IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Monika Ahorn in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 31. März 2022 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 22. März 2022 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 (Steuernummer ***BF1StNr1*** ) zu Recht erkannt:
I. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Die mit Arbeitnehmerveranlagung unter der Kennzahl (KZ) 476 (zusätzliche Kosten - ohne Selbstbehalt) geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen (agB) iHv 3.061,10 Euro wurden zunächst nicht berücksichtigt. Im Rechtsmittelverfahren anerkannte die Abgabenbehörde nach durchgeführtem Vorhalteverfahren 1.597,46 Euro und berücksichtigte 92,74 Euro als agB mit Selbstbehalt unter der KZ 730.
Mit Beschluss vom 01.07.2025 forderte das Gericht die Bf. auf, weitere (im Detail angeführte) Nachweise vorzulegen. Den Beschluss sowie das Antwortschreiben der Bf. vom 27.07.2025 übermittelte das Gericht der Behörde zum Parteiengehör. Die Behörde gab keine Stellungnahme dazu ab.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Bei der beschwerdeführende Partei (in Folge: Bf.) besteht seit dem Jahr 1994 ein dauernder Behinderungsgrad von 70 Prozent samt Gehbehinderung aufgrund der Diagnose ankylosierende Spondylitis der Lendenwirbelsäule und aufgrund einer chronischen Dickdarmentzündung wird eine Krankendiätverpflegung benötigt. Infektionskrankheiten, Entzündungen der Regenbogenhaut sowie der vorderen Uvea und bakterielle Vaginosen sind Folgeerkrankungen der als Erwerbsminderung anerkannten Krankheiten.
In Zusammenhang mit der Erwerbsminderung sind der Bf. im Jahr 2019 Krankheitskosten iHv 1.287,32 Euro und unabhängig davon Kosten für Hilfs- und Heilmittel iHv 177,10 Euro erwachsen.
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den von der Abgabenbehörde dem Bundesfinanzgericht übermittelten Aktenteilen sowie den von der Bf. übermittelten Unterlagen.
Allgemein gilt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH), dass der Steuerpflichtige, der eine abgabenrechtliche Begünstigung in Anspruch nimmt, selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen der Umstände darzulegen hat, auf die die Begünstigung gestützt werden kann (VwGH 10.08.2005, 2001/13/0191).
Der Bestätigung der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Liesing vom 13.07.1994 ist zu entnehmen, dass die Bf. zu 70 Prozent dauernd erwerbsgemindert ist und dass sie eine Krankendiätverpflegung wegen einer chronischen Dickdarmentzündung benötigt (BFG-Akt, OZ 5).
Der Stellungnahme zum Vorlagebericht wurde eine weitere Bestätigung über eine vorliegende Erwerbsminderung vorgelegt. Diese Bestätigung vom 20.12.1994, ausgestellt durch den Polizeiamtsarzt, weist einen dauernden 60-prozentigen Grad der Behinderung und eine Gehbehinderung mit der Diagnose Ankylosierende Spondylitis der LWS mit Gehbehinderung auf (BFG-Akt, OZ 12).
Spondylitis ankylosans, ankylosierende Spondylitis oder Morbus Bechterew ist eine chronische entzündlich-rheumatische Erkrankung mit Schmerzen und Versteifung von Gelenken (https://de.wikipedia.org/wiki/Spondylitis_ankylosans, 27.06.2025).
Den im verwaltungsbehördlichen sowie gerichtlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen sind folgende Positionen zu entnehmen:
Der Stellungnahme zum Vorlagebericht hat die Bf. ein Schreiben der Fachärztin für innere Medizin, Dr. ***FA innere Medizin*** vom 23.08.2022 beigelegt. Laut diesem Schreiben wurde der Bf. von der Ärztin für die Behandlung der Autoimmunerkrankung zuzüglich zu der laufenden Behandlung auch die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln empfohlen. Die Einnahme der Nahrungsergänzungsmittel sei medizinisch indiziert und diene ua der Linderung von Nebenwirkungen diverser Medikamente. Um welche Ergänzungsmittel es sich dabei handelt, ist dem Schreiben nicht zu entnehmen. Außerdem handelt es sich bloß um eine - nachträglich ausgestellte - Empfehlung.
Hinsichtlich des Kuraufenthaltes liegt eine Rechnung der Humanomed Zentrum Althofen GmbH (Orthopädische Rehabilitation) für den Selbstbehalt vor. Weil nur der Selbstbehalt (und nicht der gesamte Kuraufenthalt) abgerechnet wurde, nimmt es das Gericht als erwiesen an, dass der Aufenthalt von der Sozialversicherung bewilligt und die Kosten übernommen wurden.
Mit Beschluss vom 01.07.2025 forderte das Gericht die Bf. auf, zu den angegebenen Folgeerkrankungen sowie für den Krankenhausaufenthalt in der Privatklinik Döbling bestimmte Nachweise vorzulegen.
Hinsichtlich des Krankenhausaufenthaltes führte das Gericht nach Darstellung des bisherigen Vorbringens sowie der entsprechenden Rechtsprechung aus, dass dem Entlassungsbrief vom 21.08.2019 nicht entnommen werden kann, ob die Aufnahme in diesem Krankenhaus aus triftigen Gründen medizinisch geboten war oder ob nicht auch eine Verlegung in ein öffentliches Krankenhaus ebenso medizinisch möglich gewesen wäre. Ihrem Antwortschreiben legte die Bf. diesbezüglich einen ambulanten Arztbrief des Ambulatoriums Döbling vor, in dem bestätigt wird, dass bei v.a Angina Pectoris eine stationäre Aufnahme von 12 - 14 August 2019 aus Sicht der bestätigenden Ärztin medizinisch dringend war.
Es ist verständlich, dass man als Patient bei Beschwerden jenen Arzt aufsucht, bei dem man auch sonst in Behandlung ist, da er die Krankengschichte kennt. Wählt man dafür ein Ambulatorium, das an ein Privatspital angeschlossen ist, muss man bei akuten Beschwerden auch damit rechnen, in das Privatspital aufgenommen zu werden.
Dass bei Verdacht auf Angina Pectoris eine stationäre Aufnahme medizinisch dringend war, wurde bestätigt. Nicht bestätigt wurde jedoch die ursprüngliche Frage, ob die Aufnahme in gerade diesem Privatspital aus triftigen Gründen medizinisch geboten war, oder ob nicht auch die Aufnahme in ein öffentliches Krankenhaus (bzw eine Verlegung dorthin) medizinisch möglich gewesen wäre.
Für das Vorliegen einer chronischen Dickdarmentzündung wurde die Bescheinigung der Bundespolizeidirektion vorgelegt und ist diese Erkrankung als Erwerbsminderung bestätigt worden.
Mit Schreiben vom 27.07.2025 legte die Bf. in Beantwortung des Beschlusses des Bundesfinanzgerichtes ein Schreiben von Dr. ***FA innere Medizin*** vom 14.07.2025 vor. In diesem wird bestätigt, dass aufgrund der Autoimmunerkrankung Spondylitis ankylosans eine langjährige, regelmäßige Verabreichung von Immunsuppressiva erfolgt und dadurch das Funktionieren des Immunsystems der Bf. geschwächt sei. Das Auftreten von Infektionskrankheiten sei eine Nebenwirkung der Einnahme von Immunsuppressiva. Auch Entzündungen der Regenbogenhaut bzw der vorderen Uvea würden als typische Manifestation der Spondylitis ankylosans auftreten, weshalb davon auszugehen sei, dass diese Krankheiten in ursächlichem Zusammenhang mit der Grunderkrankung stehen. Ebenso würde aufgrund der Erkrankung an Colitis ulcerosa ein erhöhtes Risiko von Infektionen, insbesondere im Genitalbereich bestehen, weshalb davon auszugehen sei, dass die Erkrankung an bakteriellen Vaginosen in einem ursächlichen Zusammenhang mit dieser Grunderkrankung stehe.
Aufgrund dieser Bestätigung, zu der die belangte Behörde keine Stellungnahme abgegeben hat, geht das Bundesfinanzgericht in freier Beweiswürdigung davon aus, dass die angeführten zusätzlichen Erkrankungen Folgeerkrankungen der als Erwerbsminderung anerkannten Krankheiten sind.
Im Vorlagebericht führte die Behörde jene Positionen an, die als außergewöhnliche Belastung mit bzw ohne Selbstbehalt aus Sicht der Behörde anzuerkennen seien. Die Summe der Beträge deckt sich mit den in der Beschwerdevorentscheidung anerkannten Beträgen. Als anzuerkennende Kosten ohne Selbstbehalt sind ua angeführt: 88,60 Euro (UNIQA Abrechnung vom 21.11.2019) sowie 379,64 Euro (Medikamente). Wie sich diese beiden Beträge zusammensetzen, war für das Gericht nicht eruierbar und konnte dies auch von der belangten Behörde nicht mehr nachvollzogen werden.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)
Zunächst ist festzuhalten, dass das Bundesfinanzgericht gemäß § 279 Abs. 1 BAO berechtigt ist, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
§ 34 EStG 1988 lautet auszugsweise: "(1) Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.
(2) Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.
(3) Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
(4) Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt. Der Selbstbehalt beträgt bei einem Einkommenvon höchstens 7 300 Euro ………………………….6%.mehr als 7 300 Euro bis 14 600 Euro … ………8%.mehr als 14 600 Euro bis 36 400 Euro ……...10%.mehr als 36 400 Euro …………………………… ..12%.[…](6) Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:[…]- Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.[…]"
§ 35 EStG 1988 (idF BGBl. I Nr. 103/2019) lautet auszugsweise:"(1) Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen - durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung, […]und erhält weder der Steuerpflichtige noch sein (Ehe-)Partner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage), so steht ihm jeweils ein Freibetrag (Abs. 3) zu.[…](2) Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). […]Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Zuständige Stelle ist:[…]In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.(3) Es wird jährlich gewährtbei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von […]65% bis 74% ………. 599 Euro […].(5) Anstelle des Freibetrages können auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung geltend gemacht werden (§ 34 Abs. 6).[…]"
Verordnung über außergewöhnliche Belastungen lautet auszugsweise:"§ 1(1) Hat der Steuerpflichtige Aufwendungen- durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,[…] so sind die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.(2) Eine Behinderung liegt vor, wenn das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25% beträgt.(3) Die Mehraufwendungen gemäß §§ 2 bis 4 dieser Verordnung sind nicht um eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) oder um einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 zu kürzen.
§ 2(1) Als Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung sind ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten bei - Tuberkulose, Zuckerkrankheit, Zöliakie oder Aids……………………………………..70 Euro- Gallen-, Leber- oder Nierenkrankheit ……………………………………………………….51 Euro- Magenkrankheit oder einer anderen inneren Krankheit……………………………42 Euro pro Kalendermonat zu berücksichtigen. Bei Zusammentreffen mehrerer Krankheiten ist der höhere Pauschbetrag zu berücksichtigen. […]
§ 4Nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung sind im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.[…]"
Voraussetzung für die Abzugsfähigkeit von Kosten der Heilbehandlung nach § 4 der Verordnung ist, dass diese in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Behinderung stehen (VwGH 23.1.2019, Ro 2016/13/0010). Der Steuerpflichtige ist verpflichtet, bei Inanspruchnahme der Begünstigung nach § 35 Abs 5 EStG 1988 den ursächlichen Zusammenhang zwischen seiner Behinderung und den von ihm angewendeten Heilmitteln bzw Heilbehelfen nachzuweisen (VwGH 18.5.1995, 93/15/0079).
Kurkosten:Nicht jeder durchgeführte Kuraufenthalt führt zu einer außergewöhnlichen Belastung. Erforderlich ist ein bestimmtes, unter ärztlicher Aufsicht und Betreuung durchgeführtes Heilverfahren (VwGH 24.9.08, 2006/15/0120). Die Reise muss zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig sein (VwGH 22.2.01, 98/15/0123). Für das Vorliegen der Voraussetzungen ist der Steuerpflichte nachweispflichtig (VwGH 22.2.01, 98/15/0123). Erforderlich ist die Vorlage eines vor Antritt der Kur ausgestellten ärztlichen Zeugnisses (VwGH 04.09.2014, 2012/15/0136), aus dem sich die Notwendigkeit und die Dauer der Reise sowie das Reiseziel ergeben (VwGH 24.09.2008, 2006/15/0120). Die medizinische Notwendigkeit einer Maßnahme wird auch durch (teilweise) Übernahme der Kosten durch den Sozialversicherungsträger nachgewiesen (zB VwGH 30.03.2022, Ro 2020/13/0008).
Bis auf den Selbstbehalt wurden die Kosten für den Kuraufenthalt von der Sozialversicherung übernommen. Aufgrund der orthopädischen Rehabilitation ist die behinderungsbedingte Zwangsläufigkeit der Maßnahme gegeben und stellen die damit zusammenhängenden Kosten (abzüglich einer Haushaltsersparnis) - wie auch von der Behörde in der Beschwerdevorentscheidung anerkannt - außergewöhnliche Belastungen im Zusammenhang mit der Behinderung dar (KZ 476, 545,68 Euro).
Krankheitskosten:Allgemein gilt, dass nicht jede auf ärztliches Anraten und aus medizinischen Gründen durchgeführte Gesundheitsmaßnahme zu einer außergewöhnlichen Belastung führt. Die Aufwendungen müssen vielmehr zwangsläufig erwachsen, womit es erforderlich ist, dass die Maßnahmen zur Heilung und Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig sind (vgl zB VwGH 04.09.2014, 2012/15/0136, 11.02.2022, Ra 2020/13/0062). Krankheitskosten können nur dann als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden, wenn sie mit einer konkreten Heilbehandlung verbunden sind, nicht hingegen, wenn sie bloß allgemein der Vorbeugung von Krankheiten dienen.
Die medizinische Notwendigkeit einer Maßnahme wird zB durch eine ärztliche Verordnung, einen ärztlichen Therapieplan oder durch (teilweise) Übernahme der Kosten durch den Sozialversicherungsträger nachgewiesen (zB VwGH 30.03.2022, Ro 2020/13/0008). Eine ärztliche Empfehlung ist jedoch nicht ausreichend.
Daher bilden die Kosten ohne konkreter ärztlicher Verordnung eingenommener Vitaminpräparate und anderer Nahrungsergänzungsmittel keine außergewöhnliche Belastung (vgl VwGH 10.2.2016, 2013/15/0254 und 0255; zB Renner, BFGjournal 2016, 168). (Fuchs in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG24 § 34 Rz 78 (Stand 1.1.2024, rdb.at)
Auch bei behinderungsbedingten Kosten der Heilbehandlung handelt es sich um Maßnahmen, die zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich erforderlich sind und die im ursächlichen Zusammenhang mit der Behinderung stehen. Dazu zählen bsplw. auch Kosten für Medikamente oder Fahrtkosten zu Ärzten. (vgl Fuchs in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG24 § 35 Rz 17)
Die Arzthonorare, die Kosten für Heilbehelfe (abzüglich der Ersätze) sowie Fahrtkosten wurden bereits in der Beschwerdevorentscheidung von der belangten Behörde richtigerweise im beantragten Ausmaß (468,46; 89,33 sowie 25,75) als außergewöhnliche Belastung im Zusammenhang mit der Behinderung (KZ 476) anerkannt.
Die nach Abzug der Ersätze verbliebenen Kosten für "Mundhygiene zur Zahnerhaltung" (Rechnung von Dr. ***Zahnarzt***) iHv 14,00 Euro konnten nicht anerkannt werden, da es sich hierbei um keine Heilbehandlung, sondern um eine vorbeugende Maßnahme handelt.
Zu den geltend gemachten und belegmäßig nachgewiesenen Kosten für Medikamente ist Folgendes auszuführen:
Für die Apothekenrechnungen vom: 05.07.2019 (150,48), 28.06.2019 (16,38), 16.08.2019 (67,72), 11.01.2019 (103,30), 14.01.2019 (3,95), 30.01.2019 (98,16), 15.02.2019 (163,92) wurden von der UNIQA Österreich Versicherungen AG (in Folge UNIQA) zum größten Teil Ersätze geleistet. Nicht ersetzt wurden Ausgaben für OptiFibre, Zink, Sterillium, Sonnencreme. Diese Artikel stellen - wie weiter unten ausgeführt wird - keine außergewöhnliche Belastung dar. Mit den Vergütungen aus der Rechnung vom 15.02.2019 wurde das betragliche Limit erreicht, weshalb von der UNIQA für die Produkte Etocovit (20,76), Gynophilus (10,80) und Wick Hustenst (9,96) keine Ersätze mehr geleistet wurden. Aus diesem Grund erhielt die Bf. auch keine weiteren Ersätze aus den nachfolgenden Rechnungen für Medikamente.
Krankheitskosten etwaiger Folgeerkrankungen einer Behinderung sind ebenso als Kosten der Heilbehandlung nach § 4 VO und somit ohne Abzug des Selbstbehaltes zu berücksichtigen (vgl VwGH 23.01.2019, Ro 2016/13/0010). Wie in der Beweiswürdigung dargestellt, wurde ein Nachweis für das Vorliegen von Folgeerkrankungen erbracht: Infektionskrankheiten, Entzündungen der Regenbogenhaut sowie der vorderen Uvea und bakterielle Vaginosen. Die Kosten für damit in Zusammenhang stehende Medikamente waren daher ohne Selbstbehalt zu berücksichtigen.
Mit dem Schreiben vom 21.11.2022 (Stellungnahme zum Vorlagebericht) hat die Bf. ua eine Bestätigung von Dr. ***FA innere Medizin***, ausgestellt am 23.08.2022 vorgelegt. Darin wird die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln empfohlen. Die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln sei medizinisch indiziert und diene ua der Linderung von Nebenwirkungen diverser Medikamente.
Wie bereits zuvor ausgeführt, kann die medizinische Notwendigkeit einer Maßnahme durch eine ärztliche Verordnung, einen ärztlichen Therapieplan oder durch (teilweise) Übernahme der Kosten durch den Sozialversicherungsträger nachgewiesen werden. Eine - wie hier vorgelegte - ärztliche Empfehlung, noch dazu im Nachhinein ausgestellt, kann die medizinische Notwendigkeit nicht nachweisen, da sie weder eine Verordnung noch einen Therapieplan darstellt. Im Übrigen ist das Schreiben sehr pauschal gehalten und auch nicht angeführt, welche Nahrungsergänzungsmittel empfohlen werden.
Auch bei dem vorgelegten "Rezept" von Dr. ***FA Orthopädie*** für "Arthro Formula 4 Gold" aus dem Jahr 2018 handelt es sich lediglich um eine Empfehlung ("Mikronährstoffempfehlung"). Diese Empfehlung trägt weiters den Vermerk einer Ablehnung vom 02.03.2018 durch Dr. ***Arzt***.
Die Ausgaben für Nahrungsergänzungsmittel und Vitaminpräparate sind daher nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig. Es handelt sich dabei um folgende Positionen: Ferrasorb Thorne Kps - Eisen, Etocovit - Vitamin E, Zink, Magn Verla Pur - Magnesium, Acurmin Plus Mizellcur (Curcuma), Spermidin support, Arthro Formula Gold, Mirachol Gold.
Nahrungsmittel, Hygiene- und Kosmetikartikel stellen keine Kosten der Heilbehandlung dar und sind gemäß § 20 Abs. 1 Z 1 EStG nicht abzugsfähig. Die Kosten für Leinöl, Proteinriegel, Sonnencreme, Sterillium, La Roche Hyalu B5 Serum, Lactamousse, Heilcreme waren daher nicht anzuerkennen. Auch OptiFibre, das als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke zum Diätmanagement bei beeinträchtigter Darmtätigkeit geführt wird, ist nicht gesondert absetzbar, sondern ist vom monatlichen pauschalen Freibetrag für Diätverpflegung umfasst.
Folgende Medikamente bzw Hilfsmittel stehen in Zusammenhang mit der Behinderung bzw einer der bestätigten Folgeerkrankung und sind deren Kosten daher als außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt (KZ 476) abzugsfähig: Enbrel, Hyabak Augen Tropfen, Gynophilus, Wick Hustenst, Omniflora, Klistier, Microlax, Antiflat, Cationorm Augen Tropfen, Lemocin, Mucosolvan.
Bei nachfolgenden Medikamenten war ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Behinderung bzw einer Folgeerkrankung nicht ersichtlich, weshalb diese als außergwöhnliche Belastung unter Berücksichtigung des Selbstbehaltes (KZ 730) zu berücksichtigen waren: Blopress (Bluthochdruck), Cerebokan (demenzielle Beschwerden), Magnosolv (Magnesium, mit Verordnung), Betahistin (Schwindel), Daflon (Venenleiden), Thrombo Ass ("Blutverdünnung"), Legalon (Lebererkrankung), Euthyrox (Schilddrüse), Eu-Med Schmerztabletten.
In nachfolgender Übersicht sind die Produkte der Apothekenrechnungen angeführt, für die von der UNIQA keine Ersätze mehr geleistet wurden:
Selbstbehalt UNIQA - Privatklinik DöblingNach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können auch Aufwendungen, die nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden, dem Steuerpflichtigen (der Höhe nach) zwangsläufig erwachsen, wenn sie aus triftigen Gründen medizinisch geboten sind (vgl. etwa VwGH 20.9.2023, Ro 2021/13/0025; 11.2.2022, Ra 2020/13/0062; 5.10.2021, Ra 2021/15/0059; 27.9.2021; Ra 2020/15/0066; jeweils mwN). Die Beweislast dafür trägt der Steuerpflichtige, der selbst alle Umstände darzulegen hat, auf welche die Berücksichtigung bestimmter Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung gestützt werden kann (vgl. erneut VwGH 20.9.2023, Ro 2021/13/0025; 13.3.2023, Ra 2020/13/0057; jeweils mwN). (VwGH 18.12.2024, Ro 2021/13/0011)
Im vorliegenden Fall beruhen die von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht übernommenen Mehrkosten auf einem Aufenthalt in einer Privatklinik, wobei diese Kosten grundsätzlich durch eine private Krankenzusatzversicherung gedeckt waren und die Bf. lediglich den mit der Versicherung vereinbarten Selbstbehalt iHv 560,00 Euro zu tragen hatte.
Wie in der Beweiswürdigung dargestellt, konnte die Bf. nicht nachweisen, dass triftige medizinische Gründe vorlagen, die die Aufnahme gerade in dieser Privatklinik (anstatt einer öffentlichen Krankenanstalt) notwendig machten. Die zusätzlichen Ausgaben (560,00 Euro) sind daher nicht zwangsläufig erwachsen und somit nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig.
Zusammengefasst ergibt sich Folgendes:Die Krankheitskosten, die im Zusammenhang mit der Behinderung chronische Dickdarmentzündung sowie ankylosierende Spondylitis stehen (545,68 + 468,46 + 89,33 + 25,75 + 158,10 = 1.287,32 Euro), waren als zusätzliche Kosten aus dem Titel der Behinderung (KZ 476 - ohne Selbstbehalt) zu berücksichtigen.
Weitere durch Krankheit verursachte aber ohne Zusammenhang mit der Behinderung stehende Aufwendungen können als außergewöhnliche Belastungen (KZ 730 - mit Selbstbehalt) gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988 abgezogen werden: 177,10 Euro.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Weil im vorliegenden Fall entscheidungswesentlich die in freier Beweiswürdigung vorgenommene Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes war, liegen die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vor. Des Weiteren ist das Bundesfinanzgericht in seiner Entscheidung auch nicht von der unter Punkt 3.1. angeführten strengen Judikaturlinie des Verwaltungsgerichtshofes zu außergewöhnlichen Belastungen abgewichen.
Es war daher gemäß § 25a Abs. 1 VwGG spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am 24. September 2025