Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Novak, den Hofrat Dr. Sutter, die Hofrätinnen Dr. in Lachmayer und Dr. in Wiesinger sowie den Hofrat Dr. Hammerl als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des Finanzamts Österreich, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 23. August 2023, Zl. RV/2100825/2022, betreffend Wiederaufnahme der Umsatzsteuerverfahren 2016 bis 2018 und Umsatzsteuer 2016 bis 2019 (mitbeteiligte Partei: V AS in B, Norwegen, vertreten durch die Mag. Reinhold Berger Steuerberatungsgesellschaft KG in Innsbruck),
Spruch
I. den Beschluss gefasst:
Die Revision wird soweit sie die Wiederaufnahme der Umsatzsteuerverfahren 2016 bis 2018 und Umsatzsteuer 2016 bis 2018 betrifft zurückgewiesen.
II. zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird hinsichtlich Umsatzsteuer 2019 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
1 Bei der mitbeteiligten Partei handelt es sich nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) um ein norwegisches Unternehmen, welches in Österreich umsatzsteuerrechtlich als ausländisches Unternehmen erfasst ist und dem eine österreichische ID Nummer (UID) erteilt wurde.
2 Die Mitbeteiligte kaufte in den Streitjahren bei ihrem verbundenen österreichischen Unternehmen, der A GmbH, Hardware mit vorinstallierter Software, die sie an verschiedene europäische Fernsehsender im Rahmen eines Gesamtpakets aus Hardware, Software, Beratung, Installation und Support weiterverkaufte. Bei der Bestellung der Hardware gab die Mitbeteiligte der A GmbH als ihrem Lieferanten stets bekannt, an welche Kunden sie die Hardware zu welchen Spezifikationen liefere, damit die Ware für jeden einzelnen Liefervorgang von der A GmbH zusammengestellt, aufbereitet und auch schon auf Funktionalität getestet wurde. Die Ware gelangte direkt von Österreich zu den verschiedenen europäischen Kunden. Für den Transport bis zum Kunden war die Mitbeteiligte verantwortlich, die gegenüber der A GmbH unter ihrer österreichischen UID auftrat.
3 Das Finanzamt beurteilte diese Vorgänge im Zuge einer Außenprüfung als Reihengeschäfte, bei denen die A GmbH innergemeinschaftliche Lieferungen an die Mitbeteiligte ausführt und diese nicht steuerbare Lieferungen im EU Ausland. In der Folge nahm es unter Hinweis auf die erstmalige Vorlage von Belegen und Rechnungen sowie auf Vorhaltsbeantwortungen mit Bescheiden vom 5. März 2021 die Verfahren zur Umsatzsteuer 2016 bis 2018 wieder auf. Zudem erließ es Umsatzsteuerbescheide 2016 bis 2019, in denen es die steuerbaren Umsätze der Mitbeteiligten um die bisher als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen erklärten Beträge verringerte und einen innergemeinschaftlichen Erwerb gemäß Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UstG 1994 versteuerte, weil die Mitbeteiligte gegenüber der A GmbH mit ihrer österreichischen UID aufgetreten sei.
4 Einer Beschwerde gegen diese Bescheide gab das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung keine Folge, woraufhin die Mitbeteiligte die Vorlage der Beschwerde an das BFG beantragte.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision für nicht zulässig erklärt wurde, hob das BFG die Bescheide betreffend Wiederaufnahme der Verfahren zur Umsatzsteuer 2016 bis 2018 sowie betreffend Umsatzsteuer 2019 ersatzlos auf und erklärte die Beschwerde gegen die Umsatzsteuerbescheide 2016 bis 2018 als gegenstandslos. Begründend führte es aus, dass zwar neue Tatsachen im Sinne des § 303 Abs. 1 BAO hervorgekommen seien, diese jedoch nicht zu einem im Spruch anderslautenden Bescheid geführt hätten.
6 Hierzu führte das BFG zunächst aus, ein Reihengeschäft liege dann vor, wenn mehrere Unternehmer Umsatzgeschäfte über dieselben Gegenstände abschlössen und diese Gegenstände unmittelbar vom ersten Lieferer an den letzten Abnehmer (Empfänger) in der Reihe befördert oder versandt würden. Da die Mitbeteiligte Hardware bei der A GmbH gekauft und die Waren unmittelbar zu ihren Kunden aus dem EU Raum befördert habe, liege ein Reihengeschäft vor. Wenn zwei aufeinanderfolgende Lieferungen desselben Gegenstands, die gegen Entgelt zwischen Steuerpflichtigen vorgenommen würden, zu einer einzigen innergemeinschaftlichen Versendung oder Beförderung dieses Gegenstands führten, könne diese Versendung oder Beförderung nur einer der beiden Lieferungen zugeordnet werden, die auch als einzige befreit sein könne (Hinweis auf EuGH 6.4.2006, C 245/04, EMAG ; 16.12.2010, Rs C 430/09, Euro Tyre Holding BV ; 27.9.2012, C 587/10, VSTR , und 26.7.2017, Rs C 386/16, Toridas ). Die Bestimmung, welchem Umsatz diese Beförderung zuzurechnen sei, ob also der ersten oder der zweiten Lieferung, habe in Ansehung einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu erfolgen. Insbesondere hänge die Zuordnung von der Bestimmung des Zeitpunkts ab, zu dem dem Endempfänger die Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, übertragen worden sei. Falls nämlich die zweite Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, stattgefunden habe, bevor die innergemeinschaftliche Beförderung erfolgt sei, könne die innergemeinschaftliche Beförderung nicht mehr der Lieferung an den Ersterwerber zugerechnet werden. Informiere der Erwerber vor Bewirkung des Lieferumsatzes den Lieferanten darüber, dass die Waren unmittelbar an einen in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Steuerpflichtigen weiterverkauft würden, bevor sie aus dem ersten Mitgliedstaat ausgeführt und zum dritten Steuerpflichtigen befördert würden, sei dies ein Indiz dafür, dass die „bewegte Lieferung“ dem mittleren Unternehmer zuzuordnen sei (Hinweis auf 26.7.2017, Rs C 386/16, Toridas, Rn. 44).
7 Im Revisionsfall sei die Verfügungsmacht über die gelieferte Ware an die jeweiligen Abnehmer der Mitbeteiligten bereits vor Beginn der Beförderung verschafft worden. Dies ergebe sich insbesondere daraus, dass die A GmbH die Waren mit österreichischer Umsatzsteuer fakturiert habe und daher selbst von einer steuerpflichtigen inländischen Lieferung ausgegangen sei. Darüber hinaus sei die A GmbH verpflichtet gewesen, bereits in Österreich sicherzustellen, dass die gelieferte Hardware den technischen Anforderungen der Endkunden entspreche. Daraus ergebe sich, dass im Bestimmungsland keine weiteren Adaptierungsarbeiten mehr erforderlich gewesen seien, was ein weiteres Indiz dafür sei, dass die wirtschaftliche Verfügungsmacht bereits im Inland auf die Endabnehmer übergegangen sei. Zudem sei der A GmbH bekannt gewesen, dass die gelieferte Hardware Teil eines Gesamtpakets der Mitbeteiligten sei. Die Mitbeteiligte habe die A GmbH über die konkreten Endkunden und deren spezifische Anforderungen an die Lieferung informiert. Damit sei der jeweilige Empfänger zum Zeitpunkt der Lieferung bereits festgestanden, und der Leistungsgegenstand sei individuell zugeordnet gewesen. Die Mitbeteiligte habe die A GmbH vor Ausführung des Umsatzes darüber informiert, dass die Ware unmittelbar an in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassene Abnehmer weiterveräußert werde und die Lieferung der Ware an den letzten Abnehmer unmittelbar vom ersten Lieferanten erfolge. Die Mitbeteiligte liefere daher gemäß § 3 Abs. 8 UstG 1994 iVm Art. 7 UstG 1994 steuerfrei in Österreich.
8 Die gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revision des Finanzamts trägt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, das BFG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 25.6.2007, 2006/14/0107, und 2.3.2006, 2003/15/0014) abgewichen, wonach für die Beantwortung der Frage, welcher Unternehmer die Beförderung oder Versendung des Liefergegenstands durchführe, nicht auf die Gefahr oder Kostentragung abzustellen sei, sondern darauf, welcher Unternehmer den Liefergegenstand entweder selbst befördere oder einen selbständigen (dritten) Unternehmer mit dem Transport oder der Besorgung des Transports des Liefergegenstands beauftragt habe. Für die Zurechnung der Versendung zum liefernden Unternehmer komme es sohin darauf an, ob dieser die Transportleistung des Dritten organisiert bzw. dem potenziellen Käufer der Ware die Möglichkeit der (gegebenenfalls durch einen Dritten zu erbringenden) Transportleistung angeboten habe, wofür es ausreichend sei, wenn der Lieferer die Versendung „veranlasst“ habe. Fallgegenständlich habe nicht die Mitbeteiligte als mittleres Unternehmen in den Reihengeschäften das Speditionsunternehmen mit dem Transport der Hardware beauftragt, sondern das erste Unternehmen in der Reihe, die A GmbH. So habe die Mitbeteiligte selbst vorgebracht, dass die A GmbH den Versand (in ihrem Auftrag) organisiert (den Spediteur beauftragt) und die Transportkosten an die Mitbeteiligte weiter verrechnet habe. Die Versendung bei den gegenständlich zu beurteilenden Reihengeschäften hätte damit nicht der Mitbeteiligten, sondern der A GmbH zugerechnet werden müssen.
9 Selbst wenn jedoch entgegen dieser Auffassung davon auszugehen sei, dass die Mitbeteiligte die Transporte veranlasst habe, müsse die Warenbewegung im Revisionsfall nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dennoch der (ersten) Lieferung der A GmbH an die Mitbeteiligte als Abnehmerin zugeordnet werden. Der Tatbestand des innergemeinschaftlichen Erwerbs werde nämlich vom mittleren Unternehmen (vom Zwischenerwerber) erfüllt, wenn er die Liefergegenstände beim ersten Unternehmer (dem Erstverkäufer) abhole und in Ausführung des Liefergeschäftes an den letzten Abnehmer befördere oder versende und keine besonderen Umstände vorlägen, die einer Zuordnung der innergemeinschaftlichen Warenbewegung zur Lieferung des Erstverkäufers entgegenstünden (Hinweis auf VwGH 25.6.2007, 2006/14/0107). Solche besonderen Umstände, die eine Zuordnung der Transportveranlassung ausnahmsweise zur zweiten Lieferung durch die Mitbeteiligte an den Abnehmer erlaubten, habe das BFG nicht festgestellt. Gegen die Annahme solcher Umstände spreche insbesondere auch die Tatsache, dass nach den Ausführungen der steuerlichen Vertretung regelmäßig die Lieferkondition „DAP“ („delivered at place“) vereinbart gewesen sei, nach der die Mitbeteiligte als Verkäuferin alle Kosten und Gefahren bis zum Bestimmungsort trage. Darauf sei das BFG in seiner Begründung gar nicht eingegangen.
10 Weiters habe das BFG ohne nähere Begründung den Umsatzsteuerbescheid 2019 ersatzlos behoben. Sofern das BFG der Rechtsansicht der Mitbeteiligten in Bezug auf die Reihengeschäfte folge, hätte es jedoch einen neuen Umsatzsteuerbescheid erlassen müssen, in dem zum einen die Lieferungen der Mitbeteiligten wieder als innergemeinschaftliche Lieferungen erfasst und auch die bisher abgezogenen Vorsteuern weiterhin berücksichtigt würden. Stattdessen habe das BFG entschieden, dass der bisherige Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2019 ersatzlos aufzuheben sei. Damit dürfe für das Jahr 2019 kein Umsatzsteuerbescheid mehr erlassen werden. Dies führe aber im Ergebnis dazu, dass die (allenfalls) steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen nicht erklärt und veranlagt würden und auch der bereits vorgenommene Vorsteuerabzug wieder rückgängig gemacht werden müsste.
11 Die Mitbeteiligte erstattete nach hg. Einleitung des Vorverfahrens keine Revisionsbeantwortung.
12 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zu I:
13 Ein Reihengeschäft liegt vor, wenn mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte abschließen und diese Geschäfte dadurch erfüllt werden, dass der erste Unternehmer dem letzten Abnehmer in der Reihe unmittelbar die Verfügungsmacht über den Gegenstand verschafft (vgl. VwGH 19.12.2023, Ro 2022/15/0035, mwN).
14 Gemäß § 3 Abs. 7 UStG 1994 wird eine Lieferung dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet.
15 Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer oder den Abnehmer befördert oder versendet, so gilt die Lieferung nach § 3 Abs. 8 UStG 1994 dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt. Versenden liegt vor, wenn der Gegenstand durch einen Frachtführer oder Verfrachter befördert oder eine solche Beförderung durch einen Spediteur besorgt wird. Die Versendung beginnt mit der Übergabe des Gegenstandes an den Spediteur, Frachtführer oder Verfrachter.
16 Bei Lieferungen in der Reihe handelt es sich gedanklich um mehrere Lieferungen, die als nacheinander erfolgt anzusehen sind, auch wenn sie nur zu einer einzigen Bewegung von Gegenständen führen. Der Ort der einzelnen Umsätze muss jeweils für sich bestimmt werden; nur für einen Umsatz in der Reihe kann der Ort der Lieferung nach § 3 Abs. 8 UStG 1994 bestimmt werden; diese Lieferung wird üblicherweise als die „bewegte Lieferung“ bezeichnet, die anderen Lieferungen als „ruhende Lieferungen“ (vgl. VwGH 5.3.2020, Ro 2018/15/0011, mwN).
17 Bei einem Reihengeschäft mit einer Warenbewegung in einen anderen Mitgliedstaat kann nur die bewegte Lieferung eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung sein. Der Ort der ruhenden Lieferung befindet sich entweder im Mitgliedstaat des Beginns oder im Mitgliedstaat der Ankunft der Beförderung oder Versendung, je nachdem, ob die bewegte Lieferung vor oder nach einer solchen Lieferung stattfindet (vgl. neuerlich VwGH 5.3.2020, Ro 2018/15/0011, mit Hinweis auf EuGH 6.4.2006, EMAG Handel Eder , C 245/04, Rn. 51).
18 Wie der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnissen vom 5. März 2020, Ro 2018/15/0011, und Ro 2018/15/0004, bereits ausgesprochen hat, ist zur Beantwortung der Frage, welcher der beiden Lieferungen die innergemeinschaftliche Beförderung zuzuordnen ist, insbesondere zu klären, zu welchem Zeitpunkt die zweite Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, zugunsten des Endabnehmers stattgefunden hat. Falls die zweite Übertragung dieser Befähigung vor der innergemeinschaftlichen Beförderung stattfand, kann diese nicht der Erstlieferung an den Ersterwerber zugeordnet werden (vgl. EuGH 26.7.2017, Toridas , C 386/16, Rn. 36; und 19.12.2018, Arex , C 414/17, Rn. 70).
19 Es kommt insoweit also auf den Zeitpunkt an, zu dem die Voraussetzungen in Bezug auf die innergemeinschaftliche Beförderung einerseits und die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, jeweils erfüllt sind.
20 Die Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, liegt vor, wenn die Partei ermächtigt ist, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer. Die Übertragung der Befugnis verlangt weder, dass die Partei, der dieser Gegenstand übertragen wird, physisch über ihn verfügt, noch, dass der Gegenstand physisch zu ihr befördert wird und/oder physisch von ihr empfangen wird (VwGH 19.10.2022, Ro 2021/15/0034).
21 Wesentliche Umstände für die Beurteilung des Übergangs der Verfügungsmacht hat der Verwaltungsgerichtshof im hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2023, Ro 2022/15/0035, einerseits darin gesehen, wann die Ware auf die Kunden „aufgeteilt“, also individualisiert wurde, und andererseits darin, wie lange der Zwischenerwerber Einfluss auf die Ware nehmen konnte. Zudem hat er darauf hingewiesen, dass der EuGH in seiner bisherigen Rechtsprechung bei Reihengeschäften nicht auf den Gefahrenübergang abgestellt hat.
22 Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung nahm das BFG im angefochtenen Erkenntnis an, dass die Endabnehmer die Befähigung, wie ein Eigentümer über die Waren zu verfügen, bereits vor deren innergemeinschaftlichen Beförderung erlangt haben. Die „bewegte Lieferung“ sei daher die Lieferung von der Mitbeteiligten an die jeweiligen Fernsehsender. Dies stützte das BFG darauf, dass der A GmbH stets bekannt gegeben worden sei, an wen die Hardware geliefert werde und welche Anforderungen an die Ware gestellt würden. Sie habe dann noch in Österreich sicherstellen und überprüfen müssen, dass die Waren die Anforderungen der jeweiligen Endkunden erfüllten. Im endgültigen Bestimmungsland seien keine weiteren Adaptierungsarbeiten nötig gewesen. Der A GmbH sei bekannt gewesen, dass die Hardware Teil einer spezifischen Gesamtleistung der Mitbeteiligten gewesen sei, die diese im Rahmen eines Gesamtpakets aus Hardware, Software, Beratung, Installation und Support an Fernsehsender verkauft habe. Die Mitbeteiligte habe die A GmbH im Sinne der Rechtsprechung des EuGH in der Rs Toridas darüber informiert, dass die Waren unmittelbar an in anderen Mitgliedstaaten niedergelassene Endabnehmer weiterverkauft würden, bevor sie aus Österreich ausgeführt und zu den Endabnehmern befördert würden. Dass den jeweiligen Fernsehsendern die Verfügungsmacht (= Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen) über die Hardware verschafft werde, bevor die Beförderung stattfinde, sei auch dem Rechtsgeschäft der A GmbH und der Mitbeteiligten zu Grunde gelegen, was sich bereits aus der Rechnung der A GmbH mit Ausweis von 20% österreichischer Umsatzsteuer ergebe.
23 Damit stellte das BFG im Sinne der zitierten hg. Rechtsprechung die vor der Beförderung erfolgte spezifische Individualisierung der Waren im Revisionsfall in den Vordergrund seiner Überlegungen und leitete daraus ab, dass fallbezogen auch die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, zugunsten der Fernsehsender als Endabnehmer bereits vor der Warenbewegung erfolgt sei.
24 Diesem Argument tritt die Amtsrevision nicht substantiiert etwa durch Hinweis auf gegenteilige Vereinbarungen mit den Endabnehmern entgegen.
25 Dass die Mitbeteiligte nach den Vertragskonditionen mit ihren Endabnehmern für den Transport bis zum Endkunden verantwortlich gewesen sei und alle Kosten und Gefahren („DAP“) für den Versand bis zum Bestimmungsort getragen habe, spricht für sich allein jedenfalls noch nicht gegen den vom BFG angenommenen früheren Übergang der Verfügungsmacht.
26 Eine Unvertretbarkeit der Beurteilung des BFG wird von der Amtsrevision sohin nicht aufgezeigt.
27 Die Amtsrevision war daher soweit sie die Wiederaufnahme der Umsatzsteuerverfahren 2016 bis 2018 und Umsatzsteuer 2016 bis 2018 betrifft mangels aufgezeigter Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG zurückzuweisen.
Zu II:
28 Zulässig und begründet ist die Revision jedoch insoweit, als sie sich gegen die ersatzlose Aufhebung des Umsatzsteuerbescheids 2019 wendet.
29 Wie der Verwaltungsgerichtshof schon mehrfach ausgesprochen hat, stellt die ersatzlose Behebung des Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht eine Entscheidung in der Sache selbst dar. Ein solcherart in Form eines Erkenntnisses gefasster Spruch eines Verwaltungsgerichtes schließt eine neuerliche Entscheidung über den Verfahrensgegenstand durch die Verwaltungsbehörde grundsätzlich aus. Die ersatzlose Behebung eines Bescheides setzt somit voraus, dass dieser nicht hätte ergehen dürfen und der dem materiellen Recht entsprechende Zustand nur durch die Kassation hergestellt werden kann. Dabei handelt es sich um eine „negative“ Sachentscheidung (vgl. VwGH 31.3.2025, Ro 2025/16/0002).
30 Wie die Amtsrevision zutreffend aufzeigt, gelangte das BFG im angefochtenen Erkenntnis so wie die Mitbeteiligte in ihrer Steuererklärung zum Ergebnis, dass die Mitbeteiligte in Österreich steuerbare Umsätze, nämlich innergemeinschaftliche Lieferungen, erbracht hat und wich damit von der Abgabenfestsetzung des Finanzamts ab. Es hätte daher gemäß § 279 BAO die Umsatzsteuer neu festsetzen müssen.
31 Das angefochtene Erkenntnis war somit hinsichtlich Umsatzsteuer 2019 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 7. Oktober 2025