JudikaturVwGH

Ra 2025/10/0117 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
Umweltrecht
01. September 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der Oberösterreichischen Landesregierung, der gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 20. Juni 2025, Zlen. LVwG 553127/14/BeH/DaE, LVwG 553128/13/BeH/Dae, betreffend Aufhebung einer Untersagung gemäß § 6 Abs. 3 Oö. Natur- und Landschaftsschutzgesetz 2001 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Freistadt; mitbeteiligte Parteien: 1. L H und 2. N H, beide vertreten durch die Raffaseder Haider Rechtsanwälte OG in Freistadt), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag stattgegeben.

1 1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 20. Juni 2025 hob das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich aufgrund einer Beschwerde der Mitbeteiligten die mit Bescheid der belangten Behörde vom 14. November 2024 gemäß § 6 Abs. 3 iVm § 6 Abs. 1 Z 8 Oö. Natur- und Landschaftsschutzgesetz 2001Oö. NSchG 2001 ausgesprochene Untersagung der Errichtung einer „5 kW Windkraftanlage mit 15 m Turm“ auf einem bestimmten Grundstück (im Grünland außerhalb von geschlossenen Ortschaften) auf.

2 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidungen (unter anderem) an Feststellungen zur Beeinträchtigung des Landschaftsbildes durch das angezeigte Vorhaben (im Wesentlichen) zugrunde, mit der geplanten Windkraftanlage werde ein neues, technisches Bauwerk in die Landschaft eingebracht, das weder funktional noch optisch im Einklang mit den bisher vorhandenen Landschaftselementen und Nutzungen stehe und aufgrund seiner Dimension weithin optisch wahrnehmbar sei. Aufgrund der Topographie des umgebenden Geländes scheine die geplante Windkraftanlage weitgehend isoliert in der Kulturlandschaft zu stehen.

3 Die Windkraftanlage gliedere sich auch in Hinsicht auf die Größenverhältnisse nicht störungsfrei in die Umgebung ein; so überschreite sie mit einer Höhe von 18,25 m (einschließlich der Rotorblätter) die Höhen der in diesem Landschaftsraum vorhandenen Bauwerke jeglicher Art signifikant. Aufgrund des projektbedingt exponierten Standorts der Anlage auf einer Erhebung sei die Höhendifferenz zu ortsüblichen Gebäude- und Vegetationshöhen signifikant erkenn- und wahrnehmbar; diese Wahrnehmbarkeit werde durch die Bewegung der Rotoren im Wind noch verstärkt.

4 Insgesamt sei im Fall der Ausführung des angezeigten Vorhabens eine erhebliche Störung des Landschaftsbildes gegeben.

5 In rechtlicher Hinsicht ließ das Verwaltungsgericht unter Berücksichtigung der von den Mitbeteiligten geltend gemachten Interessen an der Vorhabensverwirklichung (Sicherstellung einer eigenständigen und autarken Versorgung mit erneuerbarer Energie, Erweiterung der regionalen Energieversorgung und Erreichung einer Klimaneutralität in der Energiegewinnung)die nach § 6 Abs. 3 letzter Satz Oö. NSchG 2001 vorzunehmende Interessenabwägung zugunsten des Projektes ausschlagen.

62. Gemäß § 30 Abs. 2 erster Satz VwGG ist der Revision auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

7 Die Oberösterreichische Landesregierung verband mit ihrer (außerordentlichen) Revision gegen das Erkenntnis vom 20. Juni 2025 den Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

8 3. Bei einer Amtsrevision - wie hier - ist als „unverhältnismäßiger Nachteil für den Revisionswerber“ eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung der von der Amtspartei zu vertretenden öffentlichen Interessen als Folge einer Umsetzung der angefochtenen Entscheidung in die Wirklichkeit zu verstehen. Insoweit treten diese öffentlichen Interessen im Falle einer Amtsrevision bei der vorzunehmenden Interessenabwägung an die Stelle jener Interessenlage, die sonst bei einem „privaten“ Revisionswerber als Interesse an dem Aufschub des sofortigen Vollzugs der angefochtenen Entscheidung in die Abwägung einfließt (vgl. etwa auch zu einer Revision einer LandesregierungVwGH 25.10.2018, Ra 2018/10/0145, mwN).

9 Im vorliegenden Aufschiebungsantrag weist die Revisionswerberin in diesem Sinn auf die (vom Verwaltungsgericht festgestellte) erhebliche Störung des Landschaftsbildes durch die gegenständliche Windkraftanlage hin; der beschriebene Standort sei „exemplarisch für eine anthropogen nicht überprägte Kulturlandschaft in Oberösterreich“.

10 Es sei den Mitbeteiligten „zumutbar, die Entscheidung des VwGH abzuwarten, zumal aufgrund der Geringfügigkeit der produzierten Strommenge diesen auch für die Dauer des Verfahrens kein unwiederbringlicher Nachteil“ drohe.

114. Nach der ständigen hg. Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erkenntnisses nicht zu beurteilen und haben Mutmaßungen über den voraussichtlichen Ausgang des Verfahrens des Verwaltungsgerichtshofes bei der Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung außer Bedacht zu bleiben. Ist das in der Revision erstattete Vorbringen nach der Aktenlage nicht etwa von vornherein als zutreffend zu erkennen, ist bei der Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung jedenfalls zunächst von den Annahmen des Verwaltungsgerichts auszugehen. Unter den „Annahmen des Verwaltungsgerichts“ sind hiebei die Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Erkenntnis zu verstehen, die nicht von vornherein als unschlüssig zu erkennen sind bzw. die ins Auge springende Mängel nicht erkennen lassen (vgl. etwa VwGH 15.12.2021, Ra 2021/10/0178, mwN).

12Die im angefochtenen Erkenntnis getroffenen Feststellungen zu einer erheblichen Störung des Landschaftsbildes durch das angezeigte Vorhaben (vgl. oben unter Rz 2 bis 4) sind somit der Beurteilung eines „unverhältnismäßigen Nachteils“ iSd § 30 Abs. 2 VwGG zugrunde zu legen.

13Die von den Mitbeteiligten in ihrer Stellungnahme vom 26. August 2025 hervorgehobenen Interessen an einer Versagung der aufschiebenden Wirkung (steigende Kosten für die Umsetzung von Bau- und Anlagenprojekten und Verhinderung der Stromerzeugung „in der Zeitdauer bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes“) vermögen das aus den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes ableitbare erhebliche öffentliche Interesse am Natur- und Landschaftsschutz (vgl. § 1 Abs. 1 und 2 Z 3 Oö. NSchG 2001) nicht zu überwiegen.

14 5. Dem Aufschiebungsantrag war daher stattzugeben.

Wien, am 1. September 2025