zuzusprechen.
Zu Spruchpunkt B) (Revision):
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Abgesehen davon liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trotz entsprechenden „Fehlens einer Rechtsprechung des VwGH keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, wenn die Rechtslage eindeutig ist“ (z.B. VwGH, Ra 2015/11/0008, v. 26.02.2015 u.a. unter Verweis auf VwGH, Ro 2014/07/0053, v. 28.05.2014).