JudikaturBFG

RV/3300008/2022 – BFG Entscheidung

Entscheidung
Steuerrecht
30. Juni 2025

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht beschließt durch den Richter Dr. Nicolaus Pomaroli MAS in der Finanzstrafsache gegen ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde des belangten ehemaligen Verbandes vom 24. Februar 2022 gegen das Erkenntnis des ***FSB*** vom 9. November 2021, Geschäftszahl ***Zl.***, betreffend die darin erkannten Finanzvergehen (Finanzordnungswidrigkeiten) gemäß § 51 Abs. 1 lit. a des Finanzstrafgesetzes durch eine Entscheidungsträgerin:

I. Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

II. Aus Anlass der Beschwerde des belangten Verbandes wird das Strafverfahren gegen den belangten Verband ***Bf1***, FN ***FN***, in Entsprechung § 82 Abs. 3 lit. c FinStrG gemäß §§ 136, 157 leg. cit. eingestellt.

III. Gegen diesen Beschluss ist die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Begründung

Mit Erkenntnis des ***FSB*** vom 09. November 2021, Geschäftszahlen ***GZ***, wurde (in Abwesenheit eines vertretungsbefugten Organs des Verbandes) der belangte Verband ***Bf1*** (ehem.: ***ehem. Verband***), gegründet am 07. Juni 2001, FB.Nr. 261927 m /St.Nr. 81122/0599, Betriebsgegenstand: Immobilien, Sitz in ***Adr*** verantwortlich erkannt,

dass ***nat. Person*** als Entscheidungsträgerin im Sinne des § 2 Abs. 1 Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (VbVG) i. V. m. § 28a FinStrG unter Verletzung den Verband

treffender Verpflichtungen (Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen Abgabe der Umsatzsteuererklärungen nach § 21 UStG i. V. m. § 119 BAO und Körperschaftsteuererklärungen nach § 24 Abs. 3 Z 1 KStG 1988 i. V. m. § 42 EStG 1988 u. § 119 BAO) Finanzvergehen begangen hat und somit eine Verantwortlichkeit des Verbandes gern. § 3 Abs. 2 VbVG i. V. m. § 28a FinStrG gegeben ist.

Und zwar habe ***nat. Person*** als Geschäftsführerin bzw. Vertreterin nach § 81 BAO des Verbandes ***Bf1*** (ehem.: ***ehem. Verband***) (***Nr.en***) im Amtsbereich des Finanzamtes Innsbruck vorsätzlich abgaben- oder monopolrechtliche Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten und zwar durch Nichteinreichung die Pflicht zur rechtzeitigen Abgabe der Umsatzsteuererklärungen (§ 21 UStG i. V. m. § 119 BAO) und Körperschaftsteuererklärungen (§ 24 Abs. 3 Z 1 KStG 1988 i. V. m. § 42 EStG 1988 u. § 119 BAO) für die Jahre 2013 bis 2018 verletzt und hiemit Finanzvergehen der Finanzvergehen der Finanzordnungswidrigkeiten nach § 51 Abs. 1 lit. a des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) begangen.

Gemäß § 51 Abs. 2 i. V. m. § 28a FinStrG wurde über den Verband eine Verbandsgeldbuße in Höhe von 1.500,00 Euro verhängt; gemäß § 185 FinStrG waren Kosten des Verfahrens in Höhe von 150,00 Euro zu ersetzen.

Das Erkenntnis wurde am 24. Jänner 2022 zugestellt; mit selbem Tag wurde Beschwerde erhoben.

Nach Umwandlungsvertrag vom 19. April 2023 sowie Generalversammlungsbeschluss vom 11. Mai 2023 wurde die Umwandlung gemäß §§ 2 ff UmwG durch Übertragung des Unternehmens auf die Gesellschafterin ***nat. Person***, ***geb.***, eingetragen.

Die Gesellschaft war somit aufgelöst und wurde gelöscht.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

§ 82 Abs. 3 FinStrG lautet wie folgt: Ergibt die Prüfung gemäß Abs. 1, daß die Durchführung des Strafverfahrens nicht in die Zuständigkeit des Gerichtes fällt, so hat die Finanzstrafbehörde das Strafverfahren einzuleiten. Von der Einleitung eines Strafverfahrens hat sie nur dann abzusehen und darüber einen Aktenvermerk mit Begründung aufzunehmen, (…)

c) wenn der Verdächtige die ihm zur Last gelegte Tat nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, welche die Tat rechtfertigen, die Schuld des Täters ausschließen, die Strafbarkeit ausschließen oder aufheben, (…)

§ 173 FinStrG lautet wie folgt: Stirbt der Beschuldigte vor Eintritt der Rechtskraft des Erkenntnisses (der Strafverfügung), so ist das Strafverfahren einzustellen. Stirbt der Bestrafte nach Rechtskraft des Erkenntnisses (der Strafverfügung), so geht die Verbindlichkeit zur Entrichtung von Geldstrafen, Wertersätzen und Kosten nicht auf die Erben über.

§ 10 Abs. 1 VbVG lautet folgendermaßen: Werden die Rechte und Verbindlichkeiten des Verbandes im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf einen anderen Verband übertragen, so treffen die in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Rechtsfolgen den Rechtsnachfolger. Über den Rechtsvorgänger verhängte Rechtsfolgen wirken auch für den Rechtsnachfolger.

§ 10 Abs. 2 VbVG lautet wie folgt: Der Gesamtrechtsnachfolge ist Einzelrechtsnachfolge gleichzuhalten, wenn im Wesentlichen die selben Eigentumsverhältnisse am Verband bestehen und der Betrieb oder die Tätigkeit im Wesentlichen fortgeführt wird.

Diese Bestimmungen werden nicht als Rechtslage ausgewiesen, da sie nicht - jedenfalls nicht im engen Sinn - auf den vorliegenden Fall anzuwenden sind. Festzuhalten ist, dass der Gesetzgeber für den Fall der Löschung einer Gesellschaft als belangter Verband im Firmenbuch (wenn kein Rechtsnachfolger eruiert werden kann) jedenfalls keine der Regelung der Folgen des Todes natürlicher Personen für das Finanzstrafverfahren gemäß § 173 FinStrG vergleichbare Regelung normiert hat.

Zwar ist laut ständiger Judikatur des VwGH durch die Auflösung und Löschung einer Gesellschaft aus dem Firmenbuch jedenfalls so lange deren (weitere) Parteisubjektivität nicht beeinträchtigt, als beziehungsweise solange deren Rechtsverhältnisse zu Dritten noch nicht endgültig "abgewickelt" sind (vgl. etwa VwGH 25.4.2013, 2010/15/0131). Dies hat auch, wenngleich nicht ausschließlich praktische Gründe; so sich z. B. dem Bund als Abgabegläubiger nicht zu entziehen oder auch - umgekehrt - noch Vorteile aus der Abwicklung lukrieren zu können. Gegenwärtig ist allerdings eine Abwicklung gerade ausgeschlossen, da sich nicht etwa der Gesellschaftszweck der GmbH geändert, sondern die Kapitalgesellschaft durch Übertragung des Unternehmens im Weg der Gesamtrechtsnachfolge auf eine Gesellschafterin umgewandelt wurde.

So wird in der Auflösung der Gesellschaft und ihrer Löschung allerdings ein einem Strafaufhebungsgrund entsprechender Grund der Aufhebung der Verantwortlichkeit des belangten Verbandes für Finanzvergehen zu erblicken sein, was zur Folge hat, dass der Bund zwar Träger eines Anspruches auf Bestrafung der Gesellschaft nach dem FinStrG bzw. dem VbVG sein kann, dieser Strafanspruch (im Übrigen auch im Sinn eines Strafmonopols), der sich im Übrigen im Gegensatz zu "Rechtsverhältnissen" zum Bund als Abgabegläubiger einer Abwicklung entzieht, sondern sich nunmehr gegen die natürliche Person als Gesamtrechtsnachfolgerin richten würde. Diese aber ist jene Entscheidungsträgerin, für deren als strafbar erachtetes Verhalten der Verband dereinst verantwortlich gemacht wurde.

Auch dass der Tod eines Entscheidungsträgers zwar die Strafbarkeit des Entscheidungsträgers, nicht aber jene des Verbandes aufhebt (vgl. ErläutRV 994 BlgNR 22. GP 22; Lehmkuhl/​Zeder in Höpfel/​Ratz, WK2 StGB § 3 VbVG Rz 22), spricht für diese Auffassung, ist doch jeweils die verbleibende Möglichkeit deren Zurechnung, im konkreten Fall in Gestalt einer Verantwortlichkeit zu prüfen. Diese Prüfung führte im vorliegenden Fall allerdings dazu, nicht (mehr) nur eine wirtschaftliche Beziehung zwischen einem Straftäter und einem belangten Verband anzunehmen. Vielmehr käme es in rechtlicher Hinsicht zur "Vereinigung" der die Verantwortlichkeit des Verbandes ausgelöst habenden Person mit seiner Gesamtrechtsnachfolgerin. Dem kann durch die Annahme, die Verantwortlichkeit des belangten Verbandes sei aufgehoben, begegnet werden.

Die ältere Rechtsprechung hat, wenn eine Gesellschaft nicht mehr existierte, somit ein Rechtsnachfolger im Sinne des § 10 VbVG nicht ersichtlich war, das Finanzstrafverfahren gegen den belangten Verband in Anlehnung an § 173 FinStrG gemäß §§ 136, 157 FinStrG eingestellt (für eine Analogie zu § 173 noch Tannert, FinStrG8 MTK (2012) 347 FN 1; siehe aber auch BFG 17.04.2024, RV/3300004/2020).

Zwischenzeitig hat sich, so ersichtlich, die Ansicht durchgesetzt, dass das gegen den belangten Verband geführte Verfahren nach dessen Auflösung einzustellen ist, wenn es keinen Verband als Rechtsnachfolger eines belangten Verbandes gibt. Übernimmt eine natürliche Person die Rechte und Verbindlichkeiten, ändert dies nichts an der Notwendigkeit, das Verfahren einzustellen (Schumann in Tannert/Kotschnigg/Twardosz, FinStrG § 173 (Stand 1.6.2023, rdb.at), Anm. 14).

Die Einstellung scheint vielmehr in diesem Fall geradezu geboten: Nachdem der Fall einer Rechtsnachfolge in den Verband durch eine natürliche Person vom Regelungsgehalt des § 10 VbVG nicht erfasst wird, wird auch nicht ausgeschlossen, dass es zu allfälliger Doppelbestrafung kommt. Allerdings wird eine derartige Doppelbestrafung von der Rechtsordnung allgemein nicht in einem Ausmaß toleriert, dem noch in der Strafbemessung zu begegnen ist (§ 5 Abs 3 Z 6 VbVG; vgl. UFS 13.9.2012, FSRV/0011-I/12; beachte: VfGH-Beschwerde zur Zl B 664/2013 eingebracht, Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 28.11.2013 abgelehnt; vgl. allgemein Köck in Köck/Judmaier/Kalcher/Schmitt, Finanzstrafgesetz Band 16 (2024) § 28a FinStrG Rz 8).

In der Folge invalidierte auch das angefochtene Erkenntnis gegen den belangten Verband, da dieses materiell zu einer Doppelbestrafung geführt hätte. Eine solche wird unabhängig vom erst zu erwartenden Ergebnis eines Verfahrens aus rechtsstaatlicher Sicht bereits dann anzunehmen sein, wenn zu einem bestimmten Zeitpunkt zwei denselben Unrechts- bzw. Unwertgehalt betreffende Verfahren gegen dieselbe Person anhängig sind.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Demgegenüber ergab sich die Notwendigkeit, das Verfahren einzustellen, vielmehr schon aus der wertenden Zusammenschau der maßgeblichen (finanz-)strafrechtlichen Rechtsvorschriften und Garantien, die bei einer Gesamtbetrachtung der Vermeidung einer Doppelbestrafung dienen.

Innsbruck, am 30. Juni 2025