Spruch
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Martin DIEHSBACHER als Vorsitzenden und die Richterin Mag.a Sandra Tatjana JICHA sowie den fachkundigen Laienrichter RgR Johann PHILIPP über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Oberösterreich, vom 06.06.2024, OB XXXX , zu Recht erkannt:
A.)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.
B.)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
1. Der nunmehrige Beschwerdeführer (im Folgenden kurz: „BF“) beantragte am 17.10.2023 beim Sozialministeriumservice (im Folgenden kurz: „SMS“) die Ausstellung eines Behindertenpasses.
2. Daraufhin holte das SMS ein Sachverständigengutachten ein und wurde der BF am 7.2.2024 von Dr. K. B. untersucht.
In dem in weiterer Folge von Dr. K. B. am 11.2.2024 erstellten medizinischen Sachverständigengutachten wird als Ergebnis der durchgeführten Begutachtung wie folgt festgehalten:
Begründend für den Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt, führend sei das Leiden Nummer 1 mit 30 %. Die restlichen Leiden würden aufgrund von Geringfügigkeit nicht weiter steigern.
3. Mit Schreiben vom 12.2.2024 übermittelte das SMS dem BF das Gutachten von Dr. K. B. vom 11.2.2024 und wies darauf hin, dass der Grad der Behinderung 30 v.H. betrage. Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses würden somit nicht vorliegen. Es bestehe die Möglichkeit, innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt dieses Schreibens eine schriftliche Stellungnahme einzubringen.
4. Mit Stellungnahme vom 6.3.2024 brachte der BF vor, sein Diabetes Mellitus habe sich gegenüber 2009 von einem HbA1c-Wert von 6,8 auf 7,9 verschlechtert. Er sei seit 2009 insulinpflichtig und spritze täglich 4 bis 6 mal, was auch seine Arbeitsleistung mindere. Er müsse bis zum Lebensende immer spritzen. Darüber hinaus spüre er seit seinem Arbeitsunfall auf beiden Füßen, dass etwas nicht stimme; er habe ein Taubheitsgefühl an beiden Füßen. Die Einschätzung mit 30% halte er für unangemessen.
5. Im Gefolge der Stellungnahme des BF holte das SMS von Dr. K. B. ein Sachverständigengutachten aufgrund der Aktenlage ein. In dem in weiterer Folge von Dr. K. B. am 7.5.2024 erstellten medizinischen Sachverständigengutachten wird als Ergebnis der durchgeführten Begutachtung wie folgt festgehalten:
Begründend für den Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt, führend sei das Leiden Nummer 1 mit 40 %. Die restlichen Leiden würden aufgrund von Geringfügigkeit nicht weiter steigern.
Als Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten wurde ausgeführt, das Leiden Nummer 1 (Zuckerleiden) werde wegen der insulinpflichtigen Basis-Bolustherapie von 30 % auf 40 % erhöht.
6. Mit Schreiben vom 8.5.2024 übermittelte das SMS dem BF das Aktengutachten von Dr. K. B. vom 7.5.2024 und wies darauf hin, dass der Grad der Behinderung 40 v.H. betrage. Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses würden somit nicht vorliegen. Es bestehe die Möglichkeit, innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt dieses Schreibens eine schriftliche Stellungnahme einzubringen.
Eine Stellungnahme wurde seitens des BF nicht abgegeben.
7. Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 6.6.2024 sprach das SMS aus, dass der BF mit einem Grad der Behinderung von 40 vH die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle; sein Antrag vom 17.10.2023 werde daher abgewiesen.
Neben der Zitierung der rechtlichen Grundlagen (§§ 40, 41 und 45 BBG) wurde betont, dass laut zuletzt eingeholtem Gutachten beim BF lediglich ein Grad der Behinderung in Höhe von 40 vH vorliege. Im Ermittlungsverfahren sei ein Gutachten zur Feststellung des Grades der Behinderung eingeholt worden. Dem BF sei mit Schreiben vom 8.5.2024 die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt worden; da keine Stellungnahme eingelangt sei, habe vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht abgegangen werden können. Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses würden somit nicht vorliegen. Beigelegt wurde das Aktengutachten von Dr. K. B. vom 7.5.2024.
8. Mit Schreiben vom 14.7.2024 erhob der BF fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid des SMS vom 6.6.2024. Darin führte der BF aus, den festgestellten Grad der Behinderung von 40% erachte er in Anbetracht seiner Behinderungen als zu wenig. Bei ihm komme neben Diabetes 1 (4-6 Spritzen am Tag, und das bis zum Lebensende) noch eine ausgeprägte Hypoglykämieneigung mit gleichzeitig bestehender Hypoglykämiewahrnehmungsstörung dazu, was seinen täglichen Arbeitsprozess sehr reduziere. Vorgelegt wurde vom BF diesbezüglich ein Ambulanzbrief Stoffwechsel des Ordensklinikums L. vom 22.5.2024 („Der Patient kommt zur Kontrolle bei bekanntem Diabetes mellitus Typ LADA, der HbA1c deutlich gebessert von 7,9 auf 7,1%. Vor einem Monat noch gehäufte Hypoglykämien vor allem nachmittags 14 Hypoglykämien, im letzten Monat dann nur noch 2 Hypoglykämien nachmittags. Der Patient spürt die Hypoglykämien gut hat nachmittags in der Arbeit aber oft viel Stress und reagiert dann mit einer Hypoglykämie. Abends sind die Blutzuckerwerte dann deutlich erhöht. …“).
Weiters brachte der BF vor, es komme noch ein mittelschweres obstruktives Schlafapnoe-/Hypoventilationsyndrom, vor allem in Rückenlage, hinzu. Vorgelegt wurde vom BF diesbezüglich der Befund einer lungenfachärztlichen Untersuchung am 15.5.2024 („Diagnose: Nikotinabusus; mittelschweres obstruktives Schlafapnoe-/Hypoventilationsyndrom – AHI-19,5 vor allem in Rückenlage).
9. Am 30.9.2024 bzw. 2.10.2024 legte der BF dem SMS weitere zwei Befunde vor (einen Befund einer lungenfachärztlichen Untersuchung am 19.9.2024 [„Mittelschweres obstruktives Schlafapnoe-/Hypoventilationsyndrom – AHI-16,4 vor allem in Rückenlage] sowie einen Ambulanzbrief des Ordensklinikums L. vom 19.9.2024 [Ausgeprägte Hypoglykämieneigung mit gleichzeitig bestehender Hypoglykämiewahrnehmungsstörung] vor.
10. Im Gefolge der Beschwerde bzw. der Befundnachreichungen durch den BF holte das SMS ein weiteres (drittes) Sachverständigengutachten ein und wurde der BF am 4.11.2024 von Dr. B. G. untersucht.
In dem in weiterer Folge von Dr. B. G. am 10.11.2024 erstellten medizinischen Sachverständigengutachten wird eingangs auszugsweise wie folgt ausgeführt:
„Derzeitige Beschwerden:
Bei dem Patienten ist seit 2009 eine insulinpflichtige Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus Typ 1, LADA (Late onset Autoimmune Diabetes in the Adult)) bekannt. Eine Insulin-Therapie mit Langzeitinsulin und Kurzzeitinsulin (Basis-Bolus-Therapie) ist etabliert. Der Patient verwendet einen Zuckersensor (derzeit rechter Oberarm) neuesten Typs mit Warnfunktion.
Der Patient wird am 19.04.2023 an seinem Arbeitsplatz mit einem Gabelstapler am rechten Oberschenkel eingeklemmt. Im Rahmen der Abklärung zeigt sich ein doppelter Bruch des Oberschenkelknochens. Noch am Unfalltag erfolgt die Stabilisierung mit einem Oberschenkelverriegelungsmarknagel. Der Patient berichtet über den zunehmendes Taubheitsgefühl sowie Kribbelparästhesien an der Fußsohle im Bereich der Köpfchen der metatarsale 2 und 3 beidseits. Internistischerseits wurde eine diabetische Polyneuropathie vermutet und eine Medikation mit Neurobion begonnen. Eine neurologische Bestätigung der Verdachtsdiagnose wurde bis jetzt noch nicht durchgeführt. Klinisch imponiert eine typische Metatarsalgie. Der Patient ist aufgrund seiner Beinlängendifferenz bereits mit Schuheinlagen inklusive Beinlängenausgleich (plus 8 mm rechts) versorgt.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Behandlungen: derzeit keine;
Medikation laut Befund 19.09.2024: Tresiba (Insulin degludec) 100E/ml 17 IE-0-0,4 Fiasp (Insulin aspart) 100E/ml nach Blutzucker, Ezetimib/Simvastatin 10/40 mg, Neurobion forte;
Hilfsmittel: Lesebrille, Schuheinlagen mit Beinlängenausgleich (plus 8 cm rechts) im Arbeitsschuh;
[…]
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Alle vorhandenen und mitgebrachten Befunde wurden eingesehen.
Arztbrief UKH-L. vom 28.04.2023:
- der Patient wurde heute (19.04.20 23,13:00 Uhr) von einem Gabelstapler angefahren und am rechten Oberschenkel verletzt
- Fractura diaphys. femoris dext
- 19.04.2023: Femurnagel T2 11x400mm Fa Stryker
Arztbrief Reha Bad H. vom 22.08.2023:
- Fract. duplex femoris dext (UOP: 19.04.23)
- - Oberschenkelverriegelungsmarknagelung rechts
- Röntgen Oberschenkel rechts vom 11.07.2023: Mehretagenfraktur des rechten Oberschenkels, achsengerecht, knöchern, operativ versorgt mit Verriegelungsmarknagel ohne Achsenfehlstellung oder Rotationsfehlstellung. Die Fraktur in beginnender knöcherner Heilung. Die Fraktur selbst in Schaftmitte noch gut einsehbar.
Befund Lungenfacharzt Dr. M. vom 15.05.2024:
- mittelschweres obstruktives Schlafapnoesyndrom vor allem in Rückenlage
- derzeit Gutes befinden, stabile respiratorische Belastungsbreite
- Röntgen: unauffällig
- Lungenfunktion: ohne relevante restriktive oder obstruktive Funktionsminderung
- Lagetraining, konsequentes vermeiden des Schlafens in Rückenlage, unterstützt zum Beispiel mit Anti Schnarch-Shirt, keine Völlerei abends
- Schlaflaborkontrolle in 3 Monaten
Befund Stoffwechselambulanz Ordensklinikum Linz vom 22.05.2024 (unvollständig):
- Der Patient kommt zur Kontrolle bei bekanntem Diabetes mellitus Typ LADA, der HbA1c deutlich gebessert vor 7,9 auf 7,1%
- Vor einem Monat noch gehäufte Hypoglykämien vor allem nachmittags 14 Hypoglykämien, im letzten Monat dann nur noch 2 Hypoglykämien nachmittags
- Der Patient spürt die Hypoglykämien gut hat nachmittags in der Arbeit aber oft viel Stress und reagiert dann mit einer Hypoglykämie. Abends sind die Blutzuckerwerte dann deutlich erhöht.
Befund Lungenfacharzt Dr. M. vom 19.09.2024 (mitgebracht):
- mittelschweres obstruktives Schlafapnoesyndrom, AHI (Apnoe-Hypopnoe-Index) 16,4
- Lagetraining!! Konsequente Vermeidung von Schlafen in Rückenlage - unterstützend z.B. mit Anti Schnarch Shirt. Keine Völlerei abends.
- Schlaflabor Kontrolle hierorts in 6 Monaten und dann Entscheid ob eine nCPAP Therapie gestartet wird
Befund Stoffwechselambulanz Ordensklinikum L. vom 19.09.2024 (mitgebracht):
Ausgeprägte Hypoglykämieneigung mit gleichzeitig bestehender Hypoglykämiewahrnehmungsstörung
E13.9 Diabetes mellitus Typ LADA (ED 2009),
- - HbAlc 7,3 %,
- - FreeStyle Libre 2-Sensor
- - Diabetische Polyneuropathie
- Hypercholesterinämie
- Morbus Meulengracht
Der Patient kommt zur ambulanten Kontrolle bei bekannten Diabetes Typ LADA, der HbA1c aktuell bei 7,3%.
Im Sensor 50% TIR, 23 und 26% zu hoch, 1% Hypoglykämien. Der Patient gibt an, dass das Taubheitsgefühl in den Füßen aktuell wieder schlechter ist.
Die Glukose-Durchschnittswerte nachmittags grenzwertig niedrig, abends dann hohe Werte, durchwegs über 200/218/228/252. Der Patient gibt an, dass er zwischen 19:00 und 19:30 Uhr abends isst und dann vorm Fernseher noch teilweise Süßigkeiten zu sich nimmt. Er wird sich bemühen keine Süßigkeiten vorm Fernseher zu sich zu nehmen. Ansonsten könnte man auch den abendlichen BE-Takt auf 3 steigern.
Zur Besserung der Polyneuropathie wird Neurobion verordnet sowie eine Hochtontherapie.
Der Patient hat einen Reha-Antrag gestellt, hier wäre zB Bad W. sehr empfehlenswert, ein Kuraufenthalt bei Diabetes Typ LADA ist nicht ausreichend.“
Als Ergebnis der durchgeführten Begutachtung wurde zusammengefasst wie folgt festgehalten:
Begründend für den Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt, das Leiden Nummer 1 bestimme den Gesamtgrad der Behinderung mit 40 %. Das Leiden Nummer 2 steigere mangels erheblicher Wechselwirkungen mit Leiden Nummer 1 nicht weiter.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen würden keinen Grad der Behinderung erreichen:
- zuckerbedingte Nervenschädigung der Beine/diabetische Polyneuropathie: kein aktueller neurologischer Fachbefund vorliegend;
- Fußfehlstellung/Spreizfuß mit Schmerzen und Gefühlsstörungen im Vorfuß/Metatarsalgie beidseits, geringe Beinlängendifferenz: mit Schuheinlagen therapiert;
- erhöhte Blutfette/Hypercholesterinämie: medikamentöse Therapie;
- Schlafapnoesyndrom: kein Nachweis einer laufenden nächtliche Maskentherapie;
- Morbus Meulengracht: kein Nachweis einer funktionellen Einschränkung.
11. Am 20.12.2024 legte das SMS den Akt dem BVwG vor und wies darauf hin, dass die fristgerechte Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung nicht möglich gewesen sei.
12. Mit Schreiben vom 23.12.2024 übermittelte das BVwG dem BF das Gutachten von Dr. B. G. vom 10.11.2024 und räumte ihm die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme binnen zwei Wochen ein.
Das Schreiben wurde dem BF am 23.12.2024 elektronisch zugestellt. Eine Stellungnahme wurde seitens des BF nicht abgegeben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Beim BF bestehen folgende Funktionseinschränkungen und daraus resultierend folgender Gesamtgrad der Behinderung:
Das Leiden Nummer 1 bestimmt den Gesamtgrad der Behinderung mit 40 %. Das Leiden Nummer 2 steigert mangels erheblicher Wechselwirkungen mit Leiden Nummer 1 nicht weiter.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes sowie durch die Gewährung von Parteiengehör durch das BVwG.
2.2. Die oben getroffenen Feststellungen zu den beim BF bestehenden Funktionseinschränkungen beruhen auf dem (aufgrund der Beschwerde des BF zuletzt eingeholten, dritten) Gutachten von Dr. B. G. vom 10.11.2024.
Dazu ist zunächst zu betonen, dass dieses Sachverständigengutachten ausführlich begründet, schlüssig und nachvollziehbar ist und keine Widersprüche aufweist. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen der klinischen Untersuchung am 4.11.2024 erhobenen Befund, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen. Die relevanten Vorbefunde wurden vom Sachverständigen eingesehen und in die Einschätzung miteinbezogen. Durch die Einholung dieses weiteren (dritten) Sachverständigengutachtens im Gefolge der Beschwerde bzw. der Nachreichungen des BF hat das SMS alle gebotenen Schritte zur Ermittlung des Sachverhalts gesetzt.
Was konkret die Einschätzung des Hauptleidens des BF – des insulinpflichtigen Diabetes – anbelangt, so hat der BF im Verfahren vor allem ins Treffen geführt, dass er bereits seit 2009 insulinpflichtig sei und täglich 4 bis 6 mal spritze, was er bis zum Lebensende machen werde müssen. Hinzu komme noch eine ausgeprägte Hypoglykämieneigung mit gleichzeitig bestehender Hypoglykämiewahrnehmungsstörung. Mit diesem Vorbringen vermag der BF die vorgenommene Einschätzung jedoch nicht in Zweifel zu ziehen: So geht aus den vorliegenden Gutachten hervor, dass der Diabetes mittels Basis-Bolus-Therapie entsprechend gut behandelt wird, wobei der aktuellste vorliegende HbA1c-Wert 7,3 % beträgt. In den Gutachten wird ausdrücklich festgehalten, dass beim BF ein guter Allgemeinzustand gegeben ist und eine stabile Stoffwechsellage besteht und dass es keine Nachweise gehäufter Ketoacidosen gibt (so z. B. explizit Dr. B. G. im Letztgutachten vom 10.11.2024). Insofern entspricht die Einschätzung dieses Leidens nach Pos. 09.02.02 (Insulinpflichtiger Diabetes bei stabiler Stoffwechsellage) mit 40% exakt der Einschätzungsverordnung („Bei funktioneller Diabeteseinstellung (Basis-Bolus-Therapie), gutem Allgemeinzustand und stabiler Stoffwechsellage“). Für eine höhere Einschätzung bestünde indes keine Grundlage: So würde die Einschätzung nach Pos. 09.02.04 (Insulinpflichtiger Diabetes mellitus bei instabiler Stoffwechsellage) mit 50-60% „hohe Blutzuckeramplituden und reduzierten Allgemeinzustand“ voraussetzen, was beim BF sämtlichen vorliegenden Gutachten zufolge gerade nicht gegeben ist. Auch die vom BF ins Treffen geführte Hypoglykämieneigung vermag die vorgenommene Einschätzung nicht zu entkräften, zumal eine Einschätzung nach Pos. 09.02.05 mit 70-100% nur bei „häufigen Ketoacidosen und schweren häufigen Hypoglycämien oder ausgeprägten Spätkomplikationen“ zu erfolgen hätte; diese Voraussetzungen liegen beim BF unzweifelhaft nicht vor, wobei in diesem Zusammenhang auch angemerkt sei, dass der Gutachter das vom BF zuletzt ergänzend erwähnte Taubheitsgefühl an den Fußsohlen nicht verkannte, jedoch nachvollziehbar – insbesondere auch vor dem Hintergrund des Fehlens neurologischer Fachbefunde – nicht als ausgeprägte Spätkomplikation wertete, die zu einer erhöhten Einschätzung des Diabetes führen würde. Was im Übrigen das vom BF ins Treffen geführte Schlafapnoe-Syndrom anbelangt, so hat Dr. B. G. im Letztgutachten vom 10.11.2024 zutreffend darauf hingewiesen, dass den vorliegenden Befunden zufolge (noch) keine nächtliche Beatmung erfolgt bzw. erfolgen müsste; seitens des BVwG ist hierzu der Vollständigkeit halber anzumerken, dass vor diesem Hintergrund allenfalls eine Einschätzung nach Pos. Nr. 06.11.01 mit 10% in Betracht käme, wobei aber nach § 3 Abs 2 dritter der Einschätzungsverordnung Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20% grundsätzlich außer Betracht zu lassen sind und somit nicht zu einer Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung führen können.
Zu alldem kommt hinzu, dass dem BF das Gutachten von Dr. B. G. vom 10.11.2024 seitens des BVwG zum Parteiengehör übermittelt worden war und der BF keine Stellungnahme abgegeben hat. Auch insofern ist davon auszugehen, dass der BF diesem Gutachten nichts entgegenzusetzen vermag. Folglich stützt das BVwG die getroffenen Feststellungen auf das – nachvollziehbar begründete – Gutachten von Dr. B. G. vom 10.11.2024, demzufolge beim BF ein Gesamtgrad der Behinderung im Ausmaß von 40% vorliegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde
3.1. Allgemeine rechtliche Grundlagen
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gemäß § 45 Abs 4 BBG hat bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs 3 eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
Gegenständlich liegt somit die Zuständigkeit eines Senats vor.
Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache gem. § 28 Abs 1 VwGVG durch Erkenntnis zu erledigen.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.2. Die hier einschlägigen Bestimmungen des BBG (bzw. EStG) lauten:
§ 1. […] (2) Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
[…]
§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen […]
§ 35 EStG lautet auszugsweise:
§ 35. (1) Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen
– durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,
[…]
und erhält weder der Steuerpflichtige noch sein (Ehe-)Partner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage), so steht ihm jeweils ein Freibetrag (Abs. 3) zu.
(2) Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,
1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,
2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.
Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Zuständige Stelle ist:
[…]
– In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.
[…]
3.3. Im konkreten Fall bedeutet dies:
Das zuletzt eingeholte Sachverständigengutachten von Dr. B. G. vom 10.11.2024 ist - wie bereits im Zuge der Beweiswürdigung dargelegt - richtig, vollständig und schlüssig. Die aktuellen Funktionseinschränkungen des BF wurden gemäß der Einschätzungsverordnung eingestuft, es ist beim BF sohin von einem Grad der Behinderung von 40 vH auszugehen. Der BF erfüllt somit nicht die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs 1 BBG.
Folglich ist die Beschwerde spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen. Das BVwG konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des VwGH bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage betreffend Verfahren und Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses stützen.
Absehen von einer Beschwerdeverhandlung:
Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.
Gemäß § 24 Abs 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC] entgegenstehen.
Die Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung ist am Maßstab des Art 6 EMRK zu beurteilen. Dessen Garantien werden zum Teil absolut gewährleistet, zum Teil stehen sie unter einem ausdrücklichen (so etwa zur Öffentlichkeit einer Verhandlung) oder einem ungeschriebenen Vorbehalt verhältnismäßiger Beschränkungen (wie etwa das Recht auf Zugang zu Gericht). Dem entspricht es, wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung für gerechtfertigt ansieht, etwa wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Stellungnahmen der Parteien angemessen entschieden werden kann (vgl. EGMR 12.11.2002, Döry / S, RN 37). Der Verfassungsgerichtshof hat im Hinblick auf Art 6 EMRK für Art 47 GRC festgestellt, dass eine mündliche Verhandlung vor dem Asylgerichtshof im Hinblick auf die Mitwirkungsmöglichkeiten der Parteien im vorangegangenen Verwaltungsverfahren regelmäßig dann unterbleiben könne, wenn durch das Vorbringen vor der Gerichtsinstanz erkennbar werde, dass die Durchführung einer Verhandlung eine weitere Klärung der Entscheidungsgrundlagen nicht erwarten lasse (vgl. VfGH 21.02.2014, B1446/2012; 27.06.2013, B823/2012; 14.03.2012, U466/11; VwGH 24.01.2013, 2012/21/0224; 23.01.2013, 2010/15/0196).
Im gegenständlichen Fall ergab sich aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung des Sachverhalts zu erwarten war. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt erweist sich aufgrund der Aktenlage in Verbindung mit der Gewährung von Parteiengehör durch das BVwG als geklärt.