Spruch
L524 2267357-1/17E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA Irak, vertreten durch den Verein ZEIGE, Zentrum für Europäische Integration und Globalen Erfahrungsaustausch, Ottakringer Straße 54, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.01.2023, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.11.2024:
A) I. Das Verfahren betreffend die Spruchpunkte I. und II. wird gemäß § 28 Abs. 1 und § 31 Abs. 1 VwGVG wegen Zurückziehung der Beschwerde eingestellt.
II. Der Bescheid wird hinsichtlich der Spruchpunkte III. bis VIII. gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Feststellungen:
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 22.01.2023, Zl. XXXX , wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 3 FPG wurde ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.) und der Verlust des Aufenthaltsrechts gemäß § 13 Abs. 2 Z 3, 4 AsylG ab 03.02.2022 ausgesprochen (Spruchpunkt VIII.).
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.
In der mündlichen Verhandlung zog der Beschwerdeführer die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides zurück.
Der Beschwerdeführer reiste erstmals 2015 in Österreich ein. Seit November 2020 hält er sich erneut in Österreich auf. Die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers und deren Tochter sind asylberechtigt und leben in Wien.
II. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem angeführten Bescheid, der Beschwerde und den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung.
III. Rechtliche Beurteilung:
A) I. Einstellung der Verfahren betreffend die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides (Antrag auf internationalen Schutz):
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Eine bloß formlose Beendigung (etwa durch Einstellung mittels Aktenvermerk) eines nach dem VwGVG vom Verwaltungsgericht geführten Verfahrens kommt nicht in Betracht, handelt es sich doch bei der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, ein bei ihm anhängiges Verfahren nicht weiterzuführen, um eine Entscheidung iSd § 31 Abs. 1 VwGVG. Eine Verfahrenseinstellung ist unter anderem dann vorzunehmen, wenn die Beschwerde rechtswirksam zurückgezogen wurde (VwGH 29.04.2015, Fr 2014/20/0047).
Die Zurückziehung der Beschwerde durch den Beschwerdeführer ist in jeder Lage des Verfahrens ab Einbringung der Beschwerde bis zur Erlassung der Entscheidung möglich (§ 17 VwGVG iVm § 13 Abs. 7 AVG und Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte², § 7 VwGVG, K 6). Mit der Zurückziehung ist das Rechtsschutzinteresse der beschwerdeführenden Partei weggefallen, womit einer Sachentscheidung die Grundlage entzogen ist, so dass die Einstellung des betreffenden Verfahrens – in dem von der Zurückziehung betroffenen Umfang – auszusprechen ist (siehe Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte [2015], Rz 20 zu § 7 VwGVG).
Die Zurückziehung der Beschwerde ist unwiderruflich, da es sich dabei um eine einseitige, verbindliche Prozesserklärung handelt. Die Zurückziehung der Beschwerde hat ausdrücklich und unmissverständlich zu erfolgen, so dass keine Zweifel über diese Prozesserklärung verbleiben. Bestehen Zweifel über den Inhalt der Erklärung, ist nachzufragen, was die Erklärung zum Ausdruck bringen soll. Besondere Formvorschriften sind für die Zurückziehung der Beschwerde nicht normiert, so dass dafür auch eine mündliche Erklärung der Partei (etwa in einer Verhandlung) ausreicht, eine schriftliche Dokumentation dieser Prozesserklärung ist jedoch geboten (vgl. Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte², § 7 VwGVG, K 7 bis K9).
Die Zurücknahme einer Berufung (nunmehr: Beschwerde) wird mit dem Zeitpunkt ihres Einlangens bei der Behörde wirksam. Ab diesem Zeitpunkt ist – mangels einer aufrechten Berufung – die Pflicht der Berufungsbehörde zur Entscheidung weggefallen und das Berufungsverfahren ist einzustellen (vgl. VwGH 25.07.2013, 2013/07/010 unter Hinweis auf VwGH 23.10.1987, 87/17/0193).
In der mündlichen Verhandlung zog der Beschwerdeführer die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides zurück.
Das Verfahren war daher einzustellen.
A) II. Zurückverweisung an das BFA betreffend die Spruchpunkte III. bis VIII. (Nichtgewährung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, Erlassung einer Rückkehrentscheidung, der darauf aufbauenden Spruchpunkte sowie eines befristeten Einreiseverbots):
Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist (§ 28 Abs. 3 dritter Satz VwGVG).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stellt die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG 2014 bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. VwGH 10.09.2014, Ra 2014/08/0005; 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).
In der mündlichen Verhandlung ergaben sich konkrete vom Beschwerdeführer gesetzte Schritte im Hinblick auf den Schutz des Privat- und Familienlebens. Allerdings ist der Sachverhalt in Bezug auf die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen sowie in Bezug auf den Schutz des Privat- und Familienlebens ergänzungsbedürftig geblieben, so dass weitere Ermittlungen notwendig sind. Die Durchführung dieser notwendigen Ermittlungen ist durch die belangte Behörde rascher und kostensparender möglich, weshalb mittels Zurückverweisung an die belangte Behörde vorzugehen ist.
Der Bescheid ist daher in Bezug auf die Spruchpunkte III. bis VIII. nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückzuverweisen.
B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung mit der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes übereinstimmt.