IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende Mag. Diana Sammer, die Richterin Mag. Ilse Rauhofer sowie die fachkundigen Laienrichter ***27*** und ***28*** in der Beschwerdesache Mag. Martin Kirnbauer, Rathausstraße 15, 1010 Wien, als Masseverwalter der ***1***, über die Beschwerde vom 18. Juni 2024 gegen den Feststellungsbescheid des Amtes für Betrugsbekämpfung vom 6. Juni 2024 betreffend Scheinunternehmen gem. § 8 SBBG, AZ ***2***, in der Sitzung am 12. August 2025, in Anwesenheit der Schriftführerin ***29*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Verdachtsmitteilung vom 17.5.2024
Mit Mitteilung gemäß § 8 Abs. 4 SBBG der belangten Behörde vom 17.5.2024 wurde bekannt gegeben, dass der Verdacht bestehe, dass es sich bei der ***1*** um ein Scheinunternehmen handle. In der Rechtsbelehrung wurde auf § 8 Abs.7 SBBG hingewiesen, wonach das Recht bestehe, binnen einer Woche ab Zustellung der Mitteilung Widerspruch durch persönliche Vorsprache beim Amt für Betrugsbekämpfung zu erheben.
Am 31.5.2024 langte bei der belangten Behörde ein als Einspruch bezeichnetes Schreiben der ***1*** ein, welches mit "***3***, Geschäftsführer" unterfertigt war. Darin wurde ausgeführt, dass der Vorwurf, die ***1*** sei ein Scheinunternehmen falsch sei. Er habe einen Geschäftspartner gehabt, der ihn davon überzeugt habe, dass er viele Leute kennen würde, die bereit wären, in ein Geschäftsmodell Geld zu investieren. Er habe darauf vertraut, dass dieser seine Versprechen halten würde und habe infolgedessen mehrere Mitarbeiter als geringfügig Beschäftigte angestellt. Leider seien diese Gelder nicht gekommen, die ihm versprochen worden seien, sodass er alle Mitarbeiter entlassen habe müssen. Er habe zwar die Gehälter an alle Mitarbeiter auszahlen können, aber für die Lohnnebenkosten habe es nicht mehr gereicht. Weil das Vermögen seiner Firma vorübergehend erschöpft sei, sei er seit geraumer Zeit auf der ganzen Welt unterwegs um neue Investoren zu gewinnen. Zur Zeit sei er gerade in Deutschland, weshalb er leider nicht persönlich zur belangten Behörde kommen könne. Da es niemals seine Absicht gewesen sei, die Firma in Zahlungsschwierigkeiten zu bringen, ersuche er, seine Firma nicht als Scheinunternehmen zu deklarieren. Er ersuche um etwas Zeit, um diesen finanziellen Engpass zu überwinden. Die Lohnnebenkosten seien wegen der Geringfügigkeit der Beschäftigung der ehemaligen Mitarbeiter schließlich nicht so hoch, als dass er diese Gelder nicht besorgen könnte. Alles, was er dafür brauche, sei Zeit. Er werde alles bezahlen, sobald die Firma wieder liquid sei.
Feststellungsbescheid gem. § 8 SBBG vom 6.6.2024
Mit nunmehr bekämpftem Feststellungsbescheid vom 6.6.2024 stellte die belangte Behörde fest, dass die ***1*** ab 18.1.2023 als Scheinunternehmen gemäß § 8 Sozialbetrugsbekämpfungsgesetzes (SBBG) gilt.
Begründend wurde ausgeführt:
"Aufgrund einer Mitteilung vom FAÖ wurde bekannt, dass in den letzten Monaten wiederholt Vereine und GmbHs auffällig geworden sind, die kurz nach der Bestellung neuer Organe eine Steuernummer und Umsatzsteueridentifikationsnummer (UID) beantragt haben und in weiterer Folge Umsatzsteuervoranmeldung (UVA) eingereicht und auch Dienstnehmer angemeldet haben. Steuerlich auffällig war dabei, dass die UVA regelmäßig ein (kleines) Guthaben ausgewiesen haben. Ebenso haben die Dienstnehmer Arbeitnehmerveranlagungen eingereicht, die ebenfalls durchwegs zu Gutschriften führen sollten. Mehrere Vereine verfügen oder verfügten über ELDA- Zugänge mit denen eigene oder auch Dienstnehmer für andere Dienstgeber (ebenfalls dubiose Vereine und auch GmbHs) bei der ÖGK angemeldet wurden. Bei genauerer Überprüfung ist aufgefallen, dass sowohl die vermeintlichen Organe der Vereine, als auch die Identitäten der Dienstnehmer dubios erscheinen. In vielen Fällen handelt es sich um Personen, die nicht in Österreich gemeldet sind. Ebenso ist aufgefallen, dass die Anträge sehr häufig von ebenfalls fragwürdigen Vertretern mittels e-Fax eingereicht wurden. Aufgrund dieser Mitteilung, hat die Finanzpolizei Team 04 über den Verdacht eines Scheinunternehmens iSd § 8 SBBG betreffend der Firma ***1*** mit Sitz in 1070 Wien, ***4***, Ermittlungen iSd § 8 SBBG aufgenommen und weitere Erhebungen durchgeführt.
Durch die Finanzpolizei anfänglich eingeholte Datenbankabfragen ergaben, dass am 18.01.2023 laut Firmenbuch, ein Geschäftsführerwechsel vollzogen wurde und ein gewisser ***3*** geb. ***5*** neuer handelsrechtlicher Geschäftsführer bei der ***1*** ist. Ersichtlich wurde ebenfalls, dass bereits seit 11.04.2024 die Masseverwalter Mag. Martin Kirnbauer und ***6*** im Firmenbuch angeführt waren. Abfragen bezüglich ZMR oder Sozialversicherung waren bei ***3*** negativ.
Am 16.05.2024 gegen 08:00 Uhr wurde der Firmensitz der ***1*** in 1070 Wien, ***4*** von der Finanzpolizei Team 04 aufgesucht. Es konnte keine betriebliche Infrastruktur festgestellt werden. Es gab weder ein Firmenschild, noch eine genaue Bezeichnung einer Türnummer wie sie im Firmenbuch angegeben ist. Es ist lediglich ein Briefkasten ersichtlich mit der Aufschrift ***1*** welcher völlig überfüllt war. Noch am gleichen Tag wurden der Masseverwalter und der Steuerberater telefonisch kontaktiert. Der Masseverwalter Mag. Kirnbauer übergab der Finanzpolizei Team 04 einen Bericht an die Staatsanwaltschaft und einen Bericht an das Handelsgericht in denen u.a. folgendes mitgeteilt wurde: Der Masseverwalter konnte bislang keinen Kontakt zum Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Schuldnerin ("GF/GS"), ***3*** geb. ***5***, herstellen. Zum Unternehmensgegenstand und zur Insolvenzursache liegen dem Masseverwalter mangels Kontakt zum GF/GS bislang keine hinreichenden Informationen vor. Dem Masseverwalter ist aus heutiger Sicht fraglich, ob die Schuldnerin überhaupt eine Geschäftstätigkeit ausübte, und nicht ausschließen kann, dass es sich um eine Scheinfirma und/oder um einen (Sozial-)-Betrugsfall handelt.
Hr. ***7*** von der ***8*** Steuerberatungs GmbH teilt am 16.05.2024 per Mail der Finanzpolizei Team 04 mit, dass ein gewisser ***9***, ***10***, den er als Berater eines anderen Mandanten kannte, ihn am 18.05.2023 beauftragte, für die Fa. ***1***, eine UID-Nummer zu beantragen. Über das Firmenbuch erfuhr die Kanzlei, dass die ***1*** eine neue Anschrift in 1070 Wien, ***4*** bezogen hat. An diese Adresse wurde eine Mahnung auf dem Postweg zugestellt. Daraufhin wurde das offene Honorar überwiesen. Dann brach der Kontakt zur genannten Firma ab. Es wurden von o.g. Kanzlei keine Dienstnehmer zur Sozialversicherung gemeldet.
Die Hausverwaltung der Liegenschaft in 1070 Wien, ***4***, ***11*** mit Sitz in 1030 Wien, ***12***, gibt per Mail bekannt, dass zumindest seit 2018 diese Fa. ***1*** weder der Hausverwaltung noch einen der Wohnungseigentümer bekannt wäre.
Zusammenfassend wird festgehalten, dass eine Kontaktaufnahme mit ehemaligen Dienstnehmern der ***1*** und dem verantwortlichen Geschäftsführer ***3*** zu keiner Zeit möglich war. Weder der Masseverwalter noch der Steuerberater konnten mit dem Verantwortlichen in Kontakt treten, und der Hausverwaltung ist die Fa. ***1*** völlig unbekannt. Im Zeitraum 11.11.2023 bis 23.02.2024 wurden 4 Dienstnehmer geringfügig zur Sozialversicherung gemeldet. Da bei der Österreichischen Gesundheitskasse ein Beitragsrückstand für den Zeitraum 11/2023 bis 02/2024 von € 4.181,85 vorliegt und es aus Sicht des zuständigen Amtes für Betrugsbekämpfung evident ist, dass gegenständliche Firma ***1*** zu dem Zwecke gegründet wurde, illegalen Zwecken nachzugehen.
Gemäß § 8 Abs. 3 SBBG liegen sohin folgende Anhaltspunkte vor:
• Die Unauffindbarkeit von für das Unternehmen tätigen Personen, die dem angegebenen Geschäftszweig entsprechen, an der Bundesfinanzverwaltung oder dem Träger der Krankenversicherung nach dem Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) zuletzt bekannt gegebenen Adresse oder der im Firmenbuch eingetragenen Geschäftsanschrift
• Die Unmöglichkeit des Herstellens eines persönlichen Kontakts zu der Rechtsträgerin oder deren/dessen organschaftlichen Vertreterin/Vertreters über die im Firmenbuch eingetragenen Geschäftsanschrift oder der Bundesfinanzverwaltung oder dem Träger der Krankenversicherung nach dem ASVG zuletzt bekannt gegebene Adresse
• Das Nichtvorhandensein von dem angegebenen Geschäftszweig angemessenen Betriebsmitteln oder Betriebsvermögen
• Auffälligkeiten im Rahmen einer Risiko- und Auffälligkeitsanalyse nach § 42b ASVG oder vergleichbaren Instrumenten
• Vorliegen nicht bloß geringer Rückstände an Sozialversicherungsbeiträgen im Zeitpunkt einer Anmeldung der Dienstnehmerin/des Dienstnehmers zur Sozialversicherung
Diese Anhaltspunkte begründen bei einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung ihrer Bedeutung, ihres Gewichts und ihres wahren wirtschaftlichen Gehalts nach den Verdacht, dass für die in der Beilage laut DN-Liste angeführten Personen, Lohnabgaben, Beiträge zur Sozialversicherung, Zuschläge nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (BUAG) oder Entgeltansprüche verkürzt werden sollen, und/oder diese Personen zur Sozialversicherung angemeldet worden sind, um Versicherungs-, Sozial- oder sonstige Transferleistungen zu beziehen, obwohl diese Personen keine unselbstständige Erwerbstätigkeit aufnahmen."
Die ***1*** sei gemäß § 8 Abs. 4 Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz (SBBG) am 21.05.2024 aufgefordert worden, unter Mitnahme dieser Mitteilung binnen einer Woche ab Zustellung persönlich Widerspruch beim Amt für Betrugsbekämpfung zu erheben. Dieser Aufforderung sei bis dato keine Folge geleistet worden.
Es werde somit gemäß § 8 SBBG festgestellt, dass die oben genannte Rechtsträgerin ab 18.1.2023 (Geschäftsführerwechsel) als Scheinunternehmen gilt.
Beschwerde vom 18.6.2024
Der infolge des am tt.4.2024 über das Vermögen der Gesellschaft eröffneten Konkurses bestellte Masseverwalter der ***1***, Mag. Martin Kirnbauer brachte am 18.6.2024 fristgerecht Beschwerde gegen diesen Feststellungsbescheid ein. Begründend führte er unter anderem aus:
"3.1. Wunsch des Geschäftsführers der Schuldnerin
Der Einschreiter hat keine persönlichen Wahrnehmungen zum Sachverhalt und er hebt diese Beschwerde aus advokatorischer Vorsicht und auf offensichtlichen Wunsch des Geschäftsführers der Schuldnerin. Eine Kontaktaufnahme zum Geschäftsführer der Schuldnerin war dem Einschreiter bislang nicht möglich.
3.2 Begründung des Geschäftsführers der Schuldnerin
Der beschwerdeführende Masseverwalter bekämpft den gegenständlichen Bescheid insbesondere wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und wegen Rechtswidrigkeit in Folge der Verletzung von Verfahrensvorschriften. Dem beschwerdeführenden Masseverwalter liegen keine Informationen und Unterlagen zum Sachverhalt vor, die dem anfechtungsgegenständlichen Bescheid zu Grunde liegen. Allerdings wurde dem beschwerdeführenden Masseverwalter mit der Zustellung des bekämpften Bescheides eine Stellungnahme des Geschäftsführers der Schuldnerin vom 31.05.2024 übermittelt, die der Masseverwalter im Folgenden als integrierenden Bestandteil in diese Beschwerde einfügt, vollinhaltlich genehmigt und zum Vorbringen erstattet.
[eingefügt: Schreiben der ***1*** vom 31.5.2024]
Der Geschäftsführer der Schuldnerin erschien zwar nicht persönlich vor der belangten Behörde, entschuldigte sich aber mit obigem Schreiben, in dem er angab, sich derzeit im Ausland zu befinden. Dies hätte bei der Bescheiderlassung jedenfalls berücksichtigt werden müssen."
Der Masseverwalter legte der Beschwerde den ersten und zweiten Bericht des Masseverwalter an das Handelsgericht Wien vom 25.4.2024 und 27.5.2024, den Schließungsbeschluss vom 29.4.2024 sowie das Schreiben des Geschäftsführers ***3*** vom 31.5.2024 sowie einen Auszug aus der Insolvenzdatei bei. (Beilagen./A bis ./D)
Beschwerdevorentscheidung vom 1.10.2024
Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 1.10.2024 wurde die Beschwerde gegen den Feststellungsbescheid als unbegründet abgewiesen. Bezugnehmend auf den als Beschwerdegrund angeführten schriftlichen Einspruch im Zuge des Widerspruchs wurde durch die belangte Behörde zusammenfassend ausgeführt, dass damit das Vorliegen eines Scheinunternehmens nicht entkräftet werde. Nach der Bestimmung des § 8 Abs. 1 Z1 SBBG sei ein Scheinunternehmen ein Unternehmen, das vorrangig darauf ausgerichtet ist, Lohnabgaben, Beiträge zur Sozialversicherung, Zuschläge nach dem BUAG oder Entgeltansprüche von Arbeitnehmern zu verkürzen (...).
Die vorrangige Ausrichtung im Sinne der vorstehenden Bestimmung sei nach Dafürhalten der belangten Behörde gegeben, als dass das ÖGK-Beitragskonto laut Rückstandsausweis der ÖGK vom 16.05.2024 ein Rückstand in Höhe von € 4.181,85 aufgewiesen habe und auch keine Lohnabgaben gemeldet worden seien.
Beim Bescheid gemäß § 8 Abs 9 SBBG handle es sich um einen Feststellungsbescheid, daher komme es auf die Sachlage im Zeitpunkt der Bescheiderlassung an. Eine nach Bescheiderlassung "geplante" Begleichung von Beitragsrückständen bei der ÖKG oder FAÖ (Lohnabgaben), ändere nichts am vorrangigen Zweck der Verkürzung von Beiträgen. Zudem kenne das SBBG keine "tätige Reue" wie dies bspw. § 153c Abs 3 StGB vorsehe. Bezüglich Zustellung des Bescheides sei diese rechtskonform iSd § 8 Abs 8 SBBG erfolgt, die physische Zustellung werde auch dann bewirkt, wenn der Empfänger nicht anwesend sei, weshalb dieses Vorbringen ins Leere gehe.
Weiters habe in Ansehung der durchgeführten Erhebungen der Finanzpolizei an der laut Firmenbuch ausgewiesenen Geschäftsanschrift in ***4***, 1070 Wien bis auf einen überfüllten, beschrifteten Briefkasten kein Firmensitz ausgemacht werden können, eine Kontaktaufnahme mit dem organschaftlichen Vertreter oder Dienstnehmer sei daher nicht möglich gewesen. Der Hausverwaltung sei der Rechtsträger unbekannt, Infrastruktur, Firmenfahrzeug, Arbeitsmittel oder Betriebsvermögen haben nicht festgestellt werden können. Laut Steuerberater würden mangels Kontaktmöglichkeit auch keine steuerlichen Unterlagen existieren. Die Feststellungen der belangten Behörde würden auch vom einschreitenden Masseverwalter bestätigt werden (Bericht vom 25.04.2024 und 29.04.2024).
Eine ausführliche Begründung sei dem Bescheid Seite 1 und 2 zu entnehmen. Ein Gegenbeweis sei vom Bf nicht erbracht worden.
Vorlageantrag vom 23.10.2024
Mit Eingabe vom 23.10.2024 wurde durch den Masseverwalter fristgerecht ein Vorlageantrag eingebracht und die Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht durch den Senat beantragt. Hinsichtlich der Beschwerdegründe wurde auf die Ausführungen in der Beschwerde verwiesen.
Vorlagebericht vom 21.11.2024
Mit Vorlagebericht vom 21.11.2024 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt einer Vielzahl von Unterlagen dem Bundesfinanzgericht zu Entscheidung vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde.
Verfahren vor dem BFG:
Mit Beschluss des BFG vom 15.7.2025 wurden den Verfahrensparteien die Möglichkeit zur Abgabe einer etwaigen ergänzenden Stellungnahme eingeräumt, der beschwerdeführenden Partei wurde die Möglichkeit zu einer allfälligen Modifizierung ihrer Anträge gegeben.
Die belangte Behörde übermittelte ergänzend zu den bisherigen Unterlagen einen aktuellen Rückstandsausweis der ÖGK vom 21.7.2025. Weiters eine Abfrage der ELDA Datenbank hinsichtlich der An- und Abmeldungen der vier Dienstnehmer.
Der Masseverwalter gab keine Stellungnahme ab.
Sitzung des Senates vom 12.8.2025
Am 12.8.2025 fand eine nicht öffentliche Sitzung des Senates statt, in der die im Spruch ersichtliche Entscheidung getroffen wurde.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
1.1. Allgemein - zur ***1***
Die ***1*** wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 5.9.2022 gegründet und am 15.9.2022 im Firmenbuch (FN ***13***) eingetragen. Der Geschäftszweig lautete auf Beteiligungsverwaltung.
Als Geschäftsführer fungierte von der Gründung bis zum 18.1.2023 ***14***, als Alleingesellschafter die ***15***.
Mit Abtretungsvertrag vom 18.1.2023 trat die ***15*** ihren Geschäftsanteil an ***3***, geboren am ***5*** (Adresse ***16***) ab.
Ab dem 18.1.2023 bis zur Eröffnung des Konkurses vertrat ***3*** die Gesellschaft selbständig und war auch Alleingesellschafter.
***3*** war zu keiner Zeit in Österreich haupt- oder nebenwohnsitzlich gemeldet. Er besitzt auch keine österreichische Sozialversicherungs- und Steuernummer.
Die ***1*** verfügt über keine Gewerbeberechtigung.
Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom tt.4.2024 mit Wirkung vom tt.4.2024 wurde zu ***17*** über das Vermögen der Gesellschaft der Konkurs eröffnet und RA Mag. Martin Kirnbauer zum Masseverwalter bestellt. Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 29.4.2024 wurde die Schließung des Unternehmens angeordnet.
Der Masseverwalter konnte keinen Kontakt zum geschäftsführenden Alleingesellschafter herstellen. An der bekannten Firmenadresse konnte er keine Anhaltspunkte zum Unternehmen oder für das Unternehmen handelnden Personen feststellen. Zum Unternehmensgegenstand und Insolvenzursache liegen dem Masseverwalter keine Informationen vor. Buchhaltungsunterlagen sowie sonstige Geschäftsunterlagen liegen dem Masseverwalter nicht vor, ebensowenig Informationen über Aktiva oder einen Bestandvertrag an der bekannten Adresse. Es wurden laut zweitem Bericht des Masseverwalters vom 27.5.2024 Insolvenzforderungen iHv 30.181,85 angemeldet.
An der Firmenadresse, ***4***, 1070 Wien war zum Zeitpunkt der Nachschau durch die Organe der Finanzpolizei (16.5.2024) kein Firmenschild angebracht. Am Briefkasten befand sich die Aufschrift "***1***".
Der Hausverwaltung, ***11***, ist - zumindest seit 2018 - die Fa. ***1*** nicht bekannt.
Steuerlicher Vertreter war bis zum Insolvenzantrag die ***8*** SteuerberatungsgmbH, ***18***, 1010 Wien. Sie wurde von einem ***9*** am 18.5.2023 mit der Beantragung einer UID Nr. für die ***1*** beauftragt. Die Bezahlung des Honorars nach Einmahnung war der einzige Kontakt, mit der ***1***. Von der Anmeldung von Dienstnehmern hatte der steuerliche Vertreter ebensowenig Kenntnis, wie von getätigten Geschäften.
Es waren insgesamt 4 Dienstnehmer von 1.11.2023 bis 23.2.2024 als geringfügig beschäftigte Angestellte zur Sozialversicherung angemeldet (***19***, ***20***, ***21***, ***22***)
Zwei der Dienstnehmer haben keinen gemeldeten Wohnsitz in Österreich, ebensowenig eine Steuernummer.
Die Anmeldungen zur Sozialversicherung erfolgten über ELDA und wurden von der ***23***, ***24***, durchgeführt. An der Adresse dieses im Vereinsregister unter der Nr. ***25*** geführten Vereines befindet sich laut google maps ein baufälliges Gebäude. Der Verein besitzt keine Steuernummer, als steuerlicher Vertreter scheint in den Finanzanwendungen ***20*** auf.
Bei der ÖGK bestanden hinsichtlich der ***1*** mit Stand 16.5.2024 ebenso wie mit Stand 21.7.2025 Rückstände iHv insgesamt € 4.181,85. Darin enthalten ist der Konkurskostenvorschuss der ÖGK iHv. € 4.000,00.
Es wurden keine Lohnabgaben bei der Abgabenbehörde gemeldet.
Umsatzsteuervoranmeldungen erfolgten mit 0,00.
Die UID-Nummer wurde mit 4.9.2023 vom Finanzamt Österreich begrenzt.
Am Abgabenkonto der ***1*** bestanden bei Erlassung des Feststellungsbescheides ein aufgrund des Konkursverfahrens ausgesetzter Rückstand iHv € 6.812.48 (USt, KöSt sowie Zinsen) sowie vollstreckbare Rückstände in Höhe von € 500,00.
Die Verdachtsmitteilung vom 17.5.2024 wurde am 23.5.2024 ordnungsgemäß an der Adresse des Firmensitzes (sowie an den Masseverwalter) zugestellt.
Ein schriftlicher Widerspruch erfolgte am 31.5.2024 (eingelangt bei der belangten Behörde am 31.5.2024).
Der Feststellungsbescheid wurde durch die belangte Behörde am 6.6.2024 erlassen, adressiert an Mag. Kirnbauer als Masseverwalter der ***1***.
1.2. Anhaltspunkten für das Vorliegen eines Scheinunternehmens gemäß § 8 Abs 3 SBBG
1.2.1. Auffälligkeiten im Rahmen einer Risiko- und Auffälligkeitsanalyse nach § 42b ASVG oder vergleichbaren Instrumenten (§ 8 Abs 3 Z 1 SBBG)
Grund für die aufgenommenen Ermittlungen nach dem SBBG war eine Mitteilung des Finanzamtes Österreich, wonach Vereine und GmbHs auffällig geworden waren, welche kurz nach Bestellung neuer Organe eine Steuernummer und Umsatzsteueridentifikationsnummer beantragt und in der Folge Umsatzsteuervoranmeldung (UVA) eingereicht und auch Dienstnehmer angemeldet hätten. Steuerlich auffällig sei dabei, dass die UVA regelmäßig ein (kleines) Guthaben ausgewiesen haben. Ebenso hätten die Dienstnehmer Arbeitnehmerveranlagungen eingereicht, die ebenfalls durchwegs zu Gutschriften führen würden. Mehrere Vereine verfügen oder verfügten über ELDA- Zugänge mit denen eigene oder auch Dienstnehmer für andere Dienstgeber (ebenfalls dubiose Vereine und auch GmbHs) bei der ÖGK angemeldet worden seien. Bei genauerer Überprüfung sei aufgefallen, dass sowohl die vermeintlichen Organe der Vereine, als auch die Identitäten der Dienstnehmer dubios erscheinen. In vielen Fällen handelt es sich um Personen, die nicht in Österreich gemeldet sind.
Die Finanzpolizei nahm aufgrund dieser Mitteilung Ermittlungen iSd § 8 SBBG hinsichtlich der ***1*** auf.
1.2.2. Unauffindbarkeit von für das Unternehmen tätigen Personen sowie Unmöglichkeit des Herstellens eines persönlichen Kontakts zu dem/der Rechtsträger/in oder dessen/deren organschaftlichen Vertreters/Vertreterin (§§ 8 Abs 3 Z 2, 3 SBBG)
Die ***1*** verfügt über keine Homepage und ist auch auf diversen Plattformen im Internet wie "FirmenABC", wirtschaft.at, firmeninfo.at sowie der WKO Liste Firmen A-Z nur mit der Adresse sowie der Firmenbuchnummer zu finden. Weder im Internet noch in der Grunddatenverwaltung der Finanzverwaltung sind weitere Kontaktdaten zur ***1*** wie etwa E-Mail Adresse oder Handynummer hinterlegt.
Ab der Übertragung der Geschäftsanteile der ***1*** an ***3*** (18.1.2023) wurde kein Jahresabschluss beim Firmenbuch eingereicht.
Der Masseverwalter konnte bei einem Lokalaugenschein zeitnah zur Konkurseröffnung (tt.4.2024) an der Firmenadresse keine Anhaltspunkte zum Unternehmen oder für das Unternehmen handelnde Personen feststellen.
Der Hausverwaltung, ***11***, ist die ***1*** nicht bekannt, ein Mietvertrag mit ihr liegt nicht vor.
Im Zuge der Erhebungen der Finanzpolizei wurde am 16.5.2024 die Adresse des Firmensitzes laut Firmenbuch (***4***, 1070 Wien) aufgesucht, es wurde dort niemand angetroffen. Ein Firmenschild konnte nicht vorgefunden werden. Lediglich am Briefkasten, welcher überfüllt war, war die Aufschrift "***1***" sichtbar.
Es liegt ein schriftlicher Einspruch der ***1***, unterfertigt mit "***3***" und datiert mit 31.5.2024 mit Bezug auf das Schreiben der belangten Behörde vom 17.5.2024 (Verdachtsmitteilung) vor, in welchem ausgeführt wird, dass das Vermögen der Firma vorübergehend erschöpft sei, aber kein Scheinunternehmen vorliege. Die Gehälter an die geringfügig angemeldeten und beschäftigten Mitarbeiter seien bezahlt worden. Die Lohnnebenkosten seien nicht so hoch und würden bezahlt werden, sobald die Firma wieder liquid sei.
Weder durch die Finanzpolizei noch durch den Masseverwalter war eine persönliche Kontaktaufnahme mit dem handelsrechtlichen Geschäftsführer und Alleingesellschafter, ***3*** möglich.
Auch die steuerliche Vertretung hatte keinen persönlichen Kontakt mit dem organschaftlichen Vertreter der ***1***.
1.2.3. Nichtvorhandensein von dem angegebenen Geschäftszweig angemessenen Betriebsmitteln oder Betriebsvermögen
Ob angemessene Betriebsmittel oder Betriebsvermögen gegeben sind, konnte nicht festgestellt werden. Es liegen keine Buchhaltungsunterlagen oder sonstige Geschäftsunterlagen vor. Dem Masseverwalter sind keine Aktiva und kein Vermögen bekannt, ihm liegen auch keine Informationen zum Unternehmensgegenstand und Insolvenzursache vor.
1.2.4 Vorliegen nicht bloß geringer Rückstände an Sozialversicherungsbeiträgen im Zeitpunkt einer Anmeldung des/der Dienstnehmers/Dienstnehmerin zur Sozialversicherung (§ 8 Abs 3 Z 6 SBBG)
Auf dem Beitragskonto der ÖGK hafteten am 16.5.2024 bei der ***1*** Beiträge iHv € 4.181,85 aus, hiervon € 4.000,00 Konkurskostenvorschuss. Für den Zeitraum 11/2023 bis 2/2024 ergeben sich daher Beitragsrückstände iHv € 181,85.
Vier Dienstnehmer waren laut Sozialversicherungs-Abfrage jeweils von 1.11.2023 bis 23.2.2024 als geringfügig beschäftigte Angestellte zur Sozialversicherung angemeldet.
Von der ***1*** wurden Dienstnehmer angemeldet und die Sozialversicherungsbeiträge nie bezahlt.
Die Dienstnehmer wurden nicht angemeldet, als bereits Rückstände an Sozialversicherungsbeiträgen bestanden.
Die Gehälter der Dienstnehmer wurden bezahlt.
Beim Finanzamt wurden keine Lohnabgaben gemeldet.
2. Beweiswürdigung
Gemäß § 167 Abs 2 BAO hat das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze ist betreffend den vorliegenden Beschwerdefall wie folgt auszuführen:
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich im Wesentlichen aus dem von der belangten Behörde dem Bundesfinanzgericht elektronisch vorgelegten Verwaltungsakt. Zudem aus den durch den Masseverwalter mit der Beschwerde übermittelten Berichten an die Staatsanwaltschaft.
Die belangte Behörde legte mit dem Vorlagebericht vom 21.11.2024 umfangreiche Unterlagen vor.
Zudem führte das BFG Abfragen des Gewerberegisters, des Zentralen Melderegisters, des Abgabeninformationssystem des Bundes, der Sozialversicherungsdatenbank durch und nahm Einsicht in google maps.
2.1. Zur ***1***
Die Feststellungen hinsichtlich der ***1*** sowie ihres handelsrechtlichen Geschäftsführers ***3*** ergeben sich aus den Angaben im österreichischen Firmenbuch, sowie den im Rahmen der amtswegigen Ermittlungspflicht vorgenommenen Abfragen von Datenbanken (Gewerbeinformationssystem, Grunddatenverwaltung, Zentrales Melderegister, Sozialversicherung).
Die Feststellungen hinsichtlich des Nichtvorhandenseins eines Firmenschildes an der Firmenadresse der ***1*** sowie der Aufschrift "***1***" auf dem Briefkasten ergeben sich aus dem Aktenvermerk der Finanzpolizei samt Fotos zur Nachschau am 16.5.2024.
Die Feststellung wonach kein Mietvertrag der ***1*** an der Adresse des Firmensitzes vorliegt, ergeben sich aus den Berichten des Masseverwalters vom 25.4.2024 und 27.5.2024 sowie der Information der Hausverwaltung ***11***, welche mit E-Mail vom 23.5.2024 mitteilten, dass ihr die Gesellschaft nicht bekannt sei.
Die Feststellungen zum Konkursverfahren ergeben sich aus der Ediktsdatei.
Das Vorgehen zur Erlangung der UID-Nr sowie das Nichtbestehen eines Kontaktes mit der ***1*** bzw. einem vertretungsbefugten Organ derselben, ergeben sich aus dem E-Mail des steuerlichen Vertreters vom 16.5.2024.
Die Feststellungen zu den Dienstnehmern ergeben sich aus Abfragen des ZMR, ELDA Abgabeninformationssystems des Bundes sowie der Sozialversicherungsdatenbank.
2.2. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Scheinunternehmens gemäß § 8 Abs. 3 SBBG
2.2.1. Auffälligkeiten im Rahmen einer Risiko- und Auffälligkeitsanalyse nach § 42b ASVG oder vergleichbarer Instrumente (§ 8 Abs. 3 Z 1 SBBG)
Der Inhalt der als Grund für die Erhebungen im Feststellungsbescheid der belangten Behörde genannten Mitteilung des Finanzamtes Österreich weist die von der Finanzpolizei angezeigten Auffälligkeiten auf:
- Beantragung einer Steuernummer und UID Nummer kurz nach der Bestellung neuer Organe: gegenständlich wurde die Beantragung der UID Nummer laut E-Mail des Steuerberaters von einer dritten Person telefonisch in Auftrag gegeben.
- Umsatzsteuervoranmeldungen (mit € 0,00) eingereicht
- Dienstnehmer angemeldet: Die Anmeldung der Dienstnehmer erfolgte (verspätet am 7.11.2023) mittels ELDA. Die ELDA Anmeldung wurde nicht durch die ***1*** oder dem Steuerberater durchgeführt, sondern durch den Verein "***23***", welcher selbst keine Steuernummer hat und dessen bekannte Firmenadresse nach Einsicht des BFG ins google maps in einem augenscheinlich baufälligen Gebäude liegt. Dass der steuerliche Vertreter (laut Grunddatenverwaltung der Abgabenbehörde) dieses die Dienstnehmer der ***1*** anmeldenden Vereines ident ist mit einem der geringfügig beschäftigten Angestellten (***20***) der ***1*** erscheint dem Gericht angesichts des Inhaltes der Mitteilung des Finanzamtes Österreich, wonach dubiose Vereine mit ELDA- Zugängen auch Dienstnehmer für andere Dienstgeber - ebenfalls dubiose Vereine und auch GmbHs- bei der ÖGK anmelden, als weiteres auffälliges Detail.
- Identitäten der Organe bzw. Dienstnehmer erscheinen dubios und Personen sind nicht in Österreich gemeldet: Aus den Unterlagen ergibt sich, dass die Person des ***3*** in Österreich weder abgaben-, sozialversicherungs- oder melderechtlich erfasst ist und im Zusammenhang mit der ***1*** lediglich im Zusammenhang mit dem Abtretungsvertrag gegenüber dem Notar jedoch nie gegenüber der Abgabenbehörde, dem Sozialversicherungsträger, Masseverwalter oder Steuerberater in personam in Erscheinung getreten ist.
Die durchgeführten Abfragen zu den Dienstnehmern ergaben, dass zwei der vier Dienstnehmer in Österreich keinen Wohnsitz und auch keine Steuernummer besitzen.
Dieses Kriterium ist sohin als erfüllt anzusehen.
2.2.2. Unauffindbarkeit von für das Unternehmen tätigen Personen sowie Unmöglichkeit des Herstellens eines persönlichen Kontakts zu dem/der Rechtsträger/in oder dessen/deren organschaftlichen Vertreters/Vertreterin (§§ 8 Abs 3 Z 2, 3 SBBG)
Aus den vorgelegten Unterlagen ist ersichtlich, dass im Zuge der Nachschau am 16.5.2024 durch die Finanzpolizei an der Firmenadresse weder der handelsrechtliche Geschäftsführer, noch Arbeitnehmer angetroffen wurde. Eine Beschilderung konnte am - überfüllten - Briefkasten vorgefunden werden, Hinweise auf eine Geschäftstätigkeit bzw. auf ein vor Konkurseröffnung an dieser Adresse befindliches Unternehmen konnten nicht erkannt werden. Auch die Türe Top 1, welche laut Firmenbuch jene des Firmensitzes der ***1*** sein sollte, enthielt keinen Hinweis auf die Gesellschaft. Die Feststellungen dazu ergeben sich aus dem dazu angefertigten Aktenvermerk samt Fotos der Finanzpolizei vom 16.5.2024.
Die Feststellungen, wonach die ***1*** der Hausverwaltung (jedenfalls seit 2018) nicht bekannt ist, sie also weder Mieter noch Wohnungseigentümer war, ergeben sich aus dem E-Mail der Hausverwaltung an die Finanzpolizei vom 23.5.2024.
Die Feststellungen, wonach der Masseverwalter bei einem - zeitnah nach Konkurseröffnung (11.4.2024) durchgeführten Lokalaugenschein keine Anhaltspunkte zum Unternehmen und/oder für dieses handelnde Personen feststellen konnte, ergeben sich aus dem ersten Bericht des Masseverwalters vom 25.4.2024.
Die Feststellungen, wonach eine Homepage der Gesellschaft nicht existent ist bzw. keine Kontaktinformationen, Informationen über die Gesellschaft oder deren Tätigkeiten auf diversen Internetseiten auffindbar sind, ergeben sich aus der durch das BFG durchgeführten Internetrecherche.
Die weiteren Feststellungen, wonach weder die belangte Behörde, noch der Masseverwalter und Steuerberater jemals persönlich Kontakt mit dem handelsrechtlichen Geschäftsführer der ***1*** hatten und ein solcher auch zu keinen Zeitpunkt hergestellt werden konnte, ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Unterlagen, insbesondere auch aus den Berichten des Masseverwalters und dem E-Mail des Steuerberaters vom 16.5.2024.
Dass auch keinerlei Buchhaltungs- oder sonstige Geschäftsunterlagen zur ***1*** und sohin keinerlei Informationen und Unterlagen zum Sachverhalt vorliegen, wurde vom Masseverwalter in seinen Berichten sowie in der Beschwerde wiederholt dargelegt.
Im Übrigen schloss der Masseverwalter selbst in seinen Berichten die Möglichkeit nicht aus, dass hinsichtlich der ***1*** ein Scheinunternehmen und/oder ein (Sozial-)Betrugsfall vorliegen könnte.
Die Zustellung der Verdachtsmitteilung erfolgte am 23.5.2024 durch Organe der Finanzpolizei mittels Einlegens in den Postkasten der ***1*** an der Adresse des Firmensitzes. Binnen der Wochenfrist des § 8 Abs. 7 SBBG erfolgte kein Widerspruch durch persönliche Vorsprache, die Herstellung des Kontaktes in der vom Gesetz geforderten Art und Weise war sohin jedenfalls nicht möglich. Das Schreiben betitelt mit "Einspruch" war mit 31.5.2024 datiert und wäre damit, unabhängig davon, dass es sich nicht um eine persönliche Vorsprache handelt, auch nicht rechtzeitig gewesen.
Wenn der Masseverwalter dieses als Einspruch bezeichnete Schreiben der ***1*** vom 31.5.2024 seiner Beschwerde als integrierenden Bestandteil einfügt, so ist vorweg dazu festzuhalten: Das Schreiben wurde in einwandfreiem Deutsch verfasst, aus dem Notariatsakt im Zusammenhang mit dem Abtretungsvertrag vom 18.1.2023 geht hervor, dass Herr ***3*** der deutschen Sprache nicht (ausreichend) mächtig war und deshalb ein Dolmetsch hinzugezogen wurde. Auch wenn es grundsätzlich möglich ist mit Übersetzungsprogrammen und Ähnlichem einen entsprechenden deutschen Text zu verfassen und auch wenn die Unterfertigung auf dem Schreiben mit der im Notariatsakt ersichtlichen beglaubigten Unterschrift eine gewisse Ähnlichkeit aufweist, kann trotzdem - insbesondere mangels jeglichen sonstigen Kontaktes mit Herrn ***3*** - nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob dieses Schreiben tatsächlich von ihm persönlich stammt. Das Gericht geht aber zumindest davon aus, dass das Schreiben der ***1*** zugerechnet werden kann.
Auffällig ist, dass am Briefkopf die UID-Nummer der ***1*** angeführt ist, welche bereits seit 5.9.2023 durch das Finanzamt Österreich begrenzt wurde. Weiters, dass sich dort unter "Geschäftsführung" die Adresse laut Firmenbuch findet, zusätzlich jedoch unter "Sitz" die ***26***, 1010 Wien angeführt ist, welche nur bis 12.10.2023 (Eintragung der Änderung im Firmenbuch) die Geschäftsadresse darstellte.
Unabhängig davon wird in diesem Schreiben auf die in der Verdachtsmitteilung genannten Punkte lediglich marginal eingegangen, es wird ein Vermögensengpass nach einem nicht zustande gekommenen Geschäftsmodell und die deshalb nicht bezahlbaren Lohnnebenkosten behauptet. Es wurden diesbezüglich jedoch keinerlei Unterlagen vorgelegt, auch keine sonstigen Informationen oder Buchhaltungsunterlagen bzw. Schriftstücke, welche die Feststellungen der belangten Behörde zur Qualifikation als Scheinunternehmens entkräften oder widerlegen könnten.
Wenn der Masseverwalter in der Beschwerde darauf hinweist, dass sich der Geschäftsführer der ***1*** in diesem Schreiben mit Bezug auf die Verdachtsmitteilung vom 17.5.2024 mitteilte, dass er aufgrund eines Auslandsaufenthaltes nicht persönlich vor der belangten Behörde erscheinen könne und dies im Bescheid Berücksichtigung hätte finden müssen, so wird dazu ausgeführt, dass eine Ortsabwesenheit lediglich behauptet wurde, Nachweise dafür wurden nicht vorgelegt. Es erfolgte auch keine bspsweise telefonische Kontaktaufnahme mit der belangten Behörde um einen Termin für eine persönliche Vorsprache zu vereinbaren.
Auf welche Art der ***1*** - trotz vorgeblichem Auslandsaufenthalt des Herrn ***3*** - die Verdachtsmitteilung zur Kenntnis gelangte, wurde in dem Schreiben nicht näher dargelegt.
Im Übrigen trat der handelsrechtliche Geschäftsführer zu keiner Zeit (auch zu keinem späteren Zeitpunkt) bei der belangten Behörde oder auch dem Steuerberater persönlich und/oder telefonisch in Erscheinung.
Diese weder persönliche noch sonstige Kontaktaufnahmemöglichkeit der belangten Behörde mit dem handelsrechtlichen Geschäftsführer entspricht im Übrigen auch den Feststellungen des Masseverwalters im Zuge des Konkursverfahrens. Der Masseverwalter betonte zudem in der Beschwerde, dass er diese - persönlicher Wahrnehmungen zum Sachverhalt mangelnd - auf offensichtlichen Wunsch des Geschäftsführers, welcher sich für ihn aus dem ihm erst mit dem Feststellungsbescheid übermittelten Einspruches vom 31.5.2024 ergebe, sowie aus advokatorischer Vorsicht erhebe.
Zusammengefasst ist daher festzustellen, dass im gesamten Feststellungsverfahren betreffend Scheinunternehmen keinerlei Kontakt mit der ***1*** bzw. das sie - vor Konkurseröffnung - vertretende Organ, weder an noch über die Geschäftsadresse laut Firmenbuch hergestellt werden konnte. Das Schreiben vom 31.5.2024 ist jedenfalls nicht ausreichend, weshalb die Kriterien des § 8 Abs 3 Z2 und Z3 SBBG ebenfalls erfüllt sind.
2.2.3 Nichtvorhandensein von dem angegebenen Geschäftszweig angemessenen Betriebsmitteln oder Betriebsvermögen (§ 8 Abs. 3 Z 5 SBBG)
Die Anschrift des Unternehmens ist im Firmenbuch mit ***4***, 1070 Wien angeführt. An dieser Anschrift kann sich aber kein Büro/Firmensitz des Unternehmens befinden, da laut Hausverwaltung weder ein Mietvertragsverhältnis noch eine Wohnungseigentümerschaft der ***1*** vorliegt. Damit ist aber auch das Vorhandensein von Infrastruktur und Arbeitsmittel eher fraglich. Firmenfahrzeuge waren nicht vorhanden.
Allein aus dem Geschäftszweig "Beteiligungsverwaltung" und ohne nähere Angaben zum tatsächlichen Unternehmensgegenstand kann auf etwaige für die Tätigkeit benötigte Betriebsmittel nicht geschlossen werden.
Mangels Möglichkeit der Herstellung eines Kontaktes mit dem handelsrechtlichen Geschäftsführer der ***1*** bzw. mangels Möglichkeit der Begehung des vermeintlichen Firmensitzes konnten nicht festgestellt werden, ob Betriebsmittel vorhanden waren.
Auch wenn keine hinlänglichen Feststellungen mangels entsprechender Unterlagen getroffen werden können, geht der entscheidende Senat davon aus, dass insbesondere deshalb, weil für den vorgeblichen Firmensitz kein Mietvertrag vorliegt und somit jedenfalls keine Büroräumlichkeiten zur Verfügung stehen, Betriebsmittel nicht vorhanden sind.
Aus den Berichten des Masseverwalters ergibt sich, dass ihm - mangels Kontakt zum geschäftsführenden Alleingesellschafter - keine Buchhaltungs- und Geschäftsunterlagen und auch sonst keinerlei Informationen über Aktiva, Unternehmensgegenstand oder Insolvenzgrund vorliegen. Auf dem vom Masseverwalter eingerichteten Insolvenzanderkonto ist lediglich der Kostenvorschuss der ÖGK eingelangt, ansonsten waren keine Kontobewegungen zu verzeichnen. Der Masseverwalter schließt in seiner Sachverhaltsdarstellung vom 29.4.2024 an die StA Wien jedoch nicht aus, dass es sich um eine Scheinfirma/(Sozial-)Betrugsfall handelt bzw. dass der Geschäftsführer einen Bestandteil des Vemögens der ***1*** verheimlicht, beiseite geschafft, veräußert oder sonst ihr Vermögen wirklich oder zum Schein verringert hat.
Die Erhebungen der belangten Behörde beim Steuerberater führten zum Ergebnis, dass auch dieser keinen Kontakt zur ***1*** hatte, es wurden durch ihn keine Anmeldungen von Dienstnehmern vorgenommen, auch sonstige getätigte Geschäfte sind ihm nicht bekannt. Buchhaltungsunterlagen oder Lohnverrechnung liegen sohin auch dort nicht auf.
Im Firmenbuch wurde kein Jahresabschluss eingereicht, sohin können auch diese Unterlagen nicht zur Beurteilung evtl. vorhandener Betriebsmittel oder Betriebsvermögen herangezogen werden.
Das Nichtvorhandensein von Betriebsvermögen kann aber jedenfalls aus den Ausführungen der ***1*** im Widerspruch vom 31.5.2024 geschlossen werden, in dem betont wird, dass das Vermögen der Gesellschaft (vorübergehend) erschöpft sei.
Der entscheidenden Senat geht davon aus, dass kein Betriebsvermögen vorhanden ist.
Dies wird auch durch die Berichte des Masseverwalters nahegelegt, als dieser einerseits den Verdacht äußert, dass Vermögen vor Konkurseröffnung beiseite geschafft worden sei bzw andererseits von ihm - mangels bekanntem Vermögen - die Anzeige der Masseunzulänglichkeit erstattet wurde.
Das Kriterium des § 8 Abs 3 Z5 SBBG ist daher ebenfalls erfüllt.
2.2.4. Vorliegen nicht bloß geringer Rückstände an Sozialversicherungsbeiträgen im Zeitpunkt einer Anmeldung des/der Dienstnehmers/Dienstnehmerin zur Sozialversicherung (§ 8 Abs. 3 Z 6 SBBG)
Betreffend die Rückstände bei der Österreichischen Gesundheitskasse ist anzuführen, dass diese, wie aus dem E-Mail der ÖGK vom 16.5.2024 und 3.6.2024 ersichtlich, seit dem Beitragszeitraum November 2023 angelaufen sind.
Aus dem festgestellten Sachverhalt und der von der belangten Behörde vorgelegten Dienstnehmerliste vom 16.5.2024 ist ersichtlich, dass die Dienstnehmer am 1.11.2023 angemeldet und am 23.2.2024 abgemeldet wurden, jedoch keine Beiträge an die ÖGK entrichtet wurden.
Dass die angemeldeten Dienstnehmer Arbeitsleistungen verrichtet haben, wird durch das BFG nicht angezweifelt, dies insbesondere da im "Einspruch" der ***1*** vom 31.5.2024 ausgeführt wurde, dass diese im Zusammenhang mit einem Geschäftsmodell angemeldet worden und deren Gehälter ausbezahlt worden seien.
Der Beitragsrückstand belief sich zum Zeitpunkt der Erlassung des Feststellungsbescheides auf € 4.181,85, wobei lediglich € 181,85 als Beitragsrückstände in Bezug auf die geringfügig beschäftigten Dienstnehmer entfallen, da der Betrag von € 4.000,00 der von der GKK geleistete Konkurskostenvorschuss war.
Der angelaufene Rückstand kann daher nicht als bedeutend angesehen werden.
Gegenständliche Dienstnehmer wurden am selben Tag an- und abgemeldet (1.11.2023 und 23.2.2024), das Kriterium des § 8 Abs.3 Z 6 SBBG, wonach nicht bloß geringe Rückstände im Zeitpunkt der Anmeldung eines Dienstnehmers vorliegen müssen, kann sohin nicht als erfüllt angesehen werden.
Tatsache ist jedoch, dass keinerlei Beitragszahlungen an die ÖGK erfolgten. Es wurde auch nicht versucht, den Rückstand zu tilgen.
Dass seitens der ***1*** eine Ratenzahlung oder Ähnliches angestrebt wurde, wurde im Schreiben vom 31.5.2024 nicht einmal behauptet. Im Gegenteil erscheint die Aussage, wonach das Geld für die Lohnnebenkosten nicht mehr gereicht hätte, insbesondere angesichts des geringen Betrages von € 181,85 in Kombination mit dem - von Beginn an - nicht in Erscheinung tretenden handelsrechtlichen Geschäftsführers der ***1***, der ebenfalls nicht vorhandenen Lohnkonten oder sonstigen Buchhaltungsunterlagen sowie der Nichtbekanntgabe von Lohnabgaben bei der Abgabenbehörde, dem entscheidenden Senat nicht glaubhaft.
Das Versprechen auf Begleichung der Rückstände im Schreiben vom 31.5.2024 sobald die Firma liquide wieder sei, erscheint dem Senat lediglich als Versuch den Anschein eines grundsätzlich vorhanden gewesenen Zahlungswillens erwecken zu wollen um damit die (drohende) Feststellung eines Scheinunternehmens abzuwenden. Dies reicht jedoch nicht aus um den Senat davon zu überzeugen, dass kein Vorsatz auf die Nichtentrichtung der Beiträge gegeben war.
Im Gegenteil, aus der Würdigung der Gesamtumstände wird davon ausgegangen, dass seitens der ***1*** niemals angedacht war Beiträge zu entrichten oder Beitragsrückstände zu begleichen.
Diese Ansicht wird zusätzlich dadurch bestärkt, dass Lohnabgaben bei der Abgabenbehörde ebensowenig gemeldet und sohin auch nicht entrichtet wurden.
Hinzu kommt, dass eine Begleichung der Beitragsrückstände nach der Erlassung des Feststellungsbescheides nichts an dem Zweck des Unternehmens die Sozialversicherungsbeiträge und Lohnabgaben zu verkürzen, ändern würde.
Aus dem Gesamtbild ergibt sich daher für das Bundesfinanzgericht, dass durch die ***1*** seit November 2023 systematisch weder Beiträge zur Sozialversicherung noch Lohnabgaben geleistet wurden.
Zusammenfassung
Weder die in der Beschwerde vorgebrachten Ausführungen noch der "Einspruch" der ***1***, waren geeignet die Feststellungen betreffend Scheinunternehmen der belangten Behörde zu entkräften. Insbesondere die Unmöglichkeit der Kontaktherstellung mit dem handelsrechtlichen Geschäftsführer, sowohl durch die belangte Behörde und durch den Masseverwalter als auch bereits davor durch den Steuerberater in Kombination mit dem Firmensitz, für den es keinen Mietvertrag gibt und an dem niemand angetroffen werden konnte, dem Nichtvorhandensein jeglicher Buchhaltungsunterlagen und Lohnkonten beim Steuerberater, den sich aus der Risikoanalyse ergebenden Auffälligkeiten und letztendlich die (wenn auch geringen) Beitragsrückstände bei der ÖGK sowie die Nichtmeldung von Lohnabgaben beim Finanzamt Österreich, ergibt, dass das Bundesfinanzgericht nach dem Gesamtbild in freier Beweiswürdigung von den obigen Sachverhaltsfeststellungen ausgehen durfte.
Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Gemäß § 8 Abs 1 SBBG handelt es sich bei einem Scheinunternehmen um ein Unternehmen, das vorrangig darauf ausgerichtet ist,
1. Lohnabgaben, Beiträge zur Sozialversicherung, Zuschläge nach dem BUAG oder Entgeltansprüche von Arbeitnehmer/innen/n zu verkürzen, oder2. Personen zur Sozialversicherung anzumelden, um Versicherungs-, Sozial- oder sonstige Transfernleistungen zu beziehen, obwohl diese keine unselbständige Erwerbstätigkeit aufnehmen.
Das SBBG kennt daher zwei verschiedene Tatbestände einer Scheinunternehmerschaft: den Verkürzungstatbestand (§ 8 Abs 1 Z 1 SBBG) und den Erschleichungstatbestand (§ 8 Abs 1 Z 2 SBBG).
Ein Verdacht auf Vorliegen eines Scheinunternehmens ist nach Abs. 2 Z 1. leg. cit gegeben, wenn die Anhaltspunkte bei einer Gesamtbetrachtung ihrem Gewicht, ihrer Bedeutung und ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach berechtigte Zweifel begründen, ob die Anmeldung zur Sozialversicherung oder die Meldung bei der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse vom Vorsatz getragen ist, die in Folge der Anmeldung oder Meldung auflaufenden Lohn- und Sozialabgaben oder Zuschläge nach dem BUAG zur Gänze zu entrichten.
Gemäß § 8 Abs. 2 SBBG ist der Verdacht auf das Vorliegen eines Scheinunternehmes dann gegeben, wenn die Anhaltspunkte bei einer Gesamtbetrachtung ihrem Gewicht, ihrer Bedeutung und ihrem wahren wirtschaftlichen Gehalt nach berechtigte Zweifel begründen, ob die Anmeldung zur Sozialversicherung oder die Meldung bei der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse vom Vorsatz getragen ist, die in Folge der Anmeldung oder Meldung auflaufenden Lohn- und Sozialabgaben oder Zuschläge nach dem BUAG zur Gänze zu entrichten (Z 1), oder die Anmeldung zur Sozialversicherung vom Vorsatz getragen ist, dass die angemeldeten Personen eine unselbstständige Erwerbstätigkeit aufnehmen (Z 2).
§ 8 Abs. 3 SBBG sieht vor, dass Anhaltspunkte für einen Verdacht auf Vorliegen eines Scheinunternehmens insbesondere sind:
1. Auffälligkeiten im Rahmen einer Risiko- und Auffälligkeitsanalyse nach § 42b ASVG oder vergleichbaren Instrumenten,
2. Unauffindbarkeit von für das Unternehmen tätigen Personen, die dem angegebenen Geschäftszweig entsprechen, an der der Bundesfinanzverwaltung oder dem Träger der Krankenversicherung nach dem ASVG zuletzt bekannt gegebenen Adresse oder der im Firmenbuch eingetragenen Geschäftsanschrift,
3. Unmöglichkeit des Herstellens eines persönlichen Kontakts zu dem/der Rechtsträger/in oder dessen/deren organschaftlichen Vertreters/Vertreterin über die im Firmenbuch eingetragenen Geschäftsanschrift oder die der Bundesfinanzverwaltung oder dem Träger der Krankenversicherung nach dem ASVG zuletzt bekannt gegebene Adresse,
4. Verwendung falscher oder verfälschter Urkunden oder Beweismittel durch die dem Unternehmen zuzurechnenden Personen,
5. Nichtvorhandensein von dem angegebenen Geschäftszweig angemessenen Betriebsmitteln oder Betriebsvermögen,
6. Vorliegen nicht bloß geringer Rückstände an Sozialversicherungsbeiträgen im Zeitpunkt einer Anmeldung des/der Dienstnehmers/Dienstnehmerin zur Sozialversicherung.
Gemäß § 8 Abs 4 SBBG ist für die Feststellung der Scheinunternehmerschaft das Amt für Betrugsbekämpfung zuständig, welches bei Verdacht auf Vorliegen eines Scheinunternehmens diesen dessen Rechtsträger/in schriftlich mitzuteilen hat.
Gemäß § 8 Abs. 5 SBBG hat die Zustellung dieser Mitteilung hat nach dem 3. Abschnitt des Zustellgesetzes (ZustG) elektronisch ohne Zustellnachweis zu erfolgen. Dabei gelten § 35 Abs. 6 zweiter Satz ZustG, § 35 Abs. 7 und, soweit er sich auf eine elektronische Zustelladresse bezieht, § 37 ZustG nicht. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Rechtsträgersbewirkt - auch nach Abs. 6 - keine Änderung hinsichtlich der unmittelbaren Zustellung an den Rechtsträger . Eine Abschrift der Mitteilung ergeht nachrichtlich an den Insolvenzverwalter.
Gemäß § 8 Abs. 6 SBBG hat die physische Zustellung an die der Abgabenbehörde zuletzt bekannt gegebene Adresse und an eine allfällig im Firmenbuch eingetragene Geschäftsanschrift, die als Abgabestellen im Sinne des § 2 Z 4 ZustG gelten, ohne Zustellnachweis zu erfolgen, wenn die elektronische Zustellung nicht möglich ist. Die physische Zustellung wird auch dann bewirkt, wenn die Voraussetzungen des ZustG in Bezug auf die Anwesenheit des/der Empfängers/Empfängerin oder eines/einer Vertreters/Vertreterin nicht vorliegen oder das Dokument - insbesondere wegen Unauffindbarkeit des/der Empfängers/Empfängerin - nicht in eine für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung eingelegt oder an der Abgabestelle zurückgelassen werden konnte. Bei Zustellung durch einen Zustelldienst oder ein Organ einer Gemeinde gilt die Zustellung am dritten Werktag nach Übergabe an den Zustelldienst oder die Gemeinde als bewirkt. § 26 Abs. 2 zweiter Satz ZustG ist nicht anzuwenden.
Gemäß § 8 Abs. 7 SBBG kann gegen den mitgeteilten Verdacht binnen einer Woche ab Zustellung Widerspruch beim Amt für Betrugsbekämpfung erhoben werden. Der Widerspruch kann nur durch persönliche Vorsprache des/der Rechtsträgers/Rechtsträgerin oder dessen/deren organschaftlichen Vertreters/Vertreterin erfolgen.
Gemäß § 8 Abs. 8 SBBG hat - wenn kein Widerspruch erhoben wird - das Amt für Betrugsbekämpfung mit Bescheid festzustellen, dass das Unternehmen, hinsichtlich dessen ein Verdacht nach Abs. 2 vorliegt, als Scheinunternehmen gilt. Für die Zustellung dieses Bescheids gelten die Abs. 5 und 6. Der rechtskräftige Bescheid ist allen Kooperationsstellen, der Gewerbebehörde und dem Auftragnehmerkataster Österreich zu übermitteln; dasselbe gilt für allfällige spätere Änderungen betreffend die Feststellung als Scheinunternehmen.
Gemäß § 8 Abs. 8 SBBG hat - wenn Widerspruch erhoben wird - das Amt für Betrugsbekämpfung nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens mit Bescheid festzustellen, dass das Unternehmen, hinsichtlich dessen ein Verdacht nach Abs. 2 vorliegt, als Scheinunternehmen gilt, oder das Verfahren einzustellen Die Feststellung als Scheinunternehmen gilt als wichtiger Grund im Sinne des § 102 der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961. […]
Bei den in § 8 Abs 3 SBBG genannten Umstände handelt es sich um keine taxative Aufzählung (vgl Wiesinger, Punkt 2.3.2.3.1, ASok-Spezial (SBBG)).
Aus den Gesetzesmaterialien zu § 8 Abs. 3 SBBG, (S. 4 der Erläuterungen 692 der Beilagen XXV. GP zur Regierungsvorlage) geht hervor:"Dabei kommt es darauf an, dass gewisse - insbesondere die in Abs. 3 genannten - Anhaltspunkte bei einer Gesamtbetrachtung ihrem Gewicht, ihrer Bedeutung und ihrem wahren wirtschaftlichen Gehalt nach berechtigte Zweifel begründen, ob die Anmeldung zur Sozialversicherung oder die Meldung bei der BUAK vom Vorsatz getragen ist, die laut Anmeldung oder Meldung auflaufenden Lohn- und Sozialabgaben oder Zuschläge nach dem BUAG zur Gänze zu entrichten."
Diesbezüglich ist auch auf die Entscheidung des VwGH 20.11.2019, Ro 2019/08/0016, zu verweisen, der ausführt, dass, wenn ein Dienstnehmer von einem Scheinunternehmen angemeldet wurde, regelmäßig davon auszuzugehen sein wird, dass tatsächlich Arbeitsleistungen verrichtet wurden.
In seiner Entscheidung vom 26.03.2025 führte der VwGH u.a. aus (VwGH 26.3.2025, Ra 2023/13/0022):
"Die Feststellung, dass ein Unternehmen ein Scheinunternehmen gemäß § 8 Abs. 1 SBBG ist, kann somit nur erfolgen, wenn eine entsprechende vorrangige Ausrichtung dieses Unternehmens festgestellt wird. Dies erfordert entsprechende Ermittlungen - primär der für die Erlassung des Feststellungsbescheides zuständigen Behörde gemäß § 8 Abs. 4 SBBG, im Beschwerdeverfahren allenfalls des Bundesfinanzgerichtes - insbesondere im Hinblick auf die in § 8 Abs. 3 SBBG genannten Anhaltspunkte (für einen Verdacht auf Vorliegen eines Scheinunternehmens). Wird im Beschwerdeverfahren trotz Vorliegens dieser Anhaltspunkte - und damit des Verdachts gemäß § 8 Abs. 2 SBBG - die in § 8 Abs. 1 SBBG definierte vorrangige Ausrichtung des Unternehmens bestritten, hat sich das Bundesfinanzgericht mit dem diesbezüglichen Vorbringen auseinanderzusetzen und dieses im Rahmen seiner Beweiswürdigung zu berücksichtigen."
Im beschwerdegegenständlichen Fall wurde der ***1*** durch die belangte Behörde eine mit 17.5.2024 datierte Verdachtsmitteilung am 23.5.2024 zugestellt. Dagegen wurde mit Schreiben vom 31.5.2024 (nicht binnen einer Woche) ein Widerspruch durch die ***1*** erhoben. Die darin getätigten Aussagen waren nicht geeignet, den Verdacht auf das Vorliegen eines Scheinunternehmens auszuräumen. Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens wurde durch die belangte Behörde am 6.6.2024 der angefochtene Bescheid betreffend Scheinunternehmerschaft gem. § 8 SBBG erlassen.
Nach Auffassung des entscheidenden Senates durfte die belangte Behörde - wie in der Beweiswürdigung ausführlich dargelegt - aufgrund ihrer Erhebungen zu Recht davon ausgehen, dass die in § 8 Abs 3 Z 1, 2, 3 und 5 SBBG aufgelisteten Anhaltspunkte vorliegen und bei der ***1*** daher ein Scheinunternehmen vorliegt.
Fest steht auch, dass betreffend der ***1*** ein Betragsrückstand bei der ÖGK zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung bestand. Lohnabgaben wurden überhaupt nicht gemeldet.
Von der ***1*** wird nicht in Abrede gestellt, dass Rückstände bei der Österreichischen Gesundheitskasse sowie nicht gemeldete Lohnabgaben bei der Abgabenbehörde bestanden haben. Diese stellen sich zwar als gering dar, doch kommt gegenständlich insbesondere der Tatsache Bedeutung zu, dass nicht einmal diese - wie durch die ***1*** selbst ausgeführt - "nicht so hohen" Beträge beglichen wurden sowie zudem Lohnabgaben nicht gemeldet wurden. Der Zusicherung der Begleichung der Rückstände sobald das Unternehmen wieder liquid sei, kommt gegenständlich keine Bedeutung zu und lässt sich daraus auch nicht (wie bereits in der Beweiswürdigung ausgeführt) schließen, dass lediglich aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage der ***1*** die Beiträge nicht entrichtet wurden.
Da es sich bei dem Bescheid gemäß § 8 Abs. 9 SBBG um einen Feststellungsbescheid handelt, kommt es auf die Sachlage im Zeitpunkt der Bescheiderlassung an. Eine nach Bescheiderlassung angedachte Begleichung von Beitragsrückständen gegenüber der Österreichischen Gesundheitskasse, ändert nichts am vorrangigen Zweck des Unternehmens Sozialversicherungsbeiträge bzw. Lohnabgaben zu verkürzen.
Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes wird daher vom Bundesfinanzgericht davon ausgegangen, dass es sich bei der ***1*** seit dem 18.1.2023 um ein Scheinunternehmen gemäß § 8 SBBG Abs. 1 SBBG handelt, weil eine Gesamtwürdigung des festgestellten Sachverhaltes ergibt, dass das Unternehmen vorrangig darauf ausgerichtet ist Lohnabgaben und Beiträge zur Sozialversicherung zu verkürzen.
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Solch eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt gegenständlich nicht vor. Bei der Beurteilung des Vorliegens der Kriterien für eine Scheinunternehmerschaft iSd § 8 SBBG handelt es sich um eine im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu lösende Sachverhaltsfrage. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision auszusprechen.
Wien, am 14. August 2025