JudikaturBFG

RV/3100173/2025 – BFG Entscheidung

Entscheidung
12. Juni 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Mag. Kay Wrulich in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 1. September 2024 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 29. Juli 2024 betreffend Festsetzung von Anspruchszinsen 2022, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird dahingehend abgeändert, dass die Anspruchszinsen iHv € 273,55 festgesetzt werden.

Die Bemessungsgrundlagen sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Das gegenständliche Erkenntnis beschäftigt sich mit der Rechtsfrage, ob die Erlassung eines Feststellungsbescheides nach Ergehen des Einkommensteuerbescheides als ein rückwirkendes Ereignis zu werten ist, sodass Anspruchszinsen nach § 205 Abs 6 BAO auf Antrag nicht festgesetzt bzw herabgesetzt werden müssten.

1. Verfahrensgang und Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (in Folge kurz: Bf) reichte am 21.11.2023 seine Einkommensteuererklärung des Jahres 2022 elektronisch ein, wobei Einkünfte aus Gewerbebetrieb nicht erklärt wurden. In der Beilage E11 wurde angeführt, dass die Höhe der Gewinntangente unbekannt sei.

Am 28.11.2023 erließ die Abgabenbehörde den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2022 erklärungsgemäß und setzte die Einkommensteuer für das Jahr 2022 mit - € 1.505,- fest (bisher 1.502,-), was rechnerisch einer Abgabengutschrift von € 3.007, - entsprach.

In weiterer Folge wurde am 26.7.2024 hinsichtlich der ***x*** KG, an welcher der Bf beteiligt ist, der Bescheid über die Feststellung der Einkünfte gem § 188 BAO für das Jahr 2022 erlassen und die Einkünfte aus Gewerbebetrieb festgestellt. Auf den Bf entfielen dabei € 15.523,55. Begründend wurde im Bescheid ausgeführt, dass wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen die Besteuerungsgrundlagen gem § 184 BAO zu schätzen gewesen seien. Der Feststellungsbescheid wurde dem Bf zugestellt.

Schließlich wurde der Einkommensteuerbescheid des Bf vom 28.11.2023 gem § 295 Abs 1 BAO am 29.7.2024 abgeändert, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb in der festgestellten Höhe berücksichtigt und die Einkommensteuer iHv € 4.813,- festgesetzt (Abgabennachforderung € 6.318,-).

Am selben Tag erließ die Abgabenbehörde den nunmehr angefochtenen Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen iHv € 308,21. Dem Bescheid lag eine detaillierte Berechnung bei, wonach sich die Anspruchszinsen für den Zeitraum vom 1.10.2023 bis zum 29.7.2024 auf Grundlage der Abgabennachforderung und eines Tageszinssatzes von 0,0161 errechneten. Der Bescheid wurde dem Bf am 1.8.2024 elektronisch zugestellt.

Mit rechtzeitig am 1.9.2024 eingebrachter Beschwerde brachte der Bf zusammengefasst vor, die Einkommensteuer sei zweimal bescheidmäßig festgesetzt worden. Da der Bf bereits seit mehreren Jahren Einkünfte aus einer Personengesellschaft beziehe, hätte der Bescheid, aus dem sich ein Guthaben ergebe, nicht erlassen werden dürfen. Zudem habe auf dem Abgabenkonto ein Guthaben bestanden, weshalb der angefochtene Bescheid aufzuheben sei.

Das Vorbringen vermochte die Abgabenbehörde nicht zu überzeugen. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 26.9.2024 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

In Folge brachte der Bf fristgerecht am 4.11.2024 einen Vorlageantrag ein und führte ergänzend aus, dass die ***x*** KG als Personengesellschaft über eine eigene, von ihren Beteiligten unabhängige Rechtspersönlichkeit verfüge. Die Bestimmungen über die Vorschreibung von Anspruchszinsen gemäß § 205 BAO seien jedoch nur in jenen Fällen anwendbar, in denen der Steuerpflichtige vollständige und unmittelbare Kontrolle über seine eigene Einkommensteuererklärung habe. Wenn nachträglich Einkünfte aus anderen Quellen zugerechnet würden, über deren Höhe der Steuerpflichtige im Vorhinein keine Kenntnis haben könne, falle dies seiner Ansicht nach nicht unter § 205 BAO. Eine derartige Zurechnung sei vielmehr als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO zu qualifizieren.Zudem habe der Bf keinen Einfluss darauf, wann die Abgabenbehörde einen Bescheid erlasse. Dennoch solle er ab dem Zeitpunkt der Bescheiderlassung Anspruchszinsen zahlen. Dies könne nur dann gesetzeskonform sein, wenn der Steuerpflichtige bereits im Vorhinein Kenntnis über die Höhe seiner Einkünfte habe und entsprechend eine Vorberechnung vornehmen könne.

Darüber hinaus sei auf dem Abgabenkonto des Bf ein Guthaben vorhanden gewesen. So seien auf die Einkommensteuerschuld 2022 Vorauszahlungen mit Verrechnungsweisung in Höhe von € 1.502,- geleistet worden, weshalb sich die Bemessungsgrundlage für die Anspruchszinsen entsprechend vermindern müsste. Ferner habe vom 1.10.2023 bis zum 28.11.2023 ein Guthaben von € 2.996,- und vom 28.11.2023 bis zum 15.2.2024 ein Guthaben von € 855,- bestanden. Diese Guthaben seien bei der Zinsberechnung jedenfalls zu berücksichtigen und fairerweise zugunsten des Bf zu verzinsen.

Die Beschwerde wurde am 24.3.2025 dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Ergänzend wird festgestellt, dass auf dem Abgabenkonto des Bf im Zeitraum vom 17.11.2023 bis 28.11.2023 ein tatsächlich verbuchtes Guthaben iHv € 17,- und vom 28.11.2023 bis zum 29.7.2024 ein tatsächlich verbuchtes Guthaben iHv € 855,76 befand.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich widerspruchsfrei aus den vorliegenden Bescheiden und Schriftsätzen.

Die Feststellung zur Höhe des Guthabens stützt sich auf eine Abfrage der Buchungen zum Abgabenkonto des Bf. Aus dieser ergeben sich die in den jeweiligen Zeiträumen bestehenden Guthabenbeträge. An der inhaltlichen Richtigkeit dieser Abfrage bestehen keine Zweifel, insofern die Feststellung bedenkenlos getroffen werden konnte.

3. Rechtliche Beurteilung:

3. 1. zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Gemäß § 205 Abs 1 BAO sind Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen (Abs. 3), nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen (Anspruchszinsen). Dies gilt sinngemäß für Differenzbeträge aus

a) Aufhebungen von Abgabenbescheiden, b) Bescheiden, die aussprechen, dass eine Veranlagung unterbleibt, c) auf Grund völkerrechtlicher Verträge oder gemäß § 240 Abs. 3 erlassenen Rückzahlungsbescheiden.

Gemäß § 205 Abs 2 BAO betragen die Anspruchszinsen pro Jahr 2% über dem Basiszinssatz. Anspruchszinsen, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen. Anspruchszinsen sind für einen Zeitraum von höchstens 48 Monaten festzusetzen.

Nach Abs 5 leg cit sind Differenzbeträge zu Gunsten des Abgabepflichtigen nur insoweit zu verzinsen (Gutschriftszinsen), als die nach Abs. 1 gegenüberzustellenden Beträge entrichtet sind.

Nach Abs 6 leg cit sind auf Antrag des Abgabepflichtigen Nachforderungszinsen insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen,

a) als der Differenzbetrag (Abs. 1) Folge eines rückwirkenden Ereignisses (§ 295a) ist und die Zinsen die Zeit vor Eintritt des Ereignisses betreffen oder b) als ein Guthaben (§ 215 Abs. 4) auf dem Abgabenkonto bestanden hat.

Differenzbeträge im Sinne des § 205 Abs 1 BAO sind Nachforderungen, die aus erstmaligen Abgabenfestsetzungen, aber auch aus Berichtigungen, Aufhebungen und Abänderungen gem § 295 oder § 299 BAO, Wiederaufnahmen gem § 303 BAO, Beschwerdevorentscheidungen, Erkenntnisse oder Beschlüsse des Bundesfinanzgerichtes und Aufhebungen oder Abänderungen durch den Verwaltungsgerichtshof oder Verfassungsgerichtshof resultieren. Ergeben sich aus einer Abänderung von Bescheiden Abgabennachforderungen, ist für deren Verzinsung bedeutungslos, aus welchen Gründen die ursprüngliche Abgabenfestsetzung unrichtig war (VwGH 24.9.2008, 2007/15/0175; BFG 22.12.2015, RV/7102677/2015; BFG 5.10.2016, RV/7102748/2013; BFG 20.2.2024, RV/2100545/2022; BFG 21.11.2024, RV/7101697/2024).

Entscheidend ist die objektive Möglichkeit der Erzielung von Zinsvorteilen bzw Zinsnachteilen. Für die Anwendung des § 205 BAO ist daher ferner bedeutungslos, aus welchen Gründen die Abgabenfestsetzung früher oder später erfolgte (VwGH 24.9.2008, 2007/15/0175; VwGH 13.9.2018, Ro 2016/15/0005; BFG 17.8.2023, RV/7104937/2017; BFG 5.12.2023, RV/5100760/2023; BFG 20.2.2024, RV/2100545/2022).

Zunächst ist festzuhalten, dass es nach der dargelegten Rechtsprechung für die Festsetzung von Anspruchszinsen nach § 205 BAO unbeachtlich ist, aus welchen Gründen der ursprüngliche Einkommensteuerbescheid unrichtig war oder zu welchem Zeitpunkt dieser erlassen wurde. Das diesbezügliche Vorbringen des Bf geht daher ins Leere.Soweit der Bf weiters vorbringt, er habe keinen Einfluss auf die Erklärung der KG und könne deren Einkünfte im Vorhinein nicht kennen, ist dem entgegenzuhalten, dass er selbst Zustellungsbevollmächtigter bzw. gemäß § 81 BAO vertretungsbefugt für die KG ist. Zudem wurde die KG im Rahmen der Veranlagung geschätzt, was auf eine fehlende Mitwirkung auch seinerseits schließen lässt. Es ist ferner davon auszugehen, dass ein Beteiligter an einer Personengesellschaft Einsicht in deren Buchführung hat und somit grundsätzlich über die Einkünfte der Gesellschaft informiert ist. Der Bf hatte daher sehr wohl die Möglichkeit, sich über die voraussichtliche Höhe der auf ihn entfallenden Einkünfte zu informieren. Die gegenteilige Behauptung ist daher nicht glaubhaft.

Nach Ansicht des erkennenden Gerichts liegt im gegenständlichen Fall auch kein rückwirkendes Ereignis iSd § 295a BAO vor, was nach § 205 Abs 6 BAO zu einer Herabsetzung oder Nichtfestsetzung von Nachforderungszinsen führen würde.

Ereignisse im Sinne des § 295a BAO sind sachverhaltsändernde tatsächliche oder rechtliche Vorgänge, von denen sich - aus den die steuerlich relevanten Tatbestände regelnden Abgabenvorschriften - eine abgabenrechtliche Wirkung für bereits entstandene Abgabenansprüche ergibt (VwGH 1.9.2015, Ra 2015/15/0035). § 295a BAO erfasst somit abgabenrelevante Sachverhalte, die nach Entstehung der Steuerschuld eintreten, jedoch Bestand und Umfang der Abgabenschuld an der Wurzel ihrer Entstehung berühren. Der abgabenrelevante Sachverhalt muss sich in die Vergangenheit in der Weise auswirken, dass anstelle des zuvor verwirklichten Sachverhaltes nunmehr ein veränderter Sachverhalt der Besteuerung zu Grunde zu legen ist (VwGH 7.7.2011, 2007/15/0155).

Der Zweck der Feststellung gemäß § 188 BAO besteht darin, die Besteuerungsgrundlagen für die an einer Personengesellschaft beteiligten Steuerpflichtigen einheitlich zu ermitteln, um für alle Beteiligten ein gleichmäßiges Besteuerungsergebnis sicherzustellen. § 188 BAO überführt einen Teilbereich des Einkommensteuerverfahrens der Beteiligten in ein gesondertes Feststellungsverfahren, das gegenüber allen Beteiligten bindend ist (VwGH 29.1.2015, Ra 2015/15/0035). Da das Feststellungsverfahren somit einen Ausschnitt des Einkommensteuerverfahrens bildet, wird auch ein Teil des für die Besteuerung maßgeblichen Sachverhalts in diesem Verfahren festgestellt. Ein Feststellungsbescheid kann dabei auch zeitlich nach dem Einkommensteuerbescheid ergehen (VwGH 28.5.1998, 96/15/0083).

Der Umstand, dass ein Feststellungsbescheid nachträglich ergeht oder geändert wird, stellt für sich allein jedoch noch kein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO dar. Eine Änderung im rechtlichen oder tatsächlichen Sinn mit Rückwirkung könnte allenfalls dann vorliegen, wenn sich aus dem Feststellungsverfahren selbst ein abgabenrechtlich relevantes Ereignis mit Wirkung für die Vergangenheit ergibt (BFG 6.6.2017, RV/7101692/2014). Ein sachverhaltsänderndes Ereignis, welches abgabenrechtliche Wirkung für den bereits entstandenen Abgabenansprüche hat, liegt im gegenständlichen Fall nicht vor.

Dem Bf ist jedoch insoweit zuzustimmen, dass nach § 205 Abs 6 lit b BAO auf Antrag - ein solcher liegt zweifelsfrei aufgrund des Vorbringens vor - die Nachforderungszinsen insoweit herabzusetzen sind, als im maßgeblichen Zeitraum ein Guthaben bestanden hat.

Berechnung:

DatumAnfangsbestand und Änderung +/-TagessaldoAnzahl TageTageszinssatzZinsen
1.10.20236.318,00470,016147,81
17.11.2023- 17,006.301,00110,016111,16
28.11.2023- 838,765.462,242440,0161214,58
29.7.2024
Beträge in EuroSumme Zinsen273,55

Eine darüber hinausgehende Verzinsung des Guthabens ist nicht zulässig, da insgesamt eine Abgabennachforderung bestand und das Guthaben lediglich zu einer teilweisen Deckung dieser Nachforderung führte. Da kein Gesamtüberschuss bestand, ist eine weitergehende Verzinsung ausgeschlossen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall folgt das Gericht der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vorliegt. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Innsbruck, am 12. Juni 2025