JudikaturBFG

RV/7103733/2022 – BFG Entscheidung

Entscheidung
Wirtschaftsrecht
18. September 2024

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, betreffend Beschwerde vom 25.05.2022 gegen den Feststellungsbescheid des Amtes für Betrugsbekämpfung vom 17.05.2022 gemäß § 8 Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz (SBBG) über das Vorliegen eines Scheinunternehmens, Steuernummer ***Bf-St.Nr.***, beschlossen:

Die Beschwerde wird als gegenstandslos erklärt.Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt.

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Mit Bescheid des Amtes für Betrugsbekämpfung vom 17.05.2022 wurde die Feststellung getroffen, dass es sich bei der beschwerdeführenden Gesellschaft um ein Scheinunternehmen im Sinne des § 8 SBBG handelt.

Dagegen wurde fristgerecht mit Eingabe vom 25.05.2022 Beschwerde eingebracht.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 07.06.2022 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Dagegen wurde mit Eingabe vom 11.07.2022 fristgerecht ein Vorlageantrag eingebracht.

Die belangte Behörde legte die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte mit Hinweis auf die Stellungnahme vom 19.12.2022 zum Vorlageantrag die Abweisung der Beschwerde.

Mit Beschluss des Landesgerichts ***A*** vom ***Datum1***, ***GZ***, wurde der Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zurückgewiesen.

Die Firma wurde am ***Datum2*** gemäß § 40 FBG infolge vermuteter Vermögenslosigkeit von Amts wegen gelöscht.

Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom 11.09.2024 wurde der belangten Behörde aufgetragen, innerhalb von drei Wochen ab Erhalt dieses Beschlusses dazu Stellung zu nehmen, dass das Bundesfinanzgericht beabsichtige, das Beschwerdeverfahren im Hinblick auf die Löschung der beschwerdeführenden Gesellschaft gemäß § 40 FBG im Firmenbuch einzustellen und das Vorbringen durch geeignete Unterlagen zu belegen.

Mit Schriftsatz vom 18.09.2024 teilte die belangte Behörde mit, dass dieser keine Gründe bekannt seien, welche einer Einstellung des Verfahrens entgegenstünden. Laut durchgeführtem AIS-Auszug sei mit Stichtag 12.09.2024 ein Rückstand in Höhe von 10.315,95 Euro fällig in Vollstreckung. Es werde von keinem weiteren Aktivvermögen ausgegangen.

Es ist von folgender Sachlage auszugehen:

Die beschwerdeführende Gesellschaft wurde am ***Datum2*** vom Landesgericht ***A*** gemäß § 40 FBG infolge vermuteter Vermögenslosigkeit von Amts wegen im Firmenbuch gelöscht.

Auf dem Abgabenkonto der beschwerdeführenden Gesellschaft haftet ein fälliger Abgabenrückstand in Höhe von 10.315,95 Euro aus. Es sind keine Anträge oder Beschwerden offen, aufgrund derer es zu einem Abgabenguthaben kommen könnte. Da es keine denkmögliche Konstellation gibt, die zu einem Aktivvermögen der gelöschten Gesellschaft führen könnte, ist von der Vermögenslosigkeit der beschwerdeführenden Gesellschaft auszugehen.

Die festgestellte Sachlage ergibt sich aus dem Firmenbuchauszug der beschwerdeführenden Gesellschaft zur Firmenbuchnummer FN ***FN*** sowie den die beschwerdeführende Gesellschaft betreffenden Daten des Abgabeninformationssystems des Bundes.

Die festgestellte Sachlage führt zu folgenden rechtlichen Konsequenzen:

Gemäß § 79 BAO gelten für die Rechts- und Handlungsfähigkeit die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes. § 2 Zivilprozessordnung ist sinngemäß anzuwenden.

Eine Kapitalgesellschaft verliert erst mit der Vollbeendigung ihre Parteifähigkeit. Voraussetzung dafür ist ihre Vermögenslosigkeit, also der Mangel an Aktivvermögen; die Löschung im Firmenbuch hat insofern nur deklarativen Charakter. Bis zum Beweis des Gegenteils ist aber anzunehmen, dass eine im Firmenbuch gelöschte Kapitalgesellschaft vermögenslos und damit nicht (mehr) parteifähig ist (vgl OGH 22.04.2014, 7 Ob 55/14k).

Die Auflösung und Löschung einer im Firmenbuch eingetragenen juristischen Person hat zunächst bloß deklaratorischen Charakter und beendet die Rechtsfähigkeit nicht, solange Vermögen vorhanden ist und Rechtsverhältnisse zu Dritten nicht vollständig abgewickelt - also zB Abgaben noch festzusetzen - sind (vgl bspw BFG 28.04.2014, RV/7103101/2012, sowie VwGH 28.10.2014, Ro 2014/13/0035 und die dort wiedergegebene Literatur und Judikatur).

Die Rechts- und Parteifähigkeit einer GmbH bleibt daher auch nach ihrer Löschung im Firmenbuch solange erhalten, als noch Abwicklungsbedarf besteht, was dann der Fall ist, wenn Abgabenverbindlichkeiten einer solchen Gesellschaft bescheidmäßig festzusetzen sind. An eine im Firmenbuch bereits gelöschte GmbH gerichtete Bescheide ergehen daher grundsätzlich rechtswirksam (vgl VwGH 28.10.2014, Ro 2014/13/0035, und die dort zitierte Judikatur und Literatur).

Ob noch Abwicklungsbedarf besteht, ergibt sich aus dem Umstand, ob bei sonstiger Vermögenslosigkeit die Abgabenfestsetzung in irgendeiner denkbaren Konstellation - etwa durch Anrechnung von Steuervorauszahlungen, Abzugsteuern oder Vorsteuern - zu einem Aktivvermögen der gelöschten Gesellschaft führen kann (vgl VwGH 28.10.2014, Ro 2014/13/0035).

Aus diesem Grund ist zu prüfen, ob sich auf Grund des vorliegenden Rechtsstreits nachträglich ein abwickelbares Vermögen der beschwerdeführenden Gesellschaft ergeben könnte, sodass ihre Rechtspersönlichkeit insoweit als fortdauernd anzusehen wäre (vgl VwGH 24.02.2011, 2007/15/0112 sowie VwGH 28.10.2014, Ro 2014/13/0035).

Da weder aufgrund offener Abgabenfestsetzungen noch aufgrund des gegenständlichen Rechtsstreites eine denkbare Konstellation besteht, die zu einem Aktivvermögen führen könnte, und da das Vorliegen eines anderweitigen Vermögens und eines sich daraus ergebenden Abwicklungsbedarfes im Hinblick auf die amtswegige Löschung gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit ausgeschlossen werden kann, ist davon auszugehen, dass die Rechtspersönlichkeit der amtswegig gelöschten beschwerdeführenden Gesellschaft bereits weggefallen ist.

§ 278 Abs 1 BAO sieht vor, dass in den Fällen, in denen eine Bescheidbeschwerde zurückgenommen wurde ( § 256 Abs 3 BAO) oder dem Beschwerdebegehren Rechnung getragen wurde ( § 261 Abs 1 BAO), die Bescheidbeschwerde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes als gegenstandlos zu erklären ist.

Da das Verfahren nach dem "Wegfall der Rechtspersönlichkeit" der beschwerdeführenden Partei nicht fortgeführt werden kann, ist es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs 1 VwGG wegen Gegenstandslosigkeit der Beschwerde einzustellen (vgl VwGH 28.10.2014, Ro 2014/13/0035 und die dort wiedergegebene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

Ist demnach von der Vollbeendigung der GmbH auszugehen, so ist im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes § 278 Abs 1 BAO sinngemäß anzuwenden und die Bescheidbeschwerde mit Beschluss als gegenstandlos zu erklären.

Gemäß § 274 Abs 3 Z 2 iVm Abs 5 BAO kann im Falle der Gegenstandsloserklärung von einer beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Das Absehen von der beantragten mündlichen Verhandlung liegt im Ermessen und ist verfahrensökonomisch zweckmäßig. Eine Unbilligkeit des Absehens von der mündlichen Verhandlung ist nicht erkennbar. Daher wird das Ermessen dahingehend geübt, dass von der mündlichen Verhandlung abgesehen wird.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Unzulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da die Rechtsfrage, wann vom Vorliegen der Vollbeendigung einer amtswegig gelöschten GmbH auszugehen und wie in diesem Fall vorzugehen ist, im Einklang mit der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl VwGH 28.10.2014, Ro 2014/13/0035) beurteilt wurde, war die Unzulässigkeit der Revision auszusprechen.

Wien, am 18. September 2024