IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, über die Beschwerde vom 27. März 2023 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 9. März 2023 betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum Februar bis Oktober 2022 zum Ordnungsbegriff ***OB*** zu Recht:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird insofern abgeändert, als die Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag nur mehr für den Zeitraum Juli bis Oktober 2022 aufrecht bleibt. Betreffend den Zeitraum Februar bis Juni 2022 wird der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
A. Rückforderungsbescheid, Beschwerde
Mit Bescheid vom 09.03.2025 wurde die Beschwerdeführerin zur Rückzahlung von Familienbeihilfe sowie Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum 02-10/2022 aufgefordert.
Mit - nicht unterschriebenem - Schreiben vom 27.03.2023 wurde durch die Beschwerdeführerin Beschwerde gegen den obig angeführten Rückforderungsbescheid erhoben und ausgeführt, dass der Sohn der Beschwerdeführerin noch die Schule besuche und sich derzeit in der Prüfungsphase befinde. Zum Nachweis werde auf die beiliegenden Unterlagen verwiesen.
Dem Schreiben beigeschlossen war eine Kopie des Rückforderungsbescheides sowie eine Schulbesuchsbestätigung betreffend den Sohn der Beschwerdeführerin.
B. Vorhalt, Mängelbehebungsauftrag
Mit Schreiben vom 19.04.2023 wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, dem belangten Finanzamt weitere Unterlagen/Informationen zu übermitteln.
Ebenfalls mit Schreiben vom 19.04.2023 wurde der Beschwerdeführerin durch das belangte Finanzamt ein Mängelbehebungsauftrag erteilt. Im Rahmen dieses Schreibens wurde darauf verwiesen, dass die Beschwerde nicht unterschrieben sei und somit an einem Formgebrechen iSd § 85 Abs. 2 BAO leide. Werde dieser Mangel nicht bis zum 10.05.2023 behoben, gelte die Beschwerde als zurückgenommen.
Am 09.05.2023 wurde durch die Beschwerdeführerin erneut eine Schulbesuchsbestätigung übermittelt. Eine Reaktion auf den Mängelbehebungsauftrag vom gleichen Tag ist nicht erfolgt.
C. Beschwerdevorentscheidung, Vorlageantrag
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 16.02.2024 wurde ausgesprochen, dass die gegenständliche Beschwerde aufgrund der Nichterfüllung des Mängelbehebungsauftrages gemäß § 85 BAO als zurückgenommen gelte.
Mit Schreiben vom 14.03.2024 wurde durch die Beschwerdeführerin die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht beantragt. Beiliegend wurde betreffend den Sohn der Beschwerdeführerin eine Schulbesuchsbestätigung betreffend das Schuljahr 2021/2022 (inklusive Stundentafel) sowie das Abschlussprüfungszeugnis übermittelt.
D. Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht
Die Beschwerde wurde dem Bundesfinanzgericht am 13.02.2025 zur Entscheidung vorgelegt.
Mit Anschreiben des Bundesfinanzgerichtes vom 20.02.2025 wurde das belangte Finanzamt auf einen vom erkennenden Richter in den Datenbanken der Finanzverwaltung (FABIAN) eingesehenen Aktenvermerk hingewiesen, wonach die Beschwerdeführerin im Rahmen eines Telefonates mit einer Sachbearbeiterin des Finanzamtes den Erhalt des Mängelbehebungsauftrages bestritten habe. Da aus den Datenbanken der Finanzverwaltung ebenfalls ersichtlich ist, dass dieser Mängelbehebungsauftrag ohne Zustellnachweis versendet wurde (was dem erkennenden Richter vom Finanzamt auch bestätigt wurde), erfolgte im Rahmen dieses Anschreibens ein Hinweis auf die Rechtsprechung des VwGH, nach der "die Behörde bei Zustellungen ohne Zustellnachweis die Folgen dafür auf sich nehmen muss, der Behauptung der nicht erfolgten Zustellung nicht wirksam entgegentreten zu können."
Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom 20.02.2025 wurde der Beschwerdeführerin ein Mängelbehebungsauftrag erteilt und darauf verwiesen, dass die gegenständliche Beschwerde an einem Formgebrechen iSd § 85 Abs. 2 BAO leidet, konkret einer fehlenden Unterschrift. Die Beschwerdeführerin wurde zur Behebung dieses Mangels bis spätestens 10.03.2025 verpflichtet und darauf hingewiesen, dass die Beschwerde andernfalls als zurückgenommen gilt.
Mit Schreiben vom 04.03.2025 wurde durch die Beschwerdeführerin eine unterschriebene Version der Beschwerde inklusive Beilagen (Schulnachricht betreffend das Schuljahr 2021/2022, Abschlussprüfungszeugnis vom 30.06.2023, Schulbesuchsbestätigung betreffend das Schuljahr 2021/2022, Stundentafel) übermittelt.
Mit Schreiben vom 07.03.2025 wurde durch das belangte Finanzamt ausgeführt, dass der Mängelbehebungsauftrag vom 19.04.2023 ordnungsgemäß postalisch versendet worden sei und es - abgesehen von der Behauptung der Beschwerdeführerin - keinen Hinweis darauf gebe, dass sie den Mängelbehebungsauftrag nicht erhalten habe, zumal der am gleichen Tag versendete Vorhalt beantwortet worden sei. Ein Nachweis der Zustellung in Form eines Rückscheines könne jedoch nicht erbracht werden.
Inhaltlich wurde ausgeführt, dass das quantitative Element der Berufsausbildung im konkreten Fall erfüllt sein dürfte. Auch das qualitative Element könne möglicherweise erfüllt sein, da es sich bei der vom Sohn der Beschwerdeführerin absolvierten Ausbildung um eine geordnete Ausbildung mit Abschlussprüfung, die auf eine spezifische berufliche Tätigkeit abziele, handle.
Mit Anschreiben des Bundesfinanzgerichtes vom 13.03.2025 wurden die von der Beschwerdeführerin erhaltenen Unterlagen dem belangten Finanzamt zur Kenntnis- und Stellungnahme übermittelt und darauf hingewiesen, dass das Bundesfinanzgericht auf Basis dieser Unterlagen (sowie der im Anschreiben vom 20.02.2025 dargestellten Rechtsansicht) eine inhaltliche Behandlung der Beschwerde beabsichtige.
Mit Schreiben vom 25.03.2025 wurde seitens des belangten Finanzamtes mitgeteilt, dass die Unterlagen zur Kenntnis genommen worden seien und keine weitere Stellungnahme erfolgen werde.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
A. Mangelhafte Beschwerde
Die verfahrensgegenständliche Beschwerde vom 27.03.2023 wurde beim belangten Finanzamt schriftlich und ohne Unterschrift eingebracht. Im Zuge des Verfahrens vor dem Finanzamt wurde der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 19.04.2023 ein Mängelbehebungsauftrag (Frist - 10.05.2023) erteilt und darauf hingewiesen, dass bei Versäumung dieser Frist die verfahrensgegenständliche Beschwerde als zurückgenommen gilt. Dieser Mängelbehebungsauftrag wurde postalisch ohne Zustellnachweis versendet. Die Beschwerdeführerin hat den Erhalt des Mängelbehebungsauftrages bestritten.
Im Zuge des Verfahrens vor dem Bundesfinanzgericht wurde der Beschwerdeführerin mittels Beschluss vom 20.02.2025 erneut ein Mängelbehebungsauftrag (Frist - 10.03.2025) erteilt und darauf hingewiesen, dass die Beschwerde im Falle der nicht fristgerechten Erfüllung der Mängelbehebung (d.h. Nachreichung einer ordnungsgemäß unterschriebenen Version der verfahrensgegenständlichen Beschwerde) gemäß § 85 Abs. 2 BAO als zurückgenommen gilt. Mit Schreiben vom 04.03.2025 wurde dem Mängelbehebungsauftrag entsprochen.
B. Schulbesuch des Sohnes der Beschwerdeführerin
Der Sohn der Beschwerdeführerin (d.h. das anspruchsvermittelnde Kind) ist am ***GebDat*** geboren und hat im Schuljahr 2021/22 (d.h. bis inklusive Juni 2022) die dritte Klasse der ***Schule*** (Praxislehrgang zum Büro- und Datenverarbeitungssekretär) besucht. Der Lehrplan hat 35 Wochenstunden, aufgeteilt auf die nachfolgend angeführten Unterrichtsgegenstände, umfasst.
Religion | 2 Wochenstunden |
Deutsch und betriebliche Kommunikation und Präsentation | 4 Wochenstunden |
Englische Wirtschafts- und Computerfachsprache | 4 Wochenstunden |
Wirtschaftsgeographie | 2 Wochenstunden |
Betriebswirtschaft und praktische ÜbungenProjektmanagement und ProjektarbeitBetriebliche Praxis bei Fremdfirmen | 5 Wochenstunden2 Wochenstunden4 Wochenstunden |
Politische Bildung, Recht und Volkswirtschaft | 3 Wochenstunden |
Rechnungswesen | 3 Wochenstunden |
Computerunterstütztes Rechnungswesen | 1 Wochenstunde |
Computerunterstützte Textverarbeitung und Wirtschaftsinformatik | 3 Wochenstunden |
Leibesübungen | 2 Wochenstunden |
Die verpflichtend zu absolvierende Abschlussprüfung hat der Sohn der Beschwerdeführerin nicht beim Erstantritt am Ende des dritten (und letzten) Schuljahres 2021/22, sondern erst beim Zweitantritt am Ende des Schuljahres 2022/23 bestanden. Ein Schulbesuch im Schuljahr 2022/23 ist nicht erfolgt. Bei erfolgreicher Absolvierung der Schulausbildung (inkl. Abschlussprüfung) wird den Absolventen die Berufsbezeichnung "Büro- und Datenverarbeitungssekretär" zuerkannt.
2. Beweiswürdigung
A. Mangelhafte Beschwerde
Die Feststellung, wonach die ursprünglich eingebrachte Version der Beschwerde keine Unterschrift trägt, ergibt sich aus dem elektronischen Akteninhalt. Der Inhalt des vom belangten Finanzamt versendeten Mängelbehebungsauftrages ergibt sich aus diesem. Die Feststellung, wonach dieser Mängelbehebungsauftrag ohne Zustellnachweis versendet wurde, ergibt sich aus der Datenbank der Finanzverwaltung (FABIAN), in die vom erkennenden Richter Einsicht genommen wurde, und wurde zusätzlich durch das belangte Finanzamt bestätigt. Die Feststellung, wonach die Beschwerdeführerin den Erhalt des vom Finanzamt versendeten Mängelbehebungsauftrages bestreitet, ergibt sich aus dem ebenfalls in der Datenbank der Finanzverwaltung (FABIAN) ersichtlichen Aktenvermerk vom 19.04.2023 ("AST hat MBA angeblich nicht erhalten; wurde am selben Tag wie Vorhalt versendet den sie erhalten hat").
Die Feststellungen betreffend den vom Bundesfinanzgericht mittels Beschluss vom 20.02.2025 erteilten Mängelbehebungsauftrag ergeben sich aus diesem. Die Feststellung betreffend die Erfüllung der aufgetragenen Mängelbehebung ergeben sich aus dem erwähnten Schreiben vom 04.03.2025.
B. Schulbesuch des Sohnes der Beschwerdeführerin
Die Feststellung betreffend das Geburtsdatum des Sohnes der Beschwerdeführerin ergibt sich aus der im Rückforderungsbescheid enthaltenen Sozialversicherungsnummer. Die Feststellung betreffend den Schulbesuch des Sohnes der Beschwerdeführerin im Schuljahr 2021/22 ergibt sich aus den vorgelegten Schulbesuchsbestätigungen der ***Schule*** vom 10.09.2021 sowie vom 25.01.2023, jeweils betreffend das Schuljahr 2021/22, sowie den Aussagen der Beschwerdeführerin gegenüber dem belangten Finanzamt laut Aktenvermerk vom 19.04.2023.
Das wöchentliche Ausmaß des Schulbesuches ergibt sich ebenfalls aus den obig angeführten Schulbesuchsbestätigungen. Die Feststellung betreffend die vom Sohn der Beschwerdeführerin im Rahmen des Schuljahres 2021/22 absolvierten Unterrichtsgegenstände und die darauf entfallenden Wochenstunden ergeben sich aus der vorgelegten Stundentafel sowie der Schulnachricht betreffend den Sohn der Beschwerdeführerin vom 18.02.2022.
Die Feststellung betreffend die vom Sohn der Beschwerdeführerin beim Erstantritt nicht erfolgreich absolvierte Abschlussprüfung am Ende des Schuljahres 2021/22 sowie die Feststellung, wonach im Schuljahr 2022/23 kein Schulbesuch des Sohnes der Beschwerdeführerin erfolgt ist, ergibt sich aus den Aussagen der Beschwerdeführerin gegenüber dem belangten Finanzamt laut Aktenvermerk vom 19.04.2023. Die Feststellung, wonach der Sohn der Beschwerdeführerin die Abschlussprüfung am Ende des Schuljahres 2022/23 im Rahmen des Zweitantritts bestanden hat, ergibt sich aus dem vorliegenden Abschlussprüfungszeugnis vom 30.06.2023.
Die Feststellung betreffend zu nach Abschluss der Ausbildung zuerkannte Berufsbezeichnung ergibt sich aus dem Abschlussprüfungszeugnis vom 30.06.2023.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)
A. Mangelhafte Beschwerde
a) Rechtliche Grundlagen
§ 85 BAO lautet auszugsweise:
(1) Anbringen zur Geltendmachung von Rechten oder zur Erfüllung von Verpflichtungen (insbesondere Erklärungen, Anträge, Beantwortungen von Bedenkenvorhalten, Rechtsmittel) sind vorbehaltlich der Bestimmungen des Abs. 3 schriftlich einzureichen (Eingaben).
(2) Mängel von Eingaben (Formgebrechen, inhaltliche Mängel, Fehlen einer Unterschrift) berechtigen die Abgabenbehörde nicht zur Zurückweisung; inhaltliche Mängel liegen nur dann vor, wenn in einer Eingabe gesetzlich geforderte inhaltliche Angaben fehlen. Sie hat dem Einschreiter die Behebung dieser Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, daß die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt; werden die Mängel rechtzeitig behoben, gilt die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht.
[…]
b) Erwägungen
Stellt die Abgabenbehörde ein Schriftstück ohne Zustellnachweis zu, dann trifft sie die Beweislast. Ohne aktenmäßigen Nachweis über die Zustellung eines Schriftstücks kann die Behörde den Lauf der Berufungsfrist nicht mit irgendeinem bestimmten Tag als "feststehend" betrachten. So wie es Sache der Behörde ist, darüber zu wachen, dass die Frist seitens der Partei eingehalten wird, so obliegt es der Behörde auch, die aktenmäßigen Grundlagen dafür zu schaffen, dass der Beginn des Fristenlaufs kalendermäßig festgestellt werden kann. Hat die Behörde den Zustellnachweis für entbehrlich gefunden, so muss sie die Folgen auf sich nehmen, wenn sie späterhin der Behauptung der Partei, sie hätte den Bescheid nicht empfangen, nicht wirksam entgegenzutreten vermag. Dasselbe hat für den Fall zu gelten, dass die Partei behauptet, den Bescheid erst zu einem bestimmten späteren Zeitpunkt erhalten zu haben (Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I³, § 109 BAO, Rz 3, unter Verweis auf VwGH 16.12.1999, 99/16/0113).
Da die Behörde bei Zustellungen ohne Zustellnachweis die Folgen dafür auf sich nehmen muss, der Behauptung einer nicht erfolgten Zustellung nicht wirksam entgegentreten zu können, müssen die Angaben des Beschwerdeführers über die nicht erfolgte Zustellung des Abweisungsbescheides vom 22. April 1998 als richtig angenommen werden (VwGH 16.11.2006, 2006/14/0026, mwN zur früheren Rechtsprechung des VwGH).
Gemäß dem festgestellten Sachverhalt wurde die verfahrensgegenständliche Beschwerde vom 27.03.2023 beim belangten Finanzamt schriftlich in nicht unterschriebener Form eingebracht. Ebenfalls gemäß dem festgestellten Sachverhalt wurde der Beschwerdeführerin im Rahmen eines Mängelbehebungsauftrages vom 19.04.2023 die Behebung dieses Mangels (d.h. die Nachreichung einer ordnungsgemäß unterschriebenen Beschwerde) aufgetragen. Den Erhalt des - ohne Zustellnachweis versendeten - Mängelbehebungsauftrages hat die Beschwerdeführerin gegenüber dem belangten Finanzamt bestritten.
Gemäß der obig zitierten Literatur sowie der Judikatur des VwGH hat das belangte Finanzamt die Folgen der Behauptung der Beschwerdeführerin, wonach sie den Mängelbehebungsauftrag vom 19.04.2023 nicht erhalten habe, auf sich zu nehmen. Es ist somit von der Nichtzustellung dieses Mängelbehebungsauftrages auszugehen, weshalb dieser auch die Rechtsfolge des § 85 Abs. 2 BAO (d.h. die dort normierte Zurücknahmefiktion bei nicht fristgerecht erfolgter Mängelbehebung) nicht herbeizuführen vermochte.
Da die Beschwerdeführerin - gemäß dem festgestellten Sachverhalt - zudem den vom Bundesfinanzgericht erteilten Mängelbehebungsauftrag vom 20.02.2025 fristgerecht und ordnungsgemäß erfüllt hat, war die Beschwerde - gemäß § 85 Abs. 2 BAO - als ursprünglich richtig eingebracht und demnach inhaltlich zu behandeln.
B. Schulbesuch des Sohnes der Beschwerdeführerin
a) Rechtliche Grundlagen
§ 2 Abs. 1 FLAG 1967 lautet auszugsweise:
Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
[…]
b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. […]
[…]
d) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und volljährige Kinder, die erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5) und die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für vier Monate nach Abschluss der Schulausbildung; im Anschluss daran für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und volljährige Kinder, die erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5) und die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, bis zum Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird,
[…]
§ 10 Abs. 2 FLAG 1967 lautet:
Die Familienbeihilfe wird vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.
§ 26 Abs. 1 FLAG 1967 lautet:
Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
§ 33 Abs. 3 Z 1 EStG 1988 in der für das streitgegenständliche Jahr maßgeblichen Fassung lautet:
Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, steht im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. Für Kinder, die sich ständig außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz aufhalten, steht kein Kinderabsetzbetrag zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.
b) Voraussetzungen zum Bezug der Familienbeihilfe sowie des Kinderabsetzbetrages
Um von einer Berufsausbildung sprechen zu können, ist außerhalb des in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG besonders geregelten Besuchs einer Einrichtung im Sinn des § 3 des Studienförderungsgesetzes (auch bei Universitätslehrgängen, denn die Universität ist zwar eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes erwähnte Einrichtung, doch sprechen die näheren, den Besuch einer solchen Einrichtung besonders regelnden Bestimmungen des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG nur von ordentlichen Studien) nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das ernstliche, zielstrebige und nach außen erkennbare Bemühen um einen Ausbildungserfolg erforderlich. Ziel einer Berufsausbildung in diesem Sinn ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufs zu erlangen. Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essentieller Bestandteil der Berufsausbildung. Berufsausbildung liegt daher nur dann vor, wenn die Absicht zur erfolgreichen Ablegung der vorgeschriebenen Prüfungen gegeben ist. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob die erfolgreiche Ablegung der Prüfungen tatsächlich gelingt (VwGH 27.09.2012, 2010/16/0013, mwN zur Rechtsprechung des VwGH).
Zur Qualifikation als Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 kommt es nicht nur auf das "ernstliche und zielstrebige Bemühen um den Studienfortgang" an, sondern es muss die Berufsausbildung auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen (VwGH 24.10.2024, Ra 2024/16/0025, mwN zur früheren Rechtsprechung des VwGH).
Nach dieser Judikatur weist jede anzuerkennende Berufsausbildung ein qualitatives und ein quantitatives Element auf: Entscheidend ist sowohl die Art der Ausbildung als auch deren zeitlicher Umfang; die Ausbildung muss als Vorbereitung für die spätere konkrete Berufsausübung anzusehen sein (Ausnahme: allgemein bildende Schulausbildung; hier besteht zumindest nicht zwingend ein Konnex zu einem späteren konkreten Beruf) und überdies die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen (Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG², § 2, Rz 36).
Gemäß dem festgestellten Sachverhalt hat das anspruchsvermittelnde Kind im Schuljahr 2021/22 die dritte Klasse der ***Schule*** (Praxislehrgang zum Büro- und Datenverarbeitungssekretär) besucht. Ebenfalls aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass den Absolventen dieser Ausbildung nach erfolgreichem Abschluss die Berufsbezeichnung "Büro- und Datenverarbeitungssekretär" zuerkannt wird. Zudem erhalten die Schülerinnen und Schüler - gemäß der im festgestellten Sachverhalt ersichtlichen Stundentafel - auch eine allgemein bildende Schulausbildung. Es besteht nach Ansicht des erkennenden Richters vor diesem Hintergrund überhaupt kein Zweifel daran, dass das "qualitative Element" (d.h. die Aneignung einer fachlichen Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes) einer Berufsausbildung im konkreten Fall erfüllt ist. Die Ausbildung ist schulisch (vergleichbar mit einer Handelsschule, siehe diesbezüglich auch die Einordnung in die Gruppe "Handelsschule" im AMS-Bildungskompass, abgerufen am 01.04.2025 - https://www.ausbildungskompass.at/ausbildungen) organisiert und die Schülerinnen und Schüler sind zur Ablegung von regulären Prüfungen sowie einer Abschlussprüfung verpflichtet. Dass der Sohn der Beschwerdeführerin die Abschlussprüfung nicht im Rahmen des Erstantrittes, sondern erst im darauffolgenden Jahr (d.h. am Ende des Schuljahres 2022/23) erfolgreich abgelegt hat, schadet nach der obig zitierten Rechtsprechung des VwGH für die Beurteilung, ob im Schuljahr 2021/22 eine Berufsausbildung vorgelegen ist, nicht ("Dagegen kommt es nicht darauf an, ob die erfolgreiche Ablegung der Prüfungen tatsächlich gelingt.").
Hinsichtlich des "quantitativen Elements" der Berufsausbildung ist zunächst erneut auf den festgestellten Sachverhalt zu verweisen, aus dem sich ergibt, dass der Lehrplan der gegenständlichen Ausbildung 35 Wochenstunden umfasst. Vor diesem Hintergrund ist nach Ansicht des erkennenden Richters davon auszugehen, dass auch das geforderte "quantitative Element" im konkreten Fall jedenfalls erfüllt ist (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG², § 2, Rz 40, wonach eine Berufsausbildung iSd FLAG 1967 ab einem Zeitaufwand von mindestens 30 Wochenstunden zu bejahen sein wird).
Da somit für den Zeitraum Februar bis Juni 2022 (d.h. jenem Monat, mit dem das Schuljahr 2021/22 beendet wurde) sowohl das Vorliegen des qualitativen wie auch des quantitativen Elements zu bejahen ist, kann für diesen Zeitraum vom Vorliegen einer für das FLAG 1967 relevanten Berufsausbildung ausgegangen werden. Aus diesem Grund war der Rückforderungsbescheid insoweit abzuändern bzw. ersatzlos aufzuheben, als er die Monate Februar bis Juni 2022 betrifft.
Für den Zeitraum ab Juli 2022 ist - aufgrund der Tatsache, dass an das Schuljahr 2021/22 kein weiterer Schulbesuch angeschlossen war und auch sonst keine Berufsausbildung vorgebracht wurde - zu prüfen, ob der Anspruch auf Familienbeihilfe (sowie Kinderabsetzbetrag) auf einen anderen Tatbestand gestützt werden kann. Eine Berufung auf die Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 scheitert für die streitgegenständlichen Monate Juli bis Oktober 2022 jedenfalls auch am sogenannten "quantitativen Element", zumal die Wiederholungsprüfung nicht im Herbst 2022, sondern erst nach Ende des Schuljahres 2022/23 absolviert wurde und somit in realitätsnaher Betrachtung nicht davon auszugehen ist, dass der Sohn der Beschwerdeführerin bereits in den Monaten Juli bis Oktober 2022 mehr als 30 Wochenstunden im Selbststudium verbracht hat.
Somit bleibt zu prüfen, ob die obig zitierte Norm des § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 idF BGBl. I Nr. 220/2021 einen über Juni 2022 hinausgehenden Anspruch auf Familienbeihilfe, und zwar für vier Monate nach Abschluss der Schulausbildung, eröffnet.
Die Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 setzt als Grundlage für die Gewährung des Anspruches auf Familienbeihilfe den "Abschluss der Schulausbildung" voraus. Gemäß dem festgestellten Sachverhalt war neben der erfolgreichen Absolvierung der dreijährigen Schulausbildung auch noch die Ablegung einer Abschlussprüfung Voraussetzung für den Abschluss der vom Sohn der Beschwerdeführerin besuchten Schule (wiederum analog zu einer Handelsschule, siehe den bereits zuvor verlinkten Eintrag im AMS-Bildungskompass). Erst nach erfolgreicher Ablegung dieser Abschlussprüfung hat dieser sein Abschlussprüfungszeugnis erhalten und die im Sachverhalt genannte Berufsbezeichnung ("Büro- und Datenverarbeitungssekretär") zuerkannt bekommen.
Wie sich jedoch aus dem festgestellten Sachverhalt ebenfalls ergibt, hat der Sohn der Beschwerdeführerin die zum Abschluss der Ausbildung erforderliche Abschlussprüfung nicht im Juni 2022, sondern erst im Juni 2023 erfolgreich abgelegt. Nach Ansicht des erkennenden Richters kann somit nicht bereits im Juni 2022 vom "Abschluss der Schulausbildung" im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 gesprochen werden. Dies steht auch im Einklang mit den Ausführungen in den Erläuternden Bemerkungen zur Änderung des § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 (https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/NRSITZ/137/fname_1438187.pdf), in denen beispielhaft die Ablegung der Matura als "Abschluss der Schulausbildung" genannt ist.
Auch aus der Rechtsprechung des VwGH lässt sich ableiten, dass die bloße Absolvierung der erforderlichen Schulstufen ohne die erfolgreiche Ablegung der Abschlussprüfung (im dortigen Fall der Matura) nicht zum Abschluss der Schulausbildung führt (VwGH 19.10.2017, Ro 2016/16/0018). Im angeführten Erkenntnis hat der VwGH ausgeführt, dass "der Sohn des Mitbeteiligten vor dem Zivildienst eine Berufsausbildung (in Form einer Schulausbildung an einem Bundesoberstufenrealgymnasium) begonnen und nach Ende des Zivildienstes nicht fortgesetzt habe (zur Reifeprüfung nicht mehr angetreten sei)". Daraus ergibt sich für den erkennenden Richter, dass die bloße Absolvierung der erforderlichen Schulstufen noch nicht zum Abschluss der Schulausbildung führen kann, da ansonsten - im vom VwGH behandelten Fall - keine Fortsetzung durch Ablegung der Reifeprüfung möglich gewesen wäre.
Auf Basis der obigen Ausführungen steht somit fest, dass es im Juni 2022 nicht zum "Abschluss der Schulausbildung" iSd § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 durch den Sohn der Beschwerdeführerin gekommen ist. Somit steht aber auch fest, dass der Beschwerdeführerin aus diesem Titel kein Anspruch auf Familienbeihilfe für die Monate Juli bis Oktober 2022 erwachsen ist.
b) Rückforderung von zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe sowie zu Unrecht bezogenem Kinderabsetzbetrag
§ 26 FLAG 1967 normiert eine objektive Erstattungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Geldbezüge ist von subjektiven Momenten unabhängig. Entscheidend ist somit lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat. Ob und gegebenenfalls wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist unerheblich (VwGH 08.07.2009, 2009/15/0089).
Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, waren in den Monaten Juli bis Oktober 2022 die Voraussetzungen für den Bezug von Familienbeihilfe objektiv nicht erfüllt. Somit ist die Rückforderung der Familienbeihilfe für diesen Zeitraum gemäß § 26 FLAG 1967 und unter Verweis auf die obig zitierte Rechtsprechung des VwGH zu Recht erfolgt.
Gemäß der obig zitierten Vorschrift des § 33 Abs. 3 Z 1 EStG 1988 hängt der Anspruch auf den Bezug des Kinderabsetzbetrages von der Gewährung der Familienbeihilfe ab. Da - gemäß den obigen Ausführungen - der Anspruch auf Familienbeihilfe betreffend den Sohn der Beschwerdeführerin in den Monaten Juli bis Oktober 2022 nicht bestanden hat, sind auch die in diesem Zeitraum ausgezahlten Kinderabsetzbeträge gemäß § 33 Abs. 3 Z 1 EStG 1988 iVm § 26 FLAG 1967 zurückzufordern.
Auf Basis der obigen Ausführungen war somit spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Mit gegenständlichem Erkenntnis wurde nicht über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung entschieden. Das Bundesfinanzgericht folgt der obig zitierten Rechtsprechung des VwGH. Eine Revision war daher nicht zuzulassen.
Linz, am 1. April 2025