BundesrechtInternationale VerträgeVollstreckung von Strafen des Internationalen Gerichts - Jugoslawien

Vollstreckung von Strafen des Internationalen Gerichts - Jugoslawien

In Kraft seit 22. August 1999
Up-to-date

Artikel 1

Zweck und Geltungsbereich des Abkommens

Art. 1

Dieses Abkommen regelt Angelegenheiten, die sich auf alle an den ersuchten Staat gerichteten Ersuchen zur Vollstreckung vom Internationalen Gericht verhängter Strafen beziehen oder sich daraus ergeben.

Artikel 2

Verfahren

Art. 2

1. Ein Ersuchen an die Österreichische Bundesregierung, eine Strafe zu vollstrecken, erfolgt durch den Kanzler des Internationalen Gerichts (im folgenden als „Kanzler” bezeichnet) mit Zustimmung des Präsidenten des Internationalen Gerichts.

2. Bei Stellung des Ersuchens übermittelt der Kanzler dem ersuchten Staat folgende Unterlagen:

a) eine beglaubigte Abschrift des Urteils;

b) eine Erklärung, in der angegeben ist, wieviel der Strafe bereits verbüßt wurde, einschließlich von Angaben über eine allfällige Untersuchungshaft;

c) gegebenenfalls medizinische oder psychologische Befunde der verurteilten Person, Empfehlungen für seine oder ihre weitere Behandlung im ersuchten Staat oder alle sonstigen für die Vollstreckung der Strafe maßgeblichen Umstände.

3. Der ersuchte Staat legt das Ersuchen den zuständigen staatlichen Behörden im Einklang mit seinen innerstaatlichen Rechtsvorschriften vor.

4. Die zuständigen staatlichen Behörden des ersuchten Staates haben über das Ersuchen des Kanzlers im Einklang mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften umgehend zu entscheiden.

Artikel 3

Vollstreckung

Art. 3

1. Bei der Vollstreckung einer vom Internationalen Gericht verhängten Strafe sind die zuständigen staatlichen Behörden des ersuchten Staates an das Strafausmaß gebunden.

2. Die Haftbedingungen werden durch das Recht des ersuchten Staates geregelt und unterliegen der Aufsicht des Internationalen Gerichts gemäß den Bestimmungen der Artikel 6 bis 8 und der Absätze 2 bis 4 von Artikel 9 dieses Abkommens.

3. Die Haftbedingungen müssen jenen entsprechen, die für Gefangene gelten, welche Strafen nach österreichischem Recht verbüßen und müssen sich im Einklang mit den maßgeblichen Menschenrechtsnormen befinden.

Artikel 4

Überstellung verurteilter Personen

Art. 4

Der Kanzler trifft entsprechende Vorkehrungen für die Überstellung einer verurteilten Person vom Internationalen Gericht an die zuständigen Behörden des ersuchten Staates. Ehe er oder sie überstellt werden, hat der Kanzler die verurteilte Person vom Inhalt dieses Abkommens in Kenntnis zu setzen.

Artikel 5

Grundsatz der Spezialität

Art. 5

1. Eine verurteilte Person, die gemäß den Bedingungen dieses Abkommens an den ersuchten Staat überstellt wird, darf im ersuchten Staat wegen Taten oder Handlungen, die sie oder er vor ihrer oder seiner Überstellung an den ersuchten Staat gesetzt hat, strafrechtlich oder zivilrechtlich nicht verfolgt werden, es sei denn, daß:

a) die verurteilte Person sich nach ihrer oder seiner Entlassung länger als 45 Tage im Gebiet des ersuchten Staates aufhält, obwohl sie oder er den ersuchten Staat verlassen konnte; oder

b) die verurteilte Person den ersuchten Staat verläßt und:

i) freiwillig zurückkehrt; oder

ii) rechtmäßig aus einem dritten Staat zurückgebracht wird.

2. Die Bestimmungen dieses Artikels berühren nicht Artikel 10 des Statuts des Internationalen Gerichts.

Artikel 6

Beobachtung

Art. 6

1. Die zuständigen Behörden des ersuchten Staates gestatten dem Internationalen Gericht oder einem von ihm benannten Rechtsträger, den oder die Strafgefangenen im Einklang mit Artikel 27 des Statuts des Internationalen Gerichts und, in Übereinstimmung mit dem Statut, österreichischem Recht zu besuchen. Die zuständigen Behörden haben Besuche jederzeit und in regelmäßigen Abständen zu gestatten, wobei die Häufigkeit der Besuche vom Internationalen Gericht bestimmt wird. Auf Grund der Feststellungen im Rahmen der Besuche werden gegebenenfalls Berichte über die Haftbedingungen und die Behandlung des oder der Gefangenen herausgegeben.

2. Der ersuchte Staat und der Präsident des Internationalen Gerichts konsultieren einander über die Feststellungen der in Absatz 1 genannten Berichte. Der Präsident des Internationalen Gerichts kann danach den ersuchten Staat ersuchen, ihm oder ihr jegliche in den Berichten vorgeschlagenen Änderungen der Haftbedingungen bekanntzugeben.

Artikel 7

Informationen

Art. 7

1. Der ersuchte Staat hat dem Kanzler unverzüglich Mitteilung zu machen:

a) zwei Monate vor Beendigung der Strafe;

b) wenn die verurteilte Person aus dem Gewahrsam entwichen ist ehe das Strafmaß verbüßt wurde;

c) wenn die verurteilte Person verstorben ist.

2. Unbeschadet des vorstehenden Absatzes konsultieren auf Ersuchen einer der beiden Parteien der Kanzler und der ersuchte Staat einander in allen Angelegenheiten bezüglich der Vollstreckung der Strafe.

Artikel 8

Vorzeitige Entlassung, Begnadigung und Abänderung der Strafe

Art. 8

1. Kommt eine verurteilte Person auf Grund der geltenden staatlichen Rechtsvorschriften des ersuchten Staates für eine vorzeitige Entlassung, Begnadigung oder Abänderung der Strafe in Betracht, so teilt der ersuchte Staat dies dem Kanzler mit.

2. Der ersuchte Staat hat dem Kanzler alle Umstände, die für eine vorzeitige Entlassung, Begnadigung oder Abänderung der Strafe sprechen, mitzuteilen.

3. Der Präsident des Internationalen Gerichts entscheidet nach Beratung mit den Richtern des Internationalen Gerichts, ob eine vorzeitige Entlassung, Begnadigung oder Abänderung der Strafe angemessen ist. Der Kanzler benachrichtigt den ersuchten Staat von der Entscheidung des Präsidenten. Entscheidet der Präsident, daß eine vorzeitige Entlassung, Begnadigung oder Abänderung der Strafe nicht angemessen ist, so hat der ersuchte Staat dementsprechend zu handeln.

Artikel 9

Beendigung des Strafvollzugs

Art. 9

1. Die Vollstreckung der Strafe endet:

a) wenn die Strafe verbüßt ist;

b) bei Ableben des Verurteilten;

c) bei Begnadigung des Verurteilten;

d) nach einer in Absatz 2 genannten Entscheidung des Internationalen Gerichts.

2. Das Internationale Gericht kann jederzeit beschließen, den ersuchten Staat um Beendigung des Strafvollzugs zu ersuchen und die verurteilte Person an einen Drittstaat oder an das Internationale Gericht zu überstellen.

3. Die zuständigen Behörden des ersuchten Staates beenden die Vollstreckung der Strafe sobald diesem vom Kanzler eine Entscheidung oder Maßnahme mitgeteilt wird, derzufolge die Strafe nicht mehr vollstreckbar ist.

4. Die Bestimmungen dieses Abkommens berühren nicht das Recht des ersuchten Staates, die verurteilte Person nach Verbüßung ihrer oder seiner gemäß diesem Abkommen vollstreckten Strafe abzuschieben, es sei denn, das Internationale Gericht teilt dem ersuchten Staat die Bereitschaft eines anderen Staates zur Übernahme der verurteilten Person mit.

Artikel 10

Unvollstreckbarkeit einer Strafe

Art. 10

Wenn irgendwann nachdem die Entscheidung über die Strafvollstreckung getroffen wurde, der weitere Vollzug aus rechtlichen oder praktischen Gründen unmöglich geworden ist, hat der ersuchte Staat den Kanzler davon umgehend zu benachrichtigen. Der Kanzler trifft daraufhin die entsprechenden Vorkehrungen für die Überstellung der verurteilten Person. Die zuständigen Behörden des ersuchten Staates räumen eine Frist von mindestens sechzig Tagen nach der Benachrichtigung des Kanzlers ein, ehe sie weitere Maßnahmen in der Angelegenheit ergreifen.

Artikel 11

Kosten

Art. 11

Das Internationale Gericht trägt die mit der Überstellung der verurteilten Person nach und aus dem ersuchten Staat entstehenden Kosten, es sei denn, die Parteien vereinbaren etwas anderes. Der ersuchte Staat übernimmt alle anderen Ausgaben, die durch die Vollstreckung der Strafe entstehen.

Artikel 12

Inkrafttreten

Art. 12

Dieses Abkommen tritt 30 Tage nach Unterzeichnung in Kraft.

Artikel 13

Geltungsdauer des Abkommens

Art. 13

1. Jede der Parteien kann dieses Abkommen nach Konsultierung der anderen Partei unter Einhaltung einer Frist von zwei Monaten kündigen. Dieses Abkommen kann nicht vor Verbüßung oder Beendigung der Strafen, auf die dieses Abkommen Anwendung findet, und gegebenenfalls vor Überstellung des Verurteilten nach den Bestimmungen von Artikel 10 gekündigt werden.

2. Unbeschadet von Absatz 1 dieses Artikels ist dieses Abkommen so lange anwendbar, wie der ersuchte Staat seine Bereitschaft bekundet hat, Strafen des Internationalen Gerichts im Einklang mit Artikel 27 des Statuts des Internationalen Gerichts zu vollstrecken.

3. Die Artikel 3 und 5 bis 11 bleiben so lange aufrecht, wie Strafen des Internationalen Gerichts vom ersuchten Staat gemäß den Bestimmungen dieses Abkommens vollstreckt werden.

ZU URKUND DESSEN haben die hierzu gehörig bevollmächtigten Unterzeichneten dieses Abkommen unterschrieben.

GESCHEHEN zu Wien, am 23. Juli 1999, in zwei Urschriften in der englischen Sprache