BundesrechtInternationale VerträgeVollstreckung gerichtlicher Entscheidungen Zivil- und Handelssachen (Belgien)

Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen Zivil- und Handelssachen (Belgien)

In Kraft seit 16. Dezember 1961
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Artikel 1.

Art. 1

(1) Das vorliegende Abkommen ist auf die von den Gerichten der Hohen Vertragschließenden Teile auf dem Gebiet des Zivil- und Handelsrechtes gefällten Entscheidungen anzuwenden.

(2) Im Sinne des vorliegenden Abkommens bedeutet „Entscheidung“ jede im streitigen Verfahren oder im Verfahren außer Streitsachen gefällte Entscheidung, wie sie auch bezeichnet sein möge, mit Ausnahme der Entscheidungen im Konkursverfahren, im Ausgleichsverfahren und im Verfahren des Zahlungsaufschubes.

(3) Gerichtliche Entscheidungen im Sinne des Absatzes 1 des vorliegenden Artikels sind auch die auf dem Gebiet des Zivil- oder Handelsrechtes von einem Strafgericht gefällten Entscheidungen.

(4) Zum Zwecke der Anwendung des vorliegenden Abkommens bedeutet „Titelgericht“ das Gericht, das die Entscheidung gefällt hat, und „ersuchtes Gericht“ in Österreich das Gericht, bei dem die Vollstreckung, in Belgien das Gericht, bei dem die Vollstreckbarerklärung der Entscheidung beantragt wird.

Artikel 2.

Art. 2

(1) Die von einem Gericht eines der Hohen Vertragschließenden Teile gefällten Entscheidungen werden im Gebiet des anderen Hohen Vertragschließenden Teiles anerkannt, wenn sie die folgenden Voraussetzungen erfüllen:

a) das Titelgericht muß gemäß Artikel 3 des vorliegenden Abkommens zuständig gewesen sein;

b) die Entscheidung muß rechtskräftig sein;

c) die Parteien müssen, unbeschadet der Bestimmungen des Buchstaben d) dieses Absatzes, dem Gesetz entsprechend vertreten gewesen oder für säumig erklärt worden sein, nachdem sie dem Gesetz entsprechend geladen worden waren; diese Voraussetzung wird als nicht erfüllt angesehen, wenn im Fall einer Versäumnisentscheidung die säumige Partei dem Gericht, bei dem die Anerkennung beantragt wird, beweist, daß sie von dem Verfahren tatsächlich nicht zeitgerecht Kenntnis erhalten haben konnte, um sich daran zu beteiligen; eine auf die im Artikel 3 der am 17. Juli 1905 und am 1. März 1954 im Haag abgeschlossenen Internationalen Übereinkommen, betreffend das Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen, vorgesehene Weise erfolgte Ladung des Beklagten beweist, daß er tatsächlich vom Verfahren Kenntnis erhalten hat;

d) die Entscheidung muß, wenn es sich um einen Zahlungsauftrag oder um einen Zahlungsbefehl handelt, der Partei, gegen die sie gefällt wurde, dem Gesetz entsprechend zugestellt worden sein;

diese Voraussetzung wird als nicht erfüllt angesehen, wenn diese Partei dem Gericht, bei dem die Anerkennung beantragt wird, beweist, daß sie von der Entscheidung tatsächlich nicht zeitgerecht Kenntnis erhalten haben konnte, um dagegen Einwendungen (Widerspruch) zu erheben; eine auf die im Artikel 3 der am 17. Juli 1905 und am 1. März 1954 im Haag abgeschlossenen Internationalen Übereinkommen, betreffend das Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen, vorgesehene Weise erfolgte Zustellung an die Partei beweist, daß sie von der Entscheidung tatsächlich Kenntnis erhalten hat;

e) die vorgelegte Ausfertigung der Entscheidung muß die nach den Gesetzen des Staates, in dem sie gefällt wurde, erforderlichen Voraussetzungen für ihre Echtheit erfüllen und mit dem Siegel des Titelgerichtes versehen sein.

(2) Die Anerkennung ist jedoch zu versagen:

a) wenn sie der öffentlichen Ordnung des Staates, in dem sie beantragt wird, widerspricht; oder

b) wenn ein gleicher, auf denselben Rechtsanspruch gestützter und dieselben Parteien betreffender Antrag in dem Staat, in dem die Anerkennung beantragt wird, schon Gegenstand einer Entscheidung in der Sache selbst war, mögen auch noch Rechtsmittel gegen sie offen stehen; oder

c) wenn ein gleicher, auf denselben Rechtsanspruch gestützter und dieselben Parteien betreffender Antrag vor einem Gericht des Staates, in dem die Anerkennung beantragt wird, anhängig ist und dieses Gericht vor dem Titelgericht mit der Sache befaßt worden war.

Artikel 3.

Art. 3

(1) Die Zuständigkeit des Titelgerichtes ist im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 Buchstabe a) begründet, wenn eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:

A. – bei Entscheidungen, die nicht den Personenstand oder die Handlungsfähigkeit betreffen, sofern:

a) der Beklagte im Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet des Staates des Titelgerichtes hatte, außer es handelt sich um ein Verfahren über ein dingliches Recht an einer im Gebiet des Staates, in dem die Anerkennung beantragt wird, gelegenen unbeweglichen Sache;

b) der Beklagte im Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens im Gebiet des Staates des Titelgerichtes eine kaufmännische oder gewerbliche Niederlassung, eine Zweigniederlassung oder eine Agentur hatte und dort wegen einer ihren Betrieb betreffenden Streitigkeit belangt wurde;

c) der Beklagte sich der Zuständigkeit des Titelgerichtes für den betreffenden Rechtsstreit, sei es durch Annahme eines Wohnsitzes (election de domicile), sei es durch eine andere Zuständigkeitsvereinbarung, ausdrücklich unterworfen hat, soweit nicht von der Gesetzgebung des Staates, in dem die Anerkennung beantragt wird, hievon Ausnahmen festgesetzt wurden oder noch festgesetzt werden;

d) der Beklagte sich in die Sache selbst eingelassen hat, ohne Einwendungen gegen die Zuständigkeit des Titelgerichtes erhoben zu haben;

e) das Verfahren Schadenersatzansprüche aus einer außervertraglichen Haftung zum Gegenstand hatte und die schädigende Handlung im Gebiet des Staates des Titelgerichtes begangen wurde;

f) es sich um eine Widerklage handelte und das Titelgericht gemäß den Bestimmungen des vorliegenden Artikels zur Entscheidung über die Hauptklage als zuständig anerkannt wird;

g) ein auf einen Vertrag gegründeter Rechtsstreit, der nicht unbewegliches Vermögen betraf, vor ein Gericht des Staates gebracht wurde, in dem nach der ausdrücklichen oder stillschweigenden Übereinkunft der Parteien die Verpflichtung erfüllt wurde oder erfüllt werden sollte;

h) der Beklagte im Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet eines der beiden Staaten, wohl aber Vermögen im Gebiet des Staates des Titelgerichtes hatte;

i) das Verfahren ein dingliches Recht an einer im Gebiet des Staates des Titelgerichtes gelegenen unbeweglichen Sache zum Gegenstand hatte;

B. – bei Entscheidungen, die den Personenstand oder die Handlungsfähigkeit betreffen, sofern:

1. es sich um den Personenstand oder die Handlungsfähigkeit nur einer Person handelt und im Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens:

a) diese Person Angehörige des Staates des Titelgerichtes war; oder

b) diese Person Angehörige des Staates, in dem die Anerkennung beantragt wird, oder staatenlos war und ihren letzten bekannten Wohnsitz oder ihren letzten bekannten gewöhnlichen Aufenthalt im Staat des Titelgerichtes hatte;

2. es sich um den Personenstand oder die Handlungsfähigkeit zweier oder mehrerer Personen handelt und im Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens:

a) eine von ihnen Angehörige des Staates des Titelgerichtes war; oder

b) jede von ihnen Angehörige des Staates, in dem die Anerkennung beantragt wird, oder staatenlos war und ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Staat des Titelgerichtes hatte.

(2) Das Gericht, bei dem die Anerkennung beantragt wird, ist an die Feststellungen von Tatsachen, die in der Entscheidung enthalten sind und auf die das Titelgericht seine Zuständigkeit gegründet hat, gebunden.

(3) Das Gericht, bei dem die Anerkennung beantragt wird, hat bei Prüfung des Vorliegens der Zuständigkeitsvoraussetzungen des Absatzes 1 des vorliegenden Artikels das Recht des Staates des Titelgerichtes anzuwenden.

Artikel 4.

Art. 4

(1) Jede von einem belgischen Gericht gefällte Entscheidung ist in Österreich vollstreckbar, wenn sie in Belgien vollstreckbar ist und die Voraussetzungen des Artikels 2 erfüllt sind; gegen die Exekutionsbewilligung sind alle nach österreichischem Recht hiefür vorgesehenen Rechtsmittel zulässig.

(2) Jede von einem österreichischen Gericht gefällte und in Österreich vollstreckbare Entscheidung ist in Belgien auf Grund der Vollstreckbarerklärung durch das zuständige belgische Gericht vollstreckbar, dessen Überprüfung sich nur auf die im Artikel 2 aufgezählten Punkte zu beziehen hat; gegen die Vollstreckbarerklärung sind alle nach belgischem Recht hiefür vorgesehenen Rechtsmittel mit Ausnahme der „opposition“ zulässig.

Artikel 5.

Art. 5

(1) Der Antrag auf Vollstreckung der Entscheidung in Österreich oder auf Vollstreckbarerklärung der Entscheidung in Belgien ist in der Form und nach den von der Rechtsordnung des Staates, wo die Vollstreckung begehrt wird, aufgestellten Vorschriften einzubringen und zu beurteilen.

(2) Die antragstellende Partei hat vorzulegen:

a) eine Ausfertigung der Entscheidung mit Begründung;

b) die erforderlichen Unterlagen zum Nachweis dafür, daß die Entscheidung rechtskräftig und vollstreckbar ist;

c) im Fall einer Versäumnisentscheidung eine mit der Bestätigung ihrer Richtigkeit versehene Abschrift der Ladung oder ein anderes zur Feststellung der gesetzmäßigen Ladung des Beklagten geeignetes Schriftstück;

d) im Fall eines Zahlungsauftrages oder eines Zahlungsbefehles ein zur Feststellung der gesetzmäßigen Zustellung der Entscheidung an die Partei, gegen die sie gefällt wurde, geeignetes Schriftstück.

(3) Die vorgelegten Schriftstücke sind von Beglaubigungen befreit. Es ist ihnen eine Übersetzung in eine der Amtssprachen des ersuchten Staates anzuschließen, deren Richtigkeit von einem beeideten Übersetzer eines der beiden Staaten bestätigt sein muß.

Artikel 6.

Art. 6

(1) Sowohl in Zivil- als auch in Handelssachen in einem der beiden Staaten gefällte Schiedssprüche werden im anderen Staat entsprechend den Bestimmungen des Genfer Abkommens vom 26. September 1927, betreffend die Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche, anerkannt und vollstreckt, und zwar auch dann, wenn die Parteien nicht der Gerichtsbarkeit eines Mitgliedsstaates des genannten Abkommens oder nicht der Gerichtsbarkeit verschiedener Staaten unterworfen sind.

(2) Wird das angeführte Genfer Abkommen durch ein anderes multilaterales Abkommen, dem beide Staaten angehören, ersetzt, so regelt dieses Abkommen die Beziehungen zwischen Österreich und Belgien hinsichtlich der Anerkennung und der Vollstreckung von Schiedssprüchen sowohl in Zivil- als auch in Handelssachen.

(3) Es sind jedoch hinsichtlich der vorzulegenden Urkunden die Bestimmungen des Artikels 5 Absatz 3 anzuwenden.

Artikel 7.

Art. 7

(1) Die in Österreich von den Gerichten oder Notaren errichteten und vollstreckbaren Urkunden sind, wenn durch sie zwischen den Parteien abgeschlossene Vergleiche in Zivil- oder Handelssachen festgestellt werden, in Belgien für vollstreckbar zu erklären. Die Vollstreckbarerklärung ist durch den Präsidenten des Gerichtshofes erster Instanz des Bezirkes zu erteilen, in dem die Vollstreckung erfolgen soll.

(2) Die Vollstreckung auf Grund der in Belgien errichteten und vollstreckbaren Urkunden, durch die solche Vereinbarungen festgestellt werden, ist in Österreich von dem zuständigen Gerichtshof erster Instanz zu bewilligen.

(3) Das befaßte Gericht hat sich auf die Überprüfung zu beschränken, ob die Urkunden die in dem Staat, in dem sie errichtet wurden, erforderlichen Voraussetzungen für ihre Echtheit erfüllen und ob die Vollstreckung der öffentlichen Ordnung seines Landes nicht widerspricht.

(4) Die Bestimmungen des Artikels 5 Absatz 3 sind hinsichtlich der vorzulegenden Urkunden anzuwenden.

(5) Gegen die Exekutionsbewilligung oder die Vollstreckbarerklärung sind die im Artikel 4 Absatz 1 und 2 angeführten Rechtsmittel zulässig.

Artikel 8.

Art. 8

(1) Das vorliegende Abkommen berührt nicht die Bestimmungen anderer Abkommen oder Vereinbarungen, denen die beiden Staaten angehören oder angehören werden und die die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Schiedssprüchen oder öffentlichen Urkunden regeln, sofern nicht Artikel 6 etwas anderes bestimmt.

(2) Das vorliegende Abkommen ist nur auf die nach dem Tage seines Inkrafttretens gefällten gerichtlichen Entscheidungen und Schiedssprüche und die nach diesem Tag errichteten öffentlichen Urkunden anzuwenden.

Artikel 9.

Art. 9

Die Hohen Vertragschließenden Teile behalten sich vor, den Geltungsbereich des vorliegenden Abkommens auf Belgisch-Kongo und auf das Gebiet von Ruanda-Urundi einvernehmlich durch Notenwechsel auszudehnen. Die Noten setzen den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Ausdehnung fest.

Artikel 10.

Art. 10

(1) Das vorliegende Abkommen ist zu ratifizieren. Der Austausch der Ratifikationsurkunden hat so bald wie möglich in Brüssel stattzufinden.

(2) Das Abkommen tritt am sechzigsten Tage nach dem Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft.

Artikel 11.

Art. 11

(1) Jeder der Hohen Vertragschließenden Teile kann das vorliegende Abkommen durch schriftliche, an den anderen Hohen Vertragschließenden Teil zu richtende Notifikation aufkündigen. Die Aufkündigung wird ein Jahr nach dem Zeitpunkt, an dem sie notifiziert wurde, wirksam.

(2) Die Aufkündigung kann auf die im Artikel 9 des vorliegenden Abkommens vorgesehene Ausdehnung seines Geltungsbereiches beschränkt werden.

Artikel 12.

Art. 12

Jede Streitigkeit hinsichtlich der Auslegung oder der Anwendung des vorliegenden Abkommens, die zwischen den Hohen Vertragschließenden Teilen entstehen könnte, ist auf diplomatischem Wege beizulegen.

Geschehen zu Wien, am 16. Juni 1959 in zweifacher Ausfertigung in deutscher und französischer Sprache, wobei beide Texte gleichermaßen authentisch sind.