Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des T W, vertreten durch Dr. Longin Josef Kempf und Dr. Josef Maier, Rechtsanwälte in Peuerbach, der gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 29. April 2025, LVwG 154245/9/RK/FE, betreffend Untersagung der Benützung einer baulichen Anlage gemäß § 50 Oö. Bauordnung 1994 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeisterin der Gemeinde Tollet; weitere Partei: Oberösterreichische Landesregierung), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antragstattgegeben.
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die vom Revisionswerber gegen Spruchpunkt II. des Bescheides der Bürgermeisterin der Gemeinde T (im Folgenden: belangte Behörde) vom 3. Juni 2024 erhobene Beschwerde unter Anpassung der Leistungsfrist als unbegründet abgewiesen und ihm als Liegenschaftseigentümer und Führer des landwirtschaftlichen Betriebs gemäß § 50 Oö. Bauordnung 1994 Oö. BauO 1994 die Benützung des verfahrensgegenständlichen Stallgebäudes ohne Einhaltung der rechtskräftig vorgeschriebenen Auflagen untersagt. Innerhalb der festgesetzten Frist dürften die bereits eingestellten Tiere lediglich bis zur Schlachtreife gemästet werden, ein Zukauf von Einstellern sei strengstens untersagt.
2 Der Revisionswerber begründet den mit der Revision verbundenen Aufschiebungsantrag im Wesentlichen damit, dass zwingende öffentliche Interessen der Bewilligung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegenstünden, zumal die Überschreitung eines Dauerschallpegels LA,eq=37dB für sich allein noch keine schädliche Umwelteinwirkung im Sinne des § 2 Z 22 Oö. Bautechnikgesetz 2013 Oö. BauTG 2013 darstelle. Darüber hinaus befinde sich das Grundstück des Revisionswerbers in der Widmung „Grünland“, weshalb kein Immissionsschutz zugunsten von Nachbarn bestehe. Auch hätten die Richtwerte laut ÖNORM S 5021 für Bauten in einer Grünlandwidmung keine Geltung; sie würden jedoch ohnehin nicht überschritten. Es liege demnach keine Gefährdungssituation oder erhebliche Belästigung für Nachbarn vor. Demgegenüber hätte der Revisionswerber bei sofortiger Umsetzung des Bauauftrages erhebliche Nachteile zu gewärtigen. Ein Großteil des Stallgebäudes könnte nicht mehr für die Haltung von bis zu 400 Mastschweinen genutzt werden, wodurch ein erheblicher Ertragsverlust in der Höhe von jedenfalls mehr als € 60.000, zu erwarten wäre.
3 Die belangte Behörde sprach sich in ihrer Äußerung vom 24. Juli 2025 gegen den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung aus und brachte im Wesentlichen vor, dass einer Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zwingende öffentliche Interessen entgegenstünden, weil durch den sofortigen Vollzug der Benützungsuntersagung eine Gesundheitsgefährdung eines Nachbarn abgewendet werden solle. Die belangte Behörde stütze sich auf die Stellungnahmen zahlreicher näher genannter Sachverständiger sowie des anwaltlich vertretenen betroffenen Nachbarn, die allesamt in eine Stellungnahme eines medizinischen Sachverständigen des Amtes der Oö. Landesregierung gemündet hätten, nach der sich durch das Projekt nachteilige Wirkungen in Form erheblicher Belästigungen oder Gesundheitsgefährdungen durch Schallimmissionen der Dauergeräusche der Lüftungsanlagen ergäben.
4Gemäß § 30 Abs. 2 erster Satz VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof (ab Vorlage der Revision) auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
5Nach der hg. Judikatur sind unter zwingenden öffentlichen Interessen im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG besonders qualifizierte öffentliche Interessen zu verstehen, die den sofortigen Vollzug der angefochtenen Entscheidung zwingend gebieten. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn mit dem Aufschub eine konkrete drohende Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen bzw. deren Eigentum verbunden wäre (vgl. etwa VwGH 20.2.2018, Ra 2017/05/0293, mwN).
6 Ferner hat der Verwaltungsgerichtshof im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht zu überprüfen, sondern ist wenn das in der Revision erstattete Vorbringen nach der Aktenlage nicht etwa von vornherein als zutreffend zu erkennen istzunächst von den Annahmen in der angefochtenen Entscheidung auszugehen (vgl. etwa VwGH 11.9.2019, Ra 2019/03/0103, mwN).
7 Eine konkret drohende Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen bzw. deren Eigentum wurde mit dem pauschalen Hinweis der belangten Behörde auf „nachteilige Wirkungen in Form erheblicher Belästigungen oder Gesundheitsgefährdungen durch Schallimmissionen der Dauergeräusche der Lüftungsanlage“ nicht dargetan. Auch das angefochtene Erkenntnis enthält dazu keine tauglichen Feststellungen. Aus den dortigen Ausführungen alleine, dass nach den Projektunterlagen der Wert des Dauerschallpegels von LA,eq=37dB in 25 Metern Entfernung von der Abluftöffnung beim Maximalbetrieb der Lüftungsanlage nicht eingehalten werden könne, der Nachweis dessen Einhaltung aber zu erbringen sei, sind ohne ergänzende Ausführungen die von der belangten Behörde geltend gemachten nachteiligen Wirkungen weder konkretisiert noch bestätigt. Damit sind aber zwingende öffentliche Interessen im oben genannten Sinn nicht dargelegt worden. Es ist daher in die Interessenabwägung einzutreten.
8 Die vom Revisionswerber geltenden gemachten wirtschaftlichen Nachteile eines sofortigen Vollzuges liegen auf der Hand, wobei im Übrigen auch nach der Aktenlage nicht ersichtlich ist, dass trotz dieser gegenläufigen Interessen des Revisionswerbers dennoch im öffentlichen Interesse ein sofortiger Vollzug des Benützungsverbotes erforderlich wäre.
9 Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am 11. August 2025