JudikaturVwGhRa 2023/13/0120

Ra 2023/13/0120 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
29. April 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des Bürgermeisters der Gemeinde I, vertreten durch Prof. Haslinger Partner, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Zollamtstraße 7, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 4. Juli 2023, Zl. LVwG 451295/6/Wg/VEP 451296/4, betreffend Festsetzung von Kanal Hausanschlusskosten (mitbeteiligte Parteien: 1. K S und 2. M S, beide in I), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit Bescheid vom 19. Oktober 2022 sprach der Bürgermeister aus, gemäß § 2 Abs. 1 Z 12 Oö. Abwasserentsorgungsgesetz und § 4 Abs. 10 „Kanalverordnung“ des Gemeinderates seien für die Herstellung des Anschlusses an die öffentliche Kanalisation und Tragung der Kosten des Anschlusses die Eigentümer des Objektes verpflichtet. Festgesetzt wurden „Gebühren“ betreffend „Eigenanteil Kanal Hausanschluss Schmutzwasseranschluss“ sowie „Eigenanteil Kanal Hausanschluss Reinwasseranschluss“. Weiters wurden gemäß § 217 BAO ein Säumniszuschlag und gemäß § 227a BAO eine Mahngebühr festgesetzt. In der Begründung wurde u.a. ausgeführt, das näher bezeichnete Objekt sei an das gemeindeeigene, öffentliche Kanalnetz angeschlossen. Gemäß § 4 Abs. 10 der Kanalordnung seien die Eigentümer der angeschlossenen Grundstücke verpflichtet, zur Herstellung des Anschlusses an die öffentliche Kanalisation die dadurch entstandenen Kosten selbst zu tragen. Es handle sich hierbei um die Kosten des Anschlusses der Hauskanalanlage „vom Übergabeschacht in die öffentliche Kanalisation“. Die entsprechenden Kosten seien für das Bauvorhaben entstanden; sie seien von der Gemeinde bezahlt worden. Die Kosten seien das Ergebnis eines Vergabeverfahrens und in jedem Fall angemessen. Zur Verrechnung gelangten nur die Kosten „zwischen dem Anschluss der Hauskanalanlage vom Übergabeschacht in die öffentliche Kanalisation“.

2 Die mitbeteiligten Parteien erhoben gegen diesen Bescheid Beschwerde. Sie machten geltend, im Zuge der Wasserrechtsverhandlung betreffend Errichtung der Schmutz und Reinwasserkanalisation sei von Vertretern der Gemeinde mitgeteilt worden, dass der jeweilige Kanalstrang im öffentlichen Gut sowie der Anschlussschacht am öffentlichen Gut und ein etwa ein Meter langes Kanalrohr bis über die Grundgrenze auf das Grundstück der mitbeteiligten Parteien verlegt werde. Die Kosten hiefür trage die Gemeinde. Von dort (etwa ein Meter über der Grenze) bis zum Haus der mitbeteiligten Parteien sei der Hausanschluss von den mitbeteiligten Parteien zu errichten und zu zahlen. Der Kanal sei in der Folge wie besprochen errichtet worden. Nach Baufertigstellung des Wohnhauses sei im Dezember 2021 die Kanal Anschlussgebühr vorgeschrieben und von den mitbeteiligten Parteien entrichtet worden. Überraschenderweise habe die Gemeinde in der Folge eine Rechnung für die Baukosten des Hausanschlusses übermittelt. Nach Rückfragen sei den mitbeteiligten Parteien mitgeteilt worden, dass sie nun doch den Strang vom Anschlussschacht am öffentlichen Gut bis in das Grundstück der mitbeteiligten Parteien zahlen müssten. Es sei unbestritten, dass die mitbeteiligten Parteien nach § 4 Abs. 10 der Kanalordnung zur Herstellung und zur Tragung der Kosten des Kanalanschlusses verpflichtet seien. Dies hätten die mitbeteiligten Parteien aber nicht zur Gänze erfüllen können, da die Gemeinde ein Unternehmen für die Arbeiten vom Anschlussschacht bis ca. ein Meter über der Grundstücksgrenze beauftragt habe. Den mitbeteiligten Parteien sei zugesagt worden, dass der kurze Anschlussstrang von der Gemeinde hergestellt und bezahlt werde. Deshalb seien diese Arbeiten auch von der Gemeinde beauftragt worden. Die erbrachte Leistung sei im angefochtenen Bescheid auch unzutreffend bezeichnet, es handle sich um die Kosten vom Anschlussschacht am öffentlichen Gut bis etwa 1 m über die Grundstücksgrenze. Es handle sich dabei auch um keine Abgaben, die mit Bescheid vorgeschrieben werden könnten, sondern um eine „zivilrechtliche Thematik“.

3 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 7. Dezember 2022 wies der Bürgermeister die Beschwerde als unbegründet ab. Darin wurde neuerlich ausgeführt, zur Verrechnung gelangten die „Kosten zwischen dem Anschluss der Hauskanalanlage vom Übergabeschacht in die öffentliche Kanalisation“.

4 Die mitbeteiligten Parteien beantragten die Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht. Darin brachten die mitbeteiligten Parteien vor, die Gemeinde habe Bauarbeiten beauftragt, die nun nachträglich den mitbeteiligten Parteien verrechnet werden sollten. Es wirke für die mitbeteiligten Parteien wie eine unangekündigte Ersatzvornahme, die aber nicht notwendig gewesen wäre, da die mitbeteiligten Parteien den Anschluss auf ihre Kosten hergestellt hätten. Zudem habe die Gemeinde zugesagt, dass die Kosten von ihr übernommen würden. Die restlichen Hausanschlussgrabungen auf dem Grundstück der mitbeteiligten Parteien seien ohnehin von diesen durchgeführt worden. Es handle sich um keine Abgaben, sondern um eine zivilrechtliche Angelegenheit.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht der Beschwerde Folge und hob den angefochtenen Bescheid ersatzlos auf. Es sprach aus, dass gegen diese Entscheidung eine Revision unzulässig sei.

6 Nach Schilderung des Verfahrensgeschehens führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die mitbeteiligten Parteien seien jeweils Hälfteeigentümer eines näher bezeichneten Grundstückes samt dem darauf befindlichen Gebäude. Die Herstellung des Anschlusses des Grundstückes an das gemeindeeigene, öffentliche Kanalnetz sei im Juli 2021 erfolgt. Die Kanalanschlussgebühr sei mit Bescheid der belangten Behörde vom 20. Dezember 2021 vorgeschrieben worden.

7 Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid seien erkennbar die Kosten der Herstellung der Verbindung der Hauskanalstränge mit dem Anschlussschacht der öffentlichen Kanalisation (Übergabestelle) vorgeschrieben worden. Gemäß § 1 der Kanalgebührenordnung der Gemeinde werde für den Anschluss von Grundstücken an das gemeindeeigene, öffentliche Kanalnetz eine Kanalanschlussgebühr erhoben. Diese Kanalanschlussgebühr sei bereits mit Bescheid vom 20. Dezember 2021 vorgeschrieben worden. Eine Gebühr für „Eigenanteil Kanal Hausanschluss“ sei in der anwendbaren Kanalgebührenordnung nicht vorgesehen.

8 Nichts anderes ergebe sich aus § 2 Abs. 1 Z 12 Oö. Abwasserentsorgungsgesetz 2001 und § 4 Abs. 10 der Kanalordnung der Gemeinde.

9 Es sei nicht ersichtlich, auf welcher (öffentlich rechtlichen) Rechtsgrundlage die von der belangten Behörde vorgeschriebene Gebühr für „Eigenanteil Kanal Hausanschluss“ gründen solle, sodass die bescheidmäßige Vorschreibung ersatzlos aufzuheben gewesen sei.

10 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision des Bürgermeisters.

11 Die mitbeteiligten Parteien haben nach Einleitung des Vorverfahrens eine Revisionsbeantwortung (ohne Antrag auf Aufwandersatz) eingebracht. Die weitere Partei (Oö. Landesregierung) hat sich am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht beteiligt.

12 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein derartiger Beschluss ist nach § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

15 Zur Zulässigkeit der Revision wird zunächst geltend gemacht, das Verwaltungsgericht nehme ohne Beweiswiederholung einen anderen Sachverhalt an als jenen, der dem Bescheid zu Grunde gelegen sei. Im Bescheid finde sich die klare Aussage, dass mit den verrechneten Kosten der Betrag für die Verlegung des Kanals von der Übergabestelle zum öffentlichen Kanalnetz verrechnet werde.

16 Begrifflich bestehen zwar Abweichungen („Übergabestelle“; „Übergabeschacht“; „Anschlussschacht“). Erkennbar meinen aber beide Verfahrensparteien die Kosten der Errichtung jener etwa zwei bis drei Meter langen Rohrleitungen, die von einer Stelle, die sich etwa 1 Meter innerhalb des Grundstückes der mitbeteiligten Parteien befindet (allenfalls dort befindlicher „Übergabeschacht“), bis zu jener Stelle, die sich auf öffentlichem Grund befindet, reichen, an der diese Rohrleitungen in die auf öffentlichem Grund befindliche öffentliche Kanalisation einmünden (vgl. § 2 Abs. 1 Z 12 Oö. Abwasserentsorgungsgesetz 2001 Oö. AEG 2001). Ausgehend von diesem unstrittigen Sachverhalt kann die Revision wie noch zu zeigen sein wird aber nicht darlegen, dass das angefochtene Erkenntnis mit einem die Zulässigkeit der Revision begründenden Mangel behaftet wäre.

17 Die Revision macht weiters geltend, das Verwaltungsgericht stütze seine Entscheidung auf eine falsche Rechtsgrundlage. Rechtsgrundlage des Bescheides sei nicht die Kanalgebührenordnung, sondern die Kanalordnung der Gemeinde.

18 Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass sich das Verwaltungsgericht in seiner Begründung sowohl mit der Kanalanschlussgebühr nach der Kanalgebührenordnung als auch mit der Verpflichtung zur Tragung der Kosten des Anschlusses nach § 4 Abs. 10 der Kanalordnung befasste. Dass der Anspruch auf die Kanalgebührenordnung gestützt werden könnte, wird auch in der Revision nicht behauptet.

19 Die Kanalordnung stützt sich auf § 11 Abs. 2 Oö. AEG 2001. Demnach hat jede Gemeinde, in der eine öffentliche Kanalisation betrieben wird, durch Verordnung des Gemeinderates (Kanalordnung) die Einleitungsbedingungen festzulegen, sofern diese nicht als Allgemeine Geschäftsbedingungen den privatrechtlichen Vereinbarungen zwischen dem Eigentümer des zu entsorgenden Objekts und dem Kanalisationsunternehmen zugrunde gelegt werden. Nach § 4 Abs. 10 der Kanalordnung ist der Eigentümer des Objektes zur Herstellung des Anschlusses an die öffentliche Kanalisation und zur Tragung der Kosten des Anschlusses verpflichtet.

20 Gemäß § 12 Abs. 2 Oö. AEG 2001 hat die Anschlusspflicht die Wirkung, dass die anfallenden Abwässer nach Maßgabe der Einleitungsbedingungen in die öffentliche Kanalisation einzuleiten sind. Soweit nicht der Eigentümer des anschlusspflichtigen Objekts und das Kanalisationsunternehmen privatrechtlich etwas anderes vereinbaren, hat der Eigentümer des Objekts sicherzustellen, dass die zum Anschluss erforderlichen Einrichtungen innerhalb von drei Monaten hergestellt werden.

21 Kommt der Eigentümer eines Objekts dieser Verpflichtung nicht nach, so hat die Behörde gemäß § 12 Abs. 4 Oö. AEG 2001 mit Bescheid die Herstellung der für den Anschluss erforderlichen Einrichtungen binnen angemessener Frist vorzuschreiben. Dieser Bescheid ist für den Fall, dass der Eigentümer dieser Verpflichtung nicht nachkommt zu vollstrecken (vgl. den Ausschussbericht für ein Landesgesetz über die Wasserversorgung im Land Oberösterreich, LGBl Nr. 35/2015, Beilage 1372/2015 27. GP LT 10, unter Hinweis darauf, dass die dort vorgeschlagene Regelung in Anlehnung an das Oö. AEG 2001 vorgesehen werde).

22 Der Anschlusspflichtige kann demnach mit dem Kanalisationsunternehmen privatrechtlich eine Vereinbarung über die für den Anschluss erforderlichen Einrichtungen treffen. Rechtsfolgen aus einer derartigen privatrechtlichen Vereinbarung (eine solche wird von den mitbeteiligten Parteien behauptet) wären sodann im ordentlichen Rechtsweg geltend zu machen (vgl. z.B. OGH 24.11.1998, 1 Ob 178/98b); die Erlassung eines Bescheides schiede aus. Wird eine derartige Vereinbarung nicht getroffen, hat der Anschlusspflichtige nach dem Gesetz, ebenso nach der Kanalordnung die Hauskanalanlage (bis zu seiner Einmündung in die öffentliche Kanalisationsanlage; § 2 Abs. 1 Z 12 Oö. AEG 2001) auf eigene Kosten herzustellen. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, hat die Behörde ihn dazu mit Bescheid zu verhalten. Dieser Bescheid kann sodann etwa mittels Ersatzvornahme auf Kosten des Verpflichteten vollstreckt werden (§ 4 VVG). Eine Vorschreibung der außerhalb eines derartigen Verfahrens aufgewendeten Kosten für die Herstellung der Hauskanalanlage im Sinne von Gebühren (Abgaben) wie im vorliegenden Fall vorgenommen scheidet aber aus.

23 Dem Verwaltungsgericht ist daher im Ergebnis nicht entgegenzutreten, wenn es den Bescheid des Bürgermeisters ersatzlos behoben hat.

24 Schließlich macht die Revision geltend, mit dem angefochtenen Erkenntnis werde der erstinstanzliche Bescheid behoben, obwohl eine Beschwerdevorentscheidung ergangen sei; das Landesverwaltungsgericht habe über die Beschwerdevorentscheidung abzusprechen.

25 Dem ist entgegenzuhalten, dass in einem (wie hier vorliegend) Verfahren nach der BAO anders als in Verfahren nach dem VwGVG gemäß § 279 Abs. 1 BAO der „angefochtene Bescheid“, also der erstinstanzliche Bescheid vom Verwaltungsgericht abzuändern oder aufzuheben ist. Die Beschwerdevorentscheidung, deren Wirksamkeit gemäß § 264 Abs. 3 BAO durch den Vorlageantrag nicht berührt wird, tritt mit dem Ergehen der abschließenden meritorischen Beschwerdeerledigung (hier also der ersatzlosen Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides) aus dem Rechtsbestand (vgl. VwGH 29.6.2022, Ra 2021/15/0072; 16.11.2022, Ra 2020/15/0040, je mwN).

26 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 29. April 2024

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