JudikaturBFG

RV/5100575/2025 – BFG Entscheidung

Entscheidung
11. Juni 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, über die Beschwerde vom 9. September 2024 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 28. August 2024 betreffend die Abweisung des Antrages auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung ab August 2018 zum Ordnungsbegriff ***OB*** zu Recht:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird insofern abgeändert, als die Abweisung des gegenständlichen Antrages nur mehr für die Monate August 2018 bis April 2023 aufrecht bleibt. Soweit der angefochtene Bescheid die Monate ab Mai 2023 betrifft, wird er ersatzlos aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

A. Antrag, Abweisungsbescheid, Beschwerde

Am 22.04.2024 wurde durch die Beschwerdeführerin die Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung für ihre Tochter (geboren am ***GebDat***) beantragt, dies beginnend mit 08/2018. Begründend wurde auf das Vorliegen von "AWVS Auditive Wahrnehmungs- und Verarbeitungsstörung" verwiesen.

Mit Bescheid vom 28.08.2024 wurde der Antrag zur Gänze (d.h. ab August 2018 bis laufend) abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass der Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung höchstens für fünf Jahre rückwirkend ab Beginn des Monats der Antragstellung ausbezahlt werde. Zudem bestehe ein Anspruch auf den Erhöhungsbetrag nur, wenn der festgestellte Grad der Behinderung mindestens 50% betrage und die Behinderung nicht nur vorübergehend sei, sondern mehr als 3 Jahre andauere.

Da laut ärztlichem Sachverständigengutachten vom 28.07.2024 bei der Tochter der Beschwerdeführerin ein Grad der Behinderung von 40% ab 01.05.2023 festgestellt worden sei, sei der Antrag entsprechend abzuweisen gewesen.

Mit Eingabe vom 09.09.2024 wurde durch die Beschwerdeführerin gegen den obig angeführten Bescheid Beschwerde erhoben. Begründend wurde zunächst ausgeführt, dass die Untersuchung ihrer Tochter im Rahmen der Gutachtenserstellung relativ kurz ausgefallen sei. Zudem sei ihre Tochter insbesondere Männern gegenüber sehr schüchtern und habe auch bei der Ankunft im Kindergarten Schwierigkeiten gehabt, wenn sie nicht unter den ersten Kindern gewesen sei. Selbiges treffe nunmehr beim Schulbesuch zu. Zusätzlich nehme ihre Tochter Ergo-, Logo- sowie Hippotherapie in Anspruch. Es werde daher um erneute Durchsicht der Unterlagen und um erneute Untersuchung (bei einem anderen Gutachter) gebeten.

B. Beschwerdevorentscheidung, Vorlageantrag

Im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung vom 10.02.2025 wurde der Beschwerde teilweise stattgegeben und der angefochtene Bescheid abgeändert, sodass die Abweisung nur mehr für den Zeitraum August 2018 bis August 2024 ausgesprochen wurde. Betreffend den Zeitraum ab September 2024 bis laufend wurde der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Begründend wurde ausgeführt, dass laut Sachverständigengutachten vom 29.01.2025 bei der Tochter der Beschwerdeführerin ein Grad der Behinderung von 40% ab 05/2023 sowie von 50% ab 09/2024 festgestellt worden sei. Somit bestehe der Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe ab 09/2024 bis laufend. Für die Zeiträume davor sei kein Grad der Behinderung von mindestens 50% festgestellt worden, sodass auch kein Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe bestehe.

Am 10.02.2025 wurde durch die Beschwerdeführerin eine als Vorlageantrag gewertete Eingabe erstattet. Begründend wurde - im Wesentlichen - vorgebracht, dass die Erkrankung ihrer Tochter nicht auf einen Unfall zurückzuführen, sondern genetisch bedingt (d.h. angeboren) sei. Es werde daher höflichst um Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe ab 04/2019 ersucht.

C. Gutachten des Sozialministeriumservice

a) Gutachten vom 28.07.2024 (vidiert am 16.08.2024) - auszugsweise Wiedergabe

[…]

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

es wird Befundkonvolt vorgelegt, wird auszugsweise wiedergegeben:

Therapiebestätigung Caritas, 3/2023:

Erhält seit 2/2023 Logopädische Therapie

Bestätigung ***Kindergarten***:

Sprachförderbedarf wurde festgestellt

Reha-Befund ***Einrichtung***, 12.9.-2.10.2023

D: Umschriebene Entwicklungsstörungen, expressive Sprachstörung

***Arzt1***, FA f. Kinderheilkunde, 5/2023:

Sprachentwicklungsstörung in Abklärung, Artikulationsstörung, Dysgrammatismus, es besteht V.a. Legasthenie, Audiometrie empfohlen, Kur ist zu befürworten, Förderung im Kindergarten fortsetzen

6/2023 HNO Befund ***Arzt2***

Ausschluss Hörstörung

Ergothrapeut. Bericht Fr. ***Ergo***, 1/2024

D: Sprachentwicklungsstörung, fragl. Gedeihstörung vom 10/2023-1/2024 10 Therapieeinheiten

2/2023 Caritas, Logopäd. Kurzbericht, ***Logo***

D: Expressive Sprachstörung

***Einrichtung***, Reha 28.5.24-2.7.2024

D: expressive Sprachstörung, sonstiges atopisches endogenes Ekzem

[…]

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:Begründung der Rahmensätze:Pos.Nr.Gdb %
1Sprachentwicklungsstörung, Verdacht auf Legasthenie, beantragt AWVS (Auditive Wahrnehmungs- und Verarbeitungsstörung pädiatrischer Fachbefund von 5/2023, belegte Ergotherapie und Logopädie, wiederholte Reha-Befunde belegt, von Mutter Besserung der Sprache berichtet, klinisch leicht auffällig03.02.0140

Gesamtgrad der Behinderung 40 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

ergibt sich aus Position Nummer 1

[…]

Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 6 Monate andauern:

x ja o nein

GdB liegt vor seit: 05/2023

Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:

Pädiatrischer Fachbefund von 5/2023 vorliegend

x Dauerzustand

[…]

b) Gutachten vom 29.01.2025 (vidiert am 01.02.2025) - auszugsweise Wiedergabe

[…]

Anamnese:

Neuantrag ab Datum: 01.08.2018, Beschwerde

Vorgutachten Dr. […] vom 15.7.2024, GdB 40% ab 5/2023, Sprachentwicklungsstörung, Verdacht auf Legasthenie, beantragt AWVS (Auditive Wahrnehmungs- und Verarbeitungsstörung pädiatrischer Fachbefund von 5/2023, belegte Ergotherapie und Logopädie, wiederholte Reha-Befunde belegt, von Mutter Besserung der Sprache berichtet, klinisch leicht auffällig;

Derzeitige Beschwerden:

Laut Mutter sei der Entwicklungsrückstand im Vergleich zu Gleichaltrigen nun immer deutlicher. Neu hinzugekommen ist die Hippotherapie, außerdem benötigt ***Kind*** fortlaufend Ergotherapie und Logopädie. Die Schule wird vorerst als Vorschuldkind besucht.

***Kind*** ist generell schüchtern, es wird ihr schnell zu laut - im Rahmen des Schulbesuches - bereits in der Garderobe im Rahmen des Kindergartenbesuches. Die Ausdauer und Konzentration sei vermindert, außerdem ist sie sehr leicht ablenkbar; Es erfolgten bereits 2 REHA Aufenthalte - 1xig im Jahr 2023 - im Jahr 2024 wurde der REHA Aufenthalt vorzeitig beendet, da die Logopädin erkrankt war. Hinsichtlich Neurodermitis vorwiegend Läsionen im Bereich glutaeal, Kniekehlen und Vorfüsse - aktuell blande Hautverhältnisse - leichte Rauhigkeit im Bereich linkes laterales Sprunggelenk. Bei Bedarf Cortisonhaltige Externa.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Im Rahmen des Kindergartenbesuches Fortlaufend Sprachförderung und Logopädie.. Aktuell Logopädie 1xwöchentlich, in ***Ort2***, abwechselnd mit Ergotherapie, Hippotherapie, aktuell Winterpause; keine Dauermedikation […]

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

[Anmerkung: Es werden zur Vermeidung von Doppelnennungen nur jene Befunde angeführt, die nicht bereits im Vorgutachten enthalten waren]

Logopädischer Kurzbericht Caritas vom 5.2.2024:

Expressive Sprachstörung - Logopädie seit 2022 am Standort ***Ort 1***

Klinisch psychologischer Befund […] vom 27.2.2024:

Lfd. Nr.Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:Begründung der Rahmensätze:Pos.Nr.Gdb %
1Entwicklungseinschränkungen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr, Sprachentwicklungsstörung, Schwierigkeiten im auditiven Gedächtnis, Dysgrammatismus, Verdacht auf Legasthenie, Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung, grenzwertige kognitive Leistung leichte visuomotorische Einschränkungen; Vorschulbesuch, Hippotherapie - als Heilbehandlung nach dem Oö Chancengleichheitsgesetz im Zeitraum 09/2024 bis 09/2024 bewilligt; Logopädie, Ergotherapie, motorische Unruhe, Ausdauer und Konzentration vermindert03.02.0240
2Neurodermitis, lokal begrenztgut behandelbar, Cortisonhaltige Externa bei Bedarf01.01.0220

Diagnose: Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung, grenzwertige kognitive Leistung, leichte visuomotorische Einschränkungen;

Leistungsbescheid BH ***Ort3*** vom 25.11.2024.

Heilbehandlung in Form von Hippotherapie für den Zeitraum 18.9.2024 bis 17.0.2024

[…]

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Das Leiden Nummer 1 bestimmt den Gesamtgrad der Behinderung mit 50%. Das Leiden Nummer 2 steigert wegen Geringfügigkeit nicht weiter.

[…]

Stellungnahme zu Vorgutachten:

Anhebung des Gesamtgrades der Behinderung von 40% auf 50% infolge der Verschlimmerung bei Leiden Nummer 1. Neu hinzugekommenes Leiden Nummer 2.

Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 6 Monate andauern:

x ja o nein

GdB liegt vor seit: 09/2024

GdB 40 liegt vor seit: 05/2023

Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:

GdB 50% ab 9/2024 laut Leistungsbescheid BH ***Ort3*** vom 25.11.2024

Heilbehandlung in Form von Hippotherapie für den Zeitraum 18.9.2024 bis 17.9.2024, und Beginn Vorschule VS ***Ort 1***;

O Dauerzustand

X Nachuntersuchtung: 01/2027

Anmerkung hins. Nachuntersuchung:

Zur Verlaufskontrolle unter Vorlage aktueller Befunde und Therapiebestätigungen, Nachreifung möglich;

[…]

c) Gutachten vom 18.04.2025 (vidiert am 01.05.2025) - auszugsweise Wiedergabe

[…]

Anamnese:

[…]

Vorgutachten Dr. […] vom 29.01.2025 mit 50% GdB ab 09/2024 wegen Entwicklungsstörung und Neurodermitis.

Vorgutachten Dr. […] vom 15.7.2024 GdB 40% ab 5/2023: Sprachentwicklungsstörung, Verdacht auf Legasthenie, beantragt. AWVS (Auditive Wahrnehmungs- und Verarbeitungsstörung

[…]

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

[Anmerkung: Siehe die in den Vorgutachten angeführten Befunde, keine erneute Wiedergabe]

Beschwerdeschreiben: Die Behinderung ist auf keinen Unfall sondern genetisch bedingt. Somit ist sie angeboren. Wir ersuchen Sie daher höflichst uns die erhöhte Familienbeihilfe ab 22.04.2019 zu bestätigen (drei Jahre rückwirkend ab 22.04.2024, an dem der erste Antrag eingebracht wurde).

[…]

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:Begründung der Rahmensätze:Pos.Nr.Gdb %
1EntwicklungsstörungSprachentwicklungsstörung, Schwierigkeiten im auditiven Gedächtnis, Dysgrammatismus, Verdacht auf Legasthenie, Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung, grenzwertige kognitive Leistung, leichte visuomotorische Einschränkungen, motorische Unruhe, Ausdauer und Konzentration vermindert. Vorschulbesuch, Hippotherapie - als Heilbehandlung nach dem Oö Chancengleichheitsgesetz im Zeitraum 09/2024 bis 09/2025 bewilligt. Logopädie, Ergotherapie03.02.0240
2Neurodermitislokal begrenzt, gut behandelbar, Cortisonhaltige Externa bei Bedarf.01.01.0220

Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Das Leiden Nummer 1 bestimmt den Gesamtgrad der Behinderung mit 50%. Das Leiden Nummer 2 steigert wegen Geringfügigkeit nicht weiter.

[…]

Stellungnahme zu Vorgutachten:

Gleichbleibende Diagnosen und Behinderungsgrad

Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 6 Monate andauern:

x ja o nein

GdB liegt vor seit: 05/2023

Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:

Bezugnehmend auf das Beschwerdeschreiben kann festgehalten werden, dass die vorliegende Diagnosen Sprachentwicklungsstörung und Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung keine angeborene oder durch einen Gendefekt bedingte Erkrankungen sind. Somit besteht keine Rechtfertigung den Behinderungsgrad ab der Geburt einzuschätzen. In beiden Vorgutachten Dr. […] vom 15.7.2024 und Dr. […] vom 29.01.2025 werden inhaltlich übereinstimmend dieselben medizinischen Diagnosen eingeschätzt, lediglich im GdB wurde von Dr. […] 40% GdB ab 05/23 und von Dr. […] 50% ab 09/2024 unterschiedlich eingeschätzt. Laut vorgelegten Befunden können die eingeschätzten Diagnosen ab dem Befund: Ärztliche Stellungnahme ***Arzt1*** FÄ für Kinder- und Jugendheilkunde ab 06.05.2023 dokumentiert werden.

o Dauerzustand

x Nachuntersuchung: 01/2027

Anmerkung hins. Nachuntersuchung:

Zur Verlaufskontrolle unter Vorlage aktueller Befunde und Therapiebestätigungen, Nachreifung möglich

D. Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht

Die Beschwerde wurde dem Bundesfinanzgericht am 06.06.2025 zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Am 22.04.2024 hat die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung gestellt, dies rückwirkend ab 08/2018. Anspruchsvermittelndes Kind ist die Tochter der Beschwerdeführerin, ***Kind*** (geboren am ***GebDat***).

Im bisherigen Verfahren wurden durch das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Oberösterreich - Sozialministeriumservice (idF "SMS") drei Gutachten betreffend das anspruchsvermittelnde Kind erstellt, wobei das erste Gutachten am 28.07.2024, das zweite Gutachten am 29.01.2025 und das dritte Gutachten am 18.04.2025 erstellt wurde (siehe den obigen Punkt "I.C. Gutachten des Sozialministeriumservice" zum auszugsweisen Inhalt der Gutachten). Beim anspruchsvermittelnden Kind liegt ein Grad der Behinderung von 50% vor, dies ab 05/2023. Dieser wird voraussichtlich mehr als 6 Monate andauern.

2. Beweiswürdigung

Die Abgabenbehörde hat unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht ( § 167 Abs. 2 BAO). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. für viele VwGH 09.09.2004, 99/15/0250) ist von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt.

Die Feststellungen betreffend den verfahrensgegenständlichen Antrag sowie das Geburtsdatum des anspruchsvermittelnden Kindes ergeben sich aus dem Antrag vom 22.04.2024. Die Feststellungen zum Datum bzw. zum Inhalt der vom SMS erstellten ärztlichen Sachverständigengutachten ergeben sich aus diesen.

Die Feststellung betreffend den beim anspruchsvermittelnden Kind festgestellten Grad der Behinderung von 50% ab 05/2023 beruht auf den folgenden Erwägungen:

Der Gesetzgeber hat durch die Bestimmung des (unten zitierten) § 8 Abs. 6 FLAG 1967 die Frage des Grades der Behinderung und auch die damit in der Regel unmittelbar zusammenhängende Frage der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, der eigenständigen Beurteilung der Familienbeihilfenbehörden entzogen und dafür ein qualifiziertes Nachweisverfahren eingeführt, bei dem eine für diese Aufgabenstellung besonders geeignete Institution eingeschaltet wird und der ärztliche Sachverstand die ausschlaggebende Rolle spielt. Die Beihilfenbehörden haben bei ihrer Entscheidung jedenfalls von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen (VfGH 10.12.2007, B 700/07).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrundeliegenden Gutachten gebunden sind und dürfen diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig sind und im Falle mehrerer Gutachten nicht einander widersprechen (z.B. VwGH 16.12.2014, Ro 2014/16/0053; VwGH 22.12.2011, 2009/16/0307 und 2009/16/0310, mwN).

Wurden von der Abgabenbehörde bereits solche Sachverständigengutachten eingeholt, erweisen sich diese als schlüssig und vollständig und wendet der Beschwerdeführer nichts Substantiiertes ein, besteht für das Bundesfinanzgericht kein Grund, neuerlich ein Sachverständigengutachten einzuholen (VwGH 26.05.2011, 2011/16/0059).

In sämtlichen SMS-Gutachten wird als frühester vorgelegter Befund jener der Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde aus 05/2023 angeführt. Davor wurde das Kind - ebenfalls laut den in den Gutachten angeführten Befunden - logopädisch begleitet. Da von der Beschwerdeführerin - abgesehen vom Vorbringen, dass es sich bei der Krankheit des anspruchsvermittelnden Kindes um einen genetisch bedingten (d.h. angeborenen) Zustand handle - im Rahmen der insgesamt drei Untersuchungen bei Gutachtern des SMS kein früherer Befund vorgelegt wurde, lässt darauf schließen, dass ein solcher nicht existiert. Es bestand somit - auch mangels diesbezüglicher Behauptung - keine Veranlassung, ein weiteres Gutachten einzuholen, zumal im SMS-Gutachten vom 18.04.2025 auch auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin betreffend das Vorliegen der Erkrankung ab Geburt eingegangen wurde.

Zum Inhalt der vom SMS erstellten Gutachten wird zunächst auf die obigen Ausführungen unter Punkt "I. C. Gutachten des Sozialministeriumservice" verwiesen, in dem die Gutachten auszugsweise wiedergegeben wurden.

In sämtlichen Gutachten wurde (führend) das Vorliegen einer Sprachentwicklungsstörung sowie einer Auditiven Wahrnehmungs- und Verarbeitungsstörung festgestellt, wobei im ersten Gutachten vom 28.07.2024 ein diesbezüglicher Grad der Behinderung von 40% ab 05/2023 (d.h. jenem Monat, aus dem der Befund einer Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde stammt) eingeschätzt wurde. Bereits im Rahmen des zweiten Gutachtens vom 29.01.2025 wurde - aufgrund einer festgestellten Verschlechterung im weiteren Verlauf - ein Grad der Behinderung von 50% ab 09/2024 (somit nach dem Erstelldatum des ersten SMS-Gutachtens) festgestellt. Dieser Grad der Behinderung von 50% wurde im Rahmen des dritten SMS-Gutachtens vom 18.04.2025 schließlich auf den bereits ursprünglich festgestellten Beginnzeitpunkt der Behinderung (d.h. 05/2023) rückbezogen, dies mit ausführlicher Begründung im Gutachten und unter Eingehen auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach die Krankheit des anspruchsvermittelnden Kindes genetisch bedingt (d.h. angeboren) sei, was vom gutachtenserstellenden Arzt verneint wurde.

Im Ergebnis ist somit festzuhalten, dass in sämtlichen Gutachten ein Grad der Behinderung ab 05/2023 - und somit jenem Monat, aus dem der älteste vorgelegte Befund einer Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde betreffend das anspruchsvermittelnde Kind stammt - festgestellt wurde, wenn auch in unterschiedlicher Höhe (40% in den ersten beiden Gutachten, 50% im dritten Gutachten). Aufgrund der im dritten Gutachten vom 18.04.2025 enthaltenen ausführlichen Begründung und der Tatsache, dass sämtliche Gutachter im Ergebnis eine rückwirkende Einschätzung über 05/2023 hinaus verneint haben, bestehen für den erkennenden Richter somit keine Bedenken, dieser Entscheidung das SMS-Gutachten vom 18.04.2025 zugrunde zu legen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

A. Rechtliche Grundlagen

§ 8 FLAG 1967 lautet auszugsweise:

(1) Der einer Person zustehende Betrag an Familienbeihilfe bestimmt sich nach der Anzahl und dem Alter der Kinder, für die ihr Familienbeihilfe gewährt wird.

[…]

(4) Die Familienbeihilfe erhöht sich monatlich für jedes Kind, das erheblich behindert ist,

[…]

(5) Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als sechs Monaten. Der Grad der Behinderung muß mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom 18. August 2010, BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens alle fünf Jahre neu festzustellen, wenn nach Art und Umfang eine mögliche Änderung zu erwarten ist.

(6) Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) dem Finanzamt Österreich durch eine Bescheinigung auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. […]

B. Erwägungen

Gemäß der obig zitierten Bestimmung des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht, als erheblich behindert im Sinne des FLAG 1967.

Diese Funktionsbeeinträchtigung muss voraussichtlich länger als sechs Monate bestehen und der festgestellte Grad der Behinderung muss mindestens 50% betragen. Gemäß dem festgestellten Sachverhalt sind sowohl die zeitliche Komponente (d.h. das voraussichtliche Bestehen der Funktionsbeeinträchtigung für länger als sechs Monate) als auch der erforderliche Grad der Behinderung von mindestens 50% erst ab Mai 2023 erfüllt. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Der Verwaltungsgerichtshof ist als Rechtsinstanz tätig und zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Eine im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung wirft daher nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG auf (z.B. VwGH 30.06.2015, Ra 2015/15/0028 mwN). Die Prüfung der Schlüssigkeit eines Gutachtens des Sozialministeriumservice ist nichts anderes als eine Würdigung dieses Beweises. Eine ordentliche Revision ist daher im gegenständlichen Fall nicht zulässig.

Linz, am 11. Juni 2025