JudikaturVwGH

Ra 2025/16/0010 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
14. August 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher und den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision 1. des Ing. G H und 2. des F H, beide vertreten durch die Rechtsanwälte Estermann Partner OG in Mattighofen, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 26. Juli 2023, Zl. LVwG 451303/4/Wg/VEP 451304/4, betreffend Festsetzung der Grundsteuer (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Marktgemeinde Ostermiething), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit Bescheid vom 27. Oktober 2022 setzte der Bürgermeister der Marktgemeinde O gegenüber den Revisionswerbern die Grundsteuer für ein in ihrem Miteigentum stehendes, näher bezeichnetes Grundstück unter Anwendung eines Messbetrags von 57,12 € und eines Hebesatzes von 500 % für die Jahre 2016 bis 2022 mit jeweils 285,60 € fest.

2 Gegen diesen Bescheid erhoben die Revisionswerber Beschwerde, welcher der Bürgermeister der Marktgemeinde O mit Beschwerdevorentscheidung vom 12. Jänner 2023 teilweise Folge gab und den Spruch des angefochtenen Bescheids dahingehend abänderte, dass er die Grundsteuer ab „01.01.2017“ und somit für die Jahre 2017 bis 2022 mit jeweils 285,60 € festsetzte.

3 Mit dem nach Stellung eines Vorlageantrags durch die Revisionswerber ergangenen angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) in Übereinstimmung mit der Beschwerdevorentscheidung der Beschwerde der Revisionswerber insoweit statt, als es im Spruch des Bescheids vom 27. Oktober 2022 die Wortfolge „ab 01.01.2016“ durch die Wortfolge „ab 01.01.2017“ ersetzte und aussprach, dass die Festsetzung der Grundsteuer für das Jahr 2016 ersatzlos aufgehoben werde. Im Übrigen wies es die Beschwerde als unbegründet ab und erklärte eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof für nicht zulässig.

4 Das Verwaltungsgericht führte - soweit hier wesentlich - aus, die Revisionswerber seien jeweils Hälfteeigentümer einer näher bezeichneten Liegenschaft in der KG O. Mit Bescheid des Finanzamts vom 9. Juli 2022 sei der Grundsteuermessbetrag für diese Liegenschaft ab dem 1. Jänner 2016 mit 57,12 € und der Einheitswert mit 31.300 € festgesetzt worden. Dies ergebe sich aus den im Akt aufliegenden Unterlagen und stimme mit dem Grundbuch und dem Beschwerdevorbringen überein. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung könne abgesehen werden, weil sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt aufgrund der Aktenlage ergebe und eine solche nicht beantragt worden sei.

5Gemäß § 18 Abs. 1 GrStG 1955 sei bei der Berechnung der Grundsteuer von einem Steuermessbetrag auszugehen, wobei gemäß § 20 Abs. 1 GrStG 1955 die Steuermessbeträge im Anschluss an die Hauptfeststellung der Einheitswerte festzusetzen seien. Der angefochtene abgeleitete Bescheid sei an die im Spruch des Grundlagenbescheids getroffene Feststellungen gebunden. Während Grundlagenbescheide als Feststellungsbescheide ohne Bedachtnahme auf Verjährungsfristen erlassen werden könnten, unterliege die Festsetzung der Grundsteuer der fünfjährigen Verjährungsfrist nach § 28b GrStG 1955. Gemäß § 28b Abs. 3 GrStG 1955 beginne die Verjährung mit Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden sei und werde gemäß § 28b Abs. 4 GrStG 1955 durch jede zur Geltendmachung des Abgabenanspruchs nach außen erkennbare Amtshandlung, wie durch die Erlassung des Steuermessbescheids durch das Finanzamt, unterbrochen. Für den gegenständlichen Fall folge daraus, dass das Recht, die Grundsteuer festzusetzen, für das Jahr 2016 bereits verjährt sei, hingegen für die Jahre 2017 bis 2022 noch keine Verjährung eingetreten sei.

6 Gegen dieses Erkenntnis erhoben die Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 26. November 2024, E 2981/2023 6, ablehnte und sie über nachträglichen Antrag der Revisionswerber mit Beschluss vom 10. Dezember 2024, E 2981/2023 8, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

7 In der Folge erhoben die Revisionswerber die nunmehr vorliegende außerordentliche Revision.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

10Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11Zur Zulässigkeit der Revision wird zunächst vorgebracht, das Verwaltungsgericht hätte vor „Fällung“ des Erkenntnisses eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG durchführen müssen.

12Dazu ist zunächst auf das im revisionsgegenständlichen Fall für das Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht maßgebliche Verfahrensrecht hinzuweisen. Aus § 2a BAO ist abzuleiten, dass in jenen Abgabenangelegenheiten, die in erster Instanz von anderen Abgabenbehörden als jenen des Bundes besorgt werden, von den Verwaltungsgerichten der Länder die BAO und nicht das VwGVG (mit Ausnahme des § 54 VwGVG) anzuwenden ist (vgl. etwa VwGH 19.2.2024, Ra 2024/13/0081).

13Ein Rechtsanspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 274 BAO setzt einen rechtzeitigen Antrag des Beschwerdeführers voraus. Dass die Revisionswerber in der Beschwerde oder im Vorlageantrag eine mündliche Verhandlung beantragt hätten, wird in der Revision nicht behauptet und ergibt sich auch nicht aus den vorgelegten Verfahrensakten. Auf eine mündliche Verhandlung, wenn es der Einzelrichter für erforderlich hält (§ 274 Abs. 1 Z 2 BAO), besteht indes kein Rechtsanspruch (vgl. etwa VwGH 9.5.2022, Ra 2022/13/0042, mwN).

14 Zur Zulässigkeit der Revision wird weiters vorgebracht wird, das Verwaltungsgericht sei zur Abänderung des angefochtenen Bescheids nicht zuständig gewesen, weil durch die Beschwerdevorentscheidung dem Ausgangsbescheid derogiert werde. Der Ausgangsbescheid könne an sich nicht abgeändert, aufgehoben oder bestätigt werden, sondern nur die Beschwerdevorentscheidung, sodass das Verwaltungsgericht eine ihm nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch genommen habe.

15Dem ist erneut das anwendbare Verfahrensrecht entgegenzuhalten. In einem Verfahren nach der BAO istanders als in Verfahren nach dem VwGVGgemäß § 279 Abs. 1 BAO der „angefochtene Bescheid“, also der erstinstanzliche Bescheid vom Verwaltungsgericht abzuändern oder aufzuheben. Die Beschwerdevorentscheidung, deren Wirksamkeit gemäß § 264 Abs. 3 BAO durch den Vorlageantrag nicht berührt wird, tritt mit dem Ergehen der abschließenden meritorischen Beschwerdeerledigung aus dem Rechtsbestand (vgl. VwGH 29.4.2024, Ra 2023/13/0120, mwN).

16 In der Revision wird weiters geltend gemacht, das Verwaltungsgericht habe keine Feststellungen zur Zustellung des Grundsteuermessbescheids vom 9. Juli 2022 getroffen. Ohne diese Feststellung sei von keiner nach außen erkennbaren Amtshandlung auszugehen, sodass der Unterbrechungstatbestand des § 28 Abs. 4 GrStG 1955 nicht vorliege. Es sei daher zumindest auch für das Jahr 2017 Festsetzungsverjährung eingetreten.

17Mit diesem Vorbringen wird schon deshalb kein relevanter Verfahrensmangel aufgezeigt, weil die Verjährung nach § 28b Abs. 3 GrStG 1955 erst mit Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist, beginnt. Damit endete die fünfjährige Verjährungsfrist nach § 28b Abs. 2 GrStG 1955 für die Grundsteuer 2017 unabhängig vom Zeitpunkt der Setzung einer Unterbrechungshandlungerst Ende 2022, sodass die Vorschreibung mit Bescheid vom 27. Oktober 2022 jedenfalls rechtzeitig erfolgt ist (vgl. zum Erfordernis der Relevanzdarlegung bei der Geltendmachung von Verfahrensmängeln etwa VwGH 28.5.2024, Ra 2022/15/0018, mwN).

18 In der Revision werden somit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 14. August 2025