Spruch
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX StA. Somalia, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU-GmbH), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.03.2024, Zl. 1373396802-232126951, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.10.2024 zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Somalia, stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 14.10.2023 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am Folgetag gab er zu Protokoll, dass er aus XXXX in der Region Lower Shabelle stamme. Er gehöre der Religionsgemeinschaft der sunnitischen Muslime sowie dem Clan der Gabooye an. Er habe neun Jahre die Grundschule besucht. In Somalia habe er seine Eltern und Schwestern. Zu seinem Ausreisegrund führte der Beschwerdeführer an, dass er Somalia wegen der Terrorgruppe, Diskriminierung und wegen des Krieges verlassen habe. Außerdem herrsche bei ihnen Hungersnot und Dürre. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst um sein Leben.
2. Anlässlich seiner Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 12.02.2024 gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er mit seinen Eltern und Geschwistern in XXXX im Distrikt Barawe gelebt habe. Inzwischen seien seine Mutter und seine jüngste Schwester nach Äthiopien gegangen, seine ältere Schwester von der Al Shabaab mitgenommen worden und sein Vater sei bereits vor seiner Ausreise getötet worden.
Zu seinem Ausreisegrund führte der Beschwerdeführer in freier Erzählung im Wesentlichen aus, dass er von der Al Shabaab entführt und in ein Lager gebracht worden sei, wo er trainiert worden sei, damit er sich der Gruppierung anschließe. Er sei aus dem Lager geflohen. Da die Al Shabaab ihn dorthin zurückbringen oder töten habe wollen, sei er flüchtet. Zudem sei er in der Koranschule von den Mitschülern und Lehrern aufgrund seiner Clanzugehörigkeit rassistisch behandelt worden.
3. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).
4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und monierte nach Angabe der Gründe seiner Ausreise unter Ausführung näherer Gründe ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren, eine mangelhafte Beweiswürdigung sowie eine unrichtige rechtliche Beurteilung.
5. Am 15.10.2024 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche, mündliche Verhandlung statt, an welcher der Beschwerdeführer und seine Rechtsvertretung teilnahmen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist entschuldigt nicht erschienen. Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung wurde der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Fluchtgründen und Rückkehrbefürchtungen befragt (s. Verhandlungsprotokoll).
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest. Er ist ein Staatsangehöriger von Somalia und gehört der Religionsgemeinschaft der sunnitischen Muslime sowie der berufsständischen Minderheit der Gabooye an.
Entgegen den von ihm angegebenen Ausreisegründen wurde er nicht von der Al Shabaab entführt und zwangsrekrutiert. Ebenso wenig wurde er aufgrund seiner Minderheitenzugehörigkeit von der Möglichkeit der Bildung, der Teilnahme am Erwerbsleben oder der Gesellschaft an sich ausgeschlossen.
1.2. Zur maßgeblichen Situation in Somalia:
1. Minderheiten und Clans
Der Clan ist die relevanteste soziale, ökonomische und politische Struktur in Somalia. Er bestimmt den Zugang zu Ressourcen sowie zu Möglichkeiten, Einfluss, Schutz und Beziehungen (SPC 9.2.2022). Dementsprechend steht Diskriminierung in Somalia generell oft nicht mit ethnischen Erwägungen in Zusammenhang, sondern vielmehr mit der Zugehörigkeit zu bestimmten Minderheitenclans oder Clans, die in einer bestimmten Region keine ausreichende Machtbasis und Stärke haben (AA 28.6.2022, S. 11). Die meisten Bundesstaaten fußen auf einer fragilen Balance zwischen unterschiedlichen Clans. In diesem Umfeld werden weniger mächtige Clans und Minderheiten oft vernachlässigt (BS 2022, S. 10). Selbst relative starke Clans können von einem lokalen Rivalen ausmanövriert werden, und es kommt zum Verlust der Kontrolle über eine Stadt oder eine regionale Verwaltung. Meist ist es die zweitstärkste Lineage in einem Bezirk oder einer Region, welche über die Verteilung von Macht und Privilegien am unglücklichsten ist (Sahan 30.9.2022).
Clanälteste dienen als Vermittler zwischen Staat und Gesellschaft. Sie werden nicht einfach aufgrund ihres Alters gewählt. Autorität und Führungsposition werden verdient, nicht vererbt. Ein Clanältester repräsentiert seine Gemeinschaft, ist ihr Interessenvertreter gegenüber dem Staat. Innerhalb der Gemeinschaft dienen sie als Friedensstifter, Konfliktvermittler und Wächter des Xeer. Bei Streitigkeiten mit anderen Clans ist der Clanälteste der Verhandler. Al Shabaab installiert oft Älteste, welche die Gruppe repräsentieren. Er wird so zum Bindeglied zwischen der Gemeinschaft und al Shabaab. So werden zuvor legitime Strukturen in Geiselhaft genommen (Sahan 26.10.2022).
In ganz Somalia sehen sich Menschen, die keinem der großen Clans angehören, in der Gesellschaft signifikant benachteiligt. Dies gilt etwa beim Zugang zur Justiz (UNHCR 22.12.2021, S. 56) und für ökonomische sowie politische Partizipation (UNHCR 22.12.2021, S. 56; vgl. BS 2022, S. 23). Minderheiten und berufsständische Kasten werden in mindere Rollen gedrängt - trotz des oft sehr relevanten ökonomischen Beitrags, den genau diese Gruppen leisten (BS 2022, S. 23). Mitunter kommt es auch zu physischer Belästigung (UNHCR 22.12.2021, S. 56). Insgesamt ist allerdings festzustellen, dass es hinsichtlich der Vulnerabilität und Kapazität unterschiedlicher Minderheitengruppen signifikante Unterschiede gibt (UNOCHA 14.3.2022).
Recht: Die Übergangsverfassung und Verfassungen der Bundesstaaten verbieten die Diskriminierung und sehen Minderheitenrechte vor (UNHCR 22.12.2021, S. 56). Weder das traditionelle Recht (Xeer) (SEM 31.5.2017, S. 42) noch Polizei und Justiz benachteiligen Minderheiten systematisch. Faktoren wie Finanzkraft, Bildungsniveau oder zahlenmäßige Größe einer Gruppe können Minderheiten dennoch den Zugang zur Justiz erschweren (SEM 31.5.2017, S. 42; vgl. ÖB 11.2022, S. 4). Allerdings sind Angehörige von Minderheiten in staatlichen Behörden unterrepräsentiert und daher misstrauisch gegenüber diesen Einrichtungen (ÖB 11.2022, S. 4). Von Gerichten Rechtsschutz zu bekommen, ist für Angehörige von Minderheiten noch schwieriger als für andere Bevölkerungsteile (FIS 7.8.2020, S. 21). Auch im Xeer sind Schutz und Verletzlichkeit einer Einzelperson eng verbunden mit der Macht ihres Clans (SEM 31.5.2017, S. 31). Weiterhin ist es für Minderheitsangehörige aber möglich, sich im Rahmen formaler Abkommen einem andern Clan anzuschließen bzw. sich unter Schutz zu stellen. Diese Resilienz-Maßnahme wurde von manchen Gruppen etwa angesichts der Hungersnot 2011 und der Dürre 2016/17 angewendet (DI 6.2019, S. 11). Aufgrund dieser Allianzen werden auch Minderheiten in das Xeer-System eingeschlossen. Wenn ein Angehöriger einer Minderheit, die mit einem großen Clan alliiert ist, einen Unfall verursacht, trägt auch der große Clan zu Mag/Diya (Kompensationszahlung) bei (SEM 31.5.2017, S. 33). Gemäß einer Quelle haben schwächere Clans und Minderheiten trotzdem oft Schwierigkeiten – oder es fehlt überhaupt die Möglichkeit – ihre Rechte im Xeer durchzusetzen (LIFOS 1.7.2019, S. 14).
Angehörige von Minderheiten stehen vor Hindernissen, wenn sie Identitätsdokumente erhalten wollen - auch im Falle von Reisepässen (UNHCR 22.12.2021, S. 58).
Politik: Politische Repräsentation, politische Parteien, lokale Verwaltungen und auch das nationale Parlament sind um die verschiedenen Clans bzw. Subclans organisiert, wobei die vier größten Clans (Darod, Hawiye, Dir-Isaaq und Digil-Mirifle) Verwaltung, Politik, und Gesellschaft dominieren - und zwar entlang der sogenannten 4.5-Formel (ÖB 11.2022, S. 3). Dies bedeutet, dass den vier großen Clans dieselbe Anzahl von Parlamentssitzen zusteht, während kleinere Clans und Minderheitengruppen gemeinsam nur die Hälfte dieser Sitze erhalten (ÖB 11.2022, S. 3; vgl. USDOS 12.4.2022, S. 31f; FH 2022a, B4). Dadurch werden kleinere Gruppen politisch marginalisiert (FH 2022a, B4). Sie werden von relevanten politischen Posten ausgeschlossen und die wenigen Angehörigen von Minderheiten, die solche Posten halten, haben kaum die Möglichkeit, sich für ihre Gemeinschaften einzusetzen (SPC 9.2.2022). So ist also selbst die gegebene, formelle Vertretung nicht mit einer tatsächlichen politischen Mitsprache gleichzusetzen, da unter dem Einfluss und Druck der politisch mächtigen Clans agiert wird. Die 4.5-Formel hat bisher nicht zu einem Fortschritt der ethnischen bzw. Clan-bezogenen Gleichberechtigung beigetragen (ÖB 11.2022, S. 4).
Gesellschaft: Einzelne Minderheiten leben unter besonders schwierigen sozialen Bedingungen in tiefer Armut und leiden an zahlreichen Formen der Diskriminierung und Exklusion (USDOS 12.4.2022, S. 41; vgl. AA 28.6.2022, S. 14; FH 2022a, F4). Sie sehen sich in vielfacher Weise von der übrigen Bevölkerung – nicht aber systematisch von staatlichen Stellen – wirtschaftlich, politisch und sozial ausgegrenzt (AA 28.6.2022, S. 14). Zudem sind die Systeme gegenseitiger Unterstützung bei ihnen weniger gut ausgebaut, und sie verfügen über geringere Ressourcen (Sahan 24.10.2022) und erhalten weniger Remissen (Sahan 24.10.2022; vgl. SPC 9.2.2022). Die mächtigen Gruppen erhalten den Löwenanteil an Jobs, Ressourcen, Verträgen, Remissen und humanitärer Hilfe. Schwache Gruppen erhalten wenig bis gar nichts. Bei der Hungersnot 1991 waren die meisten Hungertoten entweder Digil-Mirifle oder Bantu. Dies gilt auch für die Hungersnot im Jahr 2011. Ein Grund dafür ist, dass humanitäre Hilfe von mächtigeren Clans vereinnahmt wird (Sahan 24.10.2022). Dementsprechend stehen Haushalte, die einer Minderheit angehören, einem höheren Maß an Unsicherheit bei der Nahrungsmittelversorgung gegenüber. Meist sind Minderheitenangehörige von informeller Arbeit abhängig, und die allgemeinen ökonomischen Probleme haben u.a. die Nachfrage nach Tagelöhnern zurückgehen lassen. Dadurch sind auch die Einkommen dramatisch gesunken (UNOCHA 14.3.2022).
Gewalt: Minderheitengruppen, denen es oft an bewaffneten Milizen fehlt, sind überproportional von Gewalt betroffen (Tötungen, Folter, Vergewaltigungen etc.). Täter sind Milizen oder Angehörige dominanter Clans - oft unter Duldung lokaler Behörden (USDOS 12.4.2022, S. 41). In Mogadischu können sich Angehörige aller Clans frei bewegen und auch niederlassen. Allerdings besagt der eigene Clanhintergrund, in welchem Teil der Stadt es für eine Person am sichersten ist (FIS 7.8.2020, S. 39).
Al Shabaab: Es gibt Hinweise, wonach al Shabaab gezielt Kinder von Minderheiten entführt (BS 2022, S. 19; vgl. ÖB 11.2022 S. 6). Gleichzeitig nützt al Shabaab die gesellschaftliche Nivellierung als Rekrutierungsanreiz – etwa durch die Abschaffung der Hindernisse für Mischehen zwischen "noblen" Clans und Minderheiten (ICG 27.6.2019, S. 7f). Dementsprechend wird die Gruppe von Minderheitsangehörigen eher als gerecht oder sogar attraktiv erachtet (DI 6.2019, S. 11; vgl. ÖB 11.2022, S. 4). Al Shabaab hat sich die gesellschaftliche Benachteiligung von Gruppen zunutze gemacht (Sahan 24.10.2022). Ein überproportionaler Teil von al Shabaab setzt sich aus Angehörigen der am meisten marginalisierten Gruppen Somalias zusammen (Sahan 30.9.2022). Fehlender Rechtsschutz auf Regierungsseite ist ein weiterer Grund dafür, dass Angehörige von Minderheiten al Shabaab beitreten (FIS 7.8.2020, S. 21). Missstände treiben ganze Gemeinden in die Arme von al Shabaab. Sie suchen ein taktisches Bündnis – haben dabei aber keine dschihadistische Vision, sondern wollen ihre Rivalen ausstechen. Al Shabaab nimmt derartige Spannungen gerne auf und verwendet sie für eigene Zwecke (Sahan 30.9.2022). Aufgrund der (vormaligen) Unterstützung von al Shabaab durch manche Minderheiten kann es in Regionen, aus welchen al Shabaab gewichen ist, zu Repressalien kommen (ÖB 11.2022, S. 4f).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia
BS - Bertelsmann Stiftung (2022): BTI 2022 - Somalia Country Report
DI - Development Initiatives (6.2019): Towards an improved understanding of vulnerability and resilience in Somalia
FH - Freedom House (2022a): Freedom in the World 2022 – Somalia
FIS - Finnish Immigration Service [Finnland] (7.8.2020): Somalia: Fact-Finding Mission to Mogadishu in March 2020
ICG - International Crisis Group (27.6.2019): Women and Al-Shabaab’s Insurgency
LIFOS - Lifos/Migrationsverket [Schweden] (1.7.2019): Somalia - Rätts- och säkerhetssektorn Version 1.0
ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi [Österreich] (11.2022): Asylländerbericht Somalia
Sahan - Sahan / Somali Wire Team (26.10.2022): The deaths of clan elders in the struggle against Al-Shabaab, in: The Somali Wire Issue No. 468, per e-Mail
Sahan - Sahan / Somali Wire Team (24.10.2022): Power, access, and social capital in Somalia, in: The Somali Wire Issue No. 467, per e-Mail
Sahan - Sahan / Somali Wire Team (30.9.2022): Winning the war of grievances, in: The Somali Wire Issue No. 458, per e-Mail
SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (31.5.2017): Focus Somalia – Clans und Minderheiten
SPC - Somalia Protection Cluster (9.2.2022): Protection Analysis Update, February 2022
UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (22.12.2021): Citizenship and Statelessness in the Horn of Africa
UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (14.3.2022): Somalia Humanitarian Bulletin, February 2022
USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices - Somalia
2. Berufsständische Minderheiten
Berufsständische Gruppen unterscheiden sich weder durch Abstammung noch durch Sprache und Kultur von der Mehrheitsbevölkerung (SEM 31.5.2017, S. 14ff). Sie sind somalischen Ursprungs, wurden aber von den traditionellen Clan-Lineages ausgeschlossen (UNHCR 22.12.2021, S. 57). Im Gegensatz zu den „noblen“ Clans wird ihnen nachgesagt, ihre Abstammungslinie nicht auf Prophet Mohammed zurückverfolgen zu können (SEM 31.5.2017, S. 14ff). Ihre traditionellen Berufe werden als unrein oder unehrenhaft erachtet (UNHCR 22.12.2021, S. 57; vgl. NLMBZ 1.12.2021, S. 45; SEM 31.5.2017, S. 14ff) - etwa Jäger, Lederverarbeiter, Schuster, Friseure, Töpferinnen, traditionelle Heiler oder Hebammen (NLMBZ 1.12.2021, S. 45). Diese Gruppen stehen damit auf der untersten Stufe der sozialen Hierarchie in der Gesellschaft. Sie leben verstreut in allen Teilen des somalischen Kulturraums, mehrheitlich aber in Städten. Ein v. a. im Norden bekannter Sammelbegriff für einige berufsständische Gruppen ist Gabooye, dieser umfasst etwa die Tumal, Madhiban, Muse Dheriyo und Yibir (SEM 31.5.2017, S. 14ff). Ein anderer Sammelbegriff ist Midgan (UNHCR 22.12.2021, S. 57).
Diskriminierung: Für die Gabooye hat sich die Situation im Vergleich zur Jahrtausendwende, als sie nicht einmal normal die Schule besuchen konnten, gebessert. Insbesondere unter jungen Somali ist die Einstellung zu ihnen positiver geworden; mittlerweile ist es für viele Angehörige der Mehrheitsclans üblich, auch mit Angehörigen berufsständischer Gruppen zu sprechen, zu essen, zu arbeiten und Freundschaften zu unterhalten. Es gibt keine gezielten Angriffe gegen oder Misshandlungen von Gabooye (SEM 31.5.2017, S. 43f). In Mogadischu sind Angehörige von Minderheiten keiner systematischen Gewalt ausgesetzt. Allerdings sind all jene Personen, welche nicht einem dominanten Clan der Stadt angehören, potenziell gegenüber Kriminalität vulnerabler (LI 21.5.2019b, S. 3).
Die berufsständischen Kasten werden zudem diskriminiert und als Bürger zweiter Klasse erachtet (BS 2022, S. 9). Zu ihrer Diskriminierung trägt bei, dass sie sich weniger strikt organisieren und sie viel ärmer sind. Daher sind sie nur in geringerem Maß in der Lage, Kompensation zu zahlen oder Blutrache anzudrohen (GIGA 3.7.2018; vgl. SEM 31.5.2017, S. 44ff). Insgesamt ist die soziale Stufe und die damit verbundene Armut für viele das Hauptproblem. Hinzu kommt, dass diese Minderheiten in der Regel eine tendenziell schlechtere Kenntnis des Rechtssystems haben. Der Zugang berufsständischer Gruppen zur Bildung ist erschwert, weil an ihren Wohnorten z. B. Schulen fehlen. Außerdem verlassen viele Kinder die Schule früher, um zu arbeiten. Viele Familien sind auf derartige Einkommen angewiesen. Die meist schlechtere Bildung wiederum führt zur Benachteiligung bei der Arbeitssuche, bei der die Clanzugehörigkeit ohnehin oft zu Diskriminierung führen kann. Da berufsständische Gruppen nur über eine kleine Diaspora verfügen, profitieren sie zudem in geringerem Ausmaß von Remissen als Mehrheitsclans (SEM 31.5.2017, S. 44ff).
Dennoch sind vereinzelt auch Angehörige berufsständischer Gruppen wirtschaftlich erfolgreich. Auch wenn sie weiterhin die ärmste Bevölkerungsschicht stellen, finden sich einzelne Angehörige in den Regierungen, im Parlament und in der Wirtschaft (SEM 31.5.2017, S. 49).
Mischehe: In dieser Frage kommt es weiterhin zu einer gesellschaftlichen Diskriminierung, da Mehrheitsclans Mischehen mit Angehörigen berufsständischer Gruppen meist nicht akzeptieren. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Mehrheitsfrau einen Minderheitenmann heiratet. Der umgekehrte Fall ist weniger problematisch (SEM 31.5.2017, S. 44ff; vgl. ÖB 11.2022, S. 4). Aufgrund dieses teils starken sozialen Drucks (FH 2022a, G3) kommen Mischehen äußerst selten vor (SEM 31.5.2017, S. 44ff; vgl. FIS 5.10.2018, S. 26). Diesbezüglich bestehen aber regionale Unterschiede: Im Clan-mäßig homogeneren Norden des somalischen Kulturraums sind Mischehen seltener und gleichzeitig stärker stigmatisiert als im Süden (ÖB 11.2022, S. 4; vgl. SEM 31.5.2017, S. 44ff). Hawiye und Rahanweyn sehen die Frage der Mischehe weniger eng. Außerdem ist der Druck auf Mischehen insbesondere in ländlichen Gebieten ausgeprägt (SEM 31.5.2017, S. 44ff). In Mogadischu sind Mischehen möglich (FIS 5.10.2018, S. 26). Auch al Shabaab hat Hindernisse für Mischehen beseitigt, in ihren Gebieten kommt es zunehmend zu solchen Eheschließungen (ICG 27.6.2019, S. 7f). Die Gruppe hat Fußsoldaten, die zu Gruppen mit niedrigem Status gehören, dazu ermutigt, Frauen und Mädchen von "noblen" Clans (z. B. Hawiye, Darod) zu heiraten (Ingiriis 2020).
Eine Mischehe führt so gut wie nie zu Gewalt oder gar zu Tötungen. Seltene Vorfälle, in denen es etwa in Somaliland im Zusammenhang mit Mischehen zu Gewalt kam, sind in somaliländischen Medien dokumentiert (SEM 31.5.2017, S. 44ff). Trotzdem können diese Ehen negative Folgen für die Ehepartner mit sich bringen – insbesondere, wenn der Mann einer Minderheit angehört (ÖB 11.2022, S. 4). So kommt es häufig zur Verstoßung des aus einem "noblen" Clan stammenden Teils der Eheleute durch die eigenen Familienangehörigen. Letztere besuchen das Paar nicht mehr, kümmern sich nicht um dessen Kinder oder brechen den Kontakt ganz ab; es kommt zu sozialem Druck (SEM 31.5.2017, S. 44ff). Diese Art der Verstoßung kann vor allem in ländlichen Gebieten vorkommen. Eine Mischehe sorgt auf jeden Fall für Diskussionen und Getratsche, nach einer gewissen Zeit wird sie aber meist akzeptiert (FIS 5.10.2018, S. 26).
Quellen:
BS - Bertelsmann Stiftung (2022): BTI 2022 - Somalia Country Report
FH - Freedom House (2022a): Freedom in the World 2022 – Somalia
FIS - Finnish Immigration Service [Finnland] (5.10.2018): Somalia: Fact-Finding Mission to Mogadishu and Nairobi, January 2018
GIGA - Wissenschaftlicher Mitarbeiter am German Institute of Global and Area Studies (3.7.2018): Sachverständigengutachten zu 10 K 1802/14A
ICG - International Crisis Group (27.6.2019): Women and Al-Shabaab’s Insurgency
Ingiriis, M. H. (2020): The anthropology of Al-Shabaab: the salient factors for the insurgency movement’s recruitment project, in: Small Wars Insurgencies, Vol. 31/2, 2020, pp. 359-380, zitiert in: EASO - European Asylum Support Office (9.2021c): Somalia – Targeted Profiles, S.18
LI - Landinfo [Norwegen] (21.5.2019b): Somalia: Rer Hamar-befolkningen i Mogadishu
NLMBZ - Ministerie van Buitenlandse Zaken [Niederlande] (1.12.2021): Algemeen ambtsbericht Somalië
ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi [Österreich] (11.2022): Asylländerbericht Somalia
SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (31.5.2017): Focus Somalia – Clans und Minderheiten
UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (22.12.2021): Citizenship and Statelessness in the Horn of Africa
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Mangels Vorlage unbedenklicher Dokumente steht die Identität des Beschwerdeführers nicht fest. Zumal der Beschwerdeführer aber zweifellos aus dem somalischer Kulturraum stammt, kann ihm in seinen im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben zu seiner Staats-, Religions- und Clanzugehörigkeit gefolgt werden.
Zu seinen Ausreisegründen führte der Beschwerdeführer in der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 15.10.2023 aus, dass er Somalia wegen der Al Shabaab, Diskriminierung und wegen des Krieges verlassen habe, sowie außerdem Hungersnot und Dürre herrsche (AS 39). In der folgenden Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 12.02.2024 führte er hingegen zwar eine Zwangsrekrutierung durch die Al Shabaab sowie Diskriminierung an, behauptete nun aber, in der Erstbefragung nie von Hungersnot und Dürre gesprochen zu haben, sondern habe dies vielmehr der Dolmetscher ohne Wissen des Beschwerdeführers hinzugefügt (AS 76). Da es aber keinen Grund gibt, aus dem ein Dolmetscher Derartiges machen würde, und zumal der Beschwerdeführer die Richtigkeit und Vollständigkeit des Protokolls der Erstbefragung nach einer Rückübersetzung mit seiner Unterschrift bestätigte, muss dies als untaugliche Schutzbehauptung qualifiziert werden, welche die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers erheblich in Zweifel ziehen lässt. Diese Verantwortung deutet in weiterer Folge darauf hin, dass der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen zwischen diesen beiden Befragungen steigerte bzw. austauschte, zumal er zwar in der Erstbefragung wohl abstrakt die Al Shabaab als einen von mehreren Fluchtgründen nannte, er sich in der Einvernahme jedoch kausal auf eine konkrete Zwangsrekrutierung stützte. Dass er dieses konkrete Problem, welches ihn tatsächlich zur Flucht veranlasst habe, bei der Erstbefragung nicht beim Wort nannte, ist nicht nachvollziehbar. Für einen Austausch des Fluchtvorbringens spricht im Weiteren auch, dass er in der Erstbefragung noch zu Protokoll gab, dass seine Eltern und Geschwister in Somalia leben würden (AS 33), wohingegen er in der Einvernahme behauptete, dass sein Vater im Zusammenhang mit seinem nun dargetanen Fluchtvorbringen noch vor seiner Ausreise von der Al Shabaab getötet worden sei, sowie der Beschwerdeführer während seiner Flucht in der Türkei erfahren habe, dass eine Schwester von der Al Shabaab entführt worden sei und seine Mutter und seine andere Schwester nach Äthiopien geflohen seien (AS 71 f). Damit widersprach sich der Beschwerdeführer aber gravierend zu seinen eigenen Familienangehörigen, weshalb in Zusammenschau dieser Erwägungsgründe mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen zwischen der Erstbefragung und der Einvernahme steigerte bzw. austauschte.
Zu diesem Fluchtvorbringen über eine Zwangsrekrutierung durch die Al Shabaab ist dem Beschwerdeführer zwar zugutezuhalten, dass er es über weite Strecken durchaus gleichbleibend schilderte. Allerdings widersprach er sich erheblich zum zentralen Element seiner Inhaftierung durch die Al Shabaab in einem Lager. So erzählte er in der Einvernahme durch das Bundesamt, dass es in diesem Lager eine Wellblechhütte gegeben habe, in welcher „vier bis sechs Personen“ bzw. später abgeändert sechs Mitglieder der Al Shabaab sowie der Beschwerdeführer und seine beiden ebenso entführten Mitschüler, gesamt also neun Personen, gewesen seien (AS 79). In der gegenständlichen Beschwerde führte er sodann aber aus, dass in der Wellblechhütte neben ihm und den beiden Mitschülern noch sechs weitere mitgefangene Jungen bzw. Männer gewesen seien. Sie alle hätten in dieser Hütte geschlafen, manchmal hätten einige aber auch vor der Hütte geschlafen, weil es keinen ausreichenden Platz gegeben habe. Der Beschwerdeführer habe mit diesen Mitgefangenen nichts Privates gesprochen, da er und seine beiden Mitschüler sich unsicher gewesen seien, wer diese tatsächlich gewesen seien (AS 235 f). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 15.10.2024 sagte der Beschwerdeführer dann jedoch aus, dass es außer ihm und seinen beiden Mitschülern keine weiteren Gefangenen im Lager gegeben habe. Auch hätten sie nicht in der Hütte, sondern stets im Freien geschlafen, da die Hütte nur als Abstellraum gedient habe (Verhandlungsprotokoll S. 8). Es kann nun nicht unterstellt werden, dass der Beschwerdeführer, wenn er von Selbsterlebtem berichten würde, derart divergierende Angaben dazu, ob es noch weitere Gefangene gegeben habe und wo er während seiner rund vierwöchigen Gefangenschaft geschlafen habe, machen würde. Es kann hierin auch kein Missverständnis erblickt werden, da ein solches zum einen schon gar nicht geltend gemacht wurde, zum anderen dieses divergierende Vorbringen auf seinen expliziten Angaben beruht. Folglich muss schon alleine aufgrund dieses erheblichen Widerspruchs das Vorbringen des Beschwerdeführers über eine Zwangsrekrutierung durch die Al Shabaab als unglaubhaft betrachtet werden.
Weiters ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass der Beschwerdeführer sodann in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht trotz wiederholter Aufforderung, ausführlich über seine Gefangenschaft im Lager der Al Shabaab zu berichten, nur kurz angebunden und zur Gänze oberflächlich blieb (Verhandlungsprotokoll S. 8), sodass letztlich auch insoweit nicht auf eine wahre Begebenheit zu schließen war, hätte er doch andernfalls in der Verhandlung viel detaillierter und lebensnäher berichten können.
Der Beschwerdeführer erzählte desweiteren, dass die Umgebung des Lagers der Al Shabaab „gebirgig“ gewesen sei und er im Zuge seiner Flucht aus dem Lager von einem „höheren Hügel“ aus das nächste Dorf gesehen habe (AS 81; Verhandlungsprotokoll S. 13). Betrachtet man jedoch die Topographie des Distrikts Barawe wie auch der gesamten weiteren Umgebung, so ist leicht zu erkennen, dass es sich – abgesehen von einer leichten, der Küste entlang verlaufenden Anhebung – um weitläufiges Flachland handelt, das durch die Ausläufer des Shabelle Flusses geprägt ist. Gerade das von der Al Shabaab kontrollierte Hinterland ist somit weder hügelig noch gar bergig (vgl. etwa die Geländekarte des Kartendienstes Google Maps oder Wikipedia, https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/3/3c/Somalia_Topography_en.png). Auch insoweit kann dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers somit nicht gefolgt werden, zumal dies berechtigte Zweifel an seiner örtlichen Herkunft aufkommen lässt.
Letztendlich ist unplausibel, dass der Beschwerdeführer – wie er in der Einvernahme durch das Bundesamt darlegte – aus diesem Lager der Al Shabaab wieder in sein Heimatdorf flüchten und dort über Tage noch verbleiben würde (AS 77), obwohl dieses doch unter Kontrolle der Al Shabaab gestanden sei (AS 73) und er dort somit offenkundig nicht mehr leben hätte können bzw. Gefahr liefe, von der Al Shabaab entdeckt zu werden. Dies, zumal er schließlich zu einer Verwandten nach Mogadischu geflohen sei (AS 78, 82) und somit Anknüpfungspunkte außerhalb des von der Al Shabaab kontrollierten Gebietes gehabt hätte. Umgekehrt ist aber auch kaum nachzuvollziehen, dass die Al Shabaab schließlich mit zwei Autos und damit also offenkundig auch mit mehreren Männern zum Elternhaus des Beschwerdeführers gekommen wäre, um ihn – nach der Flucht aus dem Lager der Al Shabaab und Rückkehr in seinen Heimatort - wieder mitzunehmen, er aber der Entdeckung schlicht dadurch entgehen habe können, dass er sich im angrenzenden Stall verstecken habe können (AS 77), müsste man doch davon ausgehen, dass diese Männer der Al Shabaab das Elternhaus des Beschwerdeführers und dessen Umgebung durchsucht hätten, wenn sie in dieser Stärke nach ihm gesucht hätten.
Aus all diesen Erwägungsgründen war somit dem ausgetauschten, gesteigerten, widersprüchlichen, vagen und unplausiblen Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers über eine Entführung und Zwangsrekrutierung durch die Al Shabaab die Glaubhaftigkeit zu versagen.
Daneben brachte der Beschwerdeführer in der Einvernahme durch das Bundesamt vor, dass er aufgrund seiner Zugehörigkeit zu den Gabooye diskriminiert worden sei. Konkret habe er nach fünf Jahren aufgehört, die Koranschule zu besuchen, weil er von den Mitschülern und den Lehrern „rassistisch“ behandelt worden sei. Er habe alleine sitzen müssen und sei vom Lehrer beschimpft worden, wenn er bei einem Test einen Fehler gemacht habe. Er sei mehrmals aus der Klasse herausgeholt worden und habe draußen stehen müssen (AS 75). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht steigerte er dies darauf, dass er geschlagen worden sei, wenn er Fehler gemacht habe, und er am letzten Tag der Koranschule vom Lehrer über Nacht in der Klasse eingesperrt worden sei (Verhandlungsprotokoll S. 5). Weshalb er in der Einvernahme lediglich von Beschimpfungen gesprochen hätte, wenn er doch (auch) geschlagen worden wäre, ist nicht nachzuvollziehen. Zudem ist es anhand des Umstandes, dass der Heimatort des Beschwerdeführers unter Kontrolle der Al Shabaab gestanden sei und diese Gruppierung nach den festgestellten Länderberichten Clanunterschiede zu nivellieren versucht bzw. durch diesen Anreiz gerade auch unter Minderheitenangehörigen rekrutiert, als unplausibel zu erachten, dass (gerade) ein Koranlehrer dieser Gruppierung den Beschwerdeführer wegen seiner Minderheitenzugehörigkeit diskriminieren würde, stünde dies demnach doch im Widerspruch zur Ideologie der Al Shabaab. Der Beschwerdeführer gab darüber hinaus in der Einvernahme an, dass er trotz dieser vorgeblichen Diskriminierung nach der Koranschule noch vier Jahre lang die Grundschule im Ort besucht habe (AS 70), machte insoweit aber keine Probleme geltend, die jedoch zu erwarten wären, wenn er tatsächlich von seiner Umwelt derartig behandelt worden wäre. Schließlich ist kein Grund ersichtlich, aus dem sich diese Behandlung auf die Koranschule beschränkt hätte. Dass der Beschwerdeführer sowohl die Koranschule als auch die Grundschule besuchen hat können sowie seine Eltern erwerbstätig gewesen sind, (vgl. AS 73), lässt viel eher darauf schließen, dass er keine relevante Schlechterstellung erfahren hat. Eine solche wäre auch den Länderberichten nicht zu entnehmen. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass er von der Bildung, dem Erwerbsleben oder der Gesellschaft an sich ausgeschlossen gewesen wäre.
Sonstige Fluchtgründe oder Rückkehrbefürchtungen verneinte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (Verhandlungsprotokoll S. 13).
2.2. Zu den Feststellungen der maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur Situation in Somalia beruhen auf den angeführten Quellen des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation zu Somalia vom 08.01.2024 (Version 6). Bei den Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender Institutionen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Somalia ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Darstellung zu zweifeln.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.
Flüchtling iSd. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK ist, wer sich „aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.“
Einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung kommt Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0010).
Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass der Antragsteller bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung („Vorverfolgung“) für sich genommen nicht hinreichend (VwGH 03.09.2021, Ra 2021/14/0108).
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0413).
Das Vorbringen des Antragstellers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit der Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen (VwGH 10.08.2019, Ra 2018/20/0314).
Nur unter bestimmten Voraussetzungen ist Diskriminierung mit Verfolgung gleichzusetzen. Dies wäre nur der Fall, wenn die Diskriminierungsmaßnahmen Konsequenzen mit sich brächten, welche die betroffene Person in hohem Maße benachteiligen würden, z.B. eine ernstliche Einschränkung des Rechts, ihren Lebensunterhalt zu verdienen oder des Zugangs zu den normalerweise verfügbaren Bildungseinrichtungen. In Fällen, in denen die Diskriminierungen an sich noch nicht allzu schwer wiegen, können sie trotzdem die Ursache verständlicher Furcht vor Verfolgung sein, wenn sie bei der betroffenen Person ein Gefühl der Furcht und Unsicherheit im Hinblick auf ihre Zukunft hervorrufen; ob solche Akte der Diskriminierung einer Verfolgung gleichkommen, muss unter Berücksichtigung aller Umstände entschieden werden. Das Vorbringen einer Furcht vor Verfolgung wird umso eher begründet sein, wenn eine Person bereits eine Reihe diskriminierender Akte dieser Art zu erdulden hatte und daher ein kumulatives Moment vorliegt (UNHCR Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, Dezember 2003, Paragraph 54 f).
Wie beweiswürdigend dargelegt, ist das Vorbringen des Beschwerdeführers über eine Entführung und Zwangsrekrutierung durch die Al Shabaab nicht glaubhaft. Ebenso wenig konnte der Beschwerdeführer eine asylrelevante Diskriminierung aufgrund seiner Minderheitenzugehörigkeit glaubhaft machen. Sonstige Gründe einer asylrelevanten Bedrohung sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Es besteht somit keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer asylrechtlichen Verfolgung des Beschwerdeführers in Somalia aus Konventionsgründen.
Die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl war daher im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.