JudikaturBVwG

W233 2292520-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
18. Februar 2025

Spruch

W233 2292520-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Andreas FELLNER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX Staatsangehöriger der Republik Indonesien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.04.2024, Zl. 1307465704 – 230612892, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.02.2025, zu Recht:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX , geboren am XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (im Folgenden: AsylG 2005), der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Indonesien, stellte nach Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 24.03.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am 24.03.2024 erfolgte seine Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, im Rahmen welcher er zu seinen Fluchtgründen anführte, dass er homosexuell sei und dass seine sexuelle Orientierung in Indonesien verboten sei.

3. In der Folge wurde der Beschwerdeführer am 23.02.2024 niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu seinem Aufenthalt in Indonesien, zu seinen Fluchtbewegungen, zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates, zu seinen Angehörigen sowie zu seinem Aufenthalt in Österreich befragt. Dabei wiederholte er im Wesentlichen sein bereits im Rahmen der Erstbefragung erstattetes Fluchtvorbringen.

4. Mit dem gegenständlichen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.04.2024 wurde sein Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Indonesien gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Indonesien gem. § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) Schließlich wurde ihm eine Frist von 14 Tagen für seine freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt (Spruchpunkt VI.)

5. Der Beschwerdeführer erhob im Wege seiner Vertretung gegen den oben angeführten Bescheid am 17.05.2024 fristgerecht Beschwerde.

6. Am 24.05.2024 wurden die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

7. Zur Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts fand am 12.02.2025 vor dem Bundesverwaltungsgericht unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Englisch eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt. Der Beschwerdeführer wurde zu seiner Identität und Herkunft, zu seinen persönlichen Lebensumständen, zu seinem Leben in Österreich, zu seinen Angehörigen und zu seinen Flucht- und Verfolgungsgründen sowie zu seiner Situation im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat befragt. Darüber hinaus wurde im Zuge der mündlichen Verhandlung auch der Partner des Beschwerdeführers als Zeuge befragt. Ferner wurde mit dem Beschwerdeführer das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Indonesien vom 25.07.2024 und die vom Beschwerdeführer in das Verfahren eingebrachte ACCORD-Anfragebeantwortung zu Indonesien: Situation der LGBTIQ+ - Gemeinschaft, vom 11.02.2025 erörtert.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Zur individuellen Situation des Beschwerdeführers

1.1.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer, ein indonesischer Staatsangehöriger, führt den Namen XXXX und ist am XXXX in XXXX geboren. Der Beschwerdeführer fühlt sich der islamischen Religionsgemeinschaft und der Volksgruppe der Java zugehörig.

Der Beschwerdeführer ist homosexuell. Der Beschwerdeführer hatte im Laufe des Jahres 2017 in Indonesien homosexuelle Kontakte zu einem australischen Staatsangehörigen.

Der Beschwerdeführer lernte im Jahr 2020 über die App „Gay Romeo“ (auch „Planet Romeo“) einen österreichischen Staatsbürger kennen. Der Beschwerdeführer reiste im Mai 2022 legal nach Österreich, um diesen österreichischen Staatsbürger persönlich zu treffen. Der Beschwerdeführer verbrachte von Mai 2022 bis Juni 2022 drei Wochen mit diesem österreichischen Staatsbürger, wobei es in dieser Zeit auch zu homosexuellen Kontakten des Beschwerdeführers mit diesem österreichischen Staatsbürger kam. Im Laufe des Monats Juni 2022 kehrte der Beschwerdeführer nach Indonesien zurück.

Am 20.01.2023 reiste der Beschwerdeführer abermals nach Österreich ein und führt seit dieser Zeit mit seinem Partner eine homosexuelle Beziehung. Zum Entscheidungszeitpunkt leben der Beschwerdeführer und sein Partner an einem gemeinsamen Wohnsitz.

1.1.2. Zu den Flucht- und Verfolgungsgründen

Der Beschwerdeführer konnte mit seinem glaubhaften Vorbringen darlegen, dass er im Falle seiner Rückkehr nach Indonesien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevanten Verfolgungshandlungen infolge seiner homosexuellen Orientierung ausgesetzt wäre. Die in das Verfahren eingebrachten Länderinformationen zeigen im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers eine gegenüber homosexuellen Menschen vorherrschende feindselige Haltung, da insbesondere vage definierte Gesetze im Zusammenhang mit Pornografie und Förderung der Prostitution zur Verfolgung von LGBTQI+-Personen herangezogen werden. Zudem zeigen diese Informationen auch, dass sowohl bei den indonesischen Sicherheitsbehörden als auch im indonesischen Justizapparat Korruption, Voreingenommenheit und Gewalt gegenüber LGBTQI+-Personen herrschen, weshalb nicht davon auszugehen ist, dass die indonesischen Sicherheitsbehörden im Falle von Verfolgungshandlungen gegenüber homosexuellen Menschen diesen tatsächlich Schutz gewähren würden.

Unter Zugrundelegung all dieser Informationen ist es dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Indonesien nicht zumutbar, seine sexuelle Orientierung in seinem Herkunftsstaat offen zu leben.

1.2. Zur allgemeinen Situation in Indonesien

1.2.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt Staatendokumentation über Indonesien vom 25.07.2024:

1. Sicherheitslage

Die politische Lage im Land ist grundsätzlich ruhig und stabil. Jedoch können separatistische Bewegungen und ethnisch-religiös motivierte Spannungen die Sicherheit in einzelnen Regionen gefährden. Bei Demonstrationen sind Ausschreitungen und gewaltsame Zusammenstöße zwischen Demonstrierenden und den Sicherheitskräften möglich (EDA 25.7.2024).

[…]

2. Rechtsschutz / Justizwesen

Das Gesetz sah eine unabhängige Justiz und das Recht auf ein faires öffentliches Verfahren vor, aber die Justiz war zutiefst und in weiten Teilen korrupt und unterlag der Einflussnahme von außen, einschließlich Geschäftsinteressen, Politikern, den Sicherheitskräften und Beamten der Exekutive (USDOS 23.4.2024).

Die Justiz hat in einigen Fällen jedoch ihre Unabhängigkeit unter Beweis gestellt, insbesondere beim Verfassungsgericht und beim Obersten Gerichtshof (FH 2024).

Die Dezentralisierung erschwerte die Durchsetzung von Gerichtsbeschlüssen, und zuweilen wurden sie von lokalen Beamten ignoriert (USDOS 23.4.2024).

Die Unschuldsvermutung wurde nicht immer beachtet; so ließen einige Gerichte beispielsweise erzwungene Geständnisse zu (USDOS 23.4.2024; vgl. FH 2024).

Grundsätzlich bestehen rechtsstaatliche und menschenrechtskonforme Einrichtungen wie die Anfechtung von Festnahmen und Inhaftierungen, die Verpflichtung zur Ausstellung von Haftbefehlen, die Bestellung von Rechtsbeiständen oder das Recht auf Zeugenbenennungen bzw. -aussagen. Es gab keine Kautionsregelung; allerdings konnten Inhaftierte eine Aussetzung der Haft beantragen, die von Ermittlern, Staatsanwälten oder Richtern gewährt werden konnte (USDOS 23.4.2024; vgl. FH 2024).

Bestechungsgelder und Erpressung beeinflussten die Strafverfolgung und Verurteilung in Zivil- und Strafsachen. Korruptionsbekämpfungs-NROs beschuldigten Schlüsselpersonen im Justizsystem, Bestechungsgelder anzunehmen und mutmaßliche Korruption zu dulden. Rechtshilfeorganisationen berichteten, dass Fälle oft nur sehr langsam bearbeitet wurden, wenn keine Bestechungsgelder gezahlt wurden, und in einigen Fällen verlangten Staatsanwälte Zahlungen von Angeklagten, um eine weniger eifrige Strafverfolgung zu gewährleisten oder um einen Fall verschwinden zu lassen (USDOS 23.4.2024). Bei einer Verurteilung wurde die Zeit in der Untersuchungshaft auf die Strafe angerechnet. Die Medien berichteten jedoch über Fälle, in denen Verdächtige länger als gesetzlich zulässig festgehalten wurden, was in einigen Fällen - insbesondere bei geringfügigen Straftaten mit Strafen von weniger als einem Jahr - zur sofortigen Freilassung der für schuldig befundenen Personen führte, da die in der Untersuchungshaft verbrachte Zeit ihrer Strafe entsprach oder diese überstieg. Für Terrorismusverdächtige galten besondere Regeln (USDOS 23.4.2024).

Das Gesetz erkennt auch „jedes gelebte Recht“ im Land an, was so ausgelegt werden könnte, dass es Hunderte von diskriminierenden Vorschriften auf der Grundlage der Scharia (islamisches Recht) legitimiert, die lokale Behörden durch Rechtsprechungen im ganzen Land erlassen haben (HRW 11.1.2024). In einer Reihe von Bezirken und Provinzen gibt es zudem verfassungswidrige, auf der Scharia basierende Verordnungen, die den internationalen Menschenrechtsverpflichtungen Indonesiens widersprechen (FH 2024). Die Rechtsprechung kann sich in den einzelnen Provinzen unterscheiden (EDA 25.7.2024).

[…]

3. Sicherheitsbehörden

Die Nationalen Streitkräfte Indonesiens bestehen aus der Armee, der Marine, einschließlich Marinekorps, sowie aus der Luftwaffe (CIA 17.7.2024). Die indonesische Nationalpolizei, die direkt dem Präsidenten unterstellt ist, umfasst ein paramilitärisches Mobiles Brigadekorps (BRIMOB); nach dem Bombenanschlag auf Bali im Jahr 2002 bildete die Nationalpolizei eine Spezialeinheit zur Terrorismusbekämpfung mit der Bezeichnung „Detachment 88“ (Densus oder Detasemen Khusus 88 Antiteror); das Detachment 88 arbeitet häufig mit dem Gemeinsamen Kommando für Sondereinsätze der nationalen Streitkräfte zusammen, das über Einheiten zur Terrorismus- und Aufstandsbekämpfung verfügt; die Nationalpolizei wird auch von den Hilfspolizisten der KAMRA („Volkssicherheit“) unterstützt (CIA 17.7.2024). Die Straflosigkeit der Sicherheitskräfte war ein Problem (USDOS 23.4.2024). Die Regierung hat nicht systematisch glaubwürdige Schritte unternommen, um Beamte zu ermitteln und zu bestrafen, die Menschenrechtsverletzungen begangen haben könnten (USDOS 23.4.2024). Es gab Berichte über willkürliche Verhaftungen durch die Polizei, vor allem durch die Kriminalpolizei und das Mobile Brigade Corps, eine taktische Einheit der Polizei, die mit der Terrorismusbekämpfung, der Bekämpfung von Unruhen und der Durchsetzung von Gesetzen in Hochrisikosituationen beauftragt ist (USDOS 23.4.2024; vgl. FH 2024). Es gab zahlreiche Berichte über willkürliche oder unrechtmäßige Tötungen durch Sicherheitsbeamte. Viele dieser Berichte bezogen sich auf Aufstandsbekämpfungsmaßnahmen gegen bewaffnete separatistische Gruppen in der Region Papua, die ebenfalls für willkürliche und unrechtmäßige Tötungen verantwortlich waren (USDOS 23.4.2024). In Fällen mutmaßlicher außergerichtlicher Tötungen durch Regierungsbeamte führten Polizei und Militär häufig keine Ermittlungen durch, und wenn sie dies taten, versäumten sie es, ihre Ergebnisse offenzulegen. Offizielle Erklärungen im Zusammenhang mit Missbrauchsvorwürfen widersprachen manchmal den Berichten von NRO, und die Unzugänglichkeit von Gebieten, in denen Gewalt stattfand, erschwerte die Bestätigung von Fakten (USDOS 23.4.2024). Es gab keine Berichte über das Verschwindenlassen von Personen durch oder im Namen der Regierungsbehörden. Die Regierung und die NRO berichteten über geringe Fortschritte bei der Aufklärung früherer Fälle von Verschwindenlassen, einschließlich der Fälle während der Besetzung von Timor-Leste durch Indonesien (Timor-Leste wurde 2002 unabhängig) (USDOS 23.4.2024).

4. Korruption

Korruption ist nach wie vor in der nationalen und lokalen Legislative, im öffentlichen Dienst, in der Justiz und bei der Polizei weit verbreitet. Die häufigsten Straftaten sind Veruntreuung, Bestechung und Erpressung (FH 2024). Das Gesetz sah zwar strafrechtliche Sanktionen für Korruption im öffentlichen Dienst vor, doch die Bemühungen der Regierung, das Gesetz durchzusetzen, waren unzureichend. Es gab zahlreiche Berichte über Korruption in der Regierung (USDOS 23.4.2024). Die Korruptionsbekämpfungskommission untersuchte und verfolgte zahlreiche Beamte, die der Korruption verdächtigt wurden, auf allen Ebenen der Regierung. Trotz der Verhaftung und Verurteilung zahlreicher hochrangiger Beamter herrschte der Eindruck vor, dass die Korruption endemisch sei (USDOS 23.4.2024). Nach Angaben von NRO und Medienberichten verlangte die Polizei häufig Bestechungsgelder, die von geringfügigen Zahlungen in Verkehrsfällen bis hin zu hohen Beträgen bei strafrechtlichen Ermittlungen reichten (USDOS 23.4.2024).

5. Sexuelle Minderheiten

Es gibt kein nationales Gesetz, das einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen unter Strafe stellt; NRO berichteten jedoch von mehreren Fällen, in denen vage definierte Gesetze im Zusammenhang mit Pornografie und Förderung der Prostitution zur Verfolgung von LGBTQI+-Personen herangezogen wurden (USDOS 23.4.2024; vgl. AA 25.7.2024). Homo- und Transsexualität sind nicht in allen Landesteilen toleriert (EDA 25.7.2024). Einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen waren in Aceh illegal und wurden mit bis zu 100 Peitschenhieben, einer beträchtlichen Geldstrafe oder einer 100-monatigen Gefängnisstrafe bestraft. Nach Angaben des Leiters der Scharia-Behörde von Aceh waren mindestens vier Zeugen erforderlich, um Personen bei einvernehmlichen gleichgeschlechtlichen sexuellen Handlungen zu beobachten, damit sie angeklagt werden konnten (USDOS 23.4.2024). Behörden und einflussreiche muslimische Organisationen schüchtern weiterhin LGBT+- Gemeinschaften, -Organisationen und -Aktivisten ein und behindern Gruppen, die Dienstleistungen für LGBT+-Personen anbieten wollen (FH 2024). Das nationale Antidiskriminierungsgesetz schützte LGBTQI+-Personen nicht, und es kam zu Diskriminierung von LGBTQI+-Personen. Transgender-Personen wurden im Arbeitsleben und beim Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen und zur Gesundheitsversorgung diskriminiert (USDOS 23.4.2024). Regierungsbeamte und Politiker in ganz Indonesien haben sich zunehmend auf islamische Werte berufen und lokale Gesetze und Vorschriften erlassen, die sich gegen religiöse, geschlechtliche und sexuelle Minderheiten richten oder diese ausgrenzen (USCIRF 5.2024). Polizeikorruption, Voreingenommenheit und Gewalt veranlassten LGBTQI+-Personen, den Kontakt mit der Polizei zu vermeiden. Die Beamten ignorierten oft formelle Beschwerden von Opfern und Betroffenen und weigerten sich, in Mobbingsachen gegenüber LGBTQI+-Personen zu ermitteln. In Strafsachen mit LGBTQI+-Opfern untersuchte die Polizei die Fälle einigermaßen gut (USDOS 23.4.2024). Einige LGBTQI+-Interessensvertretungen berichteten, dass sie bei dem Versuch, ihre Organisationen zu registrieren, nicht in der Lage waren, auf ihrer Registrierungsbescheinigung ausdrücklich anzugeben, dass sie LGBTQI+- Interessensvertretungen sind. LGBTQI+-NGOs waren tätig, berichteten aber, dass es schwierig war, die für öffentliche Veranstaltungen erforderlichen Lizenzen oder Genehmigungen zu erhalten (USDOS 23.4.2024). Die Produktion von Medien, in denen einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen dargestellt werden - die Definition im Gesetz ist vage und weit gefasst -, kann als Straftat verfolgt werden. Die Strafen umfassten potenziell extrem hohe Geldstrafen und Freiheitsstrafen von bis zu 15 Jahren (USDOS 23.4.2024). Es gibt keine Gesetze oder Vorschriften, die die so genannten Konversionstherapien verbieten oder anderweitig einschränken (USDOS 23.4.2024). Eine Aktualisierung der Geschlechtskennzeichnung in amtlichen Dokumenten war möglich, erforderte jedoch abgeschlossene medizinische Eingriffe, einschließlich Operationen, und eine gerichtliche Bestätigung. Es lag im Ermessen der Richter, einen Gerichtsbeschluss zu erlassen (USDOS 23.4.2024).

1.2.2. Auszug aus der ACCORD-Anfragebeantwortung zur Situation der LGBTIQ+ -Gemeinschaft in Indonesien, vom 11.02.2025:

1. Rechtliche Lage der LGBTIQ+-Gemeinschaft

Die International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association (ILGA World) beschreibt in ihrem Jahresbericht vom Juni 2024, dass das indonesische Strafgesetzbuch (1952) keine Bestimmungen enthalte, die einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen im privaten Bereich verbieten würden (ILGA World, Juni 2024, S. 51). In einem zuletzt im Dezember 2024 aktualisiertem Länderprofil des Human Dignity Trust wird ebensfalls beschrieben, dass es in Indonesien auf nationaler Ebene kein Gesetz (d. h. keine Bestimmung im Strafgesetzbuch) gebe, das gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen kriminalisiere. Auf Bundesebene gebe es beträchtliche Belege dafür, dass ein „Anti-Pornografie“-Gesetz aus dem Jahr 2008 zur Festnahme und Strafverfolgung von LGBT-Personen genutzt werde. In zwei Provinzen seien gleichgeschlechtliche sexuelle Aktivitäten explizit verboten: in Aceh, einer konservativen muslimischen Provinz, in der die Scharia gelte (siehe dazu den Unterpunkt „Lage in der Provinz Aceh”), und in Süd-Sumatra, einer mehrheitlich muslimischen, aber weniger konservativen Provinz. Es gebe auch einige spezifische Verordnungen auf Stadt- und Bezirksebene, die gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen in bestimmten Gebieten innerhalb der Provinzen kriminalisieren (Human Dignity Trust, 17. Dezember 2024; siehe auch: USDOS, 23. April 2024, Section 6).

USCRIF beschreibt in seinem Jahresbericht vom Mai 2024, dass Regierungsbeamt·innen und Politiker·innen in ganz Indonesien sich zunehmend auf islamische Werte berufen und lokale Gesetze und Vorschriften erlassen würden, die sich gegen geschlechtsspezifische und sexuelle Minderheiten richten oder diese ausgrenzen würden (USCRIF, Mai 2024, S. 57). In einem Artikel des East Asia Forum (EAF) vom Juli 2024 wird ebenfalls auf die Existenz von zahlreichen regionalen Verordnungen, in denen Homosexualität entweder verboten oder als unmoralisch verurteilt werde, hingewiesen. Die historische Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt, einschließlich trans- und gleichgeschlechtlicher Praktiken, sei aufgrund eines zunehmenden konservativen religiösen Einflusses und regionaler Vorschriften, die solches Verhalten kriminalisieren würden, gegenwärtig in Gefahr (EAF, 11. Juli 2024). ILGA bezieht sich auf die örtliche Organisation Arus Pelangi, der zufolge es mit Stand Jänner 2023 in Indonesien 45 Verordnungen gegeben habe, die sich gegen LGBT-Personen richten würden (ILGA World, Juni 2024, S. 51).

Laut ILGA sei im Dezember 2022 ein neues Strafgesetzbuch vom Parlament verabschiedet und am 2. Jänner 2023 vom Präsidenten unterzeichnet worden, es werde aber erst im Jänner 2026 in Kraft treten. Vor dessen Verabschiedung hätten internationale Menschenrechtsorganisationen vor den unverhältnismäßigen Auswirkungen, die das Gesetz auf Personen mit unterschiedlichen sexuellen Orientierungen, Geschlechtsidentitäten und geschlechtlichen Verhaltensweisen haben würde, gewarnt (ILGA World, Juni 2024, S. 51). Amnesty International zufolge verstoße das neue Strafgesetzbuch gegen Rechte von LGBTI+-Personen, da es einvernehmliche sexuelle Beziehungen außerhalb der Ehe strafbar mache (Amnesty International, 28. März 2023). Im Jänner 2025 beschreibt Human Rights Watch (HRW) ebenfalls, dass das überarbeitete Strafgesetzbuch strafrechtliche Sanktionen für außerehelichen Geschlechtsverkehr vorsehe und LGBT-Personen diskriminiere, indem es jedes gleichgeschlechtliche Sexualverhalten kriminalisiere (HRW, 29. Jänner 2025). Auch in einem Briefing des Europäischen Parlaments (EP) vom November 2024 wird darauf hingewiesen, dass im neuen Strafgesetzbuch Sex außerhalb der Ehe kriminalisiert werde. Da es gleichgeschlechtlichen Paare nicht möglich sei, zu heiraten, führe dieses Strafgesetzbuch zu einer Einschränkung der Rechte von Homosexuellen (EP, November 2024, S. 8). HRW fordert die Regierung Indonesiens auf, Bestimmungen im überarbeiteten Strafgesetzbuch von 2022, die unter anderem Rechte von LGBT-Personen verletzen würden, rückgängig zu machen, bevor es im Jänner 2026 in Kraft trete (HRW, 29. Jänner 2025).

ILGA beschreibt, dass das neue Strafgesetzbuch einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen im privaten Bereich formal nicht unter Strafe stelle. Mindestens zwei Bestimmungen mit vagen Formulierungen (kesusilaan: „Anstand“ und perbuatan cabul: „obszöne/unzüchtige Handlung“) würden jedoch im Endeffekt einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen in der Öffentlichkeit kriminalisieren. Artikel 414 Absatz eins lege demnach fest, dass jede Person, die in der Öffentlichkeit eine „obszöne/unzüchtige Handlung“ mit einer Person des gleichen oder eines anderen Geschlechts durchführe, mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr und sechs Monaten oder einer Geldstrafe bestraft werde. Örtliche Kommentator·innen hätten erklärt, dass das neue Strafgesetzbuch zwar gleichgeschlechtliche Zuneigung nicht unter Strafe stelle, „Homosexualität aber strafbar sei, wenn sie mit obszönen Handlungen einhergehe“ oder wenn sie „als pornografischer Inhalt veröffentlicht werde“. Der Begriff „obszön“ bleibe rechtlich undefiniert und erlaube einen großen Ermessensspielraum bei der Auslegung. Beispielsweise habe der stellvertretende Vorsitzende der Beratenden Volksversammlung der Republik Indonesien, Hidayat Nur Wahid, im Juli 2023 öffentlich argumentiert, dass das kürzlich erlassene Strafgesetzbuch dazu beitrage „LGBT und alle seine Abweichungen“ zu verurteilen. Dabei habe er ausdrücklich auf Artikel 414 als Rechtsgrundlage für seine Argumentation verwiesen (ILGA World, Juni 2024, S. 51-52). Dem EAF zufolge sei die Annahme des überarbeiteten Strafgesetzbuchs im Jahr 2022 der Höhepunkt in einem Prozess der Kriminalisierung von LGBT-Personen auf nationaler Ebene. Diese Kriminalisierung sei von einer politischen und religiösen Hasskampagne begleitet worden, die ab 2015 an Intensität zugenommen habe (EAF, 11. Juli 2024)

2. Staatliche Behandlung der LGBTIQ+-Gemeinschaft

Laut dem Länderprofil von Human Dignity Trust vom Dezember 2024 gebe es deutliche Hinweise dafür, dass LGBT-Personen häufig unter Anwendung bestimmter gesetzlicher Vorschriften festgenommen würden. In den letzten Jahren sei kontinuierlich gegen LGBT-Personen vorgegangen worden. Dieses Vorgehen beinhalte zahlreiche Razzien in Bars, Clubs und Saunen, die von schwulen Männern besucht würden, oft gefolgt von willkürlichen Inhaftierungen und späterer Freilassung. Mehrere Personen seien strafrechtlich verfolgt und in der Regel im Rahmen des Anti-Pornografie-Gesetzes verurteilt worden. Auch Transgender-Personen seien in den letzten Jahren festgenommen worden (Human Dignity Trust, 17. Dezember 2024).

Im Februar 2025 berichtet Reuters, dass die indonesische Polizei 56 Männer bei einer „schwulen Sex-Party“ in der Hauptstadt Jakarta festgenommen habe. Ein/er Polizeisprecher·in zufolge drohe drei der festgenommenen Personen wegen Verstoßes gegen das Pornografiegesetz bis zu 15 Jahre Haft. Reuters weist darauf hin, dass Homosexualität in den meisten Teilen Indonesiens, auch in der Hauptstadt, nicht illegal sei, aber in dem mehrheitlich muslimischen Land allgemein als Tabuthema gelte. Die drei genannten Verdächtigen würden beschuldigt, „pornografische“ Dienstleistungen vermittelt zu haben, was mit einer Höchststrafe von 15 Jahren Gefängnis geahndet werden könne. Laut Aktivist·innen würden die Anti-Pornografie-Gesetze oft missbraucht (Reuters, 4. Februar 2025).

Das EP beschreibt im November 2024, dass die LGBT-Gemeinschaft Indonesiens trotz traditionell toleranter Einstellung gegenüber sexuellen Minderheiten zunehmend unter Druck gerate. Im Jahr 2016 habe der ehemalige Präsident Jokowi halbherzig gefordert, die LGBT-Gemeinschaft vor Diskriminierung zu schützen, aber er habe sich weder gegen homophobe Äußerungen von Mitgliedern seiner eigenen Regierung ausgesprochen noch versucht, polizeiliche Schikanen wie Razzien in schwulen Nachtclubs einzudämmen (EP, November 2024, S. 8).

Das USDOS beschreibt in seinem Jahresbericht vom April 2024, dass LGBTQI+-Personen den Kontakt mit der Polizei aufgrund von Polizeikorruption, Voreingenommenheit und Gewalt vermieden hätten. Die Beamt·innen hätten formelle Beschwerden von Opfern und Betroffenen oft ignoriert und hätten sich geweigert, Mobbing gegen LGBTQI+-Personen zu untersuchen. In Strafsachen mit LGBTQI+ Opfern habe die Polizei die Fälle einigermaßen gut untersucht. In vielen Fällen hätten es Beamt·innen aber verabsäumt, LGBTQI+-Personen vor gesellschaftlichem Missbrauch zu schützen (USDOS, 23. April 2024, Abschnitt 6)

In seinem Jahresbericht 2024 beschreibt Freedom House, dass LGBTIQ+-Personen in Indonesien unter weit verbreiteter Diskriminierung, hetzerischer und diskriminierender Rhetorik seitens der Behörden und Angriffen islamistischer Hardliner-Gruppen leiden würden (Freedom House, 2024, F4). USCRIF verweist ebenfalls auf Regierungsbeamt·innen und Politiker·innen in ganz Indonesien, die zunehmend eine gezielte Rhetorik gegen geschlechtliche, sexuelle und religiöse Minderheiten einsetzen und sich dabei auf islamische Werte berufen würden. Zum Beispiel habe der Bürgermeister von Medan in Nordsumatra die Stadt für „LGBT-frei“ erklärt, um bestimmte religiöse Akteur·innen anzusprechen (USCRIF, Mai 2024, S. 57). Laut ILGA habe ein Mitglied des Volksvertretungsrates („People’s Representative Council”) im November 2023 gefordert, LGBT-Personen mit Steinigung zu bestrafen, um „die zunehmende Verbreitung [solcher] Praktiken zu unterdrücken“. Die Politikerin habe diesen Vorschlag auf einem Forum für islamische Bildung in West-Java mit ihrer religiösen Überzeugung begründet und Eltern aufgefordert, das Verhalten ihrer Kinder zu überwachen, um deren Beteiligung an „Promiskuität“ zu vermeiden (ILGA, Juli 2024, S. 52).

Das Southeast Asia Freedom of Expression Network (SAFEnet) untersucht in einem Bericht vom August 2024 die Verantwortung von Social-Media-Plattformen bei der Verbreitung von Hassrede während der Wahlen 2024 in Indonesien. Die LGBTIQ+-Gemeinschaft in Indonesien sei häufig mit verschiedenen Formen von Hassreden konfrontiert, die nicht nur ihre Identität und sexuelle Orientierung angreife, sondern ihnen auch ihre Grundrechte als Bürger·innen abspreche (SAFEnet, August 2024, S. 34). Diese Kampagnen würden sich oft traditioneller und religiöser Narrative bedienen, die LGBTIQ+-Identitäten als Gegensatz zu nationalen moralischen Werten darstellen und so Intoleranz und Feindseligkeit erzeugen würden (SAFEnet, August 2024, S. 2). Hassrede beinhalte sowohl grobe Kommentare und Spott in sozialen Medien wie auch irreführende Propaganda, die die LGBTIQ+-Gemeinschaft beschuldige, eine versteckte politische Agenda zu verfolgen (SAFEnet, August 2024, S. 34). Sie sei häufig auf religiöse Vorurteile und konservative gesellschaftliche Normen zurückzuführen und stelle LGBTIQ+-Personen als „unnatürlich“, „unmoralisch“ oder sogar als „Bedrohung“ für die Werte der Angreifer·innen dar. In einigen Fällen sei auch ausdrücklich zu Gewalt und Diskriminierung gegen die LGBTIQ+-Gemeinschaft aufgerufen worden, was auf ein hohes Maß an Intoleranz und Feindseligkeit hindeute (SAFEnet, August 2024, S. 30). Fälle, in denen persönliche Daten von LGBTIQ+-Personen online veröffentlicht worden seien, hätten zu gezielten Drohungen und Gewalt geführt. (SAFEnet, August 2024, S. 2).

In seinem Freedom on the Net-Bericht vom Oktober 2024 schreibt Freedom House, dass LGBT+-Aktivist·innen Berichten zufolge durch die indonesische Regierung mit Hilfe der Spionagesoftware FinFisher, die Daten wie Skype-Audio, Tastenprotokolle und Screenshots sammle, IMSI-Catcher, sowie Überwachungsprodukte des US-israelischen Unternehmens Verint, überwacht würden (Freedom House, 16. Oktober 2024). Außerdem habe die Regierung seit 2020 Vorschläge zur Überarbeitung des Rundfunkgesetzes von 2002 diskutiert. Der jüngste Entwurf, der im Oktober 2023 fertiggestellt worden sei, würde die Ausstrahlung einer Reihe von Reden und Inhalten einschränken, darunter Berichte über die LGBT+-Gemeinschaft und „Berufe oder Personen mit negativem Lebensstil“. Zivilgesellschaftliche Organisationen und Organisationen, die sich für Pressefreiheit einsetzen, hätten den Entwurf und sein Potenzial, die freie Meinungsäußerung im Lande weiter einzuschränken, scharf kritisiert (Freedom House, 16. Oktober 2024; siehe auch Reuters, 23. Mai 2024). Das Ministerium für Kommunikation und Informationstechnologie (Kominfo) habe 2017 und 2018 die LGBT+ Dating-Apps Grindr und Blued blockiert, und die Apps seien während des gesamten Erfassungszeitraums vom 1. Juni 2023 bis 31. Mai 2024 blockiert geblieben (Freedom House, 16. Oktober 2024)

Im Juni 2024 berichtet USDOS, dass die indonesische Rundfunkkommission ihr jährliches Rundschreiben, in dem die Vorschriften für angemessene Fernsehinhalte und die Anforderungen an alle Fernsehprediger während des Ramadan aufgeführt seien, veröffentlicht habe. Das Rundschreiben habe auch Filmmaterial eingeschränkt, das lesbische, schwule, bisexuelle, transgender, queere und intersexuelle Inhalte sowie Inhalte, die gegen „Normen von Anstand und Moral“ verstoßen, zeige (USDOS, 26. Juni 2024). Dem EAF zufolge seien auch Websites geschlossen oder umbenannt worden, wodurch LGBT-Jugendlichen der Zugang zu dringend benötigten Informationen und Unterstützung verwehrt worden sei. Trotz dieser Zensur bleibe das Internet eine wichtige Informationsquelle. Unterstützungsdienste wie psychologische Beratung könnten auch online in Anspruch genommen werden (EAF, 11. Juli 2024).

3. Gesellschaftliche Einstellungen und Diskriminierung der LGBTIQ+-Gemeinschaft

Im Juli 2024 beschreibt Fair Planet, dass viele Menschen in Indonesien konservative Einstellungen zu Sexualität und Geschlecht hätten (Fair Planet, 13. Juli 2024). Eine Studie zu Einstellungen von jungen Menschen gegenüber LGBTQIA+ Personen in Java weist darauf hin, dass stigmatisierende und ablehnende Ansichten gegenüber LGBTQIA+-Gemeinschaften in der indonesischen Gesellschaft weit verbreitet seien. Die Studie selbst sei mit 53 jungen Menschen im Alter zwischen 14 und 25 Jahren aus neun Dörfern in Java durchgeführt worden und habe gezeigt, dass die Teilnehmer·innen eine weitgehend kritische und ausgrenzende Haltung gegenüber LGBTQIA+ Personen hätten. Verbindende Themenstränge seien die Auslöschung von LGBTQIA+ als Identität und das Festhalten an religiös geprägten Vorstellungen von Homosexualität (insbesondere) als haram und sexueller und geschlechtlicher Diversität als Krankheit gewesen. Während die Teilnehmer·innen sich selbst als tolerant und inklusiv gegenüber Personen verschiedener Ethnien und Religionen bezeichnet hätten, sei die Einbeziehung von LGBTQIA+ Personen als inakzeptabel angesehen worden (Kelly et al., 18. November 2024)

Das USDOS beschreibt im April 2024, dass nationale Antidiskriminierungsgesetze LGBTQI+-Personen nicht schützen würden und dass es zu Diskriminierung von LGBTQI+-Personen gekommen sei (USDOS, 23. April 2024, Abschnitt 6). Dem Länderprofil des Human Dignity Trust vom Dezember 2024 zufolge habe es in den letzten Jahren immer wieder Berichte über Diskriminierung und Gewalt gegen LGBT-Personen gegeben, darunter Belästigung, Erpressung, Verweigerung grundlegender Rechte und Dienstleistungen sowie familiärer Druck (Human Dignity Trust, 17. Dezember 2024). Laut dem USDOS würden Familien LGBTQI+-Kinder oft in Therapie geben, sie zu Hause einsperren oder sie unter Druck setzen, Personen des anderen Geschlechts zu heiraten. Es seien keine Fälle bekannt, in denen Kinder oder nicht einwilligungsfähige erwachsene intergeschlechtliche Personen medizinischen Zwangsmaßnahmen unterzogen worden seien (USDOS, 23. April 2024, Abschnitt 6).

Einem Artikel des EAF vom Juli 2024 zufolge würden Mitglieder von LBT-Organisationen weiterhin gegen die Unterdrückung kämpfen, der sie in ihren Familien, Bildungseinrichtungen und an ihren Arbeitsplätzen ausgesetzt seien. Dabei seien die Zunahme von Konversionstherapien und religiöser Intoleranz wichtige Themen (EAF, 11. Juli 2024). Laut dem USDOS gebe es keine Gesetze oder Vorschriften, die sogenannte Konversionstherapien verbieten oder anderweitig einschränken würden (USDOS, 23. April 2024, Abschnitt 6). Für Mitarbeiter·innen von LGBT-Organisationen sei es derzeit schwierig, in ihren Büros zu arbeiten, da Hardliner-Milizen sie bedrohen würden (EAF, 11. Juli 2024).

2. Beweiswürdigung

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers (Name, Staatsangehörigkeit, Geburtsdatum und Geburtsort), stützen sich auf seine dahingehend gleichbleibenden Angaben in Verbindung mit der im Akt in Kopie aufliegenden Kopie seines Reisepasses. Dieser Reisepasskopie ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer einzig den Namen XXXX ohne einen weiteren Namenszusatz führt.

Ferner gründen sich die Feststellungen zu seiner Volksgruppenzugehörigkeit und seiner Religionszugehörigkeit, auf seine konsistenten Angaben im gesamten Verfahren, insbesondere jedoch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 12.02.2025.

2.2. Zu den Flucht- und Verfolgungsgründen des Beschwerdeführers

2.2.1. Zur Situation von homosexuellen Personen in Indonesien ist in den in das Verfahren eingebrachten Länderinformationen ausgeführt, dass es zwar kein nationales Gesetz, welches einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen unter Strafe stelle, gebe, allerding würden vage definierte Gesetze zur Verfolgung von LGBTQI+ - Personen herangezogen werden. Das nationale Antidiskriminierungsgesetz schütze LGBTQI+ - Personen nicht. Regierungsbeamte und Politiker in ganz Indonesien würden sich zunehmen auf islamische Werte berufen und Vorschriften erlassen, die sich gegen sexuelle Minderheiten richten oder diese ausgrenzen. Diesen Informationen ist auch zu entnehmen, dass aufgrund vom Polizeikorruption, Voreingenommenheit und Gewalt LGBTQI+ - Personen, den Kontakt mit der Polizei meiden. In diesem Zusammenhang wird davon berichtetet, dass Polizeibeamte Anzeigen und/oder Beschwerden von Opfern und Betroffenen aus der LGBTQI+ - Gemeinschaft ignorieren.

Auch die vom Beschwerdeführer ins Verfahren eingebrachte jüngste ACCORD-Anfragebeantwortung zur Situation der LGBTIQ+ - Gemeinschaft in Indonesien zeigt deutlich, dass das mit Jänner 2026 in Kraft tretende Strafgesetzbuch jedes gleichgeschlechtliche Sexualverhalten kriminalisiert. Diese ACCORD-Anfragebeantwortung berichtet auch davon, dass Regierungsbeamt:innen und Politiker:innen sich in ganz Indonesien zunehmend einer gezielten Rhetorik gegen geschlechtliche und sexuelle Minderheiten bedienten und sich dabei auf islamische Werte berufen. So werden homosexuellen Menschen in Indonesien ihre Grundrechte als Bürger:innen abgesprochen, ausdrücklich zu Gewalt gegenüber homosexuellen Menschen aufgerufen und/oder sie beschuldigt, eine versteckte politische Agenda zu verfolgen.

Unter Zugrundelegung dieser einschlägigen Informationen zur Lage von homosexuellen Personen in Indonesien, ist es dem Beschwerdeführer somit nicht zumutbar seine sexuelle Orientierung in Indonesien offen zu leben, ohne dass er mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine asylrelevante Verfolgung zu befürchten hätte.

Darüber hinaus ist beim Beschwerdeführer seine homosexuelle Orientierung als ein unabänderliches Merkmal oder als dermaßen grundlegendes Merkmal seiner Menschenwürde anzusehen, dass er nicht gezwungen werden kann, dieses Merkmal aufzugeben oder bloß im Verborgenen zu leben.

Die wiedergegebenen Ausführungen des Länderinformationsblattes über Indonesien und der ACCORD-Anfragebeantwortung zur Lage sexueller Minderheiten in Indonesien stützen sich auf die jeweils zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit dieser Berichte zu zweifeln. Die von der belangten Behörde getroffene Feststellung, dass nur in der indonesischen Provinz Aceh homosexuell Männer bestraft würden (vgl. S 21 des angefochtenen Bescheids), findet in den zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderinformationen keine Deckung. Denn dort ist ausgeführt, dass Regierungsbeamte und Politiker in ganz Indonesien sich zunehmen auf islamische Werte berufen und Vorschriften erlassen, die sich ua. gegen sexuelle Minderheiten richten. In diesem Zusammenhang wird auch von Polizeikorruption, Voreingenommenheit und Gewalt gegenüber LGBTQI+ - Personen berichtet. Ähnlich wird auch in der ACCORD-Anfragebeantwortung davon berichtet, dass die indonesischen Behörden aus religiösen, ethnischen, sozialen, geschlechtsspezifischen und sexuellen Gründen zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen oder geduldet hätten bzw. darüber, dass mit dem 2026 in Kraft tretenden überarbeitenden Strafgesetzbuch gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen in ganz Indonesien kriminalisiert werden.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu A) Zuerkennung des Status des Asylberechtigten:

3.1. § 3 Asylgesetz 2005 (AsylG) lautet auszugsweise:

„Status des Asylberechtigten

§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn 1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder 2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

[…]“

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zur Begründung von Anträgen auf internationalen Schutz, braucht die behauptete Verfolgung nicht bewiesen, sondern gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, lediglich glaubhaft gemacht zu werden.

Die Glaubhaftmachung hat das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt (VwGH 29.05.2006, 2005/17/0252). Im Gegensatz zum strikten Beweis bedeutet Glaubhaftmachung ein reduziertes Beweismaß und lässt durchwegs Raum für gewisse Einwände und Zweifel an dem Vorbringen des Asylwerbers. Entscheidend ist, ob die Gründe, die für die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen oder nicht. Dabei ist eine objektivierte Sichtweise anzustellen.

3.2. Was die konkreten fluchtauslösenden Umstände anbelangt, erstattete der Beschwerdeführer von Beginn an und über das gesamte Verfahren hinweg, dass er homosexuell ist und im Falle seiner Rückkehr nach Indonesien asylrelevante Verfolgung aufgrund seiner sexuellen Orientierung fürchte.

Nicht zuletzt erweckte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung beim erkennenden Richter den Eindruck, das geschilderte Vorbringen tatsächlich erlebt zu haben. Bei dieser Beurteilung ist insbesondere sein Aussageverhalten bei der Beantwortung der einzelnen Fragen berücksichtigt.

Schließlich spricht für die Glaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers auch die Aussage des Zeugen in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, bei dem es sich um den Partner des Beschwerdeführers handelt. Der Zeuge bestätigte die homosexuelle Orientierung des Beschwerdeführers glaubwürdig.

Hingegen sind die Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid (vgl. S 22 des angefochtenen Bescheids), dass der Beschwerdeführer nicht glaubhaft sei, da es ihm offen gestanden wäre sexuelle Männer (sic!) in Asien, Afrika oder einem anderen Kontinent zu finden bzw. dass sich in seiner Heimat Indonesien mit knapp 280 Millionen Einwohnern, bestimmt einige homosexuelle Männer finden würden, als unqualifiziert zu werten, welchen kein Beweiswert zukommt.

Ebenso sind die Ausführungen im angefochtenen Bescheid, dass es in Indonesien von Seiten der NGO über 50 Projekte gäbe, die Menschen, welche sich der LGBTIQ+ community zugehörig fühlten, unterstützen, weshalb die Aussage des Beschwerdeführers, dass er in seiner Heimat keine Hilfe oder Schutz in Anspruch genommen habe (vgl. S. 23 des angefochtenen Bescheids), nicht geeignet – wie von der belangten Behörde behauptet – seine Glaubwürdigkeit in Zweifel zu ziehen. Denn den UNCHR Leitlinien zur Anträgen auf Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft gestützt auf sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität von November 2008 ist zu entnehmen, dass das Vorhandensein von LGBT-Nichtregierungsorganisationen für sich genommen noch keinen Schutz vor Verfolgung gewähre (vgl. Punkt D dieser UNHCR Leitlinien). Wie bereits in den Feststellungen dieser Entscheidung auf Grundlage der in das Verfahren eingebrachten Länderinformationen ausgeführt, ist wegen der im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers gegebenen Polizeikorruption, Voreingenommenheit und Gewalt gegenüber LGBTQI+-Personen, nicht davon auszugehen ist, dass die indonesischen Sicherheitsbehörden im Falle von Verfolgungshandlungen gegenüber homosexuellen Menschen diesen tatsächlichen Schutz gewähren würden.

Die Angaben des Beschwerdeführers konnten daher vollinhaltlich der vorliegenden Entscheidung zugrunde gelegt werden.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass der Beschwerdeführer den Flüchtlingsbegriff des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK erfüllt, da er sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Zugehörigkeit zu der sozialen Gruppe von homosexuellen Menschen verfolgt zu werden, außerhalb des Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Da auch keiner der in Artikel 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- und Ausschlussgründe vorliegt, war Asyl zu gewähren.

Der Vollständigkeit halber ist anzuführen, dass sich aus dem Akteninhalt auch keine Anhaltspunkte für die Anwendbarkeit eines Ausschlussgrundes nach § 6 AsylG 2005 ergeben.

Gemäß § 3 Abs. 5 war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Aus-spruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützen, die bei den jeweiligen Erwägungen wiedergegeben wurde. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.