Vorwort
Artikel 1
Art. 1
(1) Die Vertragsstaaten verpflichten sich, einander auf Ersuchen der Justizbehörden (Gerichte, Staatsanwaltschaften) nach den Bestimmungen dieses Vertrages Rechtshilfe in Verfahren wegen gerichtlich strafbarer Handlungen zu leisten.
(2) Die Rechtshilfe umfaßt insbesondere die Durchführung von Erhebungs- und Untersuchungshandlungen, wie die Vernehmung von beschuldigten Personen, von Zeugen und Sachverständigen, den Augenschein, die Durchsuchung, die Beschlagnahme von Gegenständen, die Übermittlung von Akten und Gegenständen, die auf ein Strafverfahren Bezug haben, sowie die Zustellung von Schriftstücken.
(3) Rechtshilfe wird auch in Gnadensachen und in Verfahren über Ansprüche auf Entschädigung für ungerechtfertigte Haft oder ungerechtfertigte Verurteilung geleistet.
(4) Rechtshilfe zur Vollstreckung von Strafurteilen wird nicht geleistet.
Artikel 2
Art. 2
Rechtshilfe wird nicht geleistet, wenn die dem Ersuchen zugrunde liegende Handlung nach dem Recht des ersuchten Staates nicht gerichtlich strafbar ist oder wenn sie nach Ansicht des ersuchten Staates eine strafbare Handlung politischen Charakters, eine militärische oder eine fiskalische strafbare Handlung oder eine solche ist, die in der Zuwiderhandlung gegen Devisenvorschriften, Monopolvorschriften oder gegen Vorschriften über die Ausfuhr, Einfuhr und Durchfuhr sowie die Bewirtschaftung von Waren besteht.
Artikel 3
Art. 3
Rechtshilfe wird nicht geleistet, wenn der ersuchte Staat der Ansicht ist, daß die Erledigung des Ersuchens seine Hoheitsrechte beeinträchtigen, seine Sicherheit gefährden oder gegen Grundsätze seiner Rechtsordnung verstoßen könnte.
Artikel 4
Art. 4
Die Justizbehörden der beiden Vertragsstaaten verkehren miteinander im Wege des Bundesministers für Justiz der Republik Österreich einerseits und des Justizministers der Ungarischen Volksrepublik oder des Generalstaatsanwaltes der Ungarischen Volksrepublik andererseits. Der diplomatische Weg wird dadurch nicht ausgeschlossen.
Artikel 5
Art. 5
(1) Das Ersuchen um Rechtshilfe wird schriftlich gestellt. Es wird von dem zuständigen Richter oder Staatsanwalt unterschrieben und mit dem amtlichen Siegel oder Stempel der ersuchenden Justizbehörde versehen, bedarf jedoch keiner Beglaubigung.
(2) Das Ersuchen hat folgende Angaben zu enthalten:
a) eine kurze Darstellung der strafbaren Handlung mit Angabe von Ort und Zeit der Tat;
b) die rechtliche Würdigung der strafbaren Handlung;
c) möglichst genaue Angaben über die beschuldigte Person, ihre Staatsangehörigkeit und ihren Wohn- oder Aufenthaltsort;
d) bei Vernehmung von Personen deren Anschrift sowie die an sie zu richtenden Fragen;
e) bei Zustellungen auch die Anschrift des Empfängers und die Art des zuzustellenden Schriftstückes.
(3) Dem Ersuchen um Durchsuchung von Personen oder Räumen oder um Beschlagnahme von Gegenständen wird eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der Anordnung der Justizbehörde beigefügt.
Artikel 6
Art. 6
Bei der Erledigung des Ersuchens wird das Recht des ersuchten Staates angewendet. Davon abweichende Verfahrensvorschriften des ersuchenden Staates werden jedoch auf Verlangen angewendet, sofern dies mit dem Recht des ersuchten Staates nicht unvereinbar ist.
Artikel 7
Art. 7
(1) Ist die Anschrift einer Person, die vernommen oder der ein Schriftstück zugestellt werden soll, nicht genau angegeben oder stellt sie sich als unrichtig heraus, so hat die ersuchte Justizbehörde nach Möglichkeit die richtige Anschrift festzustellen.
(2) Ist die ersuchte Justizbehörde für die Erledigung des Ersuchens nicht zuständig, so hat sie dieses an die zuständige Justizbehörde weiterzuleiten und die ersuchende Justizbehörde davon zu verständigen.
Artikel 8
Art. 8
Wird die Rechtshilfe ganz oder teilweise nicht gewährt oder stehen der Erledigung des Ersuchens Hindernisse entgegen, so wird die ersuchende Justizbehörde davon unter Angabe des Grundes benachrichtigt.
Artikel 9
Art. 9
Übersetzungen von Ersuchen, die nach diesem Vertrag gestellt werden, sowie von beigefügten Unterlagen sind, vorbehaltlich der Bestimmung des Artikels 10, nicht erforderlich.
Artikel 10
Art. 10
Den zuzustellenden Schriftstücken ist eine Übersetzung in die Sprache des ersuchten Staates anzuschließen. Die Übersetzung muß entweder amtlich hergestellt oder von einem Dolmetsch, der in einem der beiden vertragschließenden Staaten amtlich bestellt ist, als richtig bestätigt sein; eine Beglaubigung der Unterschrift des Dolmetschers ist nicht erforderlich.
Artikel 11
Art. 11
Die Zustellung wird entweder durch einen Zustellausweis nachgewiesen, der datiert und mit der Unterschrift des Zustellorgans sowie des Übernehmers versehen sein muß, oder durch eine Bescheinigung der ersuchten Justizbehörde, aus der sich die Tatsache, die Form und Zeit der Zustellung ergeben.
Artikel 12
Art. 12
Die Justizbehörden haben bei Erledigung von Rechtshilfeersuchen erforderlichenfalls die gleichen Zwangsmittel anzuwenden wie bei der Erledigung von Rechtshilfeersuchen der Justizbehörden des eigenen Staates.
Artikel 13
Art. 13
(1) Soll eine Person, die sich in einem der Vertragsstaaten aufhält, von einer Justizbehörde des anderen Vertragsstaates als Zeuge oder Sachverständiger vernommen werden, so wird ihr die Vorladung von der zuständigen Justizbehörde des ersuchten Staates zugestellt. In der Vorladung dürfen Zwangsmaßnahmen nicht angedroht werden. Kommt der Zeuge oder Sachverständige der Vorladung nicht nach, so dürfen die sonst für das Ausbleiben gesetzlich vorgesehenen Folgen nicht angeordnet werden.
(2) In der Vorladung ist im einzelnen anzugeben, inwieweit der Zeuge oder Sachverständige Anspruch auf Ersatz der Kosten der Reise und des Aufenthaltes, auf Entschädigung für die Zeitversäumnis und der Sachverständige außerdem auf Entlohnung für die Leistung hat.
(3) Der vorgeladenen Person wird auf ihr Verlangen vom ersuchten Staat ein Vorschuß zur Deckung der Kosten der Reise und des Aufenthaltes ausgefolgt. Der Vorschuß wird auf der Vorladung vermerkt und vom ersuchenden Staat erstattet.
Artikel 14
Art. 14
(1) Ein Zeuge oder Sachverständiger, der einer ihm gemäß Artikel 13 zugestellten Vorladung Folge leistet, darf im ersuchenden Staat wegen einer strafbaren Handlung, die er vor dem Verlassen des ersuchten Staates begangen hat, oder aus einem anderen vorher entstandenen Grund weder verfolgt noch in Haft gehalten noch einer anderen Beeinträchtigung seiner persönlichen Freiheit unterworfen werden.
(2) Das freie Geleit verliert seine Wirkung, wenn sich der Zeuge oder Sachverständige durch mehr als fünfzehn Tage, nachdem seine Anwesenheit von den Justizbehörden nicht mehr gefordert wird, im ersuchenden Staat aufhält, obwohl er ihn verlassen konnte und durfte, oder wenn er nach Verlassen dieses Staates dahin zurückgekehrt ist.
Artikel 15
Art. 15
(1) Befindet sich ein vorgeladener Zeuge im ersuchten Staat auf Grund der Anordnung einer Justizbehörde in Haft, so wird er mit seiner Zustimmung dem ersuchenden Staat auf dessen Verlangen zur Vernehmung überstellt, sofern nicht zwingende Gründe entgegenstehen.
(2) Der Zeuge wird im ersuchenden Staat weiter in Haft gehalten und nach der Vernehmung dem ersuchten Staat unverzüglich wieder überstellt.
Artikel 16
Art. 16
(1) Soll eine Person, die sich in einem der Vertragsstaaten aufhält, von einer Justizbehörde des anderen Vertragsstaates als Beschuldigter vernommen werden, so wird ihr die Vorladung von der zuständigen Justizbehörde des ersuchten Staates zugestellt. In der Vorladung dürfen Zwangsmaßnahmen für den Fall des Ausbleibens nicht angedroht werden. Der ersuchte Staat ordnet keine Zwangsmaßnahmen an, um den Beschuldigten zum Erscheinen im ersuchenden Staat zu veranlassen.
(2) Leistet der Beschuldigte der Vorladung Folge, darf er im ersuchenden Staat wegen einer vor dem Verlassen des ersuchten Staates begangenen strafbaren Handlung, auf die sich die Vorladung nicht bezieht, oder aus einem anderen vorher entstandenen Grund weder verfolgt noch in Haft gehalten noch einer anderen Beeinträchtigung seiner persönlichen Freiheit unterworfen werden.
(3) Das freie Geleit verliert seine Wirkung wenn sich der Beschuldigte länger als fünfzehn Tage nach Beendigung der Verfahrenshandlung auf die sich die Vorladung bezieht, oder nach Beendigung einer in diesem Verfahren über ihn verhängten Freiheitsbeschränkung im ersuchenden Staat aufhält, obwohl er ihn verlassen konnte und durfte, oder wenn er nach Verlassen dieses Staates dahin zurückgekehrt ist.
Artikel 17
Art. 17
(1) Die Übermittlung von Akten oder sonstigen Schriftstücken in Urschrift wird nur verlangt, wenn die Übermittlung von Abschriften (Kopien) nicht ausreicht.
(2) Akten oder Gegenstände, die für ein Strafverfahren im ersuchten Staat benötigt werden, können für die Dauer des Verfahrens zurückbehalten werden.
(3) Etwa bestehende Rechte des ersuchten Staates oder dritter Personen an den übermittelten Gegenständen bleiben unberührt. Übermittelte Akten oder Gegenstände werden sobald wie möglich zurückgestellt.
Artikel 18
Art. 18
Hat ein Angehöriger eines Vertragsstaates in dem Gebiet des anderen Vertragsstaates eine strafbare Handlung begangen, die in beiden Vertragsstaaten gerichtlich strafbar ist, so kann der Tatortstaat den anderen Vertragsstaat auf dem in Artikel 4 bezeichneten Weg ersuchen, die Verfolgung wegen dieser strafbaren Handlung zu übernehmen.
Artikel 19
Art. 19
(1) Der ersuchte Staat bringt das Ersuchen unverzüglich seinen zuständigen Justizbehörden zum Zweck strafgerichtlicher Verfolgung zur Kenntnis. Diese Behörden werden die Verfolgung nach Maßgabe der Rechtsvorschriften des ersuchten Staates in derselben Weise wie bei einer im eigenen Staatsgebiet begangenen strafbaren Handlung einleiten.
(2) Der Beurteilung von Verkehrsstraftaten sind im ersuchten Staat die am Tatort geltenden Verkehrsregeln zugrunde zu legen.
Artikel 20
Art. 20
Das Ersuchen um Übernahme der Strafverfolgung hat eine kurze Darstellung des Sachverhalts zu enthalten. Ihm werden beigefügt:
a) die Akten in Urschrift, beglaubigter Abschrift oder beglaubigter Kopie sowie in Betracht kommende Beweisgegenstände;
b) eine Abschrift der Bestimmungen über den Tatbestand und die Strafe, die nach dem am Tatort geltenden Recht auf die Tat anwendbar sind;
c) bei Verkehrsstraftaten außerdem eine Abschrift der für die Beurteilung maßgebenden Verkehrsregeln.
Artikel 21
Art. 21
(1) Der ersuchte Staat setzt den ersuchenden Staat auf dem in Artikel 4 bezeichneten Weg sobald wie möglich von dem auf Grund des Ersuchens Veranlaßten und von dem Ergebnis des Strafverfahrens, gegebenenfalls unter Anschluß einer Ausfertigung, beglaubigten Abschrift oder Kopie der endgültigen Entscheidung in Kenntnis.
(2) Etwa bestehende Rechte des ersuchten Staates oder dritter Personen an den übermittelten Gegenständen bleiben unberührt. Übermittelte Akten oder Gegenstände werden sobald wie möglich zurückgestellt.
Artikel 22
Art. 22
Das Ersuchen um Übernahme der Strafverfolgung unterbricht die Verjährung im ersuchten Staat. Maßgebend hiefür ist der Zeitpunkt der Absendung des Ersuchens an den ersuchten Staat.
Artikel 23
Art. 23
Die Justizbehörden des ersuchenden Staates sehen im Hinblick auf das Ersuchen um Übernahme der Strafverfolgung von Verfolgungsmaßnahmen und, falls die beschuldigte Person bereits verurteilt ist, von Vollstreckungsmaßnahmen wegen der dem Ersuchen zugrunde liegenden Tat vorläufig ab. Sie sehen von solchen Maßnahmen endgültig ab, wenn im ersuchten Staat
a) das Strafurteil vollstreckt oder seine Vollstreckung erlassen, ganz oder teilweise ausgesetzt oder verjährt ist;
b) aus Beweisgründen oder deshalb, weil die Tat eine strafbare Handlung nicht begründet, ein rechtskräftiger Freispruch oder eine endgültige Einstellung erfolgt ist.
Artikel 24
Art. 24
Die Vertragsstaaten verzichten auf Ersatz der ihnen in Zusammenhang mit der Anwendung dieses Vertrages in ihrem Gebiet erwachsenen Kosten. Auslagen, die infolge eines Ersuchens um Durchführung eines Sachverständigenbeweises oder um Überstellung einer im ersuchten Staat in Haft befindlichen Person entstanden sind, werden jedoch von dem ersuchenden Staat ersetzt. Die Verpflichtung, einen nach Artikel 13 Absatz 3 gewährten Vorschuß zu erstatten, bleibt unberührt.
Artikel 25
Art. 25
Dieser Vertrag ist zu ratifizieren, die Ratifikationsurkunden werden in Wien ausgetauscht.
Artikel 26
Art. 26
(1) Dieser Vertrag tritt am sechzigsten Tag nach dem Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft.
(2) Der Vertrag ist für die Dauer von fünf Jahren abgeschlossen und bleibt weiter in Kraft, sofern nicht einer der Vertragsstaaten sechs Monate vor Ablauf der fünf Jahre dem anderen Vertragsstaat schriftlich auf diplomatischem Weg mitteilt, daß er den Vertrag kündigt.
(3) Wurde der Vertrag nicht gemäß Absatz 2 gekündigt, so bleibt er auf unbestimmte Zeit in Kraft, sofern nicht einer der Vertragsstaaten dem anderen Vertragsstaat schriftlich auf diplomatischem Weg mitteilt, daß er den Vertrag kündigt; in diesem Fall bleibt er noch ein Jahr nach Kündigung in Kraft.
ZU URKUND DESSEN haben die Bevollmächtigten der beiden Vertragsstaaten diesen Vertrag unterzeichnet und mit Siegeln versehen.
GESCHEHEN in Budapest am 25. Februar 1975 in zwei Urschriften in deutscher und ungarischer Sprache, wobei beide Texte in gleicher Weise authentisch sind.