JudikaturVwGH

Ra 2025/17/0021 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
21. März 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofräte Dr. Schwarz und Dr. Terlitza als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des A E in G, vertreten durch Dr. Peter Philipp, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Graben 17, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Jänner 2025, I411 22545481/41E, betreffend Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005, Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen und Einreiseverbot (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit Bescheid vom 21. März 2022 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers eines ägyptischen Staatsangehörigen, der 1997 legal nach Österreich eingereist warauf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 ab. Unter einem erließ das BFA gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Ägypten zulässig sei und die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage. Zudem erließ es gegen den Revisionswerber ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot.

2 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 12. Juli 2022 als unbegründet ab.

3Mit Erkenntnis vom 12. September 2024, Ra 2022/17/0150, hob der Verwaltungsgerichtshof diese Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgrund einer Verletzung der Verhandlungspflicht auf.

4 Mit dem nunmehr angefochtenen, im fortgesetzten Verfahren nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen Erkenntnis vom 17. Jänner 2025 wies das BVwG die Beschwerde des Revisionswerbers erneut als unbegründet ab. Es sprach weiters aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

5 Das BVwG stellte soweit für das Revisionsverfahren relevant fest, der Revisionswerber sei am 5. Oktober 1997 legal nach Österreich eingereist und habe seither das Bundesgebiet nicht verlassen. Im Oktober 2000 habe er mit einer österreichischen Staatsbürgerin eine Ehe geschlossen, aus welcher zwei Kinder eine Tochter und ein Sohn hervorgegangen seien. Die Ehe sei am 19. Dezember 2006 aus alleinigem Verschulden des Revisionswerbers geschieden worden. Seine zwei Kinder seien mittlerweile volljährig. Nachdem der Revisionswerber mehrmals strafgerichtlich verurteilt worden sei, sei über ihn mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom 20. September 2007 ein Aufenthaltsverbot verhängt worden. Trotz bestehender Ausreiseverpflichtung sei der Revisionswerber im Bundesgebiet verblieben und habe am 27. Juni 2012 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 13. September 2012 abgewiesen worden sei. Am 18. November 2013 habe der Revisionswerber einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz gestellt, der letztlich im Instanzenzug vom BVwG mit Erkenntnis vom 24. September 2014 zurückgewiesen worden sei. Seit Mai 2015 sei er regelmäßig als Arbeiter beschäftigt, allerdings habe er zu keinem Zeitpunkt über eine Beschäftigungsbewilligung verfügt.

6 Der Revisionswerber sei in Österreich mehrmals strafgerichtlich verurteilt worden. Mit Urteilen des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 2. Mai 2001 und vom 13. Jänner 2004 sowie des Bezirksgerichtes für Strafsachen Graz vom 21. April 2004 sei der Revisionswerber jeweils wegen Körperverletzungen zu Geldstrafen verurteilt worden. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 19. Oktober 2006 sei der Revisionswerber wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Suchtgifthandels als Mitglied einer kriminellen Organisation zu einer Freiheitsstrafe von siebeneinhalb Jahren verurteilt worden. Mit Urteil des Bezirksgerichts Graz West vom 4. April 2016 sei er wegen des Vergehens der Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt worden. Nachdem der Revisionswerber in den Jahren 2020 wegen Verletzung der Unterhaltsplicht und 2022 wegen einer Körperverletzung zu bedingten Freiheitsstrafen verurteilt worden war, wurde der Revisionswerber mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 3. April 2023 wegen des Verbrechens der versuchten schweren Körperverletzung und wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt. Das BVwG stellte die Tathandlung des Revisionswerbers dar, wonach er einer Person vorsätzlich eine schwere Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung zuzufügen versucht habe, indem er Gläser, Gasflaschen und einen metallenen Sekteimer in die Richtung der Person teils gezielt in Richtung des Kopfes der Person geworfen habe und dadurch eine (andere) Person, die unmittelbar in Wurfrichtung vor ihm gestanden und von dem Sekteimer am Kopf getroffen worden sei, grob fahrlässig am Körper verletzt habe.

7Zudem wurde über den Revisionswerber mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 28. Juni 2023 neuerlich (u.a.) wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt. Gemäß dem Schuldspruch dieser Verurteilung habe der Revisionswerber spätestens seit Oktober 2022 bis zum 14. Februar 2023 Grenzmengen (§ 28b SMG) übersteigende Mengen (u.a.) von Kokain gewinnbringend verkauft und auch zum Eigenkonsum besessen.

8 In seiner rechtlichen Beurteilung berücksichtigte das BVwG die vom Revisionswerber gesetzten Integrationsschritte während seiner langen allerdings überwiegend unrechtmäßigenAufenthaltsdauer in Österreich, hielt ihm jedoch insbesondere seine zahlreichen strafgerichtlichen Verurteilungen entgegen. Zu dem gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG erlassenen, vierjährigen Einreiseverbot führte das BVwG aus, dass der Revisionswerber nicht nur mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 19. Oktober 2006 zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt worden sei, sondern auch nach Erlassung des im ersten Verfahrensgang ergangenen Erkenntnisses des BVwG vom 12. Juli 2022 und während des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshofes (zu Ra 2022/17/0150) erneut straffällig geworden sei. Die Art und Schwere der zahlreichen Straftaten würden auf eine hohe kriminelle Energie des Revisionswerbers hinweisen. Die gewerbsmäßige Tatbegehung als Mitglied einer kriminellen Organisation zur Begehung strafbarer Handlungen nach dem Suchtmittelgesetz und die hohe Menge an überlassenem Suchtgift (u.a. rund 70.000 Gramm Cannabisharz) ließen den Schluss auf einen besonderen Handlungs- und Gesinnungsunwert und auf eine besondere Gefährlichkeit des Revisionswerbers zu. Auch bei Delikten gegen Leib und Leben handle es sich um besonders gefährliche Arten der Kriminalität. Der Revisionswerber habe nicht davor zurückgeschreckt, Personen im Gesichtsbereich zu verletzen. Der Revisionswerber sei zuletzt im Jahr 2023 strafgerichtlich verurteilt und erst vor kurzem aus der Haft entlassen. Zusammenfassend sei daher festzuhalten, dass der vom Revisionswerber ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch die Verhängung eines langjährigen Einreiseverbots effektiv begegnet werden müsse. In der Gesamtschau der oben angeführten Umstände sei das Einreiseverbot als rechtmäßig und die festgesetzte Dauer als angemessen zu qualifizieren.

9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

10 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

12Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13 Die Revision wendet sich in der Begründung ihrer Zulässigkeit gegen die vom BVwG vorgenommene Gefährdungsprognose und bringt vor, dass es das BVwG im Hinblick auf die Verurteilungen des Revisionswerbers verabsäumt habe, die Tatumstände zu erforschen.

14Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Gefährdungsprognose vor allem auf die Art und Schwere der den Verurteilungen zugrundeliegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (vgl. etwa VwGH 27.4.2023, Ra 2022/21/0130, mwN). Dem hat das BVwG ausreichend Rechnung getragen, indem es sich nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter Verschaffung eines persönlichen Eindrucks vom Revisionswerber ohnehin mit den konkreten Umständen der Taten (samt den strafgerichtlichen Erwägungen im Rahmen der Strafzumessung) auseinandersetzte. Der Revisionswerber schreckte wie das BVwG zutreffend hervorhobnicht einmal während anhängiger Verfahren vor dem BVwG und dem Verwaltungsgerichtshof betreffend das gegenständliche Einreiseverbot davor zurück, neuerlich Verbrechen und Vergehen zu begehen, die Verurteilungen zu Freiheitsstrafen nach sich zogen. Das BVwG schloss demnach zu Recht auf eine vom Revisionswerber ausgehende schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit im Sinn des § 53 Abs. 3 FPG.

15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 21. März 2025