JudikaturBVwG

W604 2293302-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
13. Januar 2025

Spruch

W604 2293302-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Herbert PLESCHBERGER als Vorsitzenden und die Richterin Mag.a Ulrike SCHERZ sowie den fachkundigen Laienrichter Robert ARTHOFER als Beisitzende über die Beschwerde des XXXX geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Landesstelle XXXX ) vom 15.05.2024, GZ. XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der Spruch des angefochtenen Bescheides abgeändert, sodass er wie folgt zu lauten hat:

Dem Antrag des XXXX , geboren am XXXX , auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass vom 22.01.2024 wird stattgegeben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die belangte Behörde, das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice), hat dem Beschwerdeführer am 23.03.2020 einen unbefristeten Behindertenpass ausgestellt und einen Grad der Behinderung in Höhe von 50 vH eingetragen.

2. Der Beschwerdeführer stellte am 22.01.2024 bei der belangten Behörde unter Vorlage von Beweismitteln einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gem. § 29b StVO, welcher auch als Antrag auf Eintragung des Zusatzvermerkes „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass gilt.

3. Mit Bescheid vom 15.05.2024 wies die belangte Behörde den Antrag nach Durchführung eines medizinischen Beweisverfahrens unter Berufung auf die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens ab.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die mit Einlangen am 31.05.2024 fristgerecht eingebrachte Beschwerde. Ohne Vorlage weiterer Beweismittel moniert der Beschwerdeführer im Wesentlichen, dass nicht alle medizinischen Beweismittel berücksichtigt worden seien. Der bestehende Lungenhochdruck verursache eine Rechtsherzbelastung, welche ihn sehr einschränke. Bei bereits geringen Belastungen leide er an hochgradiger Atemnot und sei er daher auf einen PKW angewiesen.

5. Zur Überprüfung der medizinischen Gegebenheiten holte das Bundesverwaltungsgericht ein medizinisches Sachverständigengutachten auf Basis einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers mit dem Ergebnis ein, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung vorlägen. Die belangte Behörde erhob im Rahmen des gerichtlich veranlassten Parteiengehörs keine Einwendungen, der Beschwerdeführer brachte unter Verweis auf die Unmöglichkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sein fehlendes Einverständnis mit dem Gutachten zum Ausdruck.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer, XXXX , geboren am XXXX , hat seinen Wohnsitz im Inland. Er ist im Besitz eines Behindertenpasses. Am 22.01.2024 beantragte er die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass. Die Vorlage der gegen den abweisenden Bescheid erhobenen Beschwerde erfolgte mit Einlangen beim Bundesverwaltungsgericht am 10.06.2024.

1.2. Beim Beschwerdeführer liegen folgende Funktionsbeeinträchtigungen vor:

1.2.1. Angeborene Gefäßfehlbildung der rechten Pulmonalartiere mit ausgeprägtem Cor pulmonale, erhöhten Druckwerten im kleinen Kreislauf plus lungenfibrotischen Anteilen;

1.2.2. Chronisch obstruktive Lungenerkrankung und geringgradiges Schlafapnoesyndrom;

1.2.3. Chronische Nierenfunktionseinschränkung.

1.3. Auswirkungen der festgestellten Gesundheitsschädigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:

1.3.1. Die beim Beschwerdeführer bestehende angeborene Gefäßfehlbildung der rechten Pulmonalarterie mit ausgeprägtem Cor pulmonae führt zu einer erheblichen Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit.

1.3.2. Die Bestehende schwere Lungenerkrankung führt zu rasch auftretender Atemnot bei bereits geringen Anstrengungen und somit ebenso zu einer erheblichen Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit.

1.3.3. Die beim Beschwerdeführer vorliegende „chronische Nierenfunktionsschädigung“ führt nicht zur Verminderung der körperlichen Belastbarkeit in einem Ausmaß, welches die Erreichung oder Benützung öffentlicher Verkehrsmittel verunmöglicht.

1.3.4. Der Beschwerdeführer ist nicht in der Lage, eine Wegstrecke von etwa 300m bis 400m aus eigener Kraft ohne fremde Hilfe ohne Pausen zurückzulegen. Die beim Beschwerdeführer bestehenden Funktionseinschränkungen wirken sich in erheblichem Ausmaß negativ auf die Möglichkeit zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Identität des Beschwerdeführers sowie dessen inländischer Wohnsitz und die Innehabung eines Behindertenpasses ergeben sich wie auch die Daten zur Antragstellung und der Beschwerdevorlage aus den diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Aktenunterlagen, entsprechende Umstände finden sich zweifelsfrei dokumentiert.

2.2. Die Feststellungen zu den vorliegenden Funktionseinschränkungen stützen sich auf das durch das Bundesverwaltungsgericht eingeholte Gutachten der Sachverständigen Dris. XXXX , Fachärztin für Innere Medizin. Das Gutachten ist hinsichtlich der festgestellten Funktionseinschränkungen - basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers und den vorgelegten medizinischen Beweismitteln - vollständig, schlüssig, nachvollziehbar und frei von Widersprüchen. Es wurde auf die Art der bestehenden Leiden und deren Ausmaß eingegangen. Die vorgelegten Beweismittel sind in die Beurteilung eingeflossen, die befasste Sachverständige hat sich damit auseinandergesetzt und einen umfassenden klinischen Befund erhoben. Die Untersuchungsergebnisse wurden im Hinblick auf gegebene Funktionseinschränkungen bewertet, die Krankengeschichte des Beschwerdeführers umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander berücksichtigt. Im Rahmen der klinischen Untersuchung konnten maßgebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit objektiviert werden.

2.3. Die Feststellungen zu den Auswirkungen der beim Beschwerdeführer bestehenden Funktionseinschränkungen auf die Benützbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel beruhen auf dem eingeholten Sachverständigengutachten in Zusammenschau mit den vorgelegten Befunden. Das eingeholte Sachverständigengutachten Dris. XXXX steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch ist dem Vorbringen sowie den vorliegenden Beweismitteln kein überzeugender Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

Insgesamt können basierend auf den vorgelegten medizinischen Beweismitteln und des eingeholten Sachverständigengutachtens die bestehenden Funktionseinschränkungen in einem Ausmaß objektiviert werden, welches das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von 300 bis 400m in angemessener Zeit verunmöglicht. Das Beschwerdevorbringen und die vorgelegten Beweismittel bieten daher eine belastbare Grundlage, die behördliche Beurteilung im Sinne der Benützbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel zu entkräften.

Im Rahmen des gerichtlich erteilten Parteiengehörs hat der Beschwerdeführer neuerlich auf die Unmöglichkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel verwiesen und fehlendes Einverständnis mit den Ergebnissen des erhobenen Sachverständigenbeweises zum Ausdruck gebracht. Hierzu ist festzuhalten, dass in der vorgenommenen Begutachtung demgegenüber gerade vom Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen zum Schluss auf die Unmöglichkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ausgegangen und dem Begehren des Beschwerdeführers damit Rechnung getragen wird. Die Einwendungen des Beschwerdeführers gehen damit ins Leere, eine aufrechte Bestreitung der gutachterlichen Schlussfolgerungen kann hierin nicht gesehen werden.

2.3.1. Zur angeborenen Gefäßfehlbindung der rechten Pulmonalarterie mit Cor pulmonale sowie erhöhten Druckwerten im Lungenkreislauf sowie Lungenfibrose erläutert die befasste Sachverständige vor dem Hintergrund der vorliegenden Befunde und der klinischen Untersuchung lebensnahe, dass diese zu einer eingeschränkten Leistungsbreite bei Belastung führe und durch die eingeschränkte Leistungsbreite belastungsspezifische Symptome bereits bei leichter körperlicher Aktivität aufträten.

2.3.2. Die befasste Sachverständige erläutert zu bestehenden chronisch obstruktiven Lungenerkrankung, dass der Beschwerdeführer unter fortschreitender Ventilationsstörung von FEV 1 48% leide, welche im Zusammenwirken mit dem unter Punkt 2.3.1. angeführten Leiden die körperliche Belastbarkeit weiter herabsetze, wodurch der Beschwerdeführer insgesamt zur Zurücklegung einer Wegstrecke von 300m bis 400m nicht in der Lage sei.

2.3.3. In den vorliegenden medizinischen Beweismitteln wird das Bestehen einer Chronischen Nierenfunktionseinschränkung dokumentiert. Auf eine Einschränkung der Mobilität kann aus dieser Gesundheitsschädigung nicht geschlossen werden, entsprechende Anhaltspunkte sind dem erhobenen Sachverständigenbeweis nicht zu entnehmen und hat der Beschwerdeführer ein diesbezügliches Vorbringen nicht erstattet.

2.3.4. Die Unmöglichkeit der Zurücklegung einer zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erforderlichen Wegstrecke in angemessener Zeit und ohne Pausen stützt sich auf das eingeholte, auf persönlicher Untersuchung basierende internistische Sachverständigengutachten und die vorgelegten Beweismittel. Die befasste Sachverständige erläutert dazu nachvollziehbar, dass durch die beim Beschwerdeführer bestehende ausgeprägte Rechtsherzbelastung im Zusammenwirken mit der schweren Lungenerkrankung eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit bestehe, welche zum Auftreten einer beträchtlichen Atemnot bei bereits geringer Anstrengung führe, wodurch dem Beschwerdeführer das Zurücklegen einer Strecke von 300 bis 400 m ohne Pausen nicht möglich sei. Diese Beurteilung steht im Einklang mit den vorgelegten Beweismitteln. So wird, die Ausführungen der befassten Sachverständigen bestätigend, in der Lungenfunktionsmessung vom 23.04.2024 eine deutliche Einschränkung der Lungenfunktion im Sinne einer Obstruktion mit einer FEV1 von 48% beschrieben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.1. Zu Spruchpunkt A):

3.1.1. Zur Entscheidung in der Sache:

Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. Nr. 283/1990, ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten (§ 1 Abs. 2 BBG).

Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50vH (50%) ist nach Maßgabe der in § 40 Abs. 1 BBG näher bezeichneten Voraussetzungen auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Behindertenpass auszustellen. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen (§ 42 Abs. 1 BBG).

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG). Ein Bescheid ist nur dann zu erlassen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird.

Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu (§ 45 Abs. 2 BBG).

Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist nach § 1 Abs. 4 der zum BBG ergangenen Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, u.a. jedenfalls einzutragen:

Z 3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist;

Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktions-beeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen (§ 1 Abs. 5 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen).

In den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen wird u.a. Folgendes ausgeführt:

Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise):

Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion – das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen – ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.

Durch die Verwendung des Begriffes „dauerhafte Mobilitätseinschränkung“ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.

Die Begriffe „erheblich“ und „schwer“ werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleichbedeutend.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (VwGH 23.05.2012, GZ. 2008/11/0128, und die dort angeführte Vorjudikatur sowie 22. Oktober 2002, GZ. 2001/11/0242, 27.01.2015, GZ. 2012/11/0186). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel u.a. dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert (die Wegstrecke von 300 bis 400m anerkennend VwGH 27.01.2015, GZ. 2012/11/0186; 27.05.2014, GZ. Ro 2014/11/0013; zu Prüfungserfordernissen hinsichtlich der zurückzulegenden Gehstrecke VwGH 23.05.2012, 2008/11/0128). Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt. Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH 22.10.2002, GZ. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080).

Im vorliegenden Fall wurde dem Beschwerdeführer ein Behindertenpass ausgestellt. Ausgangspunkt der gegenständlichen Prüfung im Hinblick auf die beantragte Zusatzeintragung in den Behindertenpass sind das Ausmaß der vorliegenden Funktionseinschränkungen und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel. Beim Beschwerdeführer konnte eine maßgebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit festgestellt werden, welche ihm das Erreichen und damit die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar erschwert oder gar verunmöglicht. Die Voraussetzungen für die Vornahme der begehrten Zusatzeintragung liegen damit vor, weshalb dem dahingehenden Antrag zu entsprechen und der Beschwerde stattzugeben ist.

3.1.2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG). Die Verhandlung kann u.a. entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben oder die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären ist (§ 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG).

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden (§ 24 Abs. 3 VwGVG).

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen (§ 24 Abs. 4 VwGVG).

Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat mit Blick auf Art. 6 EMRK die Auffassung vertreten, dass eine Verhandlung nicht in jedem Fall geboten ist, und zwar insbesondere dann nicht, wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten sind, sodass eine Verhandlung nicht notwendig ist und das Gericht aufgrund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden kann (u.a. VwGH 01.09.2022, Ra 2021/03/0163 unter Verweis auf EGMR 18.7.2013, Nr. 56422/09, Schädler-Eberle/Liechtenstein, Rz 97 ff; EGMR 08.11.2016, Nr. 64160/11, Pönkä/Estland).

Maßgebend für die gegenständliche Beschwerdeentscheidung über den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in den Behindertenpass sind die Art und das Ausmaß der beim Beschwerdeführer festgestellten Gesundheitsschädigungen und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel. Zur Klärung des diesbezüglichen Sachverhaltes hat das Bundesverwaltungsgericht vom Sachverständigenbeweis Gebrauch gemacht und ein weiteres, auf persönlicher Untersuchung basierendes fachärztlich-internistisches Sachverständigengutachten eingeholt.

Die erzielten Ergebnisse des erhobenen Sachverständigenbeweises wurden den Verfahrensparteien gemäß §§ 17 VwGVG iVm. 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis gebracht, wobei die belangte Behörde bei dieser Gelegenheit keine Einwendungen erhoben hat. Die vom Beschwerdeführer erstatteten Einwendungen beziehen sich nicht auf die Art der beurteilten Leiden oder deren Ausmaß, sondern beruhen diese auf der augenscheinlich irrigen Annahme des Beschwerdeführers, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung weiterhin nicht vorlägen. Das vor dem Bundesverwaltungsgericht abgeführte Ermittlungsverfahren hat in Entsprechung der beschwerdeführerseits zum Ausdruck gebrachten Intention an die Oberfläche gefördert, dass dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar ist, sodass Bestreitungen der entscheidungswesentlichen Tatsachen oder der diese stützenden beweiswürdigenden Erwägungen damit nicht länger zu sehen sind.

Im Ergebnis ist der Sachverhalt geklärt und lässt die Aktenlage mit Blick auf die vorstehenden Erwägungen erkennen, dass eine weitere Klärung der Rechtssache durch eine mündliche Erörterung nicht zu erwarten ist. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung kann daher unterbleiben (vgl. zum Entfall der mündlichen Verhandlung u.a. VwGH 20.02.2023, Ra 2022/11/0144; zu den verfassungsgesetzlichen Implikationen vgl. etwa VfGH E 1873/2020; VfGH vom 09.06.2017, E 1162/2017).

3.2. Zur Unzulässigkeit der Revision in Spruchpunkt B):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die vorliegende Entscheidung hängt einerseits von im Einzelfall zu beurteilenden Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen, deren Ausmaß und die im konkreten Fall bestehenden Auswirkungen auf die Benützbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel. Andererseits sind Rechtsfragen zu lösen, welchen keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, da die wesentlichen Kriterien aus gefestigter höchstgerichtlicher Judikatur ableitbar sind. Hinweise zur Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage sind nicht ersichtlich.