Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache
***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Reinhold Berger Steuerberatungsgesellschaft KG, Stadlweg 23, 6020 Innsbruck,
über die Beschwerde vom 30. April 2021 gegen den Bescheid des ***FA*** vom 5. März 2021 betreffend Umsatzsteuer 2019 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert. Die Umsatzsteuer 2019 wird (erklärungsgemäß) festgesetzt mit - ***xxx*** Euro.
Die Bemessungsgrundlagen sind den Entscheidungsgründen zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Fortgesetzes Verfahren nach VwGH 7. Oktober 2025, Ra 2023/15/0100
Im Verfahren vor dem VwGH waren vier Streitjahre betroffen. In drei Streitjahren erfolgte eine Wiederaufnahme der Verfahren, im vierten Streitjahr 2019 wurden die vom Finanzamt getroffenen Feststellungen bereits im Erstbescheid berücksichtigt. Das BFG hat diesen Erstbescheid, der im hier vorliegenden Verfahren strittig ist - unrichtigerweise - aufgehoben.
Wie der Verwaltungsgerichtshof schon mehrfach ausgesprochen hat, stellt die ersatzlose Behebung des Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht eine Entscheidung in der Sache selbst dar. Ein solcherart in Form eines Erkenntnisses gefasster Spruch eines Verwaltungsgerichtes schließt eine neuerliche Entscheidung über den Verfahrensgegenstand durch die Verwaltungsbehörde grundsätzlich aus (VwGH aaO, Rn 29).
Im fortgesetzten Verfahren hat das BFG daher gemäß § 279 BAO die Umsatzsteuer neu festzusetzen (VwGH aaO, Rn 30).
Im Streitjahr sind folgende Umsätze iHv insgesamt ***xyz*** Euro strittig:
Die Bf. kauft bei ihrem verbundenen österreichischen Unternehmen ***verb GmbH*** Hardware mit vorinstallierter Software ein, die sie an diverse europäische Fernsehsender im Rahmen eines Gesamtpakets aus Hardware, Software, Beratung, Installation und Support weiterverkauft.
Bei der Bestellung der Hardware, die für jeden einzelnen Liefervorgang von ***verb GmbH*** zusammengestellt, aufbereitet und auch schon auf Funktionalität getestet wird, gibt die Bf. ihrem Lieferanten bekannt, an welche Kunden sie die Ware liefert.
Die Ware gelangt direkt von Österreich zu den verschiedenen europäischen Kunden. Für den Transport bis zum Kunden ist die Bf. verantwortlich (DAP - der Verkäufer trägt alle Kosten und Gefahren bis zum Bestimmungsort).Die Bf. tritt gegenüber ihrem Lieferanten ***verb GmbH*** unter ihrer österreichischen UID auf.
Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Außenprüfungsbericht bzw. den gleichlautenden ergänzenden Stellungnahmen bzw. dem Vorverfahren zu Gz RV/2100825/2022 und wird im weiteren Verfahren auch nicht bestritten. Er kann damit als erwiesen angenommen werden.
Ein Reihengeschäft liegt vor, wenn mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte abschließen und diese Geschäfte dadurch erfüllt werden, dass der erste Unternehmer dem letzten Abnehmer in der Reihe unmittelbar die Verfügungsmacht über den Gegenstand verschafft (vgl. VwGH 19.12.2023, Ro 2022/15/0035, mwN).
Im Beschwerdefall hat die Bf. Hardware bei der ***verb GmbH*** gekauft und die Waren unmittelbar zu ihren Kunden aus dem EU-Raum befördert. Damit liegt ein Reihengeschäft vor.
Bei Lieferungen in der Reihe handelt es sich gedanklich um mehrere Lieferungen, die als nacheinander erfolgt anzusehen sind, auch wenn sie nur zu einer einzigen Bewegung von Gegenständen führen. Der Ort der einzelnen Umsätze muss jeweils für sich bestimmt werden; nur für einen Umsatz in der Reihe kann der Ort der Lieferung nach § 3 Abs. 8 UStG 1994 bestimmt werden; diese Lieferung wird üblicherweise als die "bewegte Lieferung" bezeichnet, die anderen Lieferungen als "ruhende Lieferungen" (vgl. VwGH 5.3.2020, Ro 2018/15/0011, mwN, EuGH 6.4.2006, Rs C-245/04 "EMAG" Rn. 51).
Bei einem Reihengeschäft mit einer Warenbewegung in einen anderen Mitgliedstaat kann nur die bewegte Lieferung eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung sein. Der Ort der ruhenden Lieferung befindet sich entweder im Mitgliedstaat des Beginns oder im Mitgliedstaat der Ankunft der Beförderung oder Versendung, je nachdem, ob die bewegte Lieferung vor oder nach einer solchen Lieferung stattfindet (VwGH 7.10.2025, Ra 2023/15/0100, Rn 17).
Wie der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnissen vom 5.3.2020, Ro 2018/15/0011, und Ro 2018/15/0004, bereits ausgesprochen hat, ist zur Beantwortung der Frage, welcher der beiden Lieferungen die innergemeinschaftliche Beförderung zuzuordnen ist, insbesondere zu klären, zu welchem Zeitpunkt die zweite Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, zugunsten des Endabnehmers stattgefunden hat. Falls die zweite Übertragung dieser Befähigung vor der innergemeinschaftlichen Beförderung stattfand, kann diese nicht der Erstlieferung an den Ersterwerber zugeordnet werden (vgl. EuGH 26.7.2017, Toridas, C-386/16, Rn. 36; und 19.12.2018, Arex, C-414/17, Rn. 70).
Diese Auslegung gilt unabhängig davon, in der Verfügungsmacht welches Steuerpflichtigen - des Erstverkäufers, des Zwischenerwerbers oder des Zweiterwerbers - sich der Gegenstand während dieser Versendung oder Beförderung befindet. Die Übertragung der Befugnis verlangt weder, dass die Partei, der dieser Gegenstand übertragen wird, physisch über ihn verfügt, noch, dass der Gegenstand physisch zu ihr befördert wird und/oder physisch von ihr empfangen wird (VwGH 7.10.2025, Ra 2023/15/0100, Rn 20 unter Verweis auf VwGH 19.10.2022, Ro 2021/15/0034).
Im Beschwerdefall besteht Streit über die Bestimmung der Lieferung, die der Versendung oder Beförderung zuzurechnen ist. Nach Ansicht des Finanzamtes ist es die Lieferung der ***verb GmbH*** an die Bf, nach Ansicht der Bf. ist die "bewegte Lieferung" die von ihr an die jeweiligen Fernsehsender.
Im Beschwerdefall haben der Lieferant ***verb GmbH*** und die Bf. bei Abschluss des Geschäftes die Umstände offenbar derart gewürdigt, dass den jeweiligen Fernsehsendern die Verfügungsmacht (= Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen) über die Hardware verschafft wird, bevor die Beförderung stattfindet.
Dies drückt sich zunächst in der Rechnung der ***verb GmbH*** aus, in der 20% österreichische Umsatzsteuer ausgewiesen wurden. Außerdem musste die ***verb GmbH*** laut ergänzender Stellungnahme des steuerlichen Vertreters noch in Österreich sicherstellen und überprüfen, dass die Waren die Anforderungen der Endkunden erfüllen, was ebenfalls indiziert, dass diesen noch in Österreich die Verfügungsmacht verschafft wurde, da ja im endgültigen Bestimmungsland keine weiteren Adaptierungsarbeiten nötig sein sollten.
Der Lieferantin ***verb GmbH*** war auch bekannt, dass die Hardware Teil einer Gesamtleistung der Bf. ist: Laut Außenprüfungsbericht verkauft die Bf. die Hardware im Rahmen eines Gesamtpakets aus Hardware, Software, Beratung, Installation und Support. Dementsprechend führt der stV in der ergänzenden Stellungnahme auch aus, dass der Lieferantin bekannt gegeben wurde, an wen die Hardware geliefert wird und welche Anforderungen an die Ware gestellt werden.
Somit informierte die Bf. ihre Geschäftspartnerin ***verb GmbH*** im Sinne der Rechtsprechung des EuGH in der Rs Toridas darüber, dass die Waren unmittelbar an in anderen Mitgliedstaaten niedergelassene Endabnehmer weiterverkauft werden, bevor sie aus Österreich ausgeführt und zu den Endabnehmern befördert werden.
In Würdigung aller Umstände dieses Einzelfalles ist daher davon auszugehen, dass die den Steuererklärungen zugrundeliegende Beurteilung richtig war.
Auch der VwGH Ra 2023/15/0100, Rn 23f. sah darin keine unrichtige rechtliche Beurteilung:
"Damit stellte das BFG im Sinne der zitierten hg. Rechtsprechung die vor der Beförderung erfolgte spezifische Individualisierung der Waren im Revisionsfall in den Vordergrund seiner Überlegungen und leitete daraus ab, dass fallbezogen auch die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, zugunsten der Fernsehsender als Endabnehmer bereits vor der Warenbewegung erfolgt sei. Damit stellte das BFG im Sinne der zitierten hg. Rechtsprechung die vor der Beförderung erfolgte spezifische Individualisierung der Waren im Revisionsfall in den Vordergrund seiner Überlegungen und leitete daraus ab, dass fallbezogen auch die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, zugunsten der Fernsehsender als Endabnehmer bereits vor der Warenbewegung erfolgt sei.
Diesem Argument tritt die Amtsrevision nicht substantiiert - etwa durch Hinweis auf gegenteilige Vereinbarungen mit den Endabnehmern - entgegen."
Die ***verb GmbH*** liefert gem. § 3 Abs 7 UStG 1994 steuerpflichtig (20%) in Österreich und die Bf. liefert gem. § 3 Abs 8 UStG 1994 steuerfrei gem. Art 7 UStG 1994 in Österreich.
Da die Bf. nach der oben dargestellten rechtlichen Beurteilung keinen innergemeinschaftlichen Erwerb bewirkt (bzw. die ***verb GmbH*** auch keine innergemeinschaftliche Lieferung ausführt), kann Art 3 Abs 8 zweiter Satz UStG 1994 nicht zur Anwendung kommen.
Da der Ansicht der Bf. auch für das Jahr 2019 gefolgt wird, hat die Veranlagung erklärungsgemäß zu erfolgen.
[...]
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im Beschwerdefall wird den Ausführungen des Erkenntnisses Ra 2023/15/0100 gefolgt, weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.
Graz, am 10. November 2025
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