JudikaturVwGH

Ra 2017/05/0293 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
20. Februar 2018

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der G GmbH, vertreten durch die Jeannee Rechtsanwalt GmbH in 1010 Wien, Bösendorferstraße 5/8, der gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 2. Juni 2017, Zl. VGW- 111/067/3565/2015-99, betreffend Versagung einer nachträglichen Baubewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Magistrat der Stadt Wien; weitere Partei: Wiener Landesregierung), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag stattgegeben.

1 Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof (ab Vorlage der Revision) auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die von der revisionswerbenden Partei gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien (im Folgenden: Magistrat) vom 19. Jänner 2015, mit dem gemäß § 8 Abs. 6 Wiener Kleingartengesetz 1996 die nachträgliche Bewilligung für die Errichtung eines unterkellerten Kleingartenwohnhauses untersagt worden war, als unbegründet abgewiesen.

3 Die revisionswerbende Partei begründet den mit der Revision verbundenen Aufschiebungsantrag im Wesentlichen damit, dass ihr mangels Erteilung der Baubewilligung ein Abbruchbescheid und damit ein unverhältnismäßiger sowie nicht wieder gutzumachender Nachteil drohten. Zwingende öffentliche Interessen, die einen sofortigen Vollzug erforderten, lägen nicht vor.

4 Der Magistrat sprach sich in seiner Stellungnahme vom 25. Jänner 2018 gegen diesen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung aus und brachte im Wesentlichen vor, dass einer Zuerkennung zwingende öffentliche Interessen entgegenstünden. So handle es sich bei dem Baubewilligungsansuchen der revisionswerbenden Partei um ein Ansuchen für ein bereits im Jahre 1999 konsenslos errichtetes Gebäude, und es stelle ein in letzter Konsequenz verfügter Abbruch des Gebäudes das geradezu typische Risiko dar, das die Bauwerberin offenbar einzugehen bereit gewesen sei. Seit nunmehr fast zwei Jahrzehnten sei die fehlende Absicht der revisionswerbenden Partei, den rechtskonformen Zustand herzustellen, offenkundig, und sie versuche, mit unzähligen Anträgen in evidenter Verschleppungsabsicht den rechtswidrigen Zustand zu erhalten. Die Aussichtslosigkeit, je eine rechtskräftige Baubewilligung für das bereits errichtete Gebäude erlangen zu können, sei evident. Auch liege keine Entscheidung vor, die einem Vollzug bzw. der Ausübung einer Berechtigung zugänglich sei, weil die beantragte Bewilligung nicht erteilt worden sei. Ferner solle das unzweifelhaft rechtswidrige Verhalten der revisionswerbenden Partei schon aus generalpräventiven Gründen nicht zum Vorteil gereichen. Es entstehe - für die breite Öffentlichkeit zugänglich - der Eindruck, dass mit ausreichend professionellen PR-Maßnahmen der zwangsweise Abbruch ad infinitum hinausgezögert werden könne. Die Wirkung einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung auf die Meinung derjenigen, die sich an die Bauvorschriften hielten, im Hinblick auf die Durchsetzbarkeit von rechtskräftigen Abbruchaufträgen - es existierten für das Gebäude zwei rechtskräftige Beseitigungsaufträge jeweils vom 29. November 2002 -

wäre diejenige, dass sich die Einhaltung der Bauvorschriften nicht auszahle, wenn rechtswidrige Bauführungen keine Konsequenzen hätten.

5 Dazu ist Folgendes auszuführen:

Entgegen der Auffassung ist das angefochtenen Erkenntnis, mit dem die Abweisung der Erteilung einer nachträglichen Bewilligung für das bereits errichtete Kleingartenwohnhaus bestätigt wurde, in Anbetracht der vom Magistrat genannten Abbruchaufträge insoweit mittelbar einem Vollzug zugänglich, als nach ständiger hg. Judikatur (vgl. etwa VwGH 5.3.2014, Ro 2014/05/0008, mwN; ferner etwa Moritz , BauO Wien5, zu § 129 Abs. 10 BO, 370 dritter Absatz) ein noch nicht rechtskräftig erledigtes Bauansuchen für ein Bauwerk, auf das sich der baupolizeiliche Auftrag bezieht, die Vollstreckbarkeit dieses Auftrages hindert (vgl. zum Ganzen auch den die gegenständliche baurechtliche Angelegenheit betreffenden Beschluss VwGH 17.3.2008, AW 2008/05/0012).

6 Nach der hg. Judikatur sind unter zwingenden öffentlichen Interessen im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG besonders qualifizierte öffentliche Interessen zu verstehen, die den sofortigen Vollzug des angefochtenen Bescheides zwingend gebieten. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn mit dem Aufschub eine konkrete drohende Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen bzw. deren Eigentum verbunden wäre (vgl. etwa VwGH 17.11.2006, AW 2006/10/0041, und 16.3.2009, AW 2008/04/0062). Dass zwingende öffentliche Interessen für die voraussichtliche Dauer des Revisionsverfahrens keinen Aufschub duldeten, ist nicht ersichtlich und wurde vom Magistrat auch nicht konkret dargelegt. Die in dessen Stellungnahme angeführten "generalpräventiven Gründe" stellen jedenfalls keine zwingenden öffentlichen Interessen im oben genannten Sinn dar. Es ist daher in die Interessenabwägung einzutreten.

7 Die Nachteile, die für die revisionswerbende Partei mit einer sofortigen Vollstreckung der Beseitigungsaufträge und den Abbruch des verfahrensgegenständlichen Gebäudes verbunden wären, liegen auf der Hand. Diese massiven wirtschaftlichen Interessen der revisionswerbenden Partei überwiegen die vom Magistrat vorgebrachten gegenläufigen öffentlichen Interessen.

8 Im Hinblick darauf war spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am 20. Februar 2018

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