Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Perlogis Mag. Franz Harrand Wirtschaftstreuhand GmbH Steuerberatungsgesellschaft, Bahnstraße 7, 2345 Brunn/Gebirge, über die Beschwerde vom 9. November 2020 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 8. Oktober 2020 betreffend Haftungsbescheid / Sonstige 2020 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Mit Beschluss vom ***Datum 1*** wurde mangels kostendeckenden Vermögens das Insolvenzverfahren der Primärschuldnerin ***GmbH***, vormalig ***Gesellschaft alt*** nicht eröffnet. Die Gesellschaft wurde infolge der rechtskräftigen Nichteröffnung eines Insolvenzverfahrens aufgelöst.
Mit Schreiben vom 3. März 2020 wurde der Bf. von der belangten Behörde über eine mögliche Haftungsinanspruchnahme in Kenntnis gesetzt und er wurde aufgefordert zu beweisen, dass er ohne sein Verschulden gehindert war, für die Entrichtung der Abgaben zu sorgen. Eine Beantwortung des Vorhalts ist nicht erfolgt.
Mit Haftungsbescheid vom 8. Oktober 2020 wurde der Bf. als ehemaliger Geschäftsführer für die aushaftende Abgabenschuld der ***GmbH*** (Primärschuldnerin) in Höhe von Euro 27.460,83 in Anspruch genommen. In der Begründung hielt die Abgabenbehörde ua. fest, dass der wirksam bestellte Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person nicht entrichtet hat, für diese Abgaben haftet, wenn sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden können und er nicht beweist, dass die Abgaben ohne sein Verschulden nicht entrichtet werden konnten.
Der Bf. sei in der Zeit vom 9. April 2018 bis 8. Mai 2020 unbestritten handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin gewesen und daher gemäß § 18 GesmbHG zu deren Vertretung berufen. Er war somit auch verpflichtet, die Abgaben aus deren Mitteln zu bezahlen. Bei Amtsantritt habe sich der Geschäftsführer davon zu vergewissern, dass keine Abgabenrückstände bestehen (VwGH 26.04.2006, 2001/14/0206, ÖStZB 2006/596, 728).
Dagegen erhob der Bf. mit Eingabe vom 9. November 2020 Beschwerde und brachte vor, er habe die Gesellschaft im Frühjahr 2018 übernommen und der Unternehmensplan sei die Fortführung des bis dahin erfolgreichen Unternehmens unter Ausnutzung der von den Vorbesitzern sehr gut positionierten der Marke "***Gesellschaft alt***" für Projekte im Großraum Wien und Ausweitung des Geschäftes auf ganz Österreich gewesen. Er hätte versucht mit all seiner Kraft die ihm krankheitsbedingt zur Verfügung stand, das Projekt ***V*** erfolgreich zu entwickeln und mit Gewinn zu verkaufen. Anfragen des Bf. bei den Vorgeschäftsführern nach Unterstützung wäre nur von mäßigem Erfolg gewesen. Leider wäre aber der Projektgewinn ein Opfer der während seiner Krankheit eskalierenden Kosten der Finanzierung gewesen, weshalb der Bf. die offenen Forderungen des Finanzamtes nicht bedienen hätte können. Da der nach amtswegiger Liquidation des Unternehmens, welche zügig nach dem Covid-lock-down erfolgt wäre, verbliebene offene Saldo beim Finanzamt nicht vom Bf. verschuldet worden sei, sondern aus Zeiten vor seiner Geschäftsführung stamme, wird ersucht, den Haftungsbescheid ersatzlos aufzuheben. Während der Zeit der Geschäftsführung des Bf. wären nie freie finanzielle Mittel vorhanden gewesen.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 7. Mai 2021 wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. Die Abgabenbehörde begründete dies damit, dass sich ein neuer Geschäftsführer bei Funktionsübernahme darüber zu informieren habe, ob und in welchem Ausmaß die von ihm nunmehr vertretene GmbH bisher ihren steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen ist. Er muss also ergründen, welchen Stand das Abgabenkonto der Gesellschaft bei der Übernahme der Geschäftsführerfunktion hat, und er hat die Pflicht, die Beträge eines allfälligen Rückstandes, der am Abgabenkonto ausgewiesen ist, zu entrichten. Vor Erlassung des Haftungsbescheides sei der Bf. mit Vorhalt vom 3. März 2020 unter ausführlicher Darlegung der Rechtslage ersucht worden, die Gründe für die Nichtentrichtung der Abgaben bekannt zu geben. Am 7. Juni 2021 wurde ein Antrag auf Vorlage der Beschwerde und auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung beim Bundesfinanzgericht gestellt.
Mit Vorlagebericht vom 16. März 2023 erfolgte die Vorlage der Beschwerde samt Verwaltungsakt an das Bundesfinanzgericht.
Das gegenständliche Beschwerdeverfahren wurde, mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses, vom 29. Jänner 2024, im Zuge einer Altaktenumverteilung dem erkennenden Richter zur Erledigung übertragen.
Mit Vorhalt vom 5. Februar 2025 ersuchte das Bundesfinanzgericht den Bf., einen Gleichbehandlungsnachweis nachzureichen. Mit Schreiben vom 19. März 2025 antwortete der Bf. wie folgt: "Ich habe seinerzeit kein operatives Geschäft geführt, da keine finanziellen Mittel zur Verfügung standen. Ich habe keine Zahlungen geleistet, also alle gleich behandelt. Irgend andere Beweise einer Gleichbehandlung habe ich nicht, weil überhaupt nichts geschehen ist."
Mit Schreiben vom 25. März 2025 wurde der Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zurückgezogen.
Der Bf. war ab 9. April 2018 Geschäftsführer der ***GmbH***, ***FN***, (Primärschuldnerin).
Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom ***Datum 1*** zur Aktenzahl ***AZ*** wurde über die Primärschuldnerin das Insolvenzverfahren mangels Kostendeckung nicht eröffnet. Am ***Datum 2*** wurde die Firma gemäß § 40 Firmenbuchgesetz (FBG) aus dem Firmenbuch gelöscht
Mit Haftungsbescheid 8. Oktober 2020 wurde der Bf. als ehemaliger Geschäftsführer für die aushaftende Abgabenschuld der Primärschuldnerin in Höhe von Euro 27.460,83 in Anspruch genommen:
| Abgabenart | Zeitraum | Betrag in Euro | Fälligkeitstag |
| Körperschaftsteuer | 2015 | 24.510,00 | 14.03.2018 |
| Aussetzungszinsen | 2015 | 667,76 | 14.03.2018 |
| Säumniszuschlag 1 | 2018 | 699,12 | 18.06.2018 |
| Stundungszinsen | 2018 | 128,39 | 18.06.2018 |
| Stundungszinsen | 2018 | 370,05 | 17.10.2018 |
| Pfändungsgebühr | 2019 | 272,49 | 24.04.2019 |
| Barauslagenersatz | 2019 | 4,10 | 24.04.2019 |
| Pfändungsgebühr | 2019 | 284,00 | 11.11.2019 |
| Barauslagenersatz | 2019 | 3,65 | 11.11.2019 |
| Pfändungsgebühr | 2020 | 291,27 | 11.02.2020 |
| Säumniszuschlag 2 | 2020 | 230,00 | 11.02.2020 |
| SUMME | 27.460,83 |
Der Bf. erbrachte keinen Nachweis über die gleichmäßige Verteilung der liquiden Mittel an die Gläubiger der Primärschuldnerin. Eine Feststellung über die Gleichbehandlung aller Gläubiger in Bezug auf die Verteilung der liquiden Mittel konnte nicht getroffen werden.
Die Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf den Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes, Abfragen aus dem Firmenbuch, Datenbankabfragen (Abgabenkonto der Primärschuldnerin) sowie ergänzende Ermittlungen durch das Bundesfinanzgericht.
Die Haftungsbestimmung des § 9 Abs 1 BAO lautet wie folgt:
"Die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können."
Damit eine Person nach diesen Bestimmungen zur Haftung für eine fremde Abgabenschuld herangezogen werden kann, müssen daher die folgenden Tatbestandsmerkmale erfüllt sein:
1. Persönlicher Anwendungsbereich - Vertreter iSd §§ 80ff BAO
2. Bestehen einer Abgabenschuld
3. Uneinbringlichkeit der Abgabe
4. Schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher oder sonstiger Pflichten durch den Vertreter
5. Ursächlichkeit zwischen Pflichtverletzung und Uneinbringlichkeit der Abgabe
3.1.1. Persönlicher Anwendungsbereich - Vertreter iSd §§ 80ff BAO
Wie im Sachverhaltsteil festgestellt war der Beschwerdeführer unstrittig Geschäftsführer der Primärschuldnerin zum Zeitpunkt, in dem die in Haftung gezogenen Abgaben fällig waren und gehört damit zu dem in § 80 Abs 1 BAO angeführten Personenkreis. Er kann daher gemäß § 9 BAO grundsätzlich zur Haftung für ausständige Abgabenrückstände herangezogen werden.
3.1.2. Bestehen einer Abgabenschuld
Das Bestehen des Abgabenanspruchs ist zwischen den Parteien unstrittig und ergibt sich auch klar aus dem Abgabenkonto der Primärschuldnerin.
Daher geht das Bundesfinanzgericht davon aus, dass die Abgabenschuld gegenüber der Primärschuldnerin bestanden hat.
3.1.3. Uneinbringlichkeit der Abgaben
Ein Geschäftsführer kann gem § 9 BAO nur zur Haftung herangezogen werden, wenn die Abgabe bei der Primärschuldnerin im Zeitpunkt der Haftungsinanspruchnahme uneinbringlich ist.
Der Haftungsbescheid wurde am 8. Oktober 2020 erlassen. Zu diesem Zeitpunkt war die Primärschuldnerin bereits aus dem Firmenbuch gelöscht.
Da im Zeitpunkt der Geltendmachung der Haftung die Gesellschaft bereits aus dem Firmenbuch gelöscht war, steht fest, dass die ausständigen Abgaben bei der Primärschuldnerin uneinbringlich sind und dieses Tatbestandsmerkmal daher erfüllt ist.
3.1.4. Schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher oder sonstigen Pflichten durch den Vertreter
Allgemeine Rechtslage/erhöhte Mitwirkungspflicht des Vertreters
Gem § 80 Abs 1 BAO haben die Vertreter von juristischen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Die vorgeschriebenen und schlussendlich im Haftungsbescheid genannten Abgaben sind nicht zum Fälligkeitszeitpunkt entrichtet worden.
Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH besteht bei der Frage, ob der Vertreter schuldhaft eine Abgabenpflicht verletzt hat, eine qualifizierte Mitwirkungspflicht des Vertreters. Der Vertreter hat dabei darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten nicht möglich war. Andernfalls kann eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden (vgl zB 18.3.2013, 2011/16/0184; 19.3.2015, 2013/16/0166; 22.4.2015, 2013/16/0208; 19.5.2015, 2013/16/0016). In diesem Zusammenhang muss der Vertreter allerdings keinen negativen Beweis dafür vorbringen, dass keine schuldhafte Pflichtverletzung vorliegt, sondern lediglich eine konkrete, schlüssige Darstellung der Gründe, die einer rechtzeitigen Abgabenentrichtung im Zeitpunkt der Fälligkeit der Abgaben entgegengestanden sind (vgl zB 4.4.1990, 89/13/0212; 27.10.2008, 2005/17/0259).
Die Haftung kann in diesem Zusammenhang insbesondere dann begrenzt werden, wenn der Haftungspflichtige nachweist, dass ihm im Haftungszeitraum nicht ausreichend liquide Mittel zur Verfügung gestanden sind und er den Abgabengläubiger nicht schlechter behandelt hat (sogenannter Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung).
Nachweis der Gläubigergleichbehandlung
Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann die fehlende Benachteiligung des Abgabengläubigers nur dann nachgewiesen werden, wenn die liquiden Mittel im Haftungszeitraum zu keiner Zeit ausreichten, um sämtliche fällige Verbindlichkeiten zu tilgen. Im Abgabenrecht gilt der Grundsatz der vollständigen Mittelausschüttung. Der Vertreter handelt schuldhaft, wenn die Primärschuldnerin über Mittel verfügt hätte, um sämtliche fällige Verbindlichkeiten zu bedienen und die Abgaben dennoch nicht vollständig bezahlt wurden. Reichen diese Mittel nicht aus, kann allerdings ein Gleichbehandlungsnachweis angetreten werden (vgl eine übersichtliche Darstellung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Lachmayer, Einzelfragen zur Haftung gem § 9 BAO, RdW 2023, 682ff).
Erbringt der Vertreter den Nachweis, dass der Abgabengläubiger ebenso viel an vorhandenen Mitteln erhalten hat, wie andere Gläubiger, dann haftet er überhaupt nicht (vgl VwGH 22.9.1999, 96/15/0049). Dabei ist nachzuweisen, dass kein einziger Gläubiger dem Abgabengläubiger vorgezogen wurde (vgl VwGH 29.4.2010, 2008/15/0085; 14.12.2005; 2002/13/0196; 30.10.2001, 98/14/0082). Es ist daher nicht darzustellen, dass der Abgabengläubiger nicht weniger als der Durchschnitt der Gläubiger bekommen hat, sondern dass kein anderer Gläubiger mehr als der Abgabengläubiger erhalten hat. Wird also ein einziger Gläubiger (z.B. ausstehende Löhne, Lieferanten, Bankverbindlichkeiten, Zug-um-Zug-Geschäfte etc) voll bezahlt, liegt eine Schlechterstellung des Abgabegläubigers iSd Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor (vgl VwGH 23.3.2010, 2010/13/0042; 25.1.2006, 2001/14/0126; 19.4.2006, 2003/13/0111; 29.4.2010, 2008/15/0085; 7.9.1990,89/14/0132; 18.6.1993, 93/17/0051). In diesem Zusammenhang ist es nicht relevant, dass solche Zahlungen betriebsnotwendig waren (VwGH 28.9.2004, 2001/14/0176). Tilgt der Vertreter andere Verbindlichkeiten voll oder in einem höheren Ausmaß, dann ist der Abgabengläubiger im gleichen Ausmaß zu befriedigen.
Ein solcher Nachweis konnte vom Beschwerdeführer im vorliegenden Fall nicht erbracht werden.
Nachweis einer fiktiven Gläubigergleichbehandlungsquote
Gelingt dem zur Haftung herangezogenen Vertreter der Nachweis nicht, dass er sämtliche Gläubiger im Zeitpunkt der Fälligkeit der in Haftung gezogenen Abgabenschuld tatsächlich gleichbehandelt hat (alle Gläubiger haben dieselbe Quote erhalten), besteht in einem zweiten Schritt die Möglichkeit eine fiktive Quote nachzuweisen, die der Abgabengläubiger erhalten hätte, wenn sämtliche Gläubiger aus den vorhandenen Mitteln gleich befriedigt worden wären. Im Rahmen der Haftung des § 9 BAO haftet der Vertreter nämlich nicht für die volle Abgabenschuld der Primärschuldnerin, sondern nur in jenem Ausmaß in dem der Abgabengläubiger ungleich behandelt wurde (vgl zB VwGH 16.12.2009, 2009/15/0127).
Bei der Berechnung der Quote obliegt dem Vertreter eine qualifizierte Mitwirkungspflicht. Er hat die fiktive Gleichbehandlungsquote zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu berechnen und diese entsprechend nachzuweisen.
Beim Nachweis der fiktiven Quote spielen die Zahlungen an andere Gläubiger keine Rolle. Die fiktive Gleichbehandlungsquote betrachtet nur, wie viel an Abgabenschulden getilgt worden wären, wenn der Vertreter die vorhandenen Mittel gleichmäßig auf alle Verbindlichkeiten verteilt hätte. Diese Quote ist dann der Quote der tatsächlich bezahlten Abgabenschulden gegenüberzustellen. Für den Differenzbetrag haftet der Vertreter (vgl Lachmayer, Einzelfragen zur Haftung gem § 9 BAO, RdW 2023, 683).
Bei der Berechnung der Quote hat der Vertreter für den Gleichbehandlungsnachweis, zum jeweiligen Fälligkeitstag der Abgaben die fälligen Verbindlichkeiten und liquiden Mitteln gegenüberzustellen (vgl zB VwGH 24.1.2017, Ra 2015/16/0078). Mit anderen Worten sind daher der Betrag der liquiden Mitteln durch den Betrag der fälligen Verbindlichkeiten zu dividieren. Bei dieser Betrachtung wären gegebenenfalls auch später eingehenden liquide Mittel zu berücksichtigen (vgl VwGH 28.6.2022, Ra 2020/13/0067), wobei die Quote, die sich aus den liquiden Mitteln zum jeweiligen Fälligkeitstag ergibt, die Untergrenze für die Haftung darstellt. Später eingehende liquide Mittel können den Haftungsbetrag nur erhöhen.
Gelingt dem Vertreter der Nachweis einer entsprechenden Quote, haftet er lediglich im Ausmaß der Quote. Wird keine Quote nachgewiesen haftet der Vertreter für die vollen Abgabenrückstände (vgl Lachmayer, Einzelfragen zur Haftung gem § 9 BAO, RdW 2023, 683).
Im vorliegenden Fall konnte vom Beschwerdeführer kein Nachweis einer fiktiven Gläubigergleichbehandlungsquote erbracht werden.
3.1.5. Ursächlichkeit zwischen Pflichtverletzung und Uneinbringlichkeit der Abgabe
Die Haftungsinanspruchnahme setzt eine Kausalität zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung und dem Abgabenausfall voraus.
Wie im Vorpunkt dargestellt, geht das Bundesfinanzgericht auf Basis der Aktenlagen und mangels anderer Vorbringen des Beschwerdeführers davon aus, dass er seine abgabenrechtlichen Pflichten als Geschäftsführer für Abgaben schuldhaft verletzt hat. Nach der Judikatur des VwGH spricht bei schuldhafter Pflichtverletzung die Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgabe. (vgl zB 28.2.2014, 2012/16/0001; 19.5.2015, 2013/16/0016; 27.5.2020, Ra 2020/13/0027). Da der Beschwerdeführer auch in diesem Zusammenhang keine gegenteiligen Nachweise vorlegen konnte, geht das Bundesfinanzgericht der ständigen Rechtsprechung des VwGH folgend von einer Kausalität zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung des Beschwerdeführers und der Uneinbringlichkeit der Abgabe aus.
Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass alle Tatbestandsmerkmale der anwendbaren Haftungsbestimmung im vorliegenden Fall erfüllt sind.
3.1.6. Ermessen
Wenn alle Tatbestandsmerkmale für eine Haftung erfüllt sind, liegt die Inanspruchnahme eines zur Haftung Verpflichteten schlussendliche im Ermessen der Abgabenbehörde. Die Ermessensentscheidung der Abgabenbehörde hat sich gem § 20 BAO innerhalb der Grenzen zu halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen (vgl VwGH 23.1.1989, 87/15/0136; 10.11.1993, 91/13/0181; 16.10.2002, 99/13/0060).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes ist eine Erwägung, die in diese Ermessensübung miteinzubeziehen ist, ein langer Zeitabstand zwischen der Haftungsinanspruchnahme des Vertreters und dem Entstehen der Abgabenschuld oder dem Feststehen der Uneinbringlichkeit der Forderung bei der Primärschuldnerin (vgl zB VwGH 7.9.2022; Ra 2019/13/0066; 22.6.2022, Ra 2021/13/0132; 18.10.1995, 91/13/0037; 17.6.2015, Ra 2015/16/0044; 16.10.2014, Ra 2015/16/0044; VwGH 16.10.2014, Ra 2014/16/0026; VwGH 3.9.2008, 2006/13/0159).
Vom Bf. wurden keine Gründe vorgebracht, die bei der Abwägung von Zweckmäßigkeit und Billigkeit eine andere Einschätzung bewirken hätten können.
Auf Grund des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BAO erfolgte die Inanspruchnahme des Bf. als Haftungspflichtiger für die Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin zu Recht. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Bundesfinanzgericht folgt der angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, weshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt und die ordentliche Revision nicht zuzulassen war.
Wien, am 12. November 2025
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